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Bekanntmachungen aller Art finden die erfolg­reichste Verbreitung.

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auswärts je 8 ^ die 1spalt.Zeile

1893.

Befördert wurden die Postassistenten Kübel in Nagold und Herdegen in Calw zu Postsekretären.

Gestorben: Dorothea Finkbeiner, Gattin des alt Drei­königwirts, Freudenstadt; Michael Rauser, Müllers Ww-, Nagoldg Joh. Ferd. Gabler, Schorndorf; Forstrefereudär Graf v. Scheler, Stuttgart.

Thronrede bei Eröffnung des Reichstags.

Der Kaiser hat am Dienstag den Reichstag mit folgender Thronrede eröffnet: Geehrte Herren! Nach­dem Sie zu gemeinsamer Arbeit mit den verbündeten Regierungen berufen worden sind, ist es Mir Bedürf­nis, Sie beim Eintritt in Ihre Beratungen zu be­grüßen und willkommen zu heißen. Der dem vorigen Reichstag vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres, durch welchen eine stärkere Ausnutzung unserer Wehr­kraft ermöglicht werden sollte, hat zu Meinem Bedauern die Zustimmung der Volksvertretung nicht gefunden. Die von Meinen hohen Verbündeten einmütig geteilte Ueberzeugung, daß das Reich gegenüber der Entwicklung der militärischen Einrichtungen anderer Mächte auf eine seine Sicherheit und seine Zukunft verbürgende Fortbildung unseres Heerwesens nicht länger verzichten dürfe, mußte zu dem Entschluß führen, den Reichs­tag aufzulösen und durch die Anordnung von Neu­wahlen das für notwendig erkannte Ziel zu verfolgen. Seit der Vorlage jenes Gesetzentwurfs hat die politische Lage Europas keine Änderung erfahren. Die Be­ziehungen des Reichs zu den auswärtigen Staaten sind zu Meiner großen Befriedigung nach wie vor durchaus freundlich und frei von jeder Trübung. Das Verhältnis der organisierten militärischen KraftDeutsch- lands zu derjenigen unserer Nachbarn hat sich indessen noch ungünstiger gestaltet, als im verflossenen Jahr. W nn schon seine geographische Lage und seine ge­schichtliche Entwicklung Deutschland die Pflicht aufer­legt, auf den Bestand eines verhältnismäßig großen Heeres Bedacht zu nehmen, so wird die wettere Aus­bildung unserer Wehrkraft mit Rücksicht auf die Fort­schritte des Auslandes zu einer zwingenden Notwendig­keit. Um den Mir verfassungsmäßig obliegenden Pflichten genügen zu können, erachte Ich es für un­umgänglich, daß mit allen zu Gebote stehenden Mitteln auf die Herstellung einer ausreichenden und wirksamen Verteidigung der vaterländischen Erde hin­

gewirkt wird. Es wird Ihnen deshalb unverzüglich ein neuer Gesetzentwurf über die Friedenspräsenz­stärke des Heeres vorgelegt werden. Darin sind die bei der Beratung des früheren Entwurfs laut ge­wordenen Wünsche, soweit dies angänglich erschien, berücksichtigt und demgemäß die Anforderungen an die persönliche Leistungsfähigkeit und an die Steuer­kraft des Volkes, soweit dies ohne-Gefährdung des Zwecks geschehen konnte, herabgemindert. Das In­teresse des Reichs erheischt es, zumal im Hinblick auf den im nächsten Frühjahr bevorstehenden Ablauf deS Septennats, daß der Gesetzentwurf mit thunlichster Beschleunigung verabschiedet wird damit die diesjährige Rekruteneinstellung schon aus der neuen Grundlage vorgenommen werden kann. Eine Versäumnis des Termins dieser Einstellung würde sich aus mehr als zwei Jahrzehnte zum Nachteil unserer Wehrkraft fühl­bar machen. Um es Ihnen zu ermöglichen, Ihre Arbeitskraft ungeteilt der Beratung dcr Vorlage zu­zuwenden, werden die verbündeten Regierungen davon absehen, die Session mit anderen umfassenden Vor­lagen zu beschweren. Wenngleich bei Mir und bei Meinen hohen Verbündeten die Ueberzeugung fortbe­steht, daß die durch die Neugestaltung unserer Heeres­einrichtungen bedingten Mittel zweckmäßig und ohne Ueberlastung auf dem Wege beschafft werden können, welcher in den im verflossenen Herbst vorgelegten Stenergesetzenlwürfen in Vorschlag gebracht war, so bildet doch die Deckungsfrage den Gegenstand fortge­setzter Erwägungen. Ich gebe Mich der Erwartung hin, daß Ihnen beim Beginn der nächsten Winter­session Vorlagen zugehen werden, in welchen der Grund­satz, daß die Bereitstellung jener Mittel nach Maß­gabe der Leistungsfähigkeit und unter thunlichster Schonung der Steuerkraft erfolgen muß, noch voll­ständiger als in jenen Vorlagen zum Ausdruck gelangt. Bis zum Ablauf des gegenwärtigen Etatsjahrs werden für die Deckung des Mehrbedarfs die Matrikular- beiträge heranzuziehen sein.

Geehrte Herren! Unter schweren Opfern ist es gelungen, die deutschen Stämme durch ein festes Band zu einigen. Die Nation ehrt diejenigen, welche für dieses Werk Gut und Blut eingesetzt und das Vater­land einem politischen und wirtschaftlichen Aufschwung zugeführt haben, welcher, wie er den Zeitgenossen zum

Stolz und zur Freude gereicht, den nachkommenden Geschlechtern, wenn sie im Geist der Väter weiter bauen, des Reiches Größe und Glück verbürgt. Die glorreichen Errungenschaften zu wahren, mit denen Gott uns in dem Kampfe um unsere Unabhängigkeit gesegnet hat, ist unsere heiligste Pflicht. Solcher Pflicht gegen das Vaterland werden wir aber nur dann genügen, wenn wir uns stark und wehrhaft genug machen, um ein zuverlässiger Bürge des europäischen Friedens bleiben zu können.

Ich vertraue, daß Mir und Meinen hohen Ver­bündeten Ihre patriotische und opferbereite Unter­stützung bei der Verfolgung dieses Ziels nicht fehlen wird. » » *

Der Kaiser schloß nach demSchw. Merk." die von ihm verlesene Thronrede, welche zum Schluffe zweimal von Beifall unterbrochen wurde, mit folgenden frei gesprochenen Worten:Gehen Sie hin, meine Herren, unser Aller Gott, er leiheJhnen seinen Segen zum Zustandebringen eines ehrenvollenWerkes für dasWohl unseres Vaterlandes. Amen!" Tiefe Bewegung in der Versammlung.

L«m-e->Lchrichtea.

* Altensteig, 4. Juli. (Hauptversammlung des württbg. Gerber-Vereins. Schluß.) Nach dem lehrreichen Vortrag des Hrn. Diehl, für welchen der Vorstand, Hr. Bantlin, den besten Dank der Versammlung aussprach, griff zum Wort Herr Fr. Ernst aus Marbach a. N. um über sein Thema: Die Eigenschaften der Gerbmaterialien und deren Anwendung" zu sprechen. Noch vor einigen Jahren hgbe man fast ausschließlich Eichenloh verwendet, heute sei dies nicht mehr möglich infolge der großen ausländischen Konkurrenz und dem Fortschritt der Neuzeit. Man müsse mit den zur Verfügung stehen­den rascher wirkenden exotischen Gerbstoffen nachhelfen, eine beschleunigtere Gerbung zu erzielen, aber man solle ja nicht von der soliden Gerbung ab- und zur Schnellgerbung übergehen. Hr. Ernst be- zetchnete dann die wichtigsten Gerbmaterialien und ihren Wert an Hand einer von ihm in Druck gegebenen Tabelle. Es liefert hienach im Durchschnitt gerbende Substanz (die eingeklammerten Zahlen geben den

Der zweite Mann.

Erzählung von Ewald August König.

(Fortsetzung.)

Jener Zwillingsbruder, den Frau Griesheim hier geheiratet haben will, ist schon vor einem Jahre drüben gestorben, ich habe die amtliche Anzeige da­rüber ebenfalls in dem Nachlaß gefunden."

Ich dachte es mir!" sagte Varnay, den es er­leichterte, daß er auch nach dieser Seite hin keine falsche Beschuldigung erhoben hatte. Ich konnte an das Märchen nicht glauben, nachdem ich den angeb­lichen Friedrich Griesheim geschen hatte. Und die Trauung hat hier wirklich stattgefunden?"

Jawohl, wegen dieser ruchlosen Komödie wird Madame sich auch noch zu verantworten haben!"

Wollen Sie jetzt zur Verhaftung schreiten?"

Ich sammle zuvor noch Beweise," erwiderte der Richter;einstweilen ist sie genügend bewacht, entrinnen kann sie mir nicht mehr. Ich komme eigentlich zu Ihnen um Sie zu fragen, ob unv welche Schritte bereits geschehen find, über den angeblichen Tod des ersten Gatten Gewißheit zu erhalten."

Ich erwarte stündlich Nachrichten!"

Es sind also Schritte geschehen?"

Jawohl, und ich hoffe zuversichtlich, daß die Staatsanwaltschaft in meiner Heimat meinem An­träge, das Grab zu öffnen, Folge geben wird."

Sie hoffen das nur? Somit wäre es mög­lich, daß der Antrag abgelehnt würde?"

Möglich allerdings; man entschließt sich nicht gern, ein Grab zu öffnen."

Das war's, was ich wissen wollte," sagte der Richter; ich werde nun ebenfalls bei Ihrer Staats­anwaltschaft diesen Antrag stellen und zwar auf Grund der Beweise, die ich bereits vorgefunden habe."

Das kann in keinem Falle schaden."

Wenn jener Bruder schon vor einem Jahre ge­storben ist, was wird man dann in dem Grabe finden? Ich begreife es nicht, wie es den Leuten möglich war, sich einen amtlich ausgestellten Totenschein zu ver­schaffen !"

Begreifen läßt sich das wohl," erwiderte Var­nay gedankenvoll,wir stehen hier vor einer Lücke in unserer Gesetzgebung, die nur durch Einführung einer amtlichen Leichenschau, ähnlich der Einrichtung in England, ausgefüllt werden kann. Der Standes­beamte ist nicht verpflichtet, sich persönlich von dem Tode der betreffenden Person zu überzeugen, die Erlaubnis zur Beerdigung wird auf Grund eines ärztlich ausgefer­tigten Totenscheines gegeben."

So sollte der Arzt um so gewissenhafter sein."

Nehmen wir den Fall, wie er ist," fuhr Var­nay im Gespräch mit dem Beamten fort.Ein Blut­sturz wird während der Abwesenheit des Hausarztes fingiert und in Szene gesetzt; mitten in der Nacht wird irgend ein Arzt, der nebenbei sehr beschäftigt ist, aus dem Bett geholt. Wie es in solchen Fällen zu gehen pflegt, weiß man; der Arzt ist mürrisch, er wünscht so bald wie möglich heimzukommen. Nun wird er in ein halbdunkles Zimmer geführt, den Kranken, den er im Bett findet, kennt er weiter nicht, er sieht ein kreideweißes Gesicht, das Blut, der Pulsschlag

ist auch nicht normal, die Angehörigen weinen u. jammern na, es ist eine Geschichte, wie sie ihm häufig genug vor­gekommen sein mag, er verschreibt und ordnet an, was in solchen Fällen zu verschreiben und anzuordnen ist, und verspricht, am nächsten Morgen wiederzukommen. Was nun hinter den Kulissen passiert ist, wissen einst­weilen nur die Beteiligten, aber für alle Fälle sind die besten Vorkehrungen getroffen. Am nächsten Mor­gen wird dem Arzt die Mitteilung gemacht, der Patient sei von einem zweiten Blutsturz befallen wor­den und gestorben. Der Doktor zuckt die Achseln und ist ganz zufrieden damit, daß er den uninteressan­ten und undankbaren Fall los wird; an der Wahr­heit der betreffenden Nachricht zu zweifeln, hat er keine Veranlassung, er fertigt den Totenschein aus, läßt sich die Gebühren bezahlen und denkt nicht weiter an die Geschichte."

Aber nennen Sie das gewissenhaft?"

Was wollen Sie? Ein vielbeschäftigter Arzt hat wenig Zeit, ihm will ich die Last der Leichen­schau nicht aufbürden, dazu müßten besondere Medi­ziner angestellt und besoldet werden."

Der Beamte schüttelte das Haupt.

Ich will nicht mit Ihnen streiten," sagte er, aber entschuldigen kann ich in diesem Falle nicht!"

Warten wir ab, was wir im Grabe finden werden!"

Was es auch sein mag, ich habe sichere Be­weise, daß der hier ermordete Griesheim nicht der Zwillingsbruder des ersten Mannes sein kann, diese Beweise bringen die Frau ins Zuchthaus."