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1893.
Gestorben: Gottlieb Herre, inv. Landjäger in Plochingen; Zakob Laible, Oberfamulus in Siuttgart; Karl Zügel, Werkmeister in Murrhadt; Martin Wieguer, Oberlehrer a. D., Jngel- fingen; Ehr. Ludw. Kanfmann, Tuttlingen; Joseph Schefold, Oberiörster, Schwaigern; Georg Eisele, Gemeinderat, Bernstadt; Emil Högg, Stuttgart— Ellwangen; Oberbürgermeister Untersee, Gmünd,
Deutscher Reichstag.
* Berlin, 28. Novdr. Fortsetzung der ersten Lesung des Etats. Richter (Freis.-Volksp.) wendet sich gegen den Passus der Thronrede, worin die Sympathie-Kundgebungen sür den Kaiser als Beweis der Genugthuung über die Annahme der Mflirärvorlage angeführt werden. Man solle doch nicht vergessen, daß in der Person des Monarchen nur das allen Parteien gemeinsame Vaterland verehrt wird. (Lebhafter Beifall.) Der Redner bespricht dann die Vorgänge in Hannover; er protestiert gegen die gestrigen Ausführungen des Kriegsministers, die zu sagen schienen: was geht die Armee den Reichstag an? Die öffentliche Meinung habe das Recht, gewissen Erscheinungen in der Armee näher zu treten. Redner wendet sich den neuen Steuerplänen zu. Er bemängelt, daß man dauernde Stenern verlange, während doch die Heeresorganisation und die Finanzreform nur für fünf Jahre berechnet seien, und polemisiert dann gegen die gestrigen Ausführungen Posadowsky's über die finanziellen Berechnungen der Militär-Kommission. Der ganze Finanzplan solle den Einzelstaüten nur das Recht auf die Mchrerträge der Zölle und Verbrauchssteuern abkauien und Steuern auf Vorrat schaffen. Wir haben aber überhaupt keine Veran lassung, neue Steuern zu bewilligen, bevor die bestehenden Stcuerprivilegien, die Liebesgabe und die Zuckerausfuhrprämien, nicht beseitigt sind. (Bravo links.) Eine Besserung der Erwerdsverhältnisse hat begonnen, sie würde schneller fortschreiten, wenn nicht die fortgesetzte Beunruhigung durch Steuerprojcktc wäre. Die preußische Finanzlage werde schwärzer dargestellt, als sie ist ; die preußischen Staatsbahnen lassen 30 Millionen Mehreinnahmen im laufenden Jahre erwarten. Bei der allgemein beobachteten Sparsamkeit bei Aufstellung des Etats müsse es Wunder nehmen, daß man diese Sparsamkeit im Marine- und Kolonialetat und im Extraordinarium des Militäretats nicht walten lasse. Fritzen's Vor- I
schlag zur Schuldentilgung sei finan-politisch verkehlt, denn die Tilgung alter Obligationen neben Schaffung neuer sei ein Widerspruch in sich. Die fortgesetzte Steigerung der Militärausgaben ist Schuld an der schlechten Finanzlage, ab«"- welcher einzclstaatlicke Finanzunnister erhebt heutzutage dagegen im Bundesrate Widerspruch? Die schlimmsten Kriegszeiten würden solche Steuergesetze nicht rechtfertigen, wie sie Miguel ersonnen. Dieser verweise auf England; ober Hot England Salz-, Zucker- und Getreidezölle? Schaffen Sie diese eist ab, dann kommen Sie mit der Tabaksteuer! (Lebhafter Beifall.) Redner unterzieht unter lautem Beifall der Linken die neuen Steuergesetze einer vernichtenden Kritik und legt dar, daß der gesamte Finavzplan der Verfassung widerspricht. Wir werden uns all' diesen Plänen wider- setzen. (Lebhafter Beifall.) Staatssekretär Po sali owsky sucht in seiner Polemik gegen Richter nach- znweisen, daß die Regierung keine Steuern auf Vorrat, sonder« nur soviel, wie erforderlich, verlange. In der Miliiärkommission habe Richter sich über die Finanzlage anders als heute geäußert. Von der Abschaffung der Liebesgabe könne keiner reden, der die Not der Landwirtschaft ans eigener Anschauung kenne. Die Korttrollbestimmungen, über die man sich anläßlich der neuen Tabaksteuer entsetze, seien fast wörtlich dem Branntwein- und Zuckersteuergesetze entnommen. Finanzminister MiqueI wendet sich ebenfalls gegen einzelne Behauptungen Richters, nanurtt- lich betonend, daß die geplante Finanzrcsorm keine Machtfrage darstelle, sondern Grundsätze des Rechts und der Billigkeit im Verhältnis des Reichs zu den Einzelstaaten zur Geltung bringe und eine sichere Gewähr gegen die fortgesetzte Steigerung der Ausgaben biete. Frege (d.-kons.) gibt zunächst seiner Befriedigung darüber Ausdruck, daß das geplante Atteniat auf den Reichskanzler abgewendet worden. Nach der Auseinandersetzung der letzten Tage zwischen seiner Partei und dem Reichskanzler gereiche cs gerade ihm zur Genugthuung, das auszusprechen. Im Auslande würde man es nicht verstehen, wenn eines solchen Ereignisses im deutschen Parlamente in diesem Sinne rocht Erwähnung geschehe. Redner unterzieht darauf die einzelnen Etatforderungen einer wohlwollenden Kritik. Fregs tritt dabei ein für die Einschränkung
des Telephonverkehrs, für die Erhöhung des Druck- sachcnportos und für die Besteuerung der Postpakete, während er den Frachlbriefstempel verurteilt. Statt der Beseitigung der Liebesgabe solle man ein Rohspritmonopol, eine Jnseratensteuer und eine hohe Emissionssteuer verlangen. Der Redner schließt mit. einem Plaidoyer für die Doppelwährung und die Er- Haltung der christlichen Gesinnung.
* Berlin, 29. Nov. Fortsetzung der Generaldebatte über den Etat. Vor Eintritt in die Tagesordnung erklärte Präsident v. Levetzow: Das Haus war gestern tief entrüstet über die Nachricht vom Versuch eines Attentats gegen den Reichskanzler, heute ist noch die Kunde hinzugekommen, daß ein ähnlicher verbrecherischer Versuch auf den Kaiser unternommen worden. Ich glaube in aller Namen zu sprechen, wenn ich erkläre, daß das Haus diesen Versuch nicht nur schmerzlich bedauert, sondern auf das höchste entrüstet ist und Gott dankt, daß dieser Versuch weitere üble Folgen für den Kaiser und das Reich nicht gehabt hat. (Bravo I) In der Fortsetzung der Etatsberatung wendet sich Möller (nat.-lid.) zunächst gegen die zu optimistische Darstellung, welche Richter gestern von der Finanzlage des Reichs und Preußens gegeben. Jedenfalls könne die Finanzwirtschaft so nicht weiter gehen. Es sei eine Illusion Bebels, daß man das indirekte Steuersystem des Reichs durch direktes ersetzen könne. Redner wendet sich dann den einzelnen Etats zu. Er versichert die Regierung namentlich der Unterstützung seiner Partei bei ihrem Bemühen, den deutschen Kolonialbesitz stcher- zuftellen. Er hält auch die Auffassung des Kriegs- ministeiS über die Hannoverschen Vorgänge für falsch. Tort habe es sich nicht um verführte Offiziere gehandelt ; manche hätten den Verführern ffehr nahe gestanden. Die Reform der Militärstrafprozeßord- nung rach bayerischem Muster liege im Interesse der Armee. Die Marine müsse weniger Gewicht auf große Panzer als auf Schnellkreuzer legen. Von der Fivanzreform werde bester dieses Jahr abgesehen; man solle sich mit der Deckung der Militärvorlage begnügen. Tabak und Wein seien an sich noch steuerfähige Objekte. Aus sozialpolitischen Gründen werde er gegen die Fabrikatsteuer in ihrer jetzigen Form stimmen muffen. Bei der Weinsteuer mißfalle ihm
Gr ist der Gröe!
Roman von L. Haidheim.
(Fortsetzung.)
„Ich weiß nicht mehr, in welchem Blatte ich die Nachricht fand; ich glaube fast, sie hat in allen Zeitungen gestanden, derartige Sensationsfälle werden förmlich ausgebeutet."
„O Gott, der Aermste! Wenn Sie ihn nur kennten, Herr Assessor!"
„So verkehrte er bei Ihnen?"
„Ja, er war zur Jagd auf seines Vetters Gute; Papa und er gingen täglich miteinander."
„Und was für eine Art Mann ist er?"
Arme kleine Hedwig! Sie ahnte gar nicht, wie klug der Assessor sie ausforschte; eifrig erzählte sie und aus jedem Wort klang ihre Liebe, ihre Bewunderung für Lörrach.
So kamen sie, beide in großer Aufregung, wieder an den Strand zurück.
Der Baron war schon fortgegangen.
„Ich begleite Sie nach Haus, wenn gnädiges Fräulein gestatten?"
In dem kleinen Fischerdorfe saß der Baron mit tief verstimmten Mienen am offenen Fenster, draußen cuf der Veranda deckte die Wirtin den Thcetisch für Vater und Tochter.
„Papa! Ich bitte dich, höre, was mir eben der Herr Assessor erzählt hat," rief Hedwig noch immer ganz blaß, obwohl sie schon nicht mehr so unruhig
war, denn welche Thorheit, sich zu ängstigen. Solch ein Mann wie Lörrach ging ja zweifellos glänzend aus diesen perfid.n Anklagen hervor.
Der Baron sah seine Tochter finster an. Ihre Teilnahme für Lörrach war ihm ärgerlicher denn je.
„Ich weiß schon. Habe es eben erfahren! Brie vom Verwalter," sagte er mürrisch, bot aber höflich dem Gaste einen Platz und eine Zigarre. Sie kannten sich schon.
Hedwig ließ sich nicht beirren. Mit fliegenden Worten erzählte sie, bat den Assessor zu berichten und wiederholte dann mit einem energischen Aufleuchten in ihren Augen:
„Wir kennen ihn ja, Papa! Du mußt sofort an das Gericht schreiben oder an ihn selbst. Er muß doch fühlen, daß seine Freunde solcher Niedertracht gegenüber zu ihm stehen."
Der Assessor sah, wie dieser Ester der Tochter den alten Herrn unbeschreiblich ärgerte.
„Wie kennen wir ihn denn? Daß er ein paar mal zu uns gekommen ist, daß ich mit ihm jagte?" sagte er abweisend.
„O, Papa!" Wie ein Aufschrei, eine entsetzliche Klage tönten die Worte an Seebalds Ohr. „O, Papa! Ehe der Hahn kräht! Du verleugnest ihn!"
„Nun verbitte ich mir aber diesen Unsinn," fuhr der Baron los. „Als wenn ich Christum selbst verleugnet hätte. Hier," er klopfte mit der flachen Hand auf einen offenen Brief, „hier steht's, ist verhaftet, sitzt schon seit unserer Abreise, hat sich selbst im Verhör verstrickt, soll sein Alibi Nachweisen, kanns nicht.
Das hat man davon, wenn man sich von der Langenweile verleiten läßt, mit allerlei Leuten anzubinden."
„Papa!" Wieder dieser Jammer in ihren Mienen.
Dann sagte sie plötzlich zu dem Assessor und zwang sich dabei zu einem verunglückten Lächeln: „Sie müssen meinen Papa nicht verkennen! Er ist nur ärgerlich, sein Herz ist lauteres Gold."
Und sanft und bittend, mit einem unbeschreiblich kindlichen Ausdruck, nahm sie des Alten widerstrebende Hand und küßte sie.
„Artig sein, Papa," sagte sie, wie sie es vielleicht schon als ganz kleines Kind gethan und seitdem beibehalten hatte. Die Zauberformel verfehlte auch ihre Wirkung nicht.
Die Herren sprachen dann über den Fall, v
Die Charakteristik, die der Baron von dem Angeklagten gab, war gerecht, Hedwig erschien sic kalt und unzulänglich.
„Ich glaube natürlich nicht an seine Schuld! Harterott wußte von der Jagd gar nichts, ich erinnere mich, daß ich ihm im letzten Winter bei den Treibjagden immer den ungefährlichsten Platz gab, ich meine einen solchen, wo er keinen von uns erschießen konnte. Dabei war er hitzig, wie ein Narr, puffte immer drauf los, ehe er das Wild schußgerecht hatte, und wer weiß, ob er nur die nötigsten Jägerregeln kannte, er wurde immer von allen anderen getadelt."
Mchreremale hörte Hedwig das Wort Alibi. Die Zeitungsnotiz hatte der Baron wahrscheinlich übersehen, Korrespondenzen führte er nicht, der Verwalter hatte bis jetzt durch Postkarte berichtet und ebenso die Be-