Erscheint Dienstag Donnerstag und Samstag.
Bestellpreis pr. Quartal im Bezirk Nagold »0^, außerhalb 1.
<7^
W
Mllsimeme^Ln^ize^
/ön ös
FndHnrertialtMgZblattZ
sdarsn -T/ö^ol
Einrück- ungspreiS ; f. Altensteig und nahe Umgebung bei Imal. i- Einrückung 8^, bei mehrmol. je 6
auswärts ' je 8 ^ di«
. 1spalt.Zeile
4L?
134
Man abonniert auswärts auf dieses Blatt bei I den Postämtern und Postboten.
Samstag dm 21. Kktoßer
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbreitung.
1893.
Gestorben: Oekonom Fehleisen, Eßlingen; Landgerichtsrat a. D. Steiler, Stuttgart; Schultheiß Ritter, Karlsvorstadt Heslach.
D Toulon und Tarent.
Eine russische Flotten abteilung stattet gegenwärtig den Franzosen, eine englische den Italienern einen Besuch ob. Der Empfang der Russen in Toulon war lärmend, der der Engländer in Tarent herzlich. Engländer und Italiener haben im Mittelmeere durchaus gleiche Interessen, nämlich zu verhindern, daß das genannte Meer ein französischer Binnensee werde. Die Interessen der Russen und Franzosen dagegen sind grundverschieden, so grundverschieden, wie die Staats- formen, die Lebensgewohnheiten. Kultur und Sitten beider Völker. Daraus entspringt bei den Engländern und Italienern eine gegenseitige Sympathie, die genau weiß, was man von einander zu halten hat und die das festeste Bündnis, begründet auf gemeinsame Interessen, verbürgt. Zwischen Russen und Franzosen dagegen find die letztgenannten ausschließlich der empfangende und bis zur Demütigung dankbare Teil, während die Russen sich die Feste und Geschenke gefallen lasten, ohne etwas dafür zu versprechen.
England hat nach Italien seine besten Schiffe entsandt — der Zar schickte nach Toulon fünf minderwertige Fahrzeuge, womit er vielleicht andeuten will, daß er keine große Flotte im Mittelmeer zu stationieren gedenke. Italien und England entfalten beide stolz ihre Flaggen; der russische Kaiser hat verboten, die russischeKriegsflaggezu hissen undhat dadurch dem Besuch einen beträchtlichen Teil seines sonstigen Nimbus genommen. Das russische Kabinett Hai vor dem Touloner Besuck vertraulich in Berlin, Wen vnd Rom versichern lasten, daß der Flottenbesuch keine gegen Deutschland gerichtete Kundgebung sei. Der englische Flottenbesuch in Italien schließt jede Zweideutigkeit aus und machte daher Erklärungen, wie die obige überflüssig.
Diese Kisten von Champagner, die auf den Kais von Toulon ausgestellt find, diese 2138 Spangen für die Frauen der russischen Mairosen und diese Broschen für die Osfiziersbamen, diese Kreuze für die Kapläne, diese symbolischen Spielzeuge sind zu empfehlen. Wären die Franzosen nicht damit beschäftigt, so würden sie ihre Zeit damit aussüllcn, daß sie Steine auf italienische Arbeiter werfen oder Feuer und Gift gegen den Dreibund ausaimen . . . Die Idee, der russischen Kaiserin ein Armband zu verehren, das mit Juwelen besetzt ist, die die Trikolore darstellen, und dem Zaren ein Modell des Eiffelturms in Brillanten zu übersenden, ist eine der größten Narrheiten unserer Zeit... Ee- ist nicht der Mühe wert, die Sache mit ernsten Augen anzusehen. Nichts kennzeichnet die Isoliertheit, in der Frankreich sich befindet, besser als die höfliche Gleichgültigkeit, die Rußland in diesem Augenblick zur Schau trägt. Der Kaiser braucht eine neue Anleihe und einen Hafen im Mittelmeer. Er mag die erstere erhalten, es wäre jedoch beklagenswert, würde ihm der Hafen gegeben. Es muß jedoch daran gezweifen werden, daß das der Fall sein wird. Im übrigen sind die Festlichkeiten — eben Festlichkeiten.
Von allen diesen Narrheiten und Uebcrtreibungen, die selbst von einem Teile der französischen Presse verspottet werden, findet man in Tarent auch nicht die leiseste Spur. Die englische Flotte erscheint angesichts der Reede von Tarent, ein Kanonenboot mit mehreren höheren italienischen Seeoffizieren fährt ihr entgegen und begrüßt sie namens des Königs und der Regierung; die englischen Offiziere landen, Stadt und Hafen sind beflaggt und das vleltausendstimmige „Evviva" des Volkes bestätigt, daß die Regierungspolitik, die enge Freundschaft mit England hält, volkstümlich sei. Das Häuflein derer in Italien, die den Fuß küssen möchte, der das eigene Vaterland lerächtlich getreten hat, ist nur verschwindend gering.
Italien wünscht den Frieden, aber es verlangt auch denjenigen Respekt, den ein Großstaat fordern muß, wenn er sich nicht vernichten will.
Von dieser würdevollen Haltung ist in Frankreich auch keine Spur zu finden. Seit vielen Jahren rutschen das französische Volk und seine führenden Politiker vor dem Zaren förmlich auf dem Bauch, um Rußland zu einem formellen Bündnis mit Frankreich zu bestimmen. Mit größter Bereitwilligkeit haben sie Milliarden russischer Papiere ausgenommen, und sie werden das jetzt von neuem thun, da der Zar sich kerabläßt, ihnen durch seine Flotte einen Höflichkeitsbesuch zu machen. Damit hört aber auch für Rußland der Spaß auf, das sich ernstlich bemüht, mit Deutschland handelspolitisch wieder auf guten Fuß zu kommen.
Wenn zwei dasselbe thun, so ist es doch nicht dasselbe. Toulon und Tarent liefern den Beweis dafür. -
* Altensteig, 20. Okt. Am 18. Oktober sind achtzig Jahre dahingegangen, seit in der großen Völkerschlacht bei Leipzig die unheilvolle Allmacht des korsischen Eroberers gebrochen wurde, besten Hand schwer auf den deutschen Landen ruhte. Möge das heme geeinte Deutschland jene Zeiten der Schmach und der endlichen Befreiung nie vergessen.
* Der praktische Arzt vr. Appenzeller von Reutlingen (früher in Altensteig) wurde von dortiger Amtsversammlung zum Oberamtswundarzt für den Bezirk Reutlingen gewählt.
* Ebingen, 18. Okt. Schon seit einiger Zeit kommen hier vereinzelte Fälle van Diphtheritis unter den Kindern vor und hat die heimtückische Krankheit auch bcreiis einige Opfer gefordert. So wurde gestern ein neunjähriger Knabe beerdigt, der in wenigen Tagen der Krankheit erlegen ist. Es sollen noch einige Kinder hoffnungslos darnieder liegen. Hoffentlich nimmt die Krankheit keine weitere Ausdehnung an.
' Stuttgart, 17. Okt. Der seit einigen Tagen hier weilende frühere Maschineriedirektor des Kgl. Hoftheaicrs, Herr Georges, steht mit einem Konsortium betr. Verkauf der Villa Taubenheim in Friedrichshafen in Unterhandlung, welche nach Uebergang in die Hände de.' neuen Besitzer in eine Nervenheilanstalt umgewandelt werden soll.
* Stuttgart, 18. Oktober. Die vegetarische Lebensweise scheint in Stuttgart immer mehr Anhänger zu gewinnen. Wenigstens hat sich dem seit einiger Zeit schon in der Rotebühlstraße bestehenden Speisehause Pomona jetzt ein zweites vegetarisches Restaurant in der Tübingerstraße beigesellt, das den sonderbaren Namen Melone führt. — Eine Pleite, die was das Verhältnis zwischen den Aktiven und Passiven anbelangt einigermaßen an den klassischen Konkurs des Hrn. Stänglen erinnert, ist diejenige des Gründers und ehemaligen Direktors der gleichfalls verkrachten Akttenziegelei Gablenberg, G. Bund. Bei der ersten und Schlußverteilung sind gegenüber einer Forderung der Gläubiger von über 100,000 Mk. nur 800 Mk. verfügbar: Mittel vorhanden.
* Hohenheim, 16. Okt. Mit dem heutigen Tage haben an der K. landwirtschaftlichen Akademie die Vorlesungen ihren Anfang genommen. Die Zahl der Studierenden hat eine solche Höhe erreicht, daß von einem Teil derselben auswärts — in Plieningen, Birkach u. s. w. — Wohnungen gemietet werden mußten.
* In Heilbronn fand am Mittwoch die feierliche Enthüllung des Kaiser Friedrich Denkmals auf dem gleichnamigen Platz an der Frankfurterstraße statt.
' (Verschiedenes.) In Tübingen tritt seit einigen Tagen unter der Kindcrwelt wieder die tückische Diphtheritis auf; mehrere Kinder sind schon gestorben. — Dem Rosenwirt Krämer in Oberndorf scheuten seine beiden wertvollen Pferde, hiebei stürzten sie einen
steilen Abhang hinunter, wobei das eine Tier (im Werte von 800 Mk.) das Genick brach und oas andere schwer verle tzt wurde. — Dem Käser in Schlatt 0 . B. wurden am Kirchwcihsonntag 400 Mk. und sonstige Wertgegenstände gestohlen. — An Blutvergiftung durch einen Marderbiß starb in Weingarten der 60 Jahre alte Apotheker Graf. — Unserem Volk bleibt immer noch ein bischen Humor, mögen die Zeiten so schlecht sein, wie sie wollen. In einem Ort bei Göppingen kam ein wackerer Schreinermeister auf den nicht unpraktischen Einfall, seinen Most, mangels eines Fasses,sin einer von ihm selbst- verftltigten Kiste aufzubewahren. Den Nachbarsleuten gegenüber, die sich bemüßigt sahen, ihren Witz an der fraglichen Kiste auszulaffcn, erklärteer, dem Most kann es gleichgiltig sein, ob er rund oder viereckig im Keller liegt. — In Stuttgart sind die Rekruten mit „Sack und Pack" eingerückt, was den der Kaserne benachbarten Straßen einen ziemlich lebhaften Charakter verlieh. Daß der militärische Geist bis jetzt noch nicht so besonders vorwaltet, davon zeugt der nachstehende ergötzliche Zwischenfall. Bei der Gestellungsmusterung ' fiel dem Feldwebel ein ziemlich robuster Bauernknecht in die Bugen, der mit großen bis über die Knie reichenden Stiefeln, fein gewichsten Lederhosen, einem kleinen Samtwämmschen und einem breitkrempigen Strohhut geschmückt war. Lächelnd meinte der Feldwebel: „Du g'fällst m'r jetzt!" worauf unser Baucrvknechtschmunzelnd erwidert: „Dumiur au!"
* Mannheim, 18. Okt. Aus Anlaß des groß- herzoglichen Besuchs hat der Fabrikant landwirtschaftlicher Maschinen, Kommerzienrat Heinrich Lanz, eine Summe von 10 000 Mk. gespendet zu Gunsten der im Winter o'Beitslos werdenden Bevölkerung. Die Armaturcnfabnk Bopp und Reuther machte zu Gunsten kranker oder invalider Arbeiter eine Stiftung von 50 000 Mk.
* München. Gegen den Unfug des Haberfeldtreibens rafft sich die oberbayrische Kreisregierung endlich zu energischen Abwehrmaßregeln auf. Bedrohte und betroffene Gemeinden haben sofort auf eigene Kosten drei Monate lang allnächtliche Sicher- hcitswochen von vier bis acht Mann zu stellen. Außerdem wird auf die Kostenersatzpflicht der Gemeinden für M'.liiäraufgebot hing-wiesen und das Habcrfeld- treiben und dessen Begünstigung als Landfriedens- bruch gekennzeichnet.
* In Wiesbaden fand am 18. ds. die dritte Zwangsversteigerung des Bade-Etablissements statt. Es wurde für 1 105 000 Mk. dem Bauunternehmer Philipp Helfmann in Frankfurt a. M. zugeschlagen. Der gerichtliche Anschlag betrug 2 300000 Mk.
* In der Jlifanteriekaserne m Wiesbaden gerieten der Fr. Ztg. zufolge am Mittwoch vormittag zwei Soldaten der 13. Compagnie in scherzhaften Wortwechsel. Der Scherz wurde bald ernst und der eine der Soldaten, der zufällig ein Brotmesser in der Hand hatte, durchstach dem andern die Lunge. Der Getroffene war bald darauf tot. Der Streit entstand wegen eines Stückes Kommißbrot. ,
"Berlin, 17. Okt. Die Vorarbeiten zu dem Gesetzentwurf wegen Wiedereinführung der Berufung gegen die Urteile der Strafkammern find nach eingehenden Erhebungen nahezu abgeschloffen, so daß die Vorlage dem Reichstag wahrscheinlich noch vor Weihnachten wird zugehen können.
* Berlin, 17. Okt. Beide Inhaber der Seifenfabrik Wissing u. Co. mit einer Anzahl ihrer Angestellten sind verhaftet worden. Der der hiesigen Fabrik Gollnowstraße 39 vorstehende Teilhaber Mosesmann und sein die Leipziger Filiale leitender Kompagnon Wissing sind beschuldigt, unter Mitwirkung von 8 mitvcrhafteten Angestellten große Betrügereien gegen Provinzialkunden durch Fälschung von Schlußsteinen begangen zu haben. Ein Reisender der Firma, schon früher wegen ähnlicher Vergehen