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Dienstag dm 12. Dezember
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1893.
Gestorben: Karl Friedr. Eberspächer, Eisenbahnkondukteur a. D., Ealw ; Friedrike Brodbeck geb. Naschold, Calw; Schullehrer Teifel, Lehrensteinsfeld; Privatier Lindenberger, Künzelsau.
einen Bestand von zehn Wochen erlebte. Auch Perier wird sich abwirtschaften und alsdann erscheint er
2 Ministerwechsel in Frankreich und in Italien.
Ganz unerwarteterweise sind vor kurzem in rascher Aufeinanderfolge das französische Ministerium Dupuy und das italienische Ministerium Giolitti gestürzt worden. Während der Sturz in Paris infolge einer kleinlichen Formsache erfolgte, stolperte Giolitti über den Bankskandal, obwohl er an demselben nicht mehr, vielleicht sogar mindere Schuld trug, als seine Vorgänger, von Crispi an gerechnet.
Die inneren Gründe von Dupuys Sturz sind unbekannt geblieben, aber der Vorgang selbst hat besonders in Rußland einen tiefen Eindruck gemacht. Er Hot dem Freunde an der Newa wieder einmal gezeigt, daß in Frankreich nichts von Dauer ist, außerdem Wechsel. Dupuy hatte „gute Wahlen gemacht" ; keine Deputiertenkammer wies eine so große Zahl von Republikanern auf, als die gegenwärtige; Dupuy hat auch die großartige Feier von Toulon und Paris in Szene gesetzt und hat cs vor allem verstanden, von diesen Festlichkeiten alles sernzuhalten, was Frankreich in den Augen des Auslandes hätte kompromittieren können. Er trat erhobenen Hauptes vor die Kammer, um sein Regiment als das der „Festigkeit und Stetigkeit" zu bezeichnen — drei Tage darauf war es gestürzt, wie man meint, durch die Jntriguen Carnots-.
Das neue Ministerium Casimir Perier hat auch keine Aussicht auf Bestand. Es muß bei jeder Abstimmung der Deputiertenkammer über grundsätzliche Fragen zittern. Zwei solcher Abstimmungen hat es schon hinter sich und beide Male ist es durch die Rechte gerettet worden, während mehr als hundert republikanische Abgeordnete gegen ins Ministerium stimmten. Das ist kein haltbarer Zustand und trotzdem ist er Cartwt erwünscht. Im nächsten Jahre findet die Neuwahl des Präsidenten der Republik statt und da wäre Casimir Perier dem jetzigen Stuhl- inhabcr ein gefährlicher Konkurrent geworden. Nun ist der arme Perier Ministerpräsident und es wird ihm zweifellos ebenso ergehen, wie s. Z. Gambetia mit dessen großem Ministerium das genau gerechnet
Herrn Carnot nicht mehr so gefährlich wie jetzt.
Der italienische Ministerwechsel zeigt übrigens ein ernsteres Gesicht. Eine volle Woche hat man zur Bildung des Kabinetts Zanardelli gebraucht und im letzten Moment noch war es ungewiß, ob man einen Finavzminister werde auftreiben können. Der neue Finanzmann soll durch Vermehrung der Einnahmen und Verminderung der Ausgaben das Gleichgewicht im Staatshaushaltsetat Herstellen, aber es läßt sich ziffernmäßig Nachweisen, daß weder auf den einen noch auf den andern Weg die Kammer zu treten beabsichtigt. Der wahre Grund zu all' den perfiden, nicht in offener Debatte, sondern auf Schleich wegen gegen Gwlitti geführten Angriffen, die ihn zum Rücktritt veranlaßt haben, war sein Vorschlag der Einkommensteuer; Vorwand war die Erhebung einer unbedeutenden Summe bei einer verkrachten Bank, welche Summe nachgewiesener Maßen zu öffentlichen Zwecken verwendet ist. Daß dieser Vorwurf lediglich Vorwand war, ergibt sich daraus, daß Zanardelli aus dem Bankskandal nicht ange- fochten wird, obwohl Briefe von ihm an den Bank- direktor Tan longo gefunden sind, durch die er diesen seinen „lieben Freund" um Unterstützung gewisser Personen angegangen.
Nun drängt sich auch Crispi wieder vor und um ihn dem neuen Ministerium geneigt zu machen, wen g- stens aber um ihn kaltzustellen, wird man ihn zum Präsidenten der Deputiertenkammer wählen, welchen Posten Zanardelli bisher innegehabt hat. Lange wird er an dieser Stelle indessen auch nicht bleiben, denn mit der gegenwärtigen Kammer läßt sich in Italien nicht regieren. Ihre Auflösung ist unabweisliche Notwendigkeit. König Humbert muß sich in einem Manifest an das Volk wenden und dieses auffordern, Patrioten, nicht Intriganten — bewährte Bürger, nicht Puppen in die Volksvertretung zu schicken. Reine Charaktere mangeln! Es haben sich von den gegenwärtigen Politikern zu viele die Hände in dem Bankskandal beschmutzt. Italien hat ein voll gerüttelt und geschüttelt Maß Panama. Dazu kommt aber noch, daß die Finanzlage Italiens geradezu jämmerlich ist, woran im wesentlichen die „französische
Schwesternation" die Schuld trä„t, indem diese die italienische Rente drückt. Viel Freude wird Zarnadelli an seinem neuen Amt schwerlich erleben und er wird — selbst nach etwaigen Neuwahlen — bald den Weg gehen, den vor ihm di Rudini und Giolitti gegangen sind.
Deutscher Reichstag.
* Berlin, 7. Dez. Fortsetzung der ersten Lesung des Stempelabgabengesetzes. Hahn (nat.-lib.) erklärt sich namens seiner Partei für die Börsensteuer. Wenn die Freisinnige Vereinigung, die sich bei den letzten Wahlen der Protektion der hohen Finanz so sehr erfreut habe, gegen die stärkere Heranziehung der Börse nichts einzuwenden habe, so die nationalliberale Partei erst recht nicht. Dagegen seien Quittung- und Frachtbriefsteuer ihnen weniger sympathisch und fänden in der vorgeschlagenen Form wegen der damit verbundenen Belästigungen ihre Zustimmung nicht. Er kritisiert die Art, wie in den letzten Jahren Kapital in ausländischen Werten investiert wurde und wünscht eine neutrale Stelle, die objektiv im nationalen Interesse die Beteiligung des deutschen Kapitals an auswärtigen Anleihen überwache. (Heiterkeit; Zuruf: Papierrat!) Gerade die jetzige billige Geschäftszeit müsse zu Reformen benützt werden; auch daran müsse man denken, den Emissionsbanken den Diposttenverkehr zu entziehen. Die Befürchtungen, die man an die jetzige Erhöhung der Börsensteuer knüpfe, seien unberechtigt. Der Rückgang einzelner Börsen, wie die Frankfurter beruhe mehr auf allgemeinen Gründen, als auf der Börsensteuer. Der große nationale Aufschwung seit 1870 sei der Börse, den Städten, wie dem Handel mehr zu gute gekommen als der Landwirtschaft, darum sollten jene Kreise sich auch nicht scheuen, zu Opfern für das Vaterland beizusteuern. Liebermann v. Sonnenberg (Antisemit): Er habe viel gemeinsames mit dem Vorredner, der sich nur noch nicht zur vollen antisemitischen Anschauung durchgerungen habe, zu dem ec aber der nationalliberalen Partei gratuliere. Eine organische Börsenreform sei dringlich. Ungehindert vom ersten Vizepräsidenten polemisiert Redner dann längere Zeit gegen die neuliche Rede des Reichskanzlers wider den Antisemitismus. Singer solle nicht die Lebenshaltung der Agrarier kritisieren, sondern die der ihm Näher
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Gr ist der Grße!
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(Fortsetzung.)
„Herr Lörrach sieht de l Gerichtsverhandlungen mit mehr Ruhe entgegen, als seine Freunde. Er meint, es sei unmöglich ihn zu verurteilen; sein Advokat denkt anders und trägt große Sorge um ihn. Aber er ist aus einem andern Grunde sehr niedergedrückt, doch sagte er nicht warum. Die Leute, die ihn in der letzten Zeit vor seiner Gefangennahme gesehen haben, rrdeien davon, er
„Habe rdie Liebe?" ergänzte Fräulein Bettina, da sie dos Zögern Mr. Leuvens bemerkte.
Dieser nickte ernsthaft, ohne ihren fragenden Bück sehen zu wollen.
Bettina Wiedner stand auf, ging bis ans Fenster, faßte in ihre Tasche und zog doch die Hand leer wieder zurück. S e schien etwas vorzuhaben, aber ungewiß zu sein. Plötzlich trat sie zu dem Schreibtisch ihrer Schwester, nahm aus der Tasche einen Brief und steckte sie in einen Umschlag."
„Mr. Leuven," sagte sie dann in großer unverkennbarer Gemütsbewegung, „ich habe hier einen Brief, den ich sicher in Lörrachs Hände gelangen lassen möchte."
Ueber des Engländers Gesicht flog ein tiefer Schatten/ Der Ausdruck desselben wurde steif und kalt.
„Fräulein Wiedner," sagte er gemessen, „verzeihen Sie mir ein Wort! Sie sind jung und warmen Herzens r Herr Lörrach ist ein Freund Ihres
Hauses gewesen. Sie können Nichtwissen, mein Fräulein, wie sehr man oft bereut, ein Wort geschrieben zu haben —" er stockte und suchte nach möglichst schonenden Worten.
„Für welche die andere Seite kein Echo in sich hat?" half sie ihm, indem sie von neuem glühend rat wmne.
„Sie sagen, was ich meine, Fräulein Bettina!"
„Weil ich Ihre Gedan en errate, Mr. Leuven, und es ist mir lieb, mich gegen Lörrachs besten Freund einmal aussprechcn zu können über etwas, was mich sehr peinlich beunruhigt."
Der Engländer stand steif und kalt, vor ihr, da sie stockte.
.Ich bin zu Ihren Diensten, Fräulein Bettina!"
Diese Mahnung ließ sie die Scheu vor dem, was sie zu sagen hatte, überwinden.
„Ich habe erfahren, Mr. Leuven, daß mein Name in einer sehr unzarten Weise und ganz ohne mein Wissen vor Herrn Lörrachs Ohren genannt wurde. Meine Schwester that es in bester, aber sehr übel angebrachter Absicht, von ihr selbst weiß ich, daß sie es gethan. Wollen Sie Herrn Lörrach dies sagen und ihm diesen Brief geben?"
Sie bot ihn dem Engländer, der sich verneigte, ohne indes den Brief auzunehmen; dabei war aber der Ausdruck seiner Züge viel Heller.
„Wenn ich Herrn Lörrach wiederhole, was Sie mir sagten, ist das nicht genug? Braucht es noch dieses Briefes? Geschriebenes soll eine junge Dame — verzeihen Sie meine Aufrichtigkeit, teures Fräu
lein — nur demjenigen Manne geben, den sie liebt."
Wie kam es, daß Bettina Wiedner so befangen vor dem ihr vor kurzem noch so fremden Manne stand?
„Sie haben ganz recht, Mr. Leuven, ich bitte Sie aber dennoch —"
„So lieben Sie ihn?" — Der Engländer sagte das nicht mit Worten, aber es stand in seinen Augen so deutlich, als hätte er es laut ausgesprochen.
„Mr. Leuven — ich sagte es Ihnen schon — ich bat Sie, Herrn Lörrach zu versichern, daß ich von Herzen seine Freundin bin, nicht mehr, und dieser Brief wird ihm das beweisen."
„Sie wollen es, Fräulein Bettina, ich werde thun, was Sie wünschen!"
Und damit verbeugte er sich und ging.
Bettina Wiedner blieb einige Augenblicke stehen und sah starr auf eine Stelle, während sie in das eigene Herz schaute.
Dann hob sie den Kopf, nahm vom Schreibtische Ellas Papier, Tinte und Feder und zog sich damit in das einsamste Zimmer der Wohnung zurück.
Eine Stunde später brachte der Diener einen Brief in den Postkasten, dessen Empfängerin Hedwig
von Jhlefleth hieß.
* *
*
Wenn jemals ein Mensch in höchster Seelennot eine rettende Stimme aus den Wolken hörte, so war dies die Empfindung Fritz Lörrachs, nachdem heute Leuven ihn verlassen.
Er war dem treuen Freunde sehr dankbar ge-
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