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Dienstag den 4. Juli
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbreitung.
1893.
U ebertragen wurde die erledigte Stelle des Güterver- walters und Bahnhofkassiers in Freudenstadt dem Eisenbahnsekretär Maurer in Ulm.
Gestorben: Kaufmann Lemperle, Epsendorf; Frhr. a. D. v. Ellrichshausen, Stuttgart; Schullehrer Knayer, Schönaich; Lieut. a. D. Pfeilsticker. Schussenried.
D Die Militärvorlage
dürfte wohl den einzigen Beratungsgegenstand in der kurzen Sommersitzung des neuen Reichstags bilden. Wenn die Parteien wieder so stimmen, wie im vorigen Reichstag, so würde die Vorlage eine Mehrheit von 12 bis 15 Stimmen haben. Von vornherein mag hierbei bemerkt werden, daß gegenwärtig von keiner Seite daran gezweifelt wird, daß diesmal die Vorlage durchgeht. Indessen ist es nicht unwahrscheinlich, daß sich die Mehrheit dafür doch in anderer Weise zusammensetzt ist, als man nach der Abstimmung im verflossenen Reichstage glauben könnte.
Die Parteien haben auf ihre Wähler Rücksicht zu nehmen. Es war eine Selbsttäuschung, wenn freisinnige Führer vor der Reichst agsauflösung von einem „starken Ruck nach links" sprachen. Dieses Verkennen der Volksstimmung hat sich an der Partei mit dem Verlust von mehr als 30 Mandaten bestraft und der «starke Ruck nach links" hat eine gewisse Bestätigung nur in dem Anwachsen der sozialdemo kratischen Stimmen- und Mandatenzahl gefunden.
Sonst merkte man von diesem „Ruck" nichts und mehrere schlesische Zentrumsabgeordnete haben sich ihren Wählern gegenüber hinsichtlich der Militärvorlage ausdrücklich freie Entschließung Vorbehalten. Dekan Lender und Prinz Arenberg haben sich direkt für das Prinzip der Vorlage erklärt und sind gewählt worden.
Man wird dagegen aber berücksichtigen müssen, daß verschiedene Mitglieder der von der Richterschen Fraktion abgesprengten „Freisinnigen Vereinigung", die man bet der Berechnung der Mehrheit für die Militärvorlage bisher schlankweg unter die Freunde der Vorlage gerechnet hatte, nicht so ohne weiteres und unbedingt dazu gerechnet werden dürfen. Drei von ihnen haben im vorigen Reichstage gegen die Vorlage gestimmt und wenn sie sich trotzdem von Richter trennten, so geschah dies wohl aus persönlichen Rücksichten. Außerdem verlangt die „Freisinnige
Vereinigung", wie verlautet, als Vorbedingung für ihre Zustimmung zur Militärvorlage die gesetzliche Festlegung der zweijährigen Dienstzeit, die die Regierung nicht gewähren will und für die auch die Konservativen nicht zn haben sind.
Die Mehrheit für die Vorlage würde sich ferner in eine Minderheit verkehren, wenn die Antisemiten oder auch die Polen dagegenstimmten. Unter den elfteren ist die Gruppe Liebermann für die Vorlage, die Gruppe Böckel nur bedingungsweise dafür, nämlich wenn die Kosten der Vorlage auf „starke Schultern" (Börse und Großkapital) gelegt werden und die zweijährige Dienstzeit garantiert wird. Die Polen haben im aufgelösten Reichstag für die Vorlage gestimmt, ater nur infolge de dieser Fraktion eigentümlichen Fraktionszwanges; man weiß, daß fünf der wiedergewählten Abgeordneten im Grunde genommen Gegner der Vorlage sind und es wird darauf ankommen» ob sie sich wieder dem Fraktionszwange unterwerfen oder nicht.
Es ist also nicht ausgeschlossen, daß hier und da noch eine kleine Parteiabsplitterung zu ungunsten der Vorlage vorkommt; dieselbe wird aber voraussichtlich nicht so stark sein, daß sie zur abermaligen Ablehnung führen könnte.
Wenn man also auch bestimmt voraussetzen muß, daß die Militärvorlage nach der Zusammensetzung des neuen Reichstages und aus den angedeuteten inneren Gründen durchgehen wird, so bleibt doch die Eigentümlichkeit des neuen Reichstags auch für die ferneren fünf Jahre seines möglichen Bestandes, daß nämlich eine der drei kleineren Gruppen, der Freisinnigen Vereinigung, der Polen oder der Antisemiten, das Zünglein der Wage bilden werde. Da wird man sich auf zuweilen überraschende Abstimmungsergebnisse gefaßt machen müssen.
Lasdesaachrichtea.
* AItensteig, 3. Juli. Auf das Fest des Württ. Schwarzwaldvereins, das, wie wir berichtet haben, am Donnerstag hier stattfand, folgte gestern die Generalversammlung des Württemberg. Gerber- vereins. Es ist das erstemal, daß sich die würt- tkmbergischen Gerlur zu ihren Beratungen hier zn- samMngcsunden hoben, und diesen Anlaß wollte die
hiesige Gerbermeisterschaft nicht ohne eine würdige festliche Veranstaltung vorübergehen lasten. Nicht nur sämtliche Gcrberhäuser waren auf's schönste dekoriert, auch manches andere Geschäftshaus prangte im Festschmuck und die Beflaggung war eine allgemeine. Bus den ersten hier ankommenden Zug marschierte die Meisterschaft geschloffen und vorauf ging die Stadtmustk, die auch auf dem Bahnhof zur Begrüßung der Gäste spielte. Uebeiraschend zahlreich erschienen die Gerber aus allen Teilen des Landes und es war ein ganz respektabler Zug, der sich gegen 10 Uhr durch die Stadt bewegte. Um 11 Uhr begannen im Gasthof zum „Stern" die Verhandlungen. Bevor in die Tagesordnung eingetreten wurde, begrüßte Hr. Gerbermcister Kemps namens der hies. Kollegen die Gäste aufs herzlichste uud Hrn. Präzeptor Knödel war die Aufgabe zugefallen, die Festrede zu halten. Der gewandte Redner rief den werten Gästen ebenfalls ein Willkommen zu, betonte wie sich Nltensteig Mühe gegeben habe sie würdig zu empfangen und entwarf dann ein Bild der Thättgkett des hier zahlreich vertretenen Gewerbes der Gerber. Die hiesigen Gerber seien fast ausnahmslos fleißige, solide und strebsame Bürger und ihr spezielles Fabrikat, das Sohlleder, sei nicht nur im engeren Vaterland bekannt, sondern es genieße auch außerhalb desselben einen guten Ruf, ja es habe sich das Leder Altensteigs den ersten Platz gesichert. Hr. Präzeptor schloß mit dem Wunsche, die Beratungen des Vereins möchten vom besten Erfolge sein. Hierauf wurde in die Beratung der Tagesordnung eingeireten. Der Vorstand, Hr. G. D. Bantlin von Reutlingen referierte über Punkt 1) Bericht über die Thätigkeit des Ausschusses. Am Schluffe desselben richtete Hr. Bantlin eine Ermahnung an die Collegen, doch die einheimische eichene Rinde aufzukaufen, denn unsere Prima-Rinde sei so gut wie jede andere. Der Absatz an einheimischer Rinde sei auf ein so geringes Quantum zurückgegangen, daß sowohl der Staat als die Privatwaldbesitzer an der Rindengewinnung keine Freude mehr haben können. Die Fürsorge der Forstdirektion verdiene alle Anerkennung. Bei unserer einheimischen Rinde habe man Garantie für 12 °/g Gerbstoff, nährend erwiesen sei, daß die ungarische und französische oft kaum die Hälft dieses Prozentsatzes
Der zweite Mann.
Erzählung von Ewald August König.
(Fortsetzung.)
Sft wandte sich hastig um, Angst und Entsetzen sprachen aus ihrem todesbleichen Antlitz.
„Beweise?" fragtesie. „Wo suchen Sie dieselben?"
„In dem Grabe Ihres ersten Gatten."
„Unerhört! Dieses Grab darf ohne meine Erlaubnis nicht geöffnet werden; ich protestiere gegen die Entweihung desselben."
„Die Kriminalbehörde wird sich wenig um diesen Protest bekümmern, hier handelt es sich um die Entdeckung eines Verbrechens!"
Der Advokat hatte das mit scharfer Betonung gesagt und der Eindruck, den seine Worte machten, mußte ihm beweisen, wie sehr sein Verdacht begründet war.
Elisabeth strich mit dem Taschentuch über ihre Stirne und atmete schwer; sie mußte sich auf die Lehne eines Sessels stützen, ihre Kräfte drohten sie zu verlassen.
„Ich hätte nimmer geglaubt, daß Sie je so feindselig mir eutgegentreten könnten," sagte sie nach Fassung ringend;, „des Unrechts, das ich einst an Ihnen begangen habe, bin ich noch immer eingedenk, aber ich konnte nicht ahnen, daß Sie dafür eine vernichtende Rache nehmen würden."
„Dafür?" erwiderteermitgeringschätzendemLächeln. „O nein, ich habe mich bald über diesen Verlust getröstet, wurde mir doch durch ihn selbst bewiesen, daß ich nichts verloren hatte. Und an eine Rache
habe ich niemals gedacht, ich habe nur meine Ehre wahren wollen und da ist im Lauft der Untersuchung eins aus dem andern entstanden."
„Und doch ist alles nur Vermutung und die Beweise mit denen Sie mir drohen, werden Sie nicht finden," sagte Elisabeth, die jetzt ihre Fassung wiedergefunden zu haben schien. Mit welcher Erklärung Sie auch Ihr Verfahren gegen mich entschuldigen mögen, der Vorwurf gehässiger Rachsucht wird dennoch auf Ihnen ruhen bleiben. Können wir uns denn nicht einigen?" Sie behaupten, mein Gatte habe Fräulein Hagen betrogen, gut, ich will Ihnen aus seinem Nachlaß die verlorene Summe ersetzen und mich dazu durch einen Schuldschein oder einen anderen rechtskräftigen Akt verpflichten, dann aber versagen Sie mir nicht länger den Beistand eines Freundes, dessen ich so sehr bedarf."
„Sie haben vorhin noch behauptet —"
„Lassen wir das Vergangene ruhen, Herr Doktor, ich biete Ihnen die Hand zur Versöhnung."
„Ich bedaure, diese Hand jetzt nicht mehr erfassen zu können," antwortete er kalt; der Handel, den Sie mir Vorschlägen, ist nicht ehrenhaft."
„Und wie nennen Sie Ihr Verfahren ?" fragte die junge Frau erregt.
„So sehr ich auch persönlich bedaure, in dieser Weise gegen Sie auftreten zu müssen, zwingt mich doch meine Pflicht dazu. Gehen Sie der Sache aus den Grund, so werden Sie mir recht geben müssen; erinnern Sie sich nur der beleidigenden Behauptungen, mit denen Sie Fräulein Hallstädt —"
„Sie müssen auch nicht alles glauben, was dieses Mädchen Ihnen gefügt hat!" rief Elisabeth in gereiztem Tone. „Es fragt sich sehr, vermehr Glauben verdient, Theodore oder ich."
„Diese Frage habe ich längst entschieden!"
„Sie wollen absichtlich mich beleidigen?"
„Welcben Vorteil könnte ich daraus ziehen?"
„Die Vorteile, die Sie suchen, biete ich Ihnen ja an, weshalb greifen Sie nicht zu?"
„Ich darf es schon deshalb nicht, weil ich nicht der einzige Betrogene bin," erwiderte Varnay. „Die Versicherungs-Gesellschaft hat ebenfalls von Ihnen zehntausend Thaler zu fordern —"
„Ich bestreite diese Forderung!"
„Weshalb wurde gegen den Agenten dieser Gesellschaft eine falsche Anklage erhoben, was bezweckte feine Verhaftung?"
„Ich habe sie nicht veranlaßt."
„Aber Sie haben es gewußt und gebilligt?"
„Wie können Sie das behaupten?"
„Ich beobachtete Sie, als ich über die Verhaftung des Agenten mit Ihnen sprach. Das Resultat meiner Beobachtung gab mir die Gewißheit, daß Sie genau davon unterrichtet waren."
„So waren Sie auch mit ihm verbündet?"
Er sah sie voll und ernst an, ihr glühender Blick konnte ihn nicht zwingen, die Augen niederzuschlagen.
„Ich habe dieses Bündnis nicht gesucht," sagte Varnay, „aber als es mir angeboten wurde, glaubte ich es auch nicht ablehnen zu dürfen, gemeinsame