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Deutscher Reichstag.

* Berlin, 25. Novbr. Fortsetzung der ersten Lesung der Handelsverträge. Hammer st ein (kons.) polemisiert gegen den Reichskanzler, der wegen der erfahrenen Angriffe eine übergroße Empfindlichkeit verrate. Er möge sich über den Ursprung der agra­rischen Bewegung doch keinem Irrtum hingeben; sie richte sich gegen seine Wirtschaftspolitik, nicht gegen seine Person. In kritischen Zeiten habe bisher die Landwirtschaft immer zur Regierung aufgeblickt, wenn der Reichskanzler sie jetzt auf sich verweise, und dem Bunde der Landwirte schöpferische Ideen abspreche, so drücke er das Niveau der Regierung herab, wie es der altpreußischen Tradition nicht entspreche. Die Landwirte hätten seit Jahren Vorschläge zur Besse­rung der Lage der Landwirtschaft auf verschiedenen Gebieten gemacht, aber vergeblich; mit Zöllen allein könne man der Landwirtschaft nicht helfen. Der Hauptfehler sei, daß die Regierung 1892 nicht zu dem autonomen Zolltarif gegriffen und dem etwaigen Aus­bruch eines Zollkrieges mit der Zuversicht entgegen gegangen wäre, daß Deutschland schließlich obsiegen werde. (Lachen links.) Er stimme gegen jeden Handels­vertrag, der die Reichseinnahmen vermindere und die landwirtschaftlichen Zölle herabsetze. Außerdem würde die Annahme dieser drei Verträge es der Regierung erschweren, den Schutz unserer Landwirtschaft gegen­über den russischen Forderungen aufrecht zu erhallen. Auch sei es unrichtig, daß der rumänische Vectra» unserer Industrie erhebliche Vorteile bringe. Staats­sekretär Marsch all vermißt bei diesem und ollen übrigen Rednern gegen die Handelsverträge den Nach­weis, daß sie die Landwirtschaft schädigen. Wenn dieser Nachweis auch weiter nicht erbracht werde, hoffe er noch auf Zustimmung dieser Herren. Die Frage, ob die gestrige Rede des Reichskanzlers eine Absage au die konservative Partei richte, sei müßig. Die

Regierung bekämpfe die agrarische Bewegung, wie sie sitzt sich gestaltet habe, nicht weil sie mit den Kon­servativen zusammenhänge, sondern weil diese Bewegung nicht konservativ sei. Er hoffe, daß oie Konservativen noch Reue empfinden werden über das, was in dieser Beziehung im Lande vorgehe. Als er vor 15 Jahren als konservativer Abgeordneter für den Getreidezoll von einer Mark eingetrcten sei, habe er für einen extremen Agrarier gegolten. Jetzt schelte man eine Regierung unfähig und als Feindin der Landwirtschaft, die für Mk. 3.50 G-treidezoll eintritt. v. Marschall führt weiter aus, wie im Einzelnen von den Agrariern durch falsche Behauptungen agitiert und Stimmung gegen die Verträge gemacht wird. Er weist dabei auf den gestrigen Artikel derKreuzztg." hin, der das maßloseste an Aufreizung biete, wenn er aller Wahr­heit entgegen behaupte, daß unter den Augen der Re­gierung Deutschland mit russischem Getreide über­schwemmt werde und den Fünfmarkzoll mit der Königs­treue verquicke. Wer solche Dinge als Stimmungs­bild der Landwirtschaft bezeichne, beleidige die ganze Landwirtschaft, denn um solche Gedanken zu haben, sind unsere Landwirte zu klug und zu patriotisch. (Beifall links.) Hammacher (nat.lib.) befürwortet die Handelsverträge, die unsere Handelsbilanz verbessern und fordert die Konservativen auf, nicht an den Grund­lagen der bürgerlichen Gesellschaft zu rütteln und durch ihre Agitation nicht dem Antisemitismus und der Sozialdemokratie vorzuarbeiten. Kardorff (Reichsp) bekämpft die Handelsverträge, weil sie die Not der Land­wirtschaft vergrößerten. Nur eine Konzession der Regie­rung in der Währungstrage könne die Landwirtschaft mit den Verträgen aussöhnen. A l ex a n d er M e y e r (Freis.Ver.) schildert in einer Polemik gegen die bis­herigen Redner gegen die Vertragspoltttk die all­gemeine Bedeutung der Handelsverträge und die Fehlerhaftigkeit einer Politik, die durch Zollkriege zu Handelsverträgen gelangen zu können glaube. Böckel (Antts.) wendet sich gegen die Handelsverträge und wirft dem Reichskanzler vor, daß er ein Herz für die Landwirtschaft habe, es aber praktisch nicht beweise, sonst könne eine Tabakfabrikatsteuer nicht eingebracht werden. Die Beamten sollten ihre Bureaustuben mal verlassen, die Volksstimmung studieren und mitansehen, wie die Landwirte von den Bürgermeistern und Gen­

darmen geschunden würden. (Ordnungsruf des Präsi­denten.) Unsere Gesetzgebung fördere den Niedergang des Bauernstandes, der mit Gewalt der Sozialdemo­kratie zugctrieben werde, v. Dziembowski (Pole): Die Förderung der Landwirtschaft sei auch seiner Partei Ziel; ihr Programm lucke sich mit dem der Landwirte, aber sie verfolge andere Wege. Die politi­schen Gründe, welche ihre Zustimmung zu den früheren Handelsverträgen bestimmten, lägen jetzt nicht vor. Ihre definitive Stellungnahme hänge ab von der Kommisstonsberatung. Ein Schlußantrag wird an­genommen. Die Verträge werden an eine Kommission überwiesen. Eine längere Ge­schäftsordnungsdebatte entspinnt sich über den Vorschlag des Präsidenten, der auf die nächste Tagesordnung den Etat und das Reichsfinanzgesetz setzen will. Für diese Verbindung spricht nur Frege, worauf der Präsi­dent seinen Vorschlag zurückzieht. Montag: Etat.

* Berlin, 27. Nov. Erste Lesung des Etat. Staatssekretär v. Posadowsky beginnt mit der üb­lichen Uebersicht über die Ergebnisse des abgelaufenen und des laufenden Etatsjahrs. Das letztere dürfte einen Ueberschuß nur von IV 2 Millionen ergeben, denn den Mehreinnahmen bei Zucker-, Salz-, Brau- und Stempelsteuer, Post- und Telegraphenverwaltung, stehen Mehrausgaben namentlich bei der Heeresver­waltung von 1(?/» Millionen gegenüber. DieUeber- weisungen an die Einzelstaaten werden um 4 Millionen hinter dem Etatsanschlag Zurückbleiben. Posadowsky verbreitet sich ausführlich über die Ziffern des vor­liegenden Etats 1894/95 und hebt namentlich hervor, daß die Forderungen für neue Schiffsbauten auf's Aeußerste reduziert sind und nur 3^ Millionen be­tragen. Trotz sorgfältiger Veranschlagung aller Ein­nahmen ergebe auch dieser Etat wieder ein starkes Anwachsen der Matrikularbeiträge gegenüber den Ueberweisungen, ein Prozeß, der mit Notwendigkeit auf Schaffung neuer Reichseinnahmen Hinweise. Dazu komme, daß der Reichsschuld von 2 Milliarden nur in den Reichseisenbahnen ein werbendes Vermögen gegeu- überstehe. Man müsse danach streben, immer mehr die Ausgaben auf den ordentlichen Etat und die laufenden Einnahmen zu verweisen und die Anleihen zu vermindern. Wäre die finanzielle Notwendigkeit nicht so dringend, so würde die Reichsregierung nicht

Gr ist der Grve!

Roman von L. H a i d h e i m.

(Fortsetzung.)

Es war Hedwig v. Jhlefleth, hübscher und strah­lender als je zuvor. Die Seeluft, die ganz unge­wohnte Anregung thaten ihr sichtlich sehr gut, uns war sie auch von allen jungen Damen die einfachst gekleidete, so hielt man sie doch, wenn auch nicht für die schönste, so doch für die liebenswürdigste und an­ziehendste, und zeigte ihr dies auf alle Weise.

Freilich die unvermeidliche F ag- der jungen Männer untereinander: Hat sie Geld? war endgültig mit einem entschiedenen Nein! beantwortet worden und resigniertes Achielzuckn meist die Erwiderung da­rauf gewesen. Aber das hinderte am Ende nicht, sich mit ihr zu beschäftigen; natürlich achtete man wohl darauf, sich nicht allzu weit dabei vorzuwagen.

Sie ahnte gar nicht, was man in dieser Rich­tung sprach und dachte, und eben ihre Harmlosigkeit bildete einen ihrer größten Reize. Vergnügt und im­mer bereit, auf ihre Weise sich an den Unternehmun­gen der Jugend zu beteiligen, ging sie zwischen den vielen neuen Bekannten umher, und wie man nach und nach bei solchem täglichen Verkehr die Eigentüm­lichkeiten seines Umganges kennen lernt, so hatten die jungen Mädchen bald herausgefunden, daß Hedwig v. Jhlefleth zuweilen gerade wenn es am lustigsten herging, seufzte. Man sagte, neckte, man wollte eine heimliche Liebe entdeckt haben, die Herren er­fuhren davon, das Seufzen wurde scherzend nach­

geahmt und Hedwig hütete sich von jetzt an sehr, wurde aber glühendrot, wenn man sie doch auf einer solchen Herzerleichterung ertappte.

Das Dampfschiff!" hieß es plötzlich in dem kleinen Kreise.

Das Dampfschiff! Wir gehen nach der Lan­dung sbrücke!"

Man warf die Krocketthämmer schnell in den dazu bestimmten Korb, den der F-scherjunge dann beiseite brachte, und lustig wandten sich die jungen Leute dem Hafen zu.

Auch andere interessierten sich für die Ankunft des Dampfers.

Das Strandieben auf dieser einsamen Insel machte die in jeder Woche zweimal erfolgende Ankunft des Bootes zu einem Ereignis. Man holte sich seine Briefe, seine Zeitungen, man sah die neuen An­kömmlinge.

Hedwig, das wußte man, hatte noch nie dieses Schauspiel versäumt. Ihre Blicke flogen stets interes­siert über die Passagiere hin, auch h.ute wieder, aber der, den sie heimlich erwartete, war nicht darunter wieder nicht! Doch in der allgemeinen Unruhe blieb sie bis jetzt unbeobachtet.

Hatte Fritz doch damals auf der Füllenwiese, als sic von der bevorstehenden Reise ins Seebad sprach, mit einem leuchtenden, bittenden Blick gefragt: Meinen Sie nicht, Fräulnn Hedwig, daß mir die Kur dort auch sehr wohlthun würde?"

Und als sie errötend schwieg und dann lachend sagte:Sie sind ja baumstark und gesund wie ein

Fisch im Wasser!" da versicherte er lebhaft, das komme nur davon, daß er jeden Herbst in England an der Küste gewesen, und Gewohnheit sei eine ge­fährliche Macht, er müsse gewiß auch dies Jahr etwas der Art für sich thun.

Weiter hatten sie das gefährliche Thema nicht verfolgt, aber warum kam er denn nun nicht?

Hedwig dachte wohl daran, daß der Tod Har- terotts gewiß mancherlei Arbeit für Lörrach gebracht haben würde; sie hatte sich darum diese ersten drei Wochen auch darein gegeben, daß das Dampfboot ihn niemals brachte aber jetzt?

UndBettina!" hieß der andere Gedanke.

Bettina! Sie war ein schönes, liebenswürdiges Mädchen, sie sang so wundervoll und er hörte sie so gern singen.

Heute, als wieder einer der Passagiere nachdem and.ru an den neugierig blickenden Badegästen vor­über ans Land schritt und er wieder nicht darunter war, heute krampfte sich zum ersten Male ihr Herz angstvoll zusammen.

Er denkt wohl gar nicht mehr au dich!"

Und unbewußt seufzte sie.

Ein Lachen ihrer Freundinnen, ein allgemeines Echo von Seufzern in ihrem Kreise folgte und dann ging das Necken an.

Jetzt war es klar: Hedwig erwartete den Ge­genstand ihrer Seufzer! Wer ist es? Wie sieht er aus ? Trägt er einen Bart? Uniform?

Sie konnte sich kaum retten vor dem Uebermut, mit dem man sie verfolgte, und war heute so wenig