sofern ist der entfaltete Eifer ein schönes Zeugnis für die Vertiefung in die Materie. Aber besser wäre es doch, die klugen Männer behielten ihre Steuergedanken für sich. Denn welch ein Arsenal von Waffen liefern sie der Regierung aus! Einen für Jahrzehnte reichenden Vorrat an Steuern! Muß nicht die Neigung zu neuen Ausgaben erwachen, wenn die amtlichen Schränke Projekte bergen, die zusammen für gering gerechnet eine Milliarde Mehrertrag in Aussicht stellen? Allo mögen die zweifellos von bester Absicht beseelten Bürger im Interesse der Steuerzahler nur noch zum eigenen Vergnügen in dieser Richtung wirken. Am Ende dürfte auch die Regierung genötigt sein, zu erklären, daß Finanzprojekte bis auf weiteres verbeten werden. Genug, daß fast jedes dritte Glied des Reichstags einen „Original- Entwurf" mit sich trägt. Andere wieder haben ihn vorläufig nur „im Kopfe", und da ist es, wie jemand bemerkte, einGlück, daßderKopf keinen Einblick gestattet.
* Berlin, 16. Jan. Der preuß. Landtag ist heute eröffnet worden. Die Thronrede führt aus: Die Finanzlage in Preußen hat sich noch nicht gebessert. Die Jahresrechnung von 1892/93 ergiebt einen Fehlbetrag von 25 Millionen Mark, welcher durch eine Anleihe zu decken ist. Im laufenden Jahre find die eigenen Einnahmen und Ausgaben Preußens nicht hinter dem Voranschlag zurückgeblieben, jedoch sind die Ueberweisungen geringer. Die Matrikular- beiträge haben sich bedeutend gesteigert, der Etat für 1894/95 erfordert eine noch größere Inanspruchnahme des Staatskredits als das laufende Jahr. Die Schwierigkeiten, welche aus den steigenden Anforderungen des Reiches an die Einzelstaaten erwachsen, können nur durch eine Neuordnung der finanziellen Verhältnisse des Reichs und eine angemessene Vermehrung seiner eigenen Einnahmen gehoben werden. Die Thronrede kündigt die Ausdehnung des Systems der Dienstaltersstufen auf höhere Beamte an. Eine Vorlage, betreffend die Ruhegehalte der Lehrpersonen an öffentlichen nichtstaatlichen Mittelschulen, sowie Vorlagen betreffend der Herstellung neuer Eisenbahnlinien, betr. die Verpfändung des Eigentums an Eisenbahnen und Kleinbahnen werden etngebracht. Die Thronrede anerkennt, daß durch das Zusammenwirken der Regierung und der Selbstverwaltung der landwirtschaftlichen Vereine dem aus Streu- und Futtermangel befürchteten Notstände gesteuert wurde und fährt fort: „Angesichts der hohen Bedeutung der Landwirtschaft für das Staatswohl erkenne Ich als die Aufgabe der Regierung, nicht nur fortgesetzt das Gedeihen der Landwirtschaft zu fördern, sondern auch eine zur Ueberwindung ungünstiger Zeiten geeignete Gestaltung der Rechtsverhältnisse des ländlichen Besitzes zu erstreben. Hiezu ist die Mitwirkung der allgemeinen korporativen Vertretung der Landwirtschaft notwendig, welche berufen ist, die Hebung der Landwirtschaft durch gemeinsame Einrichtungen zu betreiben und der Regierung als Beirat zu dienen. Die Gesetzgebung und Verwaltung hat mitzuwirken bei de: Vorbereitung zur Durchführung dieser Maßregeln, welche auf Verbesserung des Kreditwesens und Beseitigung der Uebelstände gerichtet sind, die auf der übermäßigen Verschuldung des Grundbesitzes und der ungeeigneten Form derselben beruhen. Zu diesem
Behufs wird ein Entwurf über Errichtung von Land- wirtschaftskammern vorgelegt. Die Thronrede schließt: Bei der zunehmenden Schärfe des Kampfes der Meinungen und Interessen gelte es, durch versöhnende Wirkung der gemeinsamen Arbeit den Ausgleich der Gegensätze zu fördern und ihn zu finden in dem aufrichtigen Streben nach dem unverrückbaren Ziele des Wohls des Vaterlandes. Dazu gebe Gott Segen und Gelingen.
* Berlin, 16. Jan. Die Thronrede wurde von Anfang bis zu Ende ohne einen einzigen Betfallruf angehört, was umsomehr auffällt, als alle Parteien zahlreich vertreten waren.
* Berlin, 16. Jan. Die kons. Fraktion deS Herrenhauses beschloß, eine Interpellation an die Regierung einzubringen, welche Schritte dieselbe außer den in der Thronrede angekündigten Maßnahmen zur Beseitigung des stetig wachsenden Notstands der Landwirtschaft zu thun gedenke.
* Berlin, 16. Jan. Zu den Verhandlungen der Tabakssteuer-Vorlage im Reichstage schreibt das „Berl. Tagebl.", daß dieselben vor beschlußunfähigem Hause stattfanden. Das Blatt fordert die Abgeordneten auf, die eingegangenen Verpflichtungen nicht so leicht zu nehmen, da solches das Ansehen des Reichstags schädige.
* Berlin, 16. Jan. Es verlautet, daß das Zentrum und die Nationalltberalen eine Zollerhöhung auf Tabak bis zu 60 Mk., also nahezu ein Drittel mehr, als der gegenwärtige Zoll beträgt, Vorschlägen werden.
* Ein Riese ist gegenwärtig im Bromberger „Gesellschaftshause" als Kellner bedienstet. Es ist ein Jüngling von 18 Jahren und 2 Metern 25 Zentimetern Länge, er hat also, in das gewöhnliche Deutsch übersetzt, neunundzwanzig Zoll! Grebbin, so heißt er, ist im allgemeinen regelmäßig gebaut, nur geht er, von der Last des Körpers gedrückt, etwas nach vorn übergebeugt. Zur Kennzeichnung der Größe des Kellners führt die „K. A. Z." zwei Vergleiche an. Der größte Offizier des deutschen Heeres, v. Plüskow, mißt 2,06 Meter, der größte deutsche Soldat, der Rheinhänder Pritschau, Flügelmann der Potsdamer Letbkompagnie, 2,06 Meter.
* Köln, 13. Jan. Der Kriminal-Kommissar Koch verhaftete den Ciseleur Max Becker, der in seiner Werkstätte eine vollständige Prägeanstalt für falsche Ein- und Fünfmarkstücke hatte.
Ausländisches.
* Rom, 14. Jan. Crispi hat Großes im Sinn: er will von der Kammer Vollmacht auf ein halbes Jahr erhalten, um die organischen Reformen auszu. führen, als da sind: die Abschaffung einer Anzahl von Sinekuren, von Stellen bei den Präfekturen und bei den Universitäten, von Präturen u. s. w. Wollte die Kammer dies verweigern, so würde sie aufgelöst.
* St. Gallen, 15. Jan. Vor dem Museumsgebäude, wo der Offizierverein einen Ball abhielt, demonstrierte am Samstag nacht eine mehr- hundertköpstge Menge, weil eine württembergtsche Militärmusik anstatt der einheimischen Kapelle engagiert war. Die Fensterscheiben wurden eingeschlagen. Einige Verhaftungen wurden vorgenommen.
* Ein Mann, der sich selbst den Titel „Nettester Unterthan Ihrer Majestät der Königin" auf seines Visitenkarten beilegte, ist, wie Londoner Bl. berichten, dieser Tage in Salford gestorben. William Hampson war sein Name und am 1. Jan. hatte er seinen 115. Geburtstag gefeiert. Er brüstete sich damit, daß er als Junge den berühmten Geistlichen John Wesley habe predigen hören. Vier Onkel von ihm fochten in der Schlacht bei Waterloo; zwei Söhne von ihm fielen im Krimkriege.
'Petersburg, 16. Jan. Dem RegierungS- öoten zufolge sagte der Kaiser in einem Telegramm, worin er für die Neujahrswünsche des Moskauer Generalgouverneurs dankte : Gott gebe Frieden, Ruhe und allsetttges Wohlergehen uns Allen und unserer teuren Heimat.
* Aus Tiflis wird gemeldet, daß der Kaukasische »Fürst" Rikodze auf dem Marktplatze der Stadt aufgeknüpft worden ist auf Grund eines Urteils des Kriegsgerichts, das unter dem Vorsitze des Generals Sterbowitsch zusammengetreten war. Die Verurteilung zum Tode wurde durch folgende Thatsachen veranlaßt: Fürst Rikodze war sinnlos betrunken und fing tu der Wartehalle des Bahnhofsgebäudes mit dem diensthabenden Gendarm Hände! an. Trotz der durchaus korrekten Haltung des Polizisten zog der Fürst ein Dolchmesser aus der Tasche und versetzte dem Gendarmen so viele Stiche, daß er nach wenigen Sekunden tot zusammenbrach. Bis zum letzten Augenblicke glaubte man, daß der Zar den Mörder begnadigen werde; das Begnadigungs-Gesuch wurde jedoch abschlägig beschieden.
* In einem Dorfe Japans, das kürzlich von einer Ueberschwemmung heimgesucht wurde, in der mehrere 100 Männer ihr Leben verloren, haben sich, wie der Ostas. Lloyd berichtet, nicht weniger als 100 Witwen ihre Haare abschneiden lassen, um die Manen ihrer toten Gatten zu versöhnen; darauf ließen ste sich ihr Haupt ganz rastren.
Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.
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Verfälschte schwarze Leide. Manuel
brenne ein Müsterchen des Stoffes, von dem man kaufen will, und die etwaige Verfälschung tritt sofort zu Tage : Aechte rein gefärbte Seide kräuselt sofort zusammen, verlöscht bald und hinterläßt wenig Asche von ganz hell- brännlicher Farbe. — Verfälschte Seide (die leicht speckig wird und bricht) brennt langsam fort, namentlich glimmen die „Schußfäden" weiter (wenn sehr mit Farbstoff erschwert), und hinterläßt eine dunkelbraune Asche, die sich im Gegensatz zur ächten Seide nicht kräuselt, sondern krümmt. Zerdrückt man die Asche der ächten Seide, so zerstäubt ste, die der verfälschten nicht. Die Seiden-Fabrik G. Henneberg (k. u. k. Hoflief.), Zürich versendet gern Muster von ihren echten Seidenstoffen an Jedermann und liefert einzelne Roben und ganze Stücke porto- und zollfrei in's Haus.
Gebühr warten zu lassen. Lieutenant Wilken hals feiner Tänzerin den Mantel umlegen, da fiel die Wasserrose von ihrer Brust, und mit tiefer Verneigung hob er sie auf; aber als ste die Hand darnach ausstreckte, zog er die Blüte zurück.
„ Ein Andenken an den Manöverball," murmelte er, daß sie kaum die Worte zu verstehen vermochte, „seien Sie barmherzig, Gräfin."
Sie wandte sich jäh ab und ihrem Vater zu, der sie suchen kam. „Wir wollen heim, Papa; es ist schon spät, und ich bin so müde."
Die weißen Finger schlossen sich fast unbewußt um den kleinen Strauß, und als man auf der Hohenburg vorfuhr, meinte Viktoria wieder jene bestrickenden Töne zu vernehmen: „Ein Andenken vom Manöverball!"
Und das welke Bouquet blieb auf dem Nachttisch, ja, als am nächsten Morgen die Jungfer es fortwerfen wollte, wehrte die Gräfin es hastig und legte die kleine Spende auf den Schreibtisch. Beim Aufbruche der Einquartierung kam sie nicht zum Vorschein, sie war noch müde vom gestrigen Abend.
Draußen auf Feld und Flur liegt der erste Schnee, weiß, flimmernd im letzten Strahle der Nachmittagssonne, während droben am Himmel feuriges Abendrot den seltsamsten Contrast bildet. Schrill pfeifend saust der Eourierzug dahin, der schönen, großen Regierungsstadt B . . . . . entgegen, und aus dem Damenkoupe beugt sich ein frisches, rosiges Mädchenantlitz, voll erwartungsreicher Freude die Blicke über das Häusermeer vor ihr schweifen lassend.
„Also nun bin ich endlich da," murmelte Gräfin Ada, denn sie und keine andere steckte unter der zierlichen Conföderatka von Pelz und Sammet; „wie ich mich freue auf den Winter und besonders auch, daß Papa und Mama an Weihnachten Herkommen. Viktoria ist doch ganz reizend in ihrer Fürsorge um mich, aber ich will sie auch sehr lieb haben. Ah, und da ist ja auch Onkel Hans' Bruder, der Gesandte, wie wir ihn im Herbst nannten; vor dem fürchte ich mich eigentlich, denn er lebt doch nur bei Hofe und ist gewiß sehr ceremoniell und steif. Wenn ich etwas nicht ganz richtig thue oder rede, steht er mich sicherlich wie ein Oger an."
Jetzt rollte der Zug langsamer und erreichte gleich darauf die überwölbte Bahnhofshalle. Mit hebenden Fingern ließ Ada das Fenster herab und stieß einen leisen Freudenruf aus, zugleich mit Muff und Händen lebhaft winkend, dort stand Viktoria, schlank, vornehm und ruhig wie immer und schritt, der Cousine kühl zunickend, auf deren Coupe zu, in respektvoller Entfernung, gefolgt von einem galon- nierten Diener.
„Willkommen bei uns in B.. meine
teure Ada," lächelte Gräfin Hohenburg herzlich und küßte die kleine, blonde Reisende auf die Stirn, „hoffentlich bist du nicht allzu durchfroren. Aber bitte um deinen Gepäckschein, unser Diener wird alles besorgen, und nun komm hinunter, der Wagen wartet.
Ohne ein zu lautes Wort oder eine ungestüme Bewegung schob Viktoria den Arm der Coustne in
den ihrigen und schritt mit der lebhaft Plaudernden die große Treppe hinab.
„Wie gut du ausstehst, Viktoria," staunte Ada, „dies schwarzsammetne Kapotehütchen mit dem Goldbügel ist wunderschön, ebenso dein Tuchkostüm. Aber du bist sonst noch genau so ruhig, wie im Herbst."
„Kühl bis ans Herz hinein," lächelte die Angeredete, „sagte nicht so irgend ein Herr damals von mir?"
„Ja und ganz mit Recht," meinte Ada eifrig, doch ward das Gespräch unterbrochen, da man am Wagen anlangte. Der Diener meldete, mit dem Hut tu der Hand, der Koffer solle in einer halben Stunde in der Billa sein, und schwang sich, nachdem er den Schlag hinter den Damen geschlossen, auf den Bock, wo er mit verschränkten Armen würdevoll sitzen blleb.
„Ach, da ist alles so herrlich und elegant," rief Gräfin Ada bewundernd, „ich bin das garnicht gewöhnt, denn bei uns geht es sehr einfach zu."
„Aber, Kind, ich bitte dich, an Wagen und Pferde gewöhnt man sich bald," entgegnete Viktoria ruhig, „und im übrigen findest du bei uns auch keinen auffallenden Luxus."
Die Equipage bog jetzt in den geöffneten Thorweg der eleganten Villa ein, die Graf Hohenburg bewohnte. Mit einem Ruck standen die edlen Tiere, und der herabgesprungene Diener öffnete den Schlag. Ada hüpfte fröhlich wie ein Kind heraus, ruhig und regungslos wie immer folgte die schöne Tochter des Hauses. (Fortsetzung folgt.)