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Neckarsulm 6. Sept. (Die Pfarr- hau»dLebe.) Al» Verüber der schwere» Einbruchsdiebstähle i» verschiedenen Pfarrhäusern de» Bezirk» wurde« die Schlosser Karl Kühe von Ger»weiler und seine beide» Genossen Heß von Pforzheim und Marian von Meran ermittelt. Sie haben um dieselbe Zeit im Badische» verschiedene Pfarrhäuser heimgesucht und find nach einem Einbruch im Rathaus in Siuiheim verhaftet und alsdann von der Karlsruher Strafkammer mit Strafen bi» zu 10 Jahren Zucht- hau» belegt worden. Die Gegenstände, die den Einbrechern abgenommen wurden, ließe« auf die Einbrüche in hiefiger Gegend schließen, teilweise haben die Burschen auch gestanden.
Weinsberg 6. Sept. (Herbsthoffnungen.) Der Stand der Weinberge ist sehr schön. Trotz der Trockenheit sind sie üppig belaubt und auch durchweg gesund. Die Entwicklung der Krankheiten wurde durch energische Bekämpfung verhindert. Die Mitte August einsetzenden, teilweise starken Niederschläge kamen gerade noch zur rechten Zeit und haben Wunder gewillt. Die Trauben sind mächtig aufgl quollen und nun ausgewachsen, sie färben sich überall und e» sind schon allenthalben weiche Beeren zu finde». Die Früh Clevner werde» etwa bi» Anfang nächster Woche vollständig reif sein. Der Quantität nach haben wir einen befriedigenden, der Qualität nach einen ausgezeichnete« Herbst zu erwarten, wenn die günstige Witterung anhält. — Vom Sauerwurm ist nichts mehr zu verspüren. Es besteht daher vielfach die Ansicht, daß er durch die Hitze vernichtet worden sei, wie auch von der Mosel gemeldet wird. Dem ist aber nicht so. Man wild bei sachverständiger Untersuchung in den Weinbergen, die nicht mit Schmirrseifenlösung behandelt wurden, die Heuer allerding» winzig kleinen Würmchen ziemlich häufig entdecke». Wenn Heuer, wie dies im Jahre 1904 der Fall war, in der zweiten Septemberhälfte wieder eine Regenperiode aus- brechen würde, so würde es sich bald zeigen, daß «och Sauerwürmer vorhanden sind.
Göppingen 5. Sept. (Stiftung.) Von einem Unbekannten wurde dem hiesige» Brzirks- krankenhau» eine größere Geldsumme überwiesen, die de» Grundstock zu einem Fond» bilden soll, au» dem unbemittelten Bezirksangehörigen, insbesondere Kinder«, die Verpflegungskoste» im Krankenhaus bestritten werden sollen, und zwar zunächst für die chirurgische Abteilung. Zur Ueberwachung de» Fond» und zwecks praktischer Verwendung der ihm zufließrnden Mittel soll ei» Komite gebildet werden, dem die Herren Reg. Rat. Dr. Schönmann und Bankier Deutschle bereits beigetreten find. Die Behandlung be
dürftiger Kranke» ist zwar schon jetzt unentgeltlich. Fall» jedoch die Bildung eines größere« Fonds zustande kommt, könnte» im Falle der Bedürftigkeit Behandlung und Verpflegung kostenlos sein.
Ebingen 6. Sept. (Erdbeben.) Heute nacht wurden hier mehrere Erdstöße von mäßiger Stärke verspürt. Schaden haben sie nicht angerichtet, waren aber doch kräftig genug, zahlreiche Einwohner au» dem Schlafe zu wecken.
Kißlegg 6. Sept. (Zu dem Ueber- fall auf einen Offizier.) Bei den in Ein- türnen ein quartierten Truppen verschaffte sich, wie bereit» kurz gemeldet, ein Soldat Zivilkleider und übe.fiel einen Offizier, den erderart traktierte, daß ihm die Wunden zugenäht werden mußten. Der requirierte Polizeihund nahm die Spur auf, sodaß der Mann sofort ausfiadig gemacht werden konnte. Er ist verhaftet und sieht seiner schweren Strafe entgegen.
Friedrichshofen 6. Sept. (Luftfahrt.) Nach den hier eingetroffenen telegraphischen Berichten hat das Luftschiff „Schwaben" heute eine außerordentlich günstige und schnelle Fernfahrt von Baden-Baden nach Gotha ausgeführt. Der Aufstieg in Oos erfolgte um 6.07 Uhr, bereit» 6 45 Uhr wurde Karlsruhe überflogen und um 8 Uhr Mannheim passiert. Als das Luftschiff 8.56 Uhr über Darmstadt hinwegflog, erhielt es Begleitung in Gestalt eines Euler fliegers, der ihm bi» Frankfurt folgte, das um 9.10 Uhr erreicht wurde. Ohne Aufenthalt ging der Flug weiter nach Hanau, wo die Ankunft um 9 45 Uhr erfolgte. Sodann wurden überflogen um 10.25 Uhr Fuloa, 11.25 Uhr Hrrsfeld, 11.35 Uhr Bebra und um 12 15 Uhr wurde bereits Gotha erreicht, worauf um 12.30 Uhr nach einer schönen Schleifenfahrt die Landung vor der dortigen Halle erfolgte.
Von der badischen Grenze 6. Sept. (Donauversickerung.) Seit gestern früh V--8 Uhr läuft durch den Fabrikkanal der Maschinenfabrik in Jmmendingen kein Tropfen Wasser mehr. An ein derartiges Vorkommnis können sich die älteste» Leute nicht erinnern.
Hechinge» 6. Sept. Um 2.38 Uhr wurde hier ein dumpfer, kräftiger, aber kurzer Erdstoß verspürt, der sich um 5.18 Uhr früh wiederholte und diesmal mindesten« 6 Sekunden andauerte. Von starkem unterirdischem Rollen begleitet, wurden die Stöße in allen Häusern gespürt. Gläser klirrten, vereinzelte Gegenstände fielen von ihrem Platz und Uhren blieben stehen. Ei« größerer Schaden entstand nicht, aber der Bevölkerung bemächtigte sich ei« allgemeiner Schrecken.
Cöl» a. Rh. 6. Sept. Die „Cölner Ztg." meldet au» Berlin: Au» Konstantinopel kommt die Nachricht, daß der deutsche Staatsangehörige Peter RoSpart vom Sultan begnadigt worden ist. Er war wegen Erschießung eine» türkischen Polizisten von dem Gericht in Saloniki zu 3 Jahre» Kerker verurteilt worden. Trotz zweimaliger Aufhebung de» Urteil» durch den Kaffationshof in Kovstan- tinoprl blieb da» Gericht bei seinem Spruch. Die türkische Regierung hat sich der Ansicht nicht verschlossen, daß ein Fehlspruch vorliegt. Indem sie dem Sultan die nunmehr erfolgte Begnadigung RoSpart» empfahl, hat sie die Angelegenheit zu einer befriedigenden Lösung gebracht.
Cöl« 6. Sept. Die „Cöln. Ztg." meldet aus Berlin: Den deutsch-französischen Verhandlungen lag von Anfang an der Gedanke zu Grunde, daß Deutschland für die wirtschaftliche Betätigung in Marokko, namentlich für die Erhaltung und Fortentwicklung seine» Handel» in dem scherifischen Reich sichere Bürgschaften erhalten soll und daß Frankreich für die Einräumung politischer Bewegungsfreiheit in Marokko uns auf kolonialem Gebiete entschädigen müsse. Zur Erfüllung dieser deutschen Wünsche hat die französische Regierung nunmehr einen schriftlichen Vertragsentwurf aufgesetzt und am Montag vormittag durch den Botschafter Cambou hier überreichen lassen. Die Prüfung der französischen Vorschläge gibt Anlaß zu deutschen Gegenvorschlägen. Da e» sich für Deutschland in Marokko wesentlich um ausreichende Sicherstellung wichtiger wirtschaftlicher Interessen handelt, so müssen zu wiederholten Malen Sachkundige befragt und für verschiedene Punkte in» Einzelne gehende Ausstellungen gemacht werden, wa« besondere Sorgfalt und entsprechende Zeitaufwendung erfordert. Es ist aber bisher soviel Vorarbeit geleistet sowohl in der Frage der Bürgschaft für unsere wirtschaftliche Betätigung in Marokko wie für die Gebietsentschädigungen, daß bei beiderseitigem gutem Willen auf ein baldige» Ergebnis der Verhandlungen gehofft werden darf.
Berlin 6. Sept. Die von der „Post" verzrichnete Alarmnachricht vom Abbruch der Marokkoverhandlungen ist unbegründet.
Berlin 4. Sept. (Zu den Marokko- Verhandlungen.) Ueber die deutsch-französischen Marokkovrrhandlunge» schreibt der „Lok.- Anz." anscheinend offiziös in einem längere« Artikel: Der von dem Botschafter der französischen Rep «blick überbrachte umfassende Vertragsentwurf, der zur Zeit unserem Auswärtigen Amt
Und beiden wurde leichter dabei. In Worten verstanden sie sich nicht mehr so gut wie einst. Aber in der Musik, die alle» Spekulative au»löscht und die Schleier zieht von dem Allerheiligsten der Seele, fühlten sie sich einander wieder seltsam nahe.
Ferry Lanzendorf ging, eine Zigarre im Munde, lässig schlendernd, seinem Heim zu. Er kam von der Fabrik, hatte den breitkrempigen Hut etwa» schief auf und schwang den Bummler zuweilen unternehmend, al» wolle er irgend etwa» in der Luft Niederschlage«.
Haltung, Miene und Kleidung markierte« de» Künstler. Früher, al» er noch dem Theater angehörte, schimpfte er auf die geckenhafte Nonchalance der „Kollegen" und kopierte nur Hofräte oder Aristokraten. Jetzt endeckte er mehr und mehr sein Herz für die „Kunst".
E» war doch wa» große» um eine» Künstler-Mimen natürlich
allen voran. Ihm gehörte die Welt, für ihn gab e» sozusagen weder Gesetze noch Schranke». — Frauen »«drängte« ihn huldigend, Fürsten schenkten ihm ihre Gunst, da» Volk riß er mit sich fort, und last not Issst: er besaß überall Kredit.
Wenn er dagegen seine jetzige Stellung in Betracht zog — brr — ausspucken hätte er mögen. Mit diesem Schwalbing arbeite« müsse« — wahrhaftig, der Kerl wurde sogar knickerig in der letzte» Zeit und ließ ungeduldige Aeußerungen falle», weil ihm die geträumte« Millionen nicht schnell genug in da« aufgesperrte Froschmaul flogen.
Wa» der nur dachte? Hexe» konnte er doch nicht! Dan« die Bureauarbeit überhaupt. Immerfort rechnen und kalkuliere», wie gemein! Und zu Hause die Wirtschaft. — Assunta hatte ihre entzückende Taille verloren. Der ersehnte „Knabe" war ein Mädchen geworden, schrie die halbe« Nächte und beanspruchte Mama ganz und gar für sich.
Andere Mütter wäre« ja vernünftig gewesen. Hätte» ruhig eine Amme genommen und sich selbst gepflegt, um bald wieder möglichst schön für den Mann zu werde», denn da» war schließlich die einzige wirklich«
Pflicht der Frau. Schön zu sein. Zu gefallen. Den Man« immer wieder von neuem zu faszinieren.
Statt dessen — aber e» war ja kein Wunder. — Sie konnte einfach nicht lo» von ihrer Erziehung. Gefühl, immer nur Gefühl! Und wen» man wa» sagte, dann gab» Tränen und so gewisse stillernste, Iraurige Blicke. Ganz wie die Alte. Die steckte ja auch immerfort bei ihnen — natürlich nur in seiner Abwesenheit, ander» hätte er sich» selbstredend schönsten» verbeten.
Aber e« ärgerte ihn schon so genug. Wa» brauchte er die Schwiegermutter? Wenn sie noch mit Moneten herausgerückt wäre, da» hätte ihm Schwalbing gegenüber eine ganz andere Stellung gegeben, und schließlich hätte er'» nicht mal geschenkt verlangt-
Einmal hatte er'» ganz vorsichtig von weitem versucht, avzudeute», aber da war er schön angekommen I Da» Testament de» Alten, diese verdammte« Bestimmungen und „letzten Versprechungen" — sogar der alte eklige Rechtsverdreher, dieser Lott, dieser Drache Fafner, der den Schatz behütete, war in» Treffen geführt worden! E» fehlte nicht viel, und sie hätten ihn extra von seiner Klitsche hereingeholt zur Assistenz, wo er, Ferry, so todfroh war, de» wenigsten» losgeworden zu sei»-
Ja, ja, früher! Da» war doch ein anderes Leben gewesen damals, ehe er sich „verplemperte" und noch „Künstler" war. Er vertiefte sich i» Erinnerungen. Champagnersoupers, Gummiradler, schöne Frauen — ach, wa» für schöne Frauen! Er hörte die seidenen Röcke rascheln und knistern, sah die Brillanten blitzen — mit de« Auge« um die Wette, hörte da» girreude, leise berauschende Lache».
Ja. Und jetzt: Kindergeschrei, Sorge«, Ehekrüppel.
Schwüle lag über den Straßen. Die Mittagssonne brannte auf da» ausgetretene Pflaster, ganz eng an die Häuser gedrückt, schliche« die Leute dahin in dem schmalen Schattenstreife«, der sich läng» de» Gehsteige» hinzog.
(Fortsetzung folgt.)