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Donnerstag dw 19. Oktober

Bekanntmachungen aller Art finden die erfolg­reichste Verbreitung.

1893.

Die Hufbeschlag-Prüfung haben u. a. mit Erfolg bestanden: Sylvester Kiefer von Gündringen, OA. Horb; Georg Roller von Teinach-

Gestorben: Werkbesitzer Stoll, Steinbach b. Hall; Emil Ege, Oekonomierat, Schwärzerhof.

Immer im Rausch!

(16. Oktober 179316. Oktober 1893.)

Es lebe die Republik nieder mit der Tyrannei!" Mit diesen Worten umtoste am 16. Okt. 1793 das ftanzöstsche Volk den Karren, in welchem die ehemalige Königin dieses Volkes zum Schaffot geschleift wurde. Trunken von Haß, trunken von Blutgier, aller Scham und vernünftigen Besinnung bar durch den Freiheitsrausch der Revolution, der zügellosen Entfesselung aller Leidenschaften und Be­gierden, vollzogdie große Nation" unterfrenetischem Jubel" den Mord an einer schwachen, unschuldigen Frau.

Es lebe die Republik!" Das ist auch heute der Ruf, der ganz Frankreich durchtönt. Aber der Nachsatz fehlt oder vielmehr hat er sich verändert: er heißt nicht mehrNieder mit der Tyrannei" er heißt jetztHoch die Tyrannei!" Es lebe Ruß­land und der ^ar, der mit eiserner Faust alle Frei­heitsregungen imheiligen Rußland" niederhält, der die Polen und Livländer, die Protestanten und Ka­tholiken in die alleinseligmachende Uniform des ortho­doxen Ruffentums einzwängen will und die Juden im ganzen Lande rechtlos macht. Es lebe Rußland, es lebe Sibirien, es lebe die Knute! Mit Freuden- thränen im Auge jubeln sich die Franzosen diese Worte zu trunken vor Wonne, berauscht von patriotischer" Begeisterung und überschäumender Rufsenliebe.

Immer im Rausche! Ob es nun gilt, ein wehr­loses Weib zur Schlachtbank zu schleppen, ob es gilt den Vertretern des selbstherrlichen Czaren eine tiefe Verbeugung zu machen,frenetischer" Jubel ist die Ausdrucksweise des freudetrunkenen französischen Vol­kes, er ist der Begleiter der Ereignisse vor hundert Jahren wie heute. Dem blurigen Rausche von 1793 folgten lange Jahre des Kampfes, in dem schließlich dem französischen Volke die Freiheit, die es in den Tagen grausamer Trunkenheit so schmählich miß­braucht, wieder genommeq wurde. Was wird dem

Rausche der Oktobertage dieses Jahres folgen? Wer kann es sagen? Aber eines ist sicher: Wenn das französische Volk von 1793 am 16. Okt. auch schwere Schuld auf sich geladen, so war es dock ein großer Gedanke, der es geleitet, der Gedanke der Freiheit, wenn auch entstellt und geschändet und überwuchert von niederen Instinkten. Aber heute, heute jubelt das Volk nicht einmal dem Zerrbilde der Freiheit zu sondern dem Unbilde der Unfreiheit, wie cs sich in seinemVerbündeten" verkörpert. Und darum braucht man den Rausch des französischen Volkes nicht tragisch zu nehmen er wird wirkungslos verfliegen und wie jeder ungesunde Rausch seinen Katzenjammer im Gefolge haben. Der heutige Rausch der Franzosen erregt bei der Mitwelt nicht mehr Staunen und Abscheu, sondern nur noch Mitleid.

LandeSrrachrichte«.

* Alten steig, 18. Okt. Dem Vernehmen nach ist die den Inhabern des Eisernen Kreuzes von 1870/71 auf Grund des Reichsgesetzes vom 2. Juni 1878 zu gewährende Ehrenzulage von 3 Mk. monatlich, .beim Ableben des Empfangsberechtigten auch für den Sterbe­monat tageweise bis zum Sterbetage einschließlich zu zahlen. Schon Mancher hat dadurch, daß er auf öffentliche Aufforderungen sich als Interessenten an einem überseeischen Nachlaß unter einer be­stimmten Privatadresse zu melden, sehr trübe Erfahr­ungen machen müssen. Erst kürzlich las man wieder eine solche Aufforderung in deutschen Blättern, bei der es augenscheinlich auf redlichen Gewinn nicht ab­gesehen war. Man übe deshalb Vorsicht und suche etwaige in überseeischen Ländern geltend zu machende Erbansprüche nur durch die kaiserl. Konsulate weiter zu verfolgen.

* Stuttgart, 16. Okt. In dem Zigarren­geschäft von Oskar Friemelt in der Friedrichstraße ist gegenwärtig eine amerikanische automatische Kaffe in Funktion, die wegen ihres erstaunlichen Mechanismus viel bewundert wird. Kassendtebstähle sind dabei so gut wie ausgeschloffen. Jede einzelne Einnahme hat der Commis durch einen Druck auf einer Taste zu registrieren, worauf die bezahlte Summe in Ziffern erscheint, so daß der Käufer sich von der Richtigkeit der Markierung überzeugen kann. Außerdem addiert

die Kasse sämtliche Einnahmen und enthält schließlich noch einen sehr sinnreichen Apparat zum Wechseln. Eine solche Kaffe kostet 800 Mk.

* Stuttgart, 17. Oktbr. (2. Strafkammer.) Heute nachmittag 1 Uhr verkündigte die Strafkammer das Urteil in der Beleidigungsklage des evangelischen Konsistoriums gegen den verantwortlichen Redakteur des Beobachters, Karl Schmidt. Dieser wurde wegen Beleidigung- der württembergischen Pfarrer zu der Geldstrafe von 150 Mk. verurteilt.

* Mögglingen, 16. Okt. Gestern nacht wurde die hiesige Bahnhofkaffe mit ca. 1500 Mk. Inhalt gestohlen. Die Diebe, Handwerksburschen, wovon einer bereits festgenommen wurde, haben von einem Fenster daS Gitter weggcriffen, die Scheiben eingedrückt und sind dann eingestiegen. Den Stein, an dem die Kaffe befestigt war, haben die Einbrecher mit einem Meise! gesprengt, an der EingangSthüre die Schrauben ab­gerissen und die Kaffe auf einem Wägelchen wegge- führt.

* Wie derSchw. Merk." mitteilt, hat der suspen­dierte Oberbürgermeister Hegelmaier in Heilbronn seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beim König­lichen Landgericht daselbst beantragt.

* (Vers chiedenes.) In der Kelter in Reut­lingen stürzte der Weingärtner Käsmann rücklings von einer Presse herab «ud war auf der Stelle tot. Ein Soldat des Tübinger Bataillons, der anläß­lich eines Gefechtsschießens inAltingen einquartiert war, hatte, trotz der Warnung seines QuartiergeberS, eine der in einer Kammer aufbewahrten Dynamit­patronen zur Hand genommen. Die Patrone explo­dierte und verletzte den Soldaten derart im Gesicht und an den Händen, daß ihm ein Auge herausgenom­men werden mußte und auch der Gebrauch der einen Hand voraussichtlich behindert sein wird. Scho» wieder ist ein sich selbst überlassenes Kind durch den Umgang mit Zündhölzchen schwer verletzt worden. In Jag st Hausen zündete das 2jähr. Kind des Taglöhners Kapp eine Kerze an, wobei ein fünfjähri­ges Kind dem Lichte zu nahe kam, so daß die Kleider Feuer fingen und das Kind lebensgefährliche Brand­wunden erlitt. Dem Bauern Kaspar Brose in Winzerhausen wurde in eine Weinbütte Erdöl geleert, wodurch der darin befindliche Wein ungenteß-

Gr ist der Arve!

Roman von L. H a i d h e i m.

(Fortsetzung.)

Ja, ich wunderte mich just so wie du, denn ich dachte natürlich, der sitzt bis über die Ohren im Gelde. Und da kam er und war sehr freundlich, ein Lob über Willy und io noch und nach redete er von Zinsen und sagte, er gäbe sieben Prozent, dabei hätte er doch noch Profit und als sie ihn so anguckte und seine Worte gar nicht recht verstand, da sagte er, er könnte just Geld brauchen und ich sollte ihm mein Geld in sein Geschäft geben.

Ich denke, ich falle um vor Erstaunen. Er aber redete mir so zu und wurde immer eifriger, je Mer ick mich verwunderte und ich sag e zuletzt, ich wollte es mir bedenken und wenn ich's machen könnte, dann wollt' ich am nächsten Sonntag das Geld bringen.

Na aber wer nicht hinging, das war ich, denn mein Sohn sagt auch: Sei kein Narr, Vater, sagte er, du hast jeden Thaler mit Fleiß und mit Entbehrung zusammengebracht der tzarterott ist ein Großthuer, der lebt wie ein Prinz und meint ja wohl, das Geld fällt ihm immer so zu wie mit der Erbschaft."

Du hast ihm also dein Geld nicht gegeben?" fragte Lörrach den alten Preuß.

Nicht im geringsten. Aber der Willy muß die heimliche Wut jetzt auskosten. Meine Frau hat schon geweint, daß der Junge die Ungerechtigkeit tragen

soll; es ist aber nichts zu machen, er muß seine Lehrzeit aushalten."

Unter diesen Reden waren sie am Vorwerk ange­kommen. Der alte Preuß rief schon von weitem nach seiner Frau, und Mutter erkannte sofort den Gast und lief ihm, ihre blaue Küchenschürze als Handtuch benutzend, über den ganzen Hof entgegen.

Dann mußte er durchaus etwas genießen und Mutter wußte noch von früher seinen Geschmack. Mit breitem, liebevollem Lächeln trug sie ihm eine große Schale geronnener Milch herbei, dick bestreut mit Zucker und Schwarzbrot. Vater hatte die Küm­melflasche geholt und dann die kleinen Schnapsgläser am Brunnen ceschwenkt.

So, erst einen kleinen Kümmel als Magen­erwärmung und dann man lustig ins Gefecht!" rief er, dem jungen Mann den Zinnlöffel hinschiebend.

Als Lörrach eine Stunde später die alten Leute verlassen hatte, war er sehr nachdenklich. Großvater Preuß hatte ihm sehr vieles gesagt, was ihm zu grübeln gab.

Es hieß unter den Leuten, Hans Harterott habe viele Schulden gehabt, als er die Erbschaft just im glücklichen Augenblick antrat; er sei ein leidei schaft- licher Spieler, und die Herren, mit denen er sich ei nige Male wöchentlich in einem vornehmen Lokal zusammenfand, kannte Lörrach schon von früher als solche, die in dem Rufe standen, das gefährlichste Hazard zu begünstigen.

Auch in anderer Hinsicht war der Alte nicht gut auf Hans zu sprechen. Derselbe sei in der kurzen

Zeit bei seinen Leuten schon in hohem Grade ver­haßt, weil er sie hochmütig und ungerecht behandele.

Das war wenn begründet sehr schlimm, denn nichts erbittert den Mann, der um sein tägliches Brot arbeitet, tiefer.

Bei alledem war der alte Preuß ein durch und durch ehrenhafter, gutmütiger Mensch; die Art, wie Hans gegen seinen Enkel vorging, gegen Willy, den Stolz der sich mühsam emporringenden einfachen Fa­milie, erbitterte ihn, aber sie hätte ihn nie bewegen kön­nen, etwas zu sagen, was er selbst für unwahr hielt.

So wäre also der Glanz und Sonnenschein, der jetzt auf dem alten Steinhause lag, eitel Trug?

Sehr nachdenklich schritt Lörrach wieder War­menau zu und kam gerade rechtzeitig mit den Freun­den dort an, die sich sehr gut unterhalten hatten und nur über eines sich gar nicht beruhigen konnten, über die außerordentliche Einfachheit, mit der Vater und Tochter lebten.

Die alten abgenutzten Möbel, die einfachen Stu­ben, es war nicht zu sagen, wie schlicht alles ge­wesen; zum Kaffee ein Körbchen mit Zwieback, ein sehr mäßiges Glas Rotwein darauf und ganz köstliche Erdbeeren, das war die Bewirtung gewesen.

Nach dir fragte Fräulein v. Jhlefleth sehr interessiert; es that ihr, glaub.' ich, wirklich leid, daß du nicht da warst!" sagte Hans.

Wie Fritz sich freute! Er schämte sich beinahe vor sich selbst seines Rotwerdens und dankte Gott, daß es die anderen nicht sehen konnten, denn es dämmerte stark. Später ging der Mond auf.