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Dienstag dm 26. September

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1893.

D Die ,,Aussöhnung".

Der Depeschenwechsel zwischen dem Kaiser und dem ersten Kanzler des Reiches hat die erfreuliche Nebenerscheinung gezeigt, daß die deutsche Presse aller Parteischattierungen in ihrem Urteil übereinstimmte, wenigstens der Hauptsache nach. Einig ist man be­sonders darin, daß dem Vorgehen des Kaisers volle Anerkennung gezollt wird. Denn Fürst Bis­marck ist eine historische Persönlichkeit, ein Paladin des ersten deutschen Kaisers, der namhafteste Mitbe­gründer des neuen Reiches, der letzte Ueberlebende jener Drei, die man seiner Zeit stets gleichzeitig nannte: Bismarck-Moltke-Roon. Unter Bismarcks Regime hat Preußen die Führerrolle in Deutschland übernommen, seinen Besitzstand erheblich erweitert und ist dem Könige von Preußen die deutsche Kaiserkrone zu teil geworden. Alles dies sind Thatsachen von so erdrückendem Gewicht, daß sich der jetzige Kaiser Wilhelm nicht im geringsten etwas vergibt, wenn er dem alternden, kranken Staatsmann trotz allem, was seit 1890 vorgekommen, die Hand entgegenstreckt.

Die Nachricht von der schweren Erkrankung des Fürsten hat den Kaiser eben sehr ergriffen, und aus diesem Gefühl heraus hat er geglaubt, das Seinige dazu beitragen zu sollen, um der peinlichen Spannung ein Ende zu machen und dem Fürsten jedenfalls zu zeigen, daß man über den Aergerniffen der letzten Zeit nicht das vergessen hat, was Fürst Bismarck in langer, harter Lebensarbeit für Preußen, für Preußens Könige und für das Deutsche Reich ge- than hat.

Man hat aus den Depeschmwechsel die Bezeich­nungAussöhnung" gebraucht und zwar in offen­barer Verlegenheit um ein anderes bezeichnenderes Wort, das eben in unserer Sprache fehlt. Fürst Bismarck selbst hat, so lange er im Amte war, den Begriff der Monarchie unendlich gehoben, so daß es nur in seinem Sinne sein kann, wenn man sagt:Ein llnterthan kann sich mit seinem Monarchen nicht aus­söhnen". Aber auch ohne diese Haarspalterei kann von einer Aussöhnung in dem Sinne, daß nun alles Geschehene vergessen sein oder gar rückgängig gemacht werden soll, gar nicht die Rede sein. Nichts in der heutigen Lage weiß darauf hin, daß Bismarck in sein

altes Amt zurücktreten könnte, ganz abgesehen davon, daß ihm dies sein Alter und seine Krankheit verbieten. Weder entspricht die abermalige Kanzlerschaft dem oft in aller Klarheit ausgedrückten Wunsche des Fürsten Bismarck, noch würde sie sich aus vielen sachlichen Gründen durchführen lassen. Die inneren Gründe, die seiner Zeit zum Rücktritt des Fürsten führten, bestehen auch heute ungeschwächt fort und würden, wenn Fürst Bismarck heute sein Amt aufs neue übernähme, in kurzer Zeit unzweisehaft von neuem in Erscheinung treten. Die Personen von damals sind heute noch dieselben, und die Verhältnisse, wenn sie sich geändert haben, haben dies höchstens in einem solchen Sinne gethan, daß die Lage sich noch schneller zuspitzen würde.

Aber in anderer Weise wird sich die Aussöh­nung das Wort sei nun einmal beibehalten bemerkbar machen. Es war, so sagt die,Köln. Ztg/ mit Recht, ein widernatürliches Verhältnis, daß zwischen der Reichsregierung und dem Begründer des Reiches eine Art von stillem Kriegszustände bestand, der oft in Vornahmen seinen Ausdruck fand, die man, ob sie nun von der einen oder der anderen Sette kamen, entschieden verurteilen mußte und die dem Reiche und seiner Entwicklung nicht zuträglich waren. Wenn das auf rein menschliche Erwägungen zurückzuführcnde Vorgehen des Kaisers die Folge haben sollte, daß hierin ein Wandel eintritt, so wird das von allen Seiten mit Freuden begrüßt werden.

Der Kaiser hat ein feines Verständnis für die Regungen der Volksseele bewiesen, als er einen Zu­stand als schädlich und unhaltbar erkannte, der die beiden mächtigsten Empfindungen jedes nationalgc- sinntcn Deutschen nämlich die Anhänglichkeit an das Kaisertum und die Verehrung für den haupt­sächlichsten Begründer desselben in einen schwer zu lösenden Gegensatz brachte. Er hat gewiß manches Niederkämpfen müssen, um einen Ausweg aus diesem Labyrinth zu ermöglichen. Sache des Fürsten Bis marck wird cs nun sein, sich an Hochherzigkeit der Gesinnung dem Kaiser ebenbürtig zu zeigen und Dinge endgültig zu begraben, die nun einmal unwiderruflich der Geschichte angehören. Fürst Bismarck wird dem deutschen Volk, für das er so viel gethan hat, den letzten und vielleicht schwersten Dienst erzeigen, wenn

er mit seinem Denken und Empfinden wieder ein objektives, durch kein Moment persönlicher Verstimmung getrübtes Verhältnis zu den großen Fragen des deutschen Staatslebens gewinnt.

In dieser Beziehung ist die offiziöse Versicherung von Wert, daß der Kaiser das vielgenannte Telegramm aus eigener spontaner Entschließung abgesandt habe; weder der Prinz-Regent von Braunschweig, noch der Großherzog von Baden, der König von Württemberg oder der Kaiser von Oesterreich haben den Entschluß des Kaisers geweckt oder verstärkt.

LsudeSiachrichtea.

* Alten steig, 25. Sept. Im Garten des Hrn. Kleiderhändlers Lutz stehen 2 Obstbäume in schönster Blüte. Die Blüte befindet sich an neuen Schößlingen und cs find die Bäume üppig grün belaubt. Eigen­tümlich ist auch, daß Stachelbeersträuche, welche ihre Blätter jüngst haben fallen lassen, wieder neue Blätter treiben. Diese Seltenheiten find wohl eine Folge des tropischen Sommers. Daß es aber nicht zu einem zweiten Obstansatz kommt, dafür sorgt schon der eben begonnene Herbst, denn die letzte Nacht brachte einen solchen Frost, daß im Freien stehendes Wasser eine Eisdecke bekam. Hier blühende Bäume, dort Eis, ein wehmütiger Kontrast. In den letzten Tagen ging ein ergiebiger Regen nieder, wodurch es dem Landwirt ermöglicht ist, seine Felder zu bestellen. Viele Klagen hört man wirklich über die heim­tückischen Singschnaken, welche sich durch ihre giftigen Stiche und ihren eintönigen Gesang als schlimme Nachtruhestörer aufspieleu; leider ist ihnen nur schwer beizukommen. Als bestes Vertilgungsmittel hört man Weingeist nennen. Ein Glas wird mit dieser Flüssigkeit zum dritten Teil gefüllt, das Glas dann an ein Stängchen oder einen Besenstiel befestigt und dann der Plafond des Zimmers bei eintretender Dämmerung abgesucht. Von dem Weingeist wird die Schnake, sobald das Glas unter ihren Sitz ge­halten wird, alsbald betäubt und sie fällt in das Glas, wo sie ihren Tod findet. Eine versuchsweise Anwendung dieses Mittels dürfte sich jedenfalls empfehlen. Gut ist es auch die Fenster abends ge­schlossen zu halten. Seine Majestät der König hat der Stadtgemeinde Nagold anläßlich des da-

Aillk WSchk. (Nachdruck verboten.)

Kriminal-Roman von M. . . .

(Fortsetzung.)

Benjamin Hood hat seine wohlverdiente Strafe erhalten, nicht wahr, Dir. Thomas?"

Das Antlitz des Alten verzerrte sich angstvoll. St! Stille! Sie hätten meinen Herrn gestern abend und in der verflossenen Nacht sehen sollen, es war geradezu entsetzlich!"

Was war denn so entsetzlich, Mr. Thomas ?"

Sie hätten ihn sehen sollen, sage ich! Und noch dazu er kann sie nimmer vergessen."

Er holt wohl zuweilen ihr Bild hervor, um es zu betrachten?" Bei dieser Bemerkung errötete Morrison plötzlich.

Freilich thut er das! Am Dienstag, ja,

es war am Dienstag-." Abermals schwieg

der Alte.

Also am Dienstag, Mr. Thomas? Aber vor allen Dingen trinken Sie doch einmal aus!" Und ich füllte ihm das Glas von neuem.

Ja, da hätten Sie ihn sehen sollen! Es war, als habe er keine Ruhe im Körper. Er ging im Zimmer auf und nieder, und von Stunde zu Stunde wuchs seine Unruhe. Ich hatte etwas im Zimmer zu thun, und ich wußte, daß ich nach Belieben aus- und eingehen konnte Mr. Archibald kennt den alten Thomas. Als ich aber an jenem Tage ins Zimmer trat, sah er mich mit einem Blicke an, der deutlich sagte:Was willst du denn hier?"

Ich aber that, als merke ich nichts. Dann erhob er sich und fragte mich:Thomas, rate du mir! Soll ich sie noch einmal Wiedersehen zum letzten Male? Ich verstand nicht, was er sagen wollte, des­wegen nickte ich ihm nur zu und da sah er plötzlich ganz vergnügt aus."

Aber wenn Mr. Thomas Archibald Försters Frage auch nicht verstanden hatte, so verstand ich dieselbe um so besser!

Sagen Sie mir doch, Mr. Thomas, Sie, der Sie alles wissen, sprach Mr. Archibald niemals mit Ihnen über Benjamin Hood?"

Mr. Thomas schien dieselbe überhört zu haben.

Und dann ging er fort und kehrte an jenem Abend nicht wieder zurück es ward Nacht, aber Mr. Förster kam nicht."

Ich wiederholte meine Frage:Sagen Sie mir doch, Mr. Thomas, sprach Mr. Förster niemals mit Ihnen über Benjamin Hood?"

Nein, der Name kam nie über seine Lippen. Aber jetzt ist er tot, und das freut mich! Es freut mich aufrichtig!" Der Alte sah in diesem Augen­blick ganz blutdürstig aus.

Ach, was sage ich da? Es freut mich? Nein, tausendmal besser, er lebte noch!"

Was aber sagt Archibald Förster dazu?"

Mr. Archibald? Ich hörte, wie er heute Abend Ihren Namen leise vor sich hinmurmelte. Wissen Sie, was er mir einmal gesagt hat?"Tho­mas," sagte er,wir wollen ihn nicht mehr Haffen,

wir wollen ihn verachten Herr Benjamin Hood ist jetzt tot."

Dem Alten ward die Zunge schwer. Es wurde die höchste Zeit für mich.

Sehen Sie dies Messer an, Mr. Thomas, das ist doch das Messer Ihres Herrn? Nicht wahr? Das alte Messer, das er schon seit Jahr und Tag gehabt?"

Und die Antwort kam. Der betrunkene Alte blickte auf, streckte die Hand aus, um nach dem Messer zu greifen, er hatte sich aber in der Entfern­ung getäuscht! Seine gespreizten Finger griffen nach Morrisons Stuhllehne. Er erhob sich und stand unsicher schwankend da. Dann lehnte er sich über den Tisch und nahm das Messer in die Hand,

aber es entfiel ihm wieder.-Mit blödem

Lächeln schüttelte er den Kopf, offenbar verstand er gar nicht, was ich meinte. Ich führte die Hand an die Stirn mir schwindelte der Kops. Wenn Air. Archibald Förster nicht der Eigentümer des Messers war, wer konnte es dann sein?

16.

Samstag der fünfte Tag! Es war lange her, feit ich den Chef zuletzt gesehen hatte. Was er in dieser Stunde wohl von mir denkt und glaubt

-Er erwartet sicher heute Bestimmtes von mir

zu hören. Aber nein! Ich will ihn heute nicht be­suchen. Weshalb auch? Ich habe ja noch nichts z» berichten! Ich weiß ja selber noch nichts!

Was ist jetzt nur zu thun? Ich mußte mir