(Beifall links.) Der KriegSmtntster giebt Mängel der Militärstrafprozeßordnung zu. Im Allgemeinen habe ste sich jedoch bewährt, besonders im Kriege. Die Diskussion über das Beschwerderecht ist ein Eingriff in die Prärogative der Krone. (Beifall rechts.) Bebel (Soz.) meint, es würden noch verschiedene Jahre vergehen, ehe eine gerechte Milttär- strafprozeßordnung zu stände komme. Redner erwähnt sodann den Fall des Redakteurs Gradnauer (wegen dessen Verbindung mit sozialdemokratischen Reservemännern) und des Generals Kirchhofs (dessen Rencontre mit Harich, dem Redakteur des „B. T." bekannt ist.) Der Beschwerdeweg müsse abgeäudert werden, damit die Beschwerdeführer nicht befürchten müssen, wegen ihrer Beschwerde Nachteile zu haben. Der Kriegs- Minister erklärt: General Kirchhofs befand sich im Stande der Notwehr, da das Gesetz ihm keine Hilfe mehr bot. Ist einer unter Ihnen, der vor seine Tochter hintreten möchte, um ihr zu sagen, ich habe nicht den Willen, nicht den Mut, Dir zu helfen? (Zustimmung.) Ein Offizier, der selbst vor dem Feinde geblutet, wenn der zum Revolver greifen muß, dann sage ich, das ist kein Raufbold. Da ist etwas nicht richtig im Staate. (Beifall rechts.) Keine einzige Zeitung sagte, was Kirchhofs hätte thun sollen. Sie alle werden mir beitreten, wenn ich für mildernde Umstände plaidiere, hier, wo es sich um die Ehre einer deutschen Jungfrau handelt. (Beifall.) Der sächsische Kctegsminister v. d. Planitz konstatiert, daß Gradnauer sich selbst der Verbrechen beschuldigte. Soldatenmißhandlungen sind schärfsten? zu verurteilen, aber auch die drakonischsten Strafandrohungen können dieselben nie ganz unterdrücken.
* Berlin, 5. März. Fortsetzung der Beratung des Militäretats. Kciegsminister v. Bronsart kommt auf den Fall Kirchhofs zurück. Man habe gefragt, wie ist es möglich, daß jene Notiz verbreitet werden konnte? Ein erbärmlicher Mensch, der sich auch andere Verfehlungen hat zu schulden kommen laßen, hat ste einfach erfunden, wie er vor Gericht eingestand: ste ist erlogen und erstunken, vom „Berliner Tageblatt" ausgenommen und in seinen Kreisen verbreitet worden. (Heiterkeit.) Wäre Kirchhofs vor das bürgerliche Schwurgericht gekommen, er wäre sicherlich freigesprochen worden, zumal wenn er das Glück gehabt hätte, zum Verteidiger Männer wie Träger oder Munckel zu haben. (Heiterkeit.) Das Begnadigungsrecht ist ein Recht der Krone und ich weise jeden Angriff auf dasselbe zurück. (Beifall rechts.) Sie (zu den Sozialdemokraten) werden »ns noch einst Dank wissen, wenn das Recht der Krone, Gnade zu üben, noch besteht. (Widerspruch und Lärm bei den Sozialdemokraten; Beifall rechts.) Auch das Beschwerderecht gehört zur Kompetenz der Krone, und wenn es demnächst geändert wird, geschieht das nicht auf die Anregung Bebel's. Redner wendet sich dann Bebel's Ausführungen über Soldaten-Miß- handlungen zu; es könne sich doch nur um die Stellung der obersten Militärverwaltung zu dieser Frage handeln, und diese sei bekannt. Nach längerer Debatte, die wesentlich von der Erörterung des Falles Kirchhofs ausgefüllt wird, wird das Kapitel: MiU- tärjustiz genehmigt.
habe ich den Ring auch schon, weil er von ihm kommt, den ich so lieb habe. Ist das nicht eigentlich sonderbar, daß man einen fremden Herrn, den man erst so kurze Zeit kennt, so über die Maßen lieb hat, mehr als die lieben Eltern und alle andern auf der Welt? Aber wie thöricht ich rede! Du mußt ja natürlich Onkel Rudolf ebenso lieben, da du ihn heiraten willst.
Und nun genug für heute. In acht Tagen sind wir bei euch und feiern eine fröhliche, herrliche Hochzeit. Deine über alle Beschreibung glückliche Ada.
?. 8. Zu unserer Hochzeit kommt ihr natürlich auch und ich will so gerne cremefarbenen Rips als Brautkleid."
„Nun endlich," murmelte Viktoria leise lächelnd, „sie hat ihr Ziel erreicht und wird gewiß eine allerliebste, kleine Weltdame, .Hausfrau und Mutter nach all den erlittenen Prüfungen, wie sie ihre sechswöchentliche Probezeit nennt. Hm, der Geschmack ist glücklicherweise recht verschieden. Ich hätte den faden, wohlduftenden Baron mit seinem steten Lächeln und tadellosen Glacehandschuhen nicht gemocht und wenn mir eine ganze Welt in die Wagschale gelegt worden wäre. Aber ich freue mich für meinen kleinen, blonden Sonnenstrahl und besonders da Rohr vermögend ist, sie somit nicht pekuniären Sorgen entgegensieht. Gott beschütze euch, ihr Lieben!"
So war denn der Hochzeitstag angebrochen, strahlend, sonnig und frühlingswarm. In dem Schlafzimmer Äiktorias lag das Brautkleid aus schwerem, weichem Damast, förmlich überrieselt mit Spitzen.
Landesvachrichteu.
* Altensteig, 7. März. Wir haben schon vor einigen Wochen darauf aufmerksam gemacht, daß die Preise des Viehs in letzter Zeit enorm gestiegen sind und heute liegt ein Bericht von Bietigheim vor uns, in dem es heißt: „Pie Preise am Henttgen Aiehmarkt erreichte« eine vis jetzt «och «icht dagewesene Köhe Ks wäre« eine Menge Känfer erschiene« «nd die Kändker gewannen an jedem StnL 40 vis 50 Mk. Das Schaffoieh war kavm z« bezahle«, eöenso Wetzger- vietz". — Wie im größeren Teil des Landes, so hat auch in unserem Bezirk infolge der Futternot der Vtehstand bis 1. Dezember 1893 einen Rückgang von 29,8 °/o erfahren und dürfte seither sich wohl um wettere 10°/o reduziert haben. Im Spätjahr wurde namentlich mit dem Zugvieh aufgeräumt, das mit dem Beginn der Feldarbeiten wieder beschafft werden muß. Jetzt muß aber für das Vieh mehr als der doppelte Preis angelegt werden und enorme Summen fließen in die Taschen des Händlers und Viehwucherers. Und welche Bedingungen der weniger bemittelte Bauer eingehen muß, um seinen benötigten Viehstand wieder notdürftig zu ergänzen, darüber ein Bild zu entwerfen, möge uns der geneigte Leser erlaffen. Thatsache ist eben wieder leider, daß mancher zeitlebens dem Wucherer zur Ausbeute verfallen und manche Existenz ruiniert wird. In Nr. 24 d. Bl. haben wir den Wunsch ausgesprochen, die landwirtschaftlichen Vereine sollten durch Vieheinkäufe und Abgabe auf längeren Kredit der bestehenden Not entgegenwirken, was — mit Unterstützung der Amtskorporationen — etwa in ähnlicher Weise wie bei den Zuchtvieh-Etn- und Verkäufen geschehen könnte —, die Ausführung dieses Vorschlags scheint aber viele praktische Schwierigkeiten zu haben. Als eine wesentliche derselben wird, wie man uns von zuständiger Seite mitteilt, eben der enorme Bedarf an Vieh angesehen. Dies zeigt das folgende Beispiel: Der Verein kauft etwa 30 bis 40 Stück Vieh auf, das erfordert incl. Unkosten etwa 12,000 Mk., der Bezirk hat nun 38 Gemeinden, folglich würde eine Gemeinde nur ein einziges Stück treffen. Wenn also der Ein- und Verkauf einen Wert haben soll, müßte er in großem Maßstabe stattfinden, was aber auch wieder eingroßesRtsiko bedeutet, denn ungünstige Umstände mancher Art müssen in Betracht genommen werden. Bei dem letzten Zuchtviehverkauf seitens des landwirtschaftlichen Beztrksveretns Nagold, wo es sich verhältnismäßig nur um wenige Stücke handelte, hatte der Verein eine Einbuße von nahezu 900 Mk. zu decken. — Zweckmäßiger könnte deswegen durch Gründung von Sieh-Nermietanstalten in den einzelnen Gemeinden dem bestehenden Notstand entgegengewirkt werden. Aehnliche Anstalten bestehen schon mehrere Jahre in Spaichingen und Waldenbuch und wie wir schon öfters zu lesen Gelegenheit gehabt haben, wirken dieselben mit vielem Erfolg. Die Anstalten sind daselbst Gemeindesache. Die Gemeinde kauft das Vieh auf und vermietet dasselbe an die Gemeindebürger zu einem bei Abschluß des Mietvertrags festzusetzenden Preis, welcher dem Wert des Tieres mit Einschluß des Zinses entspricht. Der Mietpreis wird nun in 6- bis 8jährlichen Raten ent-
Daneben auf dem Toilettentisch stand das Etui mit den Hohenburgschen Familien-Brillanten, die Viktorias Mutterschon getragen;die köstlichenSteine flimmerten und blitzten der träumerisch sich darüber neigenden Braut entgegen wie eitel Glück und Freude.
„Möchte es mir gelingen, diesen edlen Charakter zu beglücken, wie er's verdient," murmelte Viktoria, die bereits zur Ziviltrauung angezogen war; ihr Antlitz war sehr ruhig «nd kühl, wie man es bei einer glücklichen Braut kaum erwartet, aber es ruhte dennoch ein innerer Friede darauf, den das Liebesglück allein nicht immer verleiht.
Wenn man Viktoria noch heute gesagt hätte: „Löse die Fesseln, welche dich an einen älteren Mann binden, sei wieder frei und suche nach Liebe!" so würde sie den Kopf geschüttelt haben und dennoch dem Bräutigam treu geblieben sein, wenn ste allerdings auch nicht gerade Liebe an ihn band.
Es war die ruhige Gewohnheit des Geborgenseins, das unerschütterliche Vertrauen zu dem Grasen, welches sich in ihrem Innern eingenistet hatte; weshalb etwas anderes wünschen oder erhoffen. Sie war zufrieden, und wenn ein Gedanke hinfltehen wollte zu jenem kurzen, farbenglühenden Liebestraum, dann schrak die Gräfin davor zurück: die erste bittere Enttäuschung ihres Lebens gipfelte eben darin.
Hastig ward in diesem Augenblick die Thür geöffnet und Ada stürzte ganz aufgeregt herein.
„Viktoria, der Onkel wartet aus dich oder eigentlich alle drei Herren, aber warte noch einen Moment; steh nur, was ich von meinem Bräutigam eben be
richtet und mit Bezahlung der letzten Rate geht das Tier in das Eigentum des Mieters über. (Es kommt dort nicht vor, daß ein Bauer Etnstellvieh vom Händler annimmt und sich übervorteilen lassen muß, wie das noch häufig in unserer Gegend geschieht.) Ein Statut der Vieh-Vermietanstalt Spaichingen liegt vor uns. Zur Orientierung des geneigten Lesers wollen wir dasselbe hiemit zum Abdruck bringen. Die Bestimmungen lauten:
8 1. Die Stadtgemeinde vermietet an hiesige (Spaichtnger) Bürger auf die Dauer von 6—8 Jahren Vieh gegen eine jährliche Rate, die sich nach der Höhe des Wertes des gemieteten Stück Viehes richtet und schließt Hierwegen besondere Verträge ab.
8 2. Der Mieter verpflichtet sich a) das Tier gut zu nähren und zu halten; b) dasselbe zu keiner andern Arbeitsleistung als zur Bebauung seiner eigenen Oekonomie zu gebrauchen; o) die ganze Vorsicht aufzubieten, damit das Tier eine Beschädigung nicht erfährt ; ä) dasselbe sofort nach Inkrafttreten der Miete in den Vteh-Verstcherungs Verein für seine Rechnung aufnehmen zu lasten.
8 3. Der Mieter hat Anzeige an die Stadtpflege in folgenden Fällen zu erstatten: bei Wahrnehmung irgend welcher Erkrankung des Viehes; b) wenn die Kuh oder die Kalbin gekälbert hat; o) wenn er Gründe irgend welcher Art geltend machen kann, daß das Mietsverhältnis aufgehoben würde, oder aber der Vertrag abgeändert werden müßte.
8 4. Der Mieter bleibt der Vermieterin zum Schadens-Ersatz verpflichtet: a) wenn durch Verkauf oder eine Notschlachtung bet einem Stück Vieh sich gegen den s. Z. vereinbarten Wert eine Einbuße er- giebt; für die Größe derselben; d) wenn ein Stück Vieh an einer Krankheit, einem Unfall, Blitzschlag, Brand oder Seuche Schaden leidet oder verendet, für den ganzen Wert desselben, soweit er nicht durch die gezahlte Miete gedeckt erscheint, oder durch den Versicherungs-Verein getragen wird, welch' letzterer zutreffenden Falles die Entschädigungssumne an die Vermieterin des Viehs auszubezahlen hat; o) in allen hier nicht namhaft gemachten Fällen, in welchen die Vermieterin sei es durch Verschulden, Versäumnis, Absicht oder Fahrlässigkeit des Mieters in Nachteil kommen würde, für die Größe des ganzen Schadens.
8 5. Die Vermieterin behält sich vor durch unvermutete Visitationen feststellen zu lasten, ob die Mieter den vertragsgemäßen Verpflichtungen Nachkommen.
8 6. Vermieter und Mieter haben das Recht jederzeit die Aufhebung des Mtetsverhältnisses zu verlangen; letzterer aber in der Regel nur dann, wenn er entweder das gemietete Stück Vieh als Eigentum erwirbt oder aber, wenn er dev durch Aufhebung des Miets-Vertrages der Vermieterin erwachsenden Minderwert an dem Mtetobjekt sofort ersetzt. Die Vermieterin wird ihrerseits immer dann das Miets-Verhältnis lösen, wenn von Setten des Mieters in irgend einer Weise gegen den Miet-Vertrag gehandelt wird oder wenn die Vermieterin die Ueberzeugung gewinnt, daß sie bei weiterer Fortsetzung der Miete in Schaden kommen würde.
8 7. Erhebt der Mieter Einsprache gegen die Aufhebung des Met-Vertrages, so steht ihm die Ver
kommen habe. Ach, der Gute, Liebe, Einzige l Solch einen Menschen wie ihn giebt es doch nicht, trotz Onkel Rudolf."
Und mit vor Freude zitternden Händen riß ste von einem eleganten Bouquet die Papierhülle ab und zeigte es der Cousine; es war in der That ein wahres Kunstwerk der Gärtneret aus weißen kostbaren Blüten zusammengesetzt und umgeben von den zartesten Moosröschen.
„Ja," nickte die kleine Gräfin eifrig weiter, „aber das ist noch nicht alles. Hier drinn steckte ein Etui, welches ein prachtvolles goldenes Medaillon enthielt; denke nur und auf dem ist unser Wappen eingestochen, aber so wunderfein «nd köstlich! Nein, es ist gar nicht zu sagen, wie sehr ich mich gefreut habe. O, ich will aber tausendmal auch für dieses Geschenk danken!"
„Steh doch an. Kleine," Viktoria blickte freundlich und bewundernd auf die Blumenprach: i i Adas Händen, „welch' ein köstliches Bouquet! Es stellt auch ohne seinen goldenen Inhalt das meine weit in den Schatten. Und nun muß ich gehen, damit die Herren nicht länger warten. Adieu, Kleine, ich komme als ehrsame Frau zurück."
Einen Moment blieb ste noch stehen und legte leicht den Arm um die Schultern Adas, die bewundernd zu der schönen Erscheinung aufblickte; in dem feingeschnittenen Antlitze zitterte eine leise Bewegung, welche indes schon nach wenigen Augenblicken verschwand.
(Fortsetzung folgt.)