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Wr. 76.
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Samstag dm 1. Juli
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1893.
Ueberrragen wurde die erledigte Kollaboratorsstelle an der Lateinschule in AUensteig dem Kollaboraiurkandidaten Bolay, Amtsverweser der Stelle, überlragen.
Gestorben: Fabrikant Albert Münster, Freudenstadt; Koch, Fabrikanten Witwe, Rohrdorf; P. Bausch, Ingenieur in der Ma-
D Die Reichstagswahleu
sind beendet. Vier Nachwahlen (für Bebel, Ahlwardt, Zimmermann und Werner) ändern an dem Gesamt- resnltat nichts mehr, da sie Vertretern gleicher Richtung den Weg in das Parlament eröffnen werden. Soviel steht bis jetzt fest, das; diejenigen Parteien, die der Verstärkung der Heereskrait zustimmen, im neuen Reichstag eine, wenn auch nur geringe Mehrheit haben werden. Auch die Gegner werden sich damit abfindcn müssen und können sich mit dem Gedanken trösten, daß dawit ein innerer Konflikt vermieden wird und daß die Geschäftslage sich wieder verbessern dürfte, nachdem die peinliche Ungewißheit über das Schicksal der Vorlage ihr Ende gefunden hat.
Daß die Sozialdemokratie 8 weitere Vertreter in den Reichstag entsendet, hat eine gewisse Sensation hervorgerufen. Trotzdem giebt der sozialdemokratische „Vorwärts" in einer Betrachtung über die Stichwahlen einer gewissen Enttäuschung Ausdruck, indem er schreibt: „Wohl mag der eine oder der andere Genosse noch mehr Mandate und Stimmen von dieser Wahl erhofft, und von einer Verdoppelung unserer Stimmenzahl, wie sie 1890 stattfand, geträumt haben — wir kennen zwar keinen so Hoffnungsseligen, wollen aber den Gegnern die Möglichkeit zugeben —; nicht jeder ist in der Lage, die Verhältnisse zu überblicken, die treibende« Kräfte und deren Wirkung zu berechnen, und seinen Wünschen jeden Einfluß auf sein Denken zu verbieten. Wer aber in der Lage ist, der weiß, daß eine Zunahme unserer Stimmen um 33Vs Prozent das Jahr, also eine Verdoppelung alle drei Jahre praktisch undenkbar ist, schon deshalb, weil der Kapitalismus, dessen Hilfsmittel noch lange nicht erschöpft find, uns je weiter wir Vordringen, desto zäheren und erbitterteren Widerstand entgegensetzt. Sollten sich Utopisten unter uns befunden haben, die den Wahn hegten, die Zahl unserer Stimmen würde nach zwei oder drei Neuwahlen so angeschwollen sein, daß wir im Besitz der Mehrheit und damit tatsächlich der politischen Macht seien, so können wir im Interesse der Partei uns nur freuen, daß derartige Illusionen zerstör: worden sind. Nichts ist in der Politik gefährlicher als Illusionen — sie bereiten Enttäuschungen und Niederlagen."
Die Freude der Antisemiten ist groß; sie ziehen etwa 18 Köpse stark in den neuen Reichstag ein und ihnen ist damit die Bildung einer selbständigen Fraktion ermöglicht. Die bisherigen sechs antisemitischen Abgeordneten gehörten zwei verschiedenen Richtungen an und Herr Ahlwardt, der jetzt zweimal Gewählte, war daneben noch ein Wilder.
Die bei der Hauptwahl so kläglich davongekommene deutschfreistnnige Partei, besonders der frei- sinnig-volksparteiliche Flügel, hat sich in den Stichwahlen wieder merkwürdig erholt. Mehr als zwanzig Sitze sind ihnen zugefallen, so daß ihr Gesamtoerlust sich nur auf höchstens 32 veranschlagen läßt; davon ist der größere Teil an Sozialdemokraten und Antisemiten übergegaugen.
Die nationalliberale Partei hat sich unter ungünstigen Verhältnissen besser behauptet, als in ihren eigenen Reihen viele zu hoffen wagten; die ReiSs- tagssraktion wird auf fünfzig Mitglieder anwachsen, und ihre Position dürfte auch dadurch noch verbessert werden, daß links von ihr eine kleine Gruppe der ehemaligen Sezession, losgelöst von der fortschrittlichen, wieder erscheint und wahrscheinlich manchen Berührungspunkt mit den Nationalliberalen finden wird.
Die Verhältnisse im Zentrum müssen sich noch klären; die Partei erscheint im neuen Reichstage nominell fast in ihrer vollen Stärke wieder, aber
Sigl und Fusangel sind gewählt und einige bayrische Kreise sind durch Bauernbündler vertreten, die Zen- trumskandidaten entgegenstanden. Alle diese sind zwar einig in der Ablehnung der Militärvorlage, dagegen haben sich mehrere schlesische Zentrumsabgeordnete die Politik der freien Hand Vorbehalten.
Das „B. T." charakterisiert nicht unzutreffend die Lage und den neuen Reichstag in folgenden Sätzeü: Seit dem Sturze des eisernen Kanzlers hat man geflissentlich ein Gefühl der Unsicherheit, der Verstimmung rege zu erhalten und in immer weitere Kreise zu tragen gewußt. Alles wurde in Frage gestellt. Das Ansehen der Rcichsregierung suchten gerade diejenigen Parteien herunterzusetzen, die sich in erster Linie als die staatserhaltenden ausfugeben pflegten. Das war der Untergrund für die allgemeine Verstimmung im Volke, die noch durch einen schweren, nur zu lange andauernden Niedergang auf allen Gebieten des Verkehrs immer neue Nahrung erhalten sollte. Ein unerhörter Wirrwarr riß in den Reihen unserer politischen Parteien ein, ein kleinliches, verderbenbringendes Frakttovsgezänke erfüllte die Lust unseres Vaterlandes, und aus dieser Gemütsverfassung heraus ist denn auch wirklich eine Volksverttelung hervorgegangen, wie wir sie nie im Reiche zuvor zu verzeichnen gehabt haben. Auf den Reichstag der Angst (?) vom Jahre 1887 ist jetzt der Reichstag der Verstimmung von 1893 gefolgt. Diese Verstimmung ist seine wahre Signatur, und mit tiefer Besorgnis sieht der wahre Vaterlandsfreund der nächsten inneren Entwickelung im Reiche entgegen.
LarrdeSnüchrichtell«
* Alten steig, 30. Juni. Am gestrigen Peter- und Poulfeiertag fand hier die Hauptversammlung des Schwarzwaldvereins statt, aus welchem Anlaß die Stadt den Fahnenschmuck angelegt hotte. Die auswärtigen zahlreichen Gäste trafen zumeist mit dem Zug 9 Uhr 38 vorm, hier ein und sie wurden auf der Station durch den Vorstand und Ausschuß des hiesigen Bezirksvereins begrüßt. Beim Nahen des Zugs begann die Stadtmufik zu spielen und nach der stattgefundenen Begrüßung und Besichtigung der Transporteure unserer Bahn, welche viele Herren sehr interessierten, begab man ffch in den Gasthof zur Linde zu einem Frühschoppen. Zunächst pflog daselbst der Ausschuß des Hauprvereins eine Beratung, woraus um Vzl2 Uhr die Hauptverhandlung begann. Hr. Oberregierungsrat Nestle von Stuttgart, der stellvertretende Vorstand des Schwarzwaldvereins, begrüßte die Versammlung und gedachte dann des verstorbenen Vorstands, des Hrn. Präsidenten v. Bätzner, zu dessen Ehren auf seinen Wunsch sich die Versammlung von den Sitzen erhob. Ebenso wurde des verstorbenen Baurats Reinhardt ehrend gedacht. Der Vorstand des hies. Bezirksvereins, Hr. Stadtschultheiß Welker hieß die Gäste namens der Stadt herzlich willkommen und verband damit den Wunsch, dieselben möchten hier gute Stunden verleben und die Verhandlung möge zur gedeihlichen Förderung der Bestrebungen des Schwarzwaldvereins beitragen. Hierauf erstattete der Vorsitzende den Bericht über die Thätigkeit des Hauptvereins und der einzelnen Bezirksvereine und man vernahm aus demselben, daß in den letzten Jahren wieder sehr viel geschehen ist einesteils in Herausgabe von Karten und einer Bro- chüre „Die Teufelsmühle", andernteils u. hauptsächlich in Zugänglichmachung von Höhepunkten, Waldweg- anlagen, Anbringung von Wegweisern, Erbauung von Aussichtslürmen u. dgl. Die Bezirksvereine entwickelten hierin einen regen Wetteifer, was in Hinsicht auf die Förderung des Fremdenverkehrs auf unserem Schwarzwald nur volle Anerkennung verdient. Da der Kassenbestand des Hauptvereins 2437 Mk. beträgt, so konnten bet Punkt 3 der Tagesordnung ansehnliche Beiträge an die Bezirksveretne verwilligt werden. Es erhielt verwilligt der Bezirksverein Altensteig (zum Bau des Aussichtsturmes Egen
hausen) den schönen Beitrag von 500 Mk., Calw 360 Mk., Freudenstadt 400 Mk., Oberndorf 600 Mk., selbstverständlich zur Ausführung namhaft gemachter Projekte. Zum Andenken an den verst. Baurat Reinhardt, der sich um den Verein sehr verdient gemacht hat, soll auf der Ruine Waldeck bet Calw ein Gedenkzeichen aus Erz in einen Felsen eingelassen werden, welcher Antrag ebenfalls Annahme fand. Zum Vorstand des Hauptvereins wurde einstimmig und mit vielem Beifall Hr. Oberregierungsrat Nestle gewählt. Jeder Teilnehmer an der Versammlung erhielt Nr. 1 der Zeitschrift „Aus dem Schwarzwald", Verlag von M. Ringe in Wildbad (Redakteur Hr. Rektor Weizsäcker in Calw), zugestellt, welche künftig als Organ des Vereins vorerst jährlich 8—9mal erscheinen und jedem Mitglied unentgeldlich zugestellt wird. Die Zeitschrift wird sich zur Aufgabe machen, den lttterarisch vernachlässigten Teil des württbg. Schwarzwalds tnS rechte Licht zu stellen und überhaupt dafür eintreten, das Interesse der Mitglieder am Verein zu beleben und zu erhalten. Der Stuttgarter Bezirksverein unterstützte das Unternehmen durch Verwilligung eines Beitrags von 2000 Mk. Der Schriftführer und der Kassier des Vereins traten von ihren Stellen zurück und es wurde denselben vom Vorsitzenden für ihre treue und ersprießliche Thätigkeit der beste Dank ausgesprochen. Zum Kassier wurde nun gewählt Hr. Inspektor Regelmann u. zum Schriftführer Hr. Baurat Gustav Speidel. Nachdem aus der Mitte der Versammlung noch in Anregung gebracht worden war, daß auch auf Anschaffung einer Vereinsbibliothek Bedacht genommen werden sollte, welchem Wunsche der Vorsitzende zu entsprechen versprach, brachte derselbe ein 3maliges Hoch aufSe. Majestät unseren König aus,j das lebhafte Zustimmung fand. Von der Versammlung wurde dann ein Huldigüngstelegramm an den Landesvater gutgeheißen und nach Friedrtchshafen abgesandt, das folgendermaßen lautet: „Dieheute in Altensteig tagende Hauptversammlung des Württemberg. Schwarzwald- vercins gestattet sich ihrem hohen Protektor, S. Majestät dem König ihre Huldigung unterthänigst darzubringen." Nach Erledigung des geschäftlichen Teils begann um 1 Uhr im Gasthof zur Traube das Festessen (ca. 70 Gedecke), und es war hiezu das untere Wirtschaftslokal ausersehen worden, das aufs sinnreichste geschmückt in eine Schwarzwälder Waidmannsstube verwandelt worden war. Bauernburschen und Bauernmädchen in Schwarzwäldertrocht besorgten das Servieren und auch das Menu (Forellen, Rehbraten rc.) enthielt Schwarzwälderkost. Während des Festessens wurde eine Reihe von Toasten ausgebracht, insdesonde aus Se. Majestät den König, den Vorstand des Schwarzwaldvereins, den Vorstand des Bezirksvereins Alten- steia. die Herrren und Damen, welche eine so schöne Dekoration herstellten. Während des Essens schon lief die telegr. Antwort des Königs ein, die ein aus- nahmsweiscs Wohlwollen für den Verein bekundet. Das Telegramm lautet: „Oberregierungsrat Nestle, Altensteig. Seine Königliche Majestät erfreut durch das Telegramm der heute in Altenstetg tagenden Hauptversammlung des württ. Schwarzwaldvereins lassen den Versammelten für die dadurch bewiesene Aufmerksamkeit und Anhänglichkeit allergnädigst danken und dem Verein bei diesem Anlässe allerhöchst Ihrer fortdauernden warmen Anteilnahme an seinen verdienstlichen Bestrebungen versichern. Auf allerhöchsten Befehl: Kabinetschef Griesinger." Ein brausender Beifall folgte der Verlesung des Telegramms. Nach dem Festessen wurden kleinere Spaziergänge unternommen, und um 5 Uhr vereinigten sich die Teilnehmer wieder bei einer gelungenen musikalischen Unterhaltung in der Sommerwirtschaft des Hrn. Pfeifle, z. Bahnhof. Es dauerte hier nicht lange so schwangen die wackeren Bauernburschen und Mädchen die Tanzbeine, was als eine amüsante Abwechslung beifällig begrüßt wurde, doch auch der jüngeren sonstigen Teilnehmer bemächtigte sich gar bald die Tanzlust und so konnte es nicht ausbleiben, daß die wenige vec-