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AT» s4:« I den Postämtern und Postboten.

Samstag den 12. August

Bekanntmachungen aller Art finden die erfolg­reichste Verbreitung.

1893.

Amtliches.

Uebertragen wurde bas erledigte Forstamt Urach dem Oberförster Stock in Altensteig.

Gestorben: Dr. phil. DameS, Stuttgart; Stadtschultheiß Wolf, Geislingen; Oberbaurat a. D. Necker, Lorch; Privatier Buck, Stuttgart; Joh. C. Hammer aus Calw, Philadelphia; Karoline Necker, geb. Kübler, aus Nagold, Holyoke, Mast.

D Der Kaiser in England.

Kaiser Wilhelm ist aus England in die heimischen Gewässer zurückgekehrt. Seit seiner Thronbesteigung hat er alljährlich seiner Großmutter, der Königin Viktoria, einen Besuch abgestattet, wozu sowohl ver­wandtschaftliche Anhänglichkeit wie die Vorliebe des Kaisers für Seefahrten beigetragen haben mögen. Als dritter Grund findet sich häufig in den Betrach­tungen der ausländischen, besonders der russischen Presse der Wunsch angegeben, England zum Eintritt in den mitteleuropäischen Friedensbund zu veranlassen. Indessen wird man diese Behauptung fallen lassen müssen, wenn man die einschlägigen Verhältnisse ge­nauer in Betracht zieht.

Die Zeit des diesjährigen Besuches Kaiser Wil­helms fällt zusammen mit einer schweren Niederlage der englischen Politik. Frankreich hat sein Interessen­gebiet auf der hinterindischen Halbinsel auf Kosten Englands bedeutend erweitert und zu dem Schaden der Briten noch den Spott gefügt, daß englische Zettelungen den französisch-siamesischen Konflikt veran­laßt hätten. Zwischen London und Paris ist eine llebereinkunft zu stände gekommen, der zufolge zwischen Birma und den neuen französischen Besitzungen am Mekong eine neutrale Zone, einPuffer", bestehen bleiben soll, etwa in der Weise, wie Afghanistan der Puffer gegen Rußland für die indischen Besitzungen Englands ist. Aber wie Rußland von Norden her auf drei Wagen (Kabul, Herat und Pamir) langsam und zwecksicher gegen Indien vordringt, so wird auch Frankreich von Tonking, Kambodja und Oststom her weiter gegen Indien Vordringen, sobald sich eine passende Gelegenheit dazu bietet.

Englands Lage in Indien ist keineswegs eine unantastbare. Nur die Eifersucht der indischen Für­sten, Radjahs und Nabobs unter einander macht es möglich, daß die Briten mit einem Heere von etwa 30000 Mann eine Bevölkerung beherrschen, die 300 Millionen Seelen zählt. Afghanistan hat längst auf­gehört, Englands Bundesgenosse zu sein; der Emir hat es ausdrücklich und unter allerhand durchsichtigen Vorwänden abgelehnt, in diesem Jahre mit dem englischen Oberstkommandierenden General Roberts zusammenzutreffen. Der russische Einfluß beim Emir überwiegt. Rußland und Frankreich reichen sich un­sichtbar über Indien hinweg die Hände und rücken immer näher aneinander. Die Gefahr für die Schatz­kammer der englischen Krone, für das alte Wunder­land Indien, ist groß. Der siamesische Konflikt hat England gezeigt, daß es durch seine eigensüchtige Politik sich selbst vereinzelt, daß es auf keine fremde Hilfe zu rechnen hat, und deshalb ist es auch schmäh­lich unterlegen.

Das Natürlichste unter diesen Verhältnissen wäre doch nun, sich offen und ehrlich den Dreibundsmäch- ten anzuschließen, aber dazu kann sich England aus Mehrfachen Gründen nicht verstehen. Der Dreibund hat den ausschließlichen Zweck, den Frieden in Eu­ropa aufrechtzuerhalten und seinen Mitgliedern ihren Besitzstand zu sichern. Alle Anstrengungen und Auf­wendungen, die in dieser Hinsicht gemacht werden, kann sich England sparen und genießt trotzdem die Segnungen des Friedens mit. Sein europäischer Besitz gilt ihm als unantastbar und es braucht zu dessen Verteidung keiner fremden Hilfe. Für Siams und Indiens Verteidigung wäre aber der Dreibund natürlich nicht zu haben. Der Zutritt Englands zu dem mitteleuropäischen Friedensbündnis hätte also nur den Erfolg, daß sich England in internationalen Fragen der moralischen Unterstützung durch seine

Verbündeten versichert halten dürfte. Eine solche aber hätte im neuesten Konfliktsfalle nicht ausge­reicht und deshalb macht England gute Miene zum bösen Spiel und thut so, als ob es sich freue, mit Frankreich wegen der neutralen Zone ein vorteilhaf­tes Abkommen geschloffen zu haben.

Rosebery, der Leiter des Auswärtigen in Eng­land, ist ein persönlicher Freund des Grafen Herbert Bismarck und soll sogar wichtige Papiere des Alt- Reichskanzlers in Verwahrung haben. Vielleicht er­klärt sich auch daraus, weshalb dem neuen Kurse nicht der Gefallen erwiesen werden soll, sich einen politischen Erfolg, wie es der Beitritt Englands zum Dreibund wäre, auf das eigene Konto schreiben zu können. Aus gleichem Grunde sind auch alle Ver­mutungen hinfällig, die trotz offiziöser Ableugnung der neuen Kaiserreise nach England politische Zwecke unterschoben oder von ihr vielleicht sogar eine neue, dem Frieden vorteilhaftere Gruppierung der euro­päischen Großmächte erhofften.

Lasdessachrichte«.

* Calw, 9. August. Vorgestern nachmittag fand man den 11jährigen Knaben Georg Wanner von hier im Stalle des Hauses, in welchem er kleinere Dienste zu leisten hatte, erhängt. Beabsichtigter Selbstmord kann bet dem lebensfrohen Jungen nicht angenommen werden, vielmehr scheint das Unglück durch eine Spielerei entstanden zu sein.

* Stuttgart, 9. August. An der Kaiserparade, welche am 14. Sept. auf dem Exerzierplatz bei Cann­statt stattfindet, werden auch die Vereine und Einzel­mitglieder des württ. Kriegerbundes offiziell teilnehmen.

'Stuttgart, 9. August. Die Arbeiten zur Herausgabe der Bestimmungen, welche aus Anlaß der genehmigten Militärvorlage erforderlich werden, sind in vollem Gange und die Veröffentlichung der­selben ist in Kürze zu erwarten. Mit Rücksicht auf die bereits vorgerückte Zeit soll die Rekruteneinstellung in diesem Jahre nochmals in den ersten Tagen des Monats November in der bisher üblichen Weise er­folgen. Diese Anordnung hat sich deshalb als not­wendig herausgestellt, weil die jungen Rekruten nicht eher eingestellt weroen sollen, als bis die Neuorgani­sationen, welche die Militärvorlage vorsteht, vollstän­dig durchgesührt sind. Da diese Neuorganisation aber gesetzmäßig frühestens am 1. Oktober d. Js. ins Leben treten können und die Truppenteile dadurch vollständig in Anspruch genommen sind, so ergiebt sich hieraus die Notwendigkeit, den Einstellungstermin der diesjährigen Rekruten über den 1. Okt. hinaus­zuschieben und es ist daher vorläufig der 1. November in Aussicht genommen worden. Auf diese Weise wird der Jahrgang 1893 nur 23 Monate zu dienen brauchen und es tritt in diesem Jahr nochmals eine sogen. Rekrutenvakanz zwischen der Entlastung der ausge­dienten Mannschaften und der Einstellung der Re­kruten ein, während welcher dann die Aufstellung der vierten Bataillone bet der Infanterie und der Neu­formationen bet den übrigen Waffen erfolgen soll. Ob und in welchem Umfange in diesem Jahre auch Dispositionsurlauber zur Entlastung kommen wer­den, läßt sich augenblicklich noch nicht übersehen. Es wird die Zahl der Dispositionsurlauber von der einzustellenden Rekrutenzahl abhängen, diese aber wird erst mit den Bestimmungen für die Rekrutierung 1893/94 festgestellt. Jedenfalls unterliegt es keinem Zweifel, daß Disposttionsurlauber entlassen werden, aber keinesfalls wird dies den ganzen zweiten Jahr­gang betreffen, da in der Uebergangszeit an eine strikte Durchführung der 2jährigen Dienstzeit gar nicht gedacht werden kann, wie dies ja auch im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Die in diesem Jahre zur Ersatzreserve ausgehobenen Mannschaften werden nicht mehr zu Uebungen herangezogen. Da bet der dies­jährigen Aushebung der Rekrutenbedarf für das stehende Heer auch trotz der erheblichen Verstärkung

vollständig gedeckt ist, so werden die Ersatzreserven in Friedenszeiten von Uebungen jedenfalls verschont bleiben. Ueber die spätere Verwendung oder Zu­teilung zur Landwehr zweiten Aufgebots oder zum Landsturm sollen demnächst nähere Bestimmungen er­lassen werden.

* Mössin gen, 5. August. Vor etwa 5 Wochen beobachtete man an einzelnen Kartoffeläckern eine eigen­tümliche Krankheitserscheinung. War vorher das Aus­sehen der Kartoffeln im allgemeinen ein ausgezeichnetes, so wurden verhältnismäßig rasch an einzelnen Stöcken und Reihen die Kräuter gelb und kamen zum Ver­dorren. Auffallend war, daß sich die Krankheitser­scheinung zuerst an den unmittelbar neben Kleeäckern liegenden Kartoffelreiheu zeigte. Man war daher auch allgemein der Meinung, daß zwischen den Klee­pflanzen und der Kravkhettserschetnung irgend ein Zusammenhang bestehe. Die Gemeindebehörde nahm Veranlassung, sich an die Zentralstelle für die Land­wirtschaft zu wenden und um Abordnung eines Sach­verständigen zu bitten. Prof. Dr. Kirchner von Hohenheim hat nun auf Grund der Untersuchungen an Ort und Stelle sein Gutachten dahin abgegeben, daß die Krankheit in dieser Form noch nie beobachtet worden sei und daß man sie mitStengelfäule" be­zeichnen könne. Die Ursache sei ein Pilz (Botrytis eineres), der am Grunde des Stengels wuchere, diese Stelle töte und in der Folge das ganze Kraut zum Absterben bringe. Ein Anhaltspunkt dafür, daß die Krankheit vom Klee auf die Kartoffeln übergegangen wäre, habe die Untersuchung nicht ergeben. Als Ab­wehrungsregel empfiehlt der Sachverständige schleu­niges Entfernen und Verbrennen der erkrankten Stöcke. An Stelle der ausgerotteten Kartoffeln könne noch Pferdezahnmais angepflavzt werden. Es wäre in­teressant zu erfahren, ob auch an anderen Orten diese Krankheitserschetnuug beobachtet worden ist.

* Ul m, 8. Äug. Der Dragoner-Lieutenant Bopp II, der kürzlich Veranlassung zu dem berichteten Straßen­skandal gab, ist gutem Vernehmen des ,D. Vbl." nach außer Dienst gesetzt worden.

* (Verschiedenes.) Lehrer F. in Dörtel, welcher abends von Wachbach zurückkehrte, wurde unterwegs von einigen Burschen überfallen und mit einem Baumstückel «Wandelt. Zwei der That ver­dächtige Wachbacher Burschen stnv verhaftet. In Murrhardt rannte eine zum Brunnen getriebene Kuh eine 80jährige Frau zu Boden, so daß dieselbe einen gefährlichen Bruch des Oberschenkels erlitt. In Aich Halden bei Oberndorf erhängte sich ein Landwirt in seiner Wohnstube, nachdem er in der letzten Zeit zu wiederholtenmalen sich zu entleiben versucht hatte. In Murr wollte ein 8jähriges Mädchen während der Abwesenheit der Mutter seinem kleinen Brüderchen in einer Spiritus-Wärmmaschine Milch wärmen und goß während des Brennens der Flamme Spiritus nach, so daß die Kleider Feuer fingen. In Hellen Flammen brennend sprang das Mädchen auf die Straße, woselbst ihr baldige, aber doch zu spät kommende Hilfe durch Arbeiter zu teil wurde. Nach 5 Stunden starb das unglückliche Kind an den erhaltenen Brandwunden. JnWehingeu wurde einem Bienenzüchter von rachsüchtiger Hand von seinem Bienenstand ein stock Bienen gestohlen und in den nahegelegenen Mühlkanal geworfen. Von dem ruchlosen Thäter hat man bis jetzt noch keine Spur. In Langenschemmern (Biberach) wußte ein Schwindler einer Witwe unter dem Vor­geben, daß er ihr Vetter sei, 8 Mk. abzuschwtndeln und damit zu verduften. Der verhaftete Dienst­knecht Hald hat nach derJagstztg." die Verübung der beiden Brandstiftungen in Jagstzell zugestan­den. Als Motiv dieser Verbrechen gab er an, daß er eben gern ein Feuer gesehen und es ihm Freude ge­macht habe, wenn die Feuerwehr ausrücken mußte und da­durch ein rechter Lärm im Ort verursacht worden sei.

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