schleppenden Verlauf nehmen und ihr Scheitern soll fast gewiß sein. Die Franzosen berufen stch auf neue Forschungen, während man deutscherseits vor der Entscheidung erst die Kolonialdebatte im Reichstage abwarten wollte. Dem Vorschlag auf Einsetzung eines Schiedsgerichts stehe die deutsche Regierung ablehnend gegenüber.
Ausländisches.
* Wien, 18. Jan. Die „Pol. Korr." meldet aus Sofia: Die russische Regierung ließ in den letzten Tagen die bulgarische Regierung neuerdings an die Ende 1892 überreichte Note betreffend Zahlung der rückständigen Raten der Okkupationsschuld erinnern.
* Rom, 15. Jan. In Mafia wurde auf zwei Etsenbahnzüge geschaffen, aber niemand verwundet. Es kamen Truppenverstärkungen an und es herrscht wieder Ruhe. In Livorno stellten infolge der Unruhen die Pferdebahnen den Dienst ein; alle Läden sind geschlossen. Vor dem Hause der monarchischen Vereinigung ist eine Bombe gefunden worden, deren Zündschnur von einem Wächter ausgelöscht wurde.
* Rom, 16. Jan. An die italienische Regierung gelangte ein offizielles Schreiben, in dem behauptet wird, Emin Pascha lebe noch und befinde sich am Kongon.
* Ro m, 18. Jan. Es wird bezweifelt, daß Crispi im Parlament für Erteilung einer Generalvollmacht eine Majorität finden werde.
* Ein römischer Berichterstatter des „Da'ly Chro- nicle" behauptet, der höhere Klerus in Italien befürchte die Ausrufung der Republik, was dem Vatikan keineswegs angenehm wäre, da eine revolutionäre Bewegung auch eine Plünderung des Vatikans herbeiführen könnte.
* Livorno, 16. Jan. In der Garibaldistraße kam es zwischen den Tumultuanten und der Polizei zu einem Straßenkampf. Die Kundgeber schossen aus den Fenstern und die Schutzleute erwiderten die Schüsse. Ta der Arbeiterstand auch in Carrara, Pisa und Spezia wohiorganisiert ist, so fürchtet man ein Anwachsen der Revolte.
* Die letzten Nachrichten lassen die Lage im Bezirk Carrara als sehr ernst erscheinen. Vor Mafia stießen Soldaten auf eine bewaffnete Bande von 200 Köpfen, die sich, ohne einen Schuß abzu- gcben, zurückzog, während es bei Carrara zwischen Militär und einer 600 Personen starken Bande zum Kampf kam, bet dem 8 Aufständische getötet und mehrere verwundet wurden. Alle stimmen überein, daß die Bewegung im Bezirk Carrara politischer Na- äur sei. Wolfis Bureau meldet: Bei Torano in der Nähe von Carrara fand ein Zusammenstoß zwischen Anarchisten und Militär statt, wobei 8 Anarchisten getötet und mehrere verwundet wurden; das Militär erlitt keine Verluste. In Carrara entstand infolge des Kampfes eine Panik, und die Truppen sperrten die Straßen ab. Vormittags läutete in Torano ein bewaffneter Haufe Sturm, drang in ein Haus ein und forderte von den Bewohnern Waffen und Munition. Die Arbeiter, welche die Arbeit in den Marmorbrüchen wieder aufnehmen wollen, werden bedroht. — Militär griff bei Santa Lucia in der Nähe von Mafia 200 Anarchisten an, welche stch zurückzogen.
* Pari 8, 17. Januar. Das KaffationSgesuch Vaillant's wird Donnerstag der Gegenstand einer Beratung im Kassationshofe sein. Eine Gruppe Studenten überreichte ebenfalls dem Präsidenten Carnot ein Begnadigungsgesuch für Baillant. Es ist keineswegs sicher, ob Vaillant, der Bombenwerfer hingertchtet wird, so warm wird die Anteilnahme der entnervten Gesellschaft an dem Lose des Lumpen. In den Blättern werden Vaillants Verhältnisse mit einem solchen Aufwand von rührender Poesie geschildert, daß, wie gemeldet, die Herzogin von Uzös sich bereit erklärt hat, für seine zehnjährige Tochter Sidonie vollständig zu sorgen. Vaillant hat nun durch seine Verteidiger Mitteilen lasten, daß er das Kind einem Möbelschreiner überlasten wolle, welcher sein inniger Freund sei und sich erboten habe, die Tochter Vaillants mit seinen eigenen Kindern zu erziehen. Vaillant will jedoch gestatten, daß die Herzogin von UM zum Lebensunterhalt seines Kindes Geldmittel beitrage!
* London, 18. Jan. „Standard" meldet über Shanghai aus der Provinz Urga (Mongolei): Durch eine Anzahl von Erdbeben verloren mehrere hundert Personen das Leben, viel Vieh ist umgekommen.
* Die Anarchisten wissen wohl, wie wertvoll fürs sie das Asylrecht in England ist und sie zeigen stch ihren Beschützern auch dankbar dafür. In einem Zirkular, das zu Dynamit-Attentaten, besonders Börsen-, Kirchen- und Parlamentsgebäude, empfiehlt, wird eindringlich davor gewarnt, in England und besonders in London solche Mordversuche zu machen, um sich diesen sichern Zufluchtsort nicht selbst zu verscherzen.
* Der Metropolit von Petersburg hat verfügt, daß in seiner Diözese die seit dem Einfall Napolenos I tm Jahre 1812 in den Gottesdienst der orthodoxen Kirche während der Weihnachtswoche eingeschaltete Verwünschung gegen die Franzosen wrg- zubleiben habe.
* Die Not der Arbeitslosen in Chicago ist noch immer im Wachsen begriffen. Die Maßregeln der Stadtverwaltung erweisen fich als unzulänglich. Es wird außergewöhnlicher Anstrengungen bedürfen, um die Obdachlosen und Hungernden über die schlimmste Zeit hinwegzubringen. In einer Versammlung der Vorsitzenden aller Wohlthätigkeitsvereine der Stadt wurde die Zahl der Arbeitslosen, welche dauernde Unterstützung erhalten müssen, auf 126 000 beziffert, d. h. 15 Proz. der Gesamtbevölkerung. In allen Teilen der Stadt hat mau große Hallen für Masten- guartiere der Obdachlosen errichtet. Im Rathause fanden in der Nacht zum 18. Dezember 1200 Personen Unterkommen und ebenso viele verbrachten die bitter kalten Nächte auf den Steinfliesen der City Hall. Unter den letzteren spielte stch eine furchtbare Szene ab. Einige unter ihnen hatten Brot und andere Lebensmittel zusammengebettelt und wollten sie verzehren, als die Anderen sich auf sie stürzten. Es entspann sich ein entsetzlicher Kampf darum. Im Nu waren die wenigen Brocken verschwunden. Die Summe, welche zunächst aufgebracht werden muß, um den dringendsten Bedürfnissen zu genügen, wird auf eine Million Dollars angegeben, aber es wird gleich hinzugefügt, daß das nur ein Tropfen auf
einen heißen Stein sein würde. Gerade diese Anfänge der öffentlichen Wohlthättgkeit bergen aber eine neue Gefahr für die Stadt in stch. In anderen Orten herrscht ebenfalls rin Notstand, wenn auch nicht ein so großer wie in Chicago. Kaum ist es bekannt geworden, daß für die Arbeitslosen in Chicago was gethan werden soll, so beginnt auch schon der neue Zuzug von auswärts. Es läuft kaum ein Frachtzug in Chicago ein, mit dem stch nicht mindestens ein Dutzend fragwürdiger Gestalten heretn- schmuggeln. Ebenso schlimm aber, wie das Gespenst der Not, ist das der Unsicherheit, unter welcher die Stadt immer mehr zu leiden hat. „Zahllos wie der Sand am Meere" sind nach dem einen Berichte die Einbrecher. Und am folgenden Tage heißt es dann: „Es wird immer ärger . . ."
Handel und Berkehr.
-r. Alte 8 steig, 18. Jan. Gestern wurde hier ein Viehmarkt abgehalten, der in Anbetracht des wegen Futternot reduzierten Viehstandes doch gut befahren war, besonders mit Ochsen und Stieren. Der Markt für Kühe, Kalbeln und Rinder war wenigstens vom Hinteren Bezirk schwach beschickt. Händler waren viel am Platze, sie kauften auch rasch und viel. Ein Mainzer Händler nahm 17 Paar Ochsen mit fort. Außerdem waren auch Händler aus dem Elsaß, aus dem Badischen und aus der Pfalz da. Die Preise waren gut. Ochsen wurden mit 700 bis 900 Mark bezahlt. Eigentlich schwere Mastochsen fehlten auf dem Markte. Auch der einheimische Viehzüchter zeigte wieder Kauflust; mancher hatte den Mut wieder ein Stück Vieh mehr etnzustellen. Bei Kühen und Kalbeln vermißte man schöne Exemplare, doch wurde auch in dieser Btehgattung manches Stück bei wirklich besseren Preisen an Mann gebracht. ES wurde auf diesem Markte, wie auch auf früheren schon dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß auf der städtischen Viehwaage einige verkaufte Stücke jeder Viehzattung unentgeltlich gewogen werden sollten um den Verkaufspreis wie in anderen Städten nach dem Gewicht genau feststellen zu können. Auf dem Schweinemarkt fehlten diesmal die Saugschwcine, dafür waren aber die Läuferschweinr in Menge aufgestellt. Der Handel ging rasch und wurden viele Tiere verkauft. Läuferschweine kosteten 40—90 Mk. per Paar. Ein Paar 8 Wochen alte Schweine wurde um 45 Mk. verkauft.
* Der „Staats-Anzeiger" bringt eine offiziöse Kundgebung, in welcher versucht wird, die vom Publikum ungünstig aufgenommenen Aenderungen des Posttarifs zu rechtfertigen. Die Erhöhung des Portos für mehr als 15 Gramm schwere Briefe im Oberamts- und Nachbarschaftsverkehr von 5 auf 10 Pfg. und die teilweise Erhöhung des Packetportos werden mit den steigenden Ausgaben für neue Veranstaltungen begründet.
Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.
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„Ja, Kleine, ich wuß die Jnstruküonsstunde einmal mit revidieren und bin zum Thee sicher wieder bei euch; unterdessen wirst du, wie mir scheint, mit Onkel Rudolf Freundschaft schließen."
„Aber du kommst zum Abend wieder, Papa?" fragte Viktoria ruhig und reichte dem Onkel eine Taste Kaffee, welche er, leicht mit dem Kopfe dankend, ihr abnahm. Sie merkte nicht, wie sein ernster Blick sekundenlang auf ihrem schönen Antlitz ruhte, welches stch jetzt bei einem Worte des Obersten ganz leise färbte.
„Gewiß, Kind, ganz bestimmt; vielleicht bringe ich Wilken zum Thee mit."
„Ach, den interessanten Adjutanten vom Manöver," fuhr Ada dazwischen, ward aber sehr rot, als der Gesandte sie verwundert anblickte.
Vtktorias Herz pochte lauter bei diesem Namen, sie antwortete hastig: „Ich dachte, du wolltest Assessor von Rohr mitbringen; der arme Mensch ist so allein."
„Nun, ich werde sehen; jedenfalls richte dich darauf ein, daß wir ein Couvert mehr zum Thee haben. Und nun auf Wiedersehen, meine Herrschaften."
- Er grüßte militärisch, Viktoria neigte dankend das Haupt, allerdings noch ein liebevolles Wort dem Vater zurufend, und dann schloß sich die Thür hinter dem Obersten. Ada sah erstaunt drein. Wie ganz anders war es hier, als zu Hause, wo der Vater niemals daran dachte, die Seinigen ebenfalls zu grüßen.
„Wann wird denn die Sache mit dem Bilder
stellen entgültig entschieden, Viktoria?" fragte Graf Rudolf ruhig, seine Tasse zurücksetzend, „es ist die höchste Zeit, da in vier Wochen die Vorstellung stattfinden soll."
„Der du noch beiwohnen wirst?"
„Allerdings — wenn ich auch Nachurlaub einreichen müßte," ein heitrer Ausdruck prägte stch im Gesichte des Gesandten aus, „Viktoria regia muß ich sicherlich sehen."
Sie lachte leise; es klang sehr melodisch, und Ada dachte bet stch, daß sie gerne ebenfalls so lachen möchte.
„Coustnchen Ada muß gleichfalls mttstehen," meinte sie, sich zu dieser wendend, „doch sie weiß ja noch gar nichts von dem ganzen Projekte, Onkel."
„Nein, nicht das mindeste," rief Ada fröhlich, „aber wenn eS stch um lebende Bilder handelt, da helfe ich gern mit."
„Es ist nämlich beschlossen worden, am Jubi- läumStage des Regiments lebende Bilder zu stellen und den Ertrag davon zum Besten der Regiments - Witwen und -Waisen zu stiften. Papa ist Vorstand des Komitees, und es handelt stch noch um die Bilder, welche fest bestimmt werden sollen. Die andern drei sind bereits besprochen und angenommen."
„Was tst's denn mit Viktoria regia?" fragte Ada neugierig, „du stehst doch ohne Zweifel selbst darin?" — „Recht geraten. Kleine," nickte Graf Hohenburg, „es ist eine Allegoria —"
Die Thüce ging in dem Augenblick auf, und der Diener meldete: Lieutenant Wilken wolle den
Herrn Oberst sprechen und frage, wann derselbe nach Hause kommen werde.
Einen einzigen Moment klirrte der Löffel in Gräfin Vtktorias Hand; sie wandte stch zu dem Diener, um ihm Bescheid zu sagen, doch der Botschafter bemerkte wohl die feine Röte, die stch bis über den schlanken Hals ergoß. (Forts, folgt.)
Aröhliche Kiuderzeit.
Wenn es stille Nacht will werden, Schau'n die Sternlein all zur Erden, Oeffnen sich des Himmels Pforten, Engel fliegen aller Orten,
Wie der Fliederduft im Wind«,
Jeder hin zu seinem Kinde.
In den Armen leise, leise Trägt cr's hin zum Sternenkreise,
Wo in Edens grünen Bäumen Rauscht ein wundersames Träumen, Wo voll Liebe ohne Ende Harren Gottes Batcrhände-
Hast du schon ein Kind geschauet Morgens, wenn sein Aeuglein blauet, Wie es sinnet leise, leise,
Wie es lächelt eigner Weise?
Wirst du wie ein Kindlein suhlen, Darfst du auch in Eden spielen.
Hläts - l.
Ohn' Anfang, ohn' End' bin ich geboren,
Als edleS Symbol bin ich erkoren Für treue Beständigkeit, Liebe und Lust,
Mit mir schwellt Entzücken in ahnender Brust.
Auflösung folgt in nächster Nummer.