Erscheint Dienstag Donnerstag und SamStag.
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auswärts je 8 ^ die Ispalt.Zsils
Kr. 75.
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Donnerstag dm 29. Juni
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbreitung.
1893.
Amtliches.
Verliehen wurde das Ritterkreuz 1. Klasse des Friedrichs- Ordens dem Freiherrn v. Kechler-Ichwandorf Major, aggregirt dem Kriegsministerium.
Zu Bezirksgeometern wurden u. a. ernannt: für die OA.-Bezirke Ealw und Nagold mit dem Wohnsitz in Calw der OA.-Geometer Strählern in Calw und für die OA.-Bezirke Nagold und Frenden- stadt mit dem Wohnsitz in Nagold der OA.-Geometer Stahl in Nagold.
Verliehen wurde der Titel und Rang eines Präsidenten demDirektor der Zentralstelle für die Landwirtschaft Freiherrn v. Ow.
Lasdessachrichtev.
' Altensteig, 28. Juni. Auf Bestellung und für Rechnung der Stadt ist heute auf dem Bahnhof der erste Waggon schönes Heu ein getroffen, welches den hies. Viehbesttzern auf 6 monatlichen Kredit abgegeben wird. In kurzen Terminen werden ferner ein- treffen: 400 Ztr. Heu und 800 Ztr. Mais und wegen des Bezugs von getrockneten Biertrebern und Reisfuttermehl steht die Stadt mit Lieferanten in Unterhandlung. Dieses rasche und entschlossene Vorgehen der bürgerlichen Kollegien findet die dankbarste Anerkennung. Mögen die andern Gemeinden dem schönen Beispiele rasch Nachfolgen, denn cs ist das wirksamste Mittel, die Vichbesitzer vor zu großem Verluste zu schützen.
* Der „Staats-Anz." schreibt: Von dem reichlich vorhandenen und - angebotenen Futterlaub wird auffallenderweise bei weitem noch nicht der Gebrauch gemacht, den man bei dem doch herrschenden Bedürfnis erwarten sollte. Es scheint, daß der Wert des Futterlnubcs noch lange nicht genug erkannt und gewürdigt wird, und es wäre sehr zu wünschen, daß hierüber eine bessere Einsicht sich Bahn brechen würde, da gerade dieses Futtermittel, das so äußerst billig zu bekommen und auch jetzt noch und in den nächsten 4 Wochen noch von guter Beschaffenheit ist, den ärmeren Lkttten ermöglicht, ihr Vieh mit Zuhilfename von wenig Kraftfutter über die schlimmste Zeit hinüber zu erhalten.
* (Elektrizitätswerk in Nagold.) Am vergangenen Donnerstag abend wurde das Elektrizttäts werk der Stadt Nagold in Betrieb gesetzt und funktioniert vom ersten Augenblick au tadellos. Das von Herrn Klingler von der unteren Nagold Wasserkraft aus betriebene Werk ist vor kaum 2Vs Monaten be
gonnen worden, und heute sind sämtliche Hauptleitungen gezogen u«d in 70 Häuser über 400 Lampen und 7 Elektromotoren von 1—6 Pferdekraft angeschlosscn. Die Anlage ist nach dem Dreileitersysüm gebaut mit einer Dynamo von 240 Volt Spannung und einer Accumulatorenbatterie, aus 132 Elementen bestehend, von welcher aus erst die drei abzweigcn. Die Hauptleitung ist geführt zu zwei Verteilungspunktcn, welche unter sich durch eine Ringleirung wieder miteinander verbunden sind. Ausgeführt wurde dos Elektrizitätswerk durch die Elektrotechnische Abteilung der Maschinenfabrik Eßlingen.
* Liebeisberg, OA. Calw, 26. Juni. Unsere Wasserleitung hat eine glänzende Probe abgelegt. Trotz der großen Trockenheit der letzten Wochen, die fast alle Quellen versiegen ließ, liefert dieselbe allen 4 Orten nicht nur reichliches und gutes Wasser, sondern bei Nacht füllten sich die Hochbehälter so sehr an, daß sie überströmtcn. Dies von Ingenieur Kröber ausgeführte Werk ist demnach als ein vollständig gelungenes zu bezeichnen. — In dem benachbarten Eff ringen soll Heuer ebenfalls eine Wasserleitung angelegt werden. Die Grabarbeiten dazu sind bereits in vollem Gange.
* Freudenstadt, 24. Juni. Anläßlich der auch bei uns herrschenden großen Futternot hat der hiesige Gemeinderat in wohlwollender Weise vorgestern beschlossen, den hiesigen Viehbesitzern zu gestatten, ihr Vieh herdenweise in den Sladtwaldungen „Schöllkopf" und „Kasernenwald" weiden zu lassen und hiezu die Genehmigung des kgl. Forstamts erholten. Diejenigen Viehbesitzer, welche von dieser Vergünstigung Gebrauch machen wollen, erhielten heute von der Kanzlei der städtischen Waldinspektiou ihre Erlaubnisscheine, mußten aber für die Aufstellung von mindestens zwei Hirten Sorge tragen.
* Rottweil, 26. Juni. (Schwurgericht.) Heute vormittag wurden die Schwurgerichtssitzungen des 2. Quartals eröffnet mit der Aiiklagesache gegen den gew. Kronenwirt Weikert von Fr enden st adt nnd seine Ehefrau, Theodora, geb. Winter wegen Körperverletzung mit nachgefolgtem Tode. Dem Verhöre der Angeklagten und eines Teils der Zeugen ist folgendes zu entnehmen: Schon seit längerer Zeit ging in Frendenstadt das Gerücht um, daß das am 10. Mai 1887 geborene Kind Anna des Kronenwirts von seiner Stiefmutter gröblich mißhandelt werde. Am 2. Sept. v. I. starb dieses Kind emes raschen Todes und auf erfolgte gerichtliche Anzeige seitens des Pflegers wurde die Sektion der Leiche
angeordnet, welche nicht nur eine Menge äußerer Verletzungen, sondern auch eine große Zahl ins Gehn» erfolgter Blutergüsse konstatierte. Es winde zunächst gegen die seit 27. Septbr. 1890 mit Weikert virheiratete Angeklagte und in der Folge auch gegen ihren Ehemann Untersuchung geführt wegen Verdachts des Verbrechens, das sie nun auf die Anklagebank gebracht hat. Es bestätigen denn auch eine Reihe von Zeugen, daß das Kind von der Angeklagten sehr schlimm behandelt worden ist und daß Mißhandlungen namentlich in seinem letzten Lebensjahre sehr häufig waren. Es wurde insbesondere beobachtet, daß das Kind von der Angeklagten des öfteren so an den Kopf geschlagen wurde, daß es sofort zu Boden fiel, daß sie es herumstieß, bis es auf den Boden oder an ein Möbelstück hinflog, daß sie es mit einem Meerrohr schlug, wo es gerade hinging, daß sie ihm Stöße mit dem Fuß auf den Rücken versetzte. Eine der Mägde sah mit eigenen Augen, wie die Stiefmutter mit der Hand es mit solcher Gewalt ins Gesicht schlug, daß ihm das Blut herunterlief, ein anderer Zeuge, wie sie nachts das Kind zum Schla'zimmer hinaus auf den steinernen Plattenboden warf. Auch der Vater habe sich an den Mißhandlungen beteiligt und wenn er gerade dazu gekommen sei, wenn die Mutter eS schlug, auch noch zugeschlagen, im letzten Jahr sei das fast tagtäglich vorgekommen. Eines Tages habe die Angeklagte geäußert, sie komme wegen der Anna noch einmal ins Zuchthaus, wenn sie das Kind nur nimmer sehen müßte, wenn es nur sterben würbe. — Was nun die Mißhandlung des Kindes am 2. Septbr. anlangt, so bezeugt der Gipsermeister Koch, daß er an jenem Tage in der Krone gegen 1 Uhr ein Glas Bier getrunken und beim Fortgehen 2—3mal etwas habe patschen u. aus dem Schlafzimmer heraus eine weinende Stimme habe rufen hören: o Mama, laß mich gehen! worauf er jemand habe sagen hören, ich will sehen, ob Du nicht anders wirst. Der Angeklagte Weikert selbst äußerte an jenem Mittag dem Kindsmädchen gegenüber, er habe der Anna einige hinten herunter gegeben, weil sie gelogen habe. Die Angeklagten, von denen sich die Frau bei und nach dem Tode des Kindes wie verzweifelnd gebärdete, gaben in der Voruntersuchung an, die an dem Kinde gefundenen Verletzungen seien ihnen unerklärlich, das Kind sei allerdings bisweilen — nnd auch am Todestage, weil es Honig genascht — mit der Rute und den Händen gezüchtigt worden, das Kind müsse vor seinem Tode, wie früher schon einmal, einen „Anfall" gehabt und hiedurch die gefundenen Verletzungen sich zugezogen haben. (Schluß folgt.)
* Stuttgart, 24.Juni. (Stichwahl.) Der Festsaal der Liederhalle füllte sich im Laufe des Abends bis zum Erdrücken. Als der Sieg gesichert war, sprach Dr. Schall den Wählern den Dank des Wahlausschusses aus und schloß mit einem Hoch auf das deutsche Bürgertum. Die Versammlung sang „Deutschland über alles". Herr Gustav Siegle wurde mit lang- andauernden stürmischen Zurufen begrüßt. Er gab in einer kurzen Ansprache den Wählern den Ruhm des Sieges, der zwar klein sei und außerordentliche Arbeit erfordert habe, ober dem Zusammentreten aller
Der zweite Wann.
Erzählung von Ewald August König.
(Fortsetzung.)
„Ich suche wahrlich keinen Ruhm darin, die Frau zu verderben. Du wirst mich verstehen, wenn ich sogar erkläre, daß ich inniges Mitleid mit ihr empfinde —"
„Ueberlaß sie ihrem Schicksal!" unterbrach ihn Friedrich.
„Ich darf es nicht mehr."
„Was hindert dich daran?"
„In erster Reihe das Wort, das ich dem Agenten verpfändet habe, dann aber auch meine Pflicht, die mir gebietet, das Vermögen deiner Schwester zu retten."
„Ich sehe jetzt wieder die Möglichkeit, es zu können," fuhr Gustav fort, „um so ernster tritt jene Pflicht an mich heran. Es handelt sich ja nur um einen Aufschub von einigen Wochen und ich denke, auch dir wird er nicht unangenehm sein?"
„Wem sollte der Aufenthalt an diesem herrlichen See unangenehm werden?" sagte Friedrich begeistert.
„Und speziell in Brunnen!" fügte Gustav lächelnd hinzu.
Die Röte der Verlegenheit übergoß das Antlitz des Premierleuwants, er schlug vor dem forschenden Blick des Freundes die Augen nieder.
„Woraus willst du das schließen?" fragte er.
„Aus deinen Aeußerungen über Fräulein Hall- ftädl. Was hattest du denn gestern den ganzen Tag in Brunnen zu thun? Früh am Morgen bist du hin
gefahren, um dem alten Herrn die Verhaftung Gruners zu berichten, und es war Nacht, als du zurückkehrtest. Die Partie nach Flüelen an der Seite Theodores hatte also größere Anziehungskraft für dich, als der Freund, der sich hier langweilte."
„Kannst du mir das verdenken?" scherzte Friedrich. „Wenn ein Verlobter sich langweilt, so ist das eine betrübende Sache, aber daß er für andere ein langweiliger Gesellschafter ist, wirst du zugeben. Und Theodore ist wirklich ein reizendes Mädchen, ich würde mich glücklich schätzen, wenn sie — aber das sind nur fromme Wünsche, besser, daß man die Trauben so sauer findet, als daß man durch vergebliches Springen den Spott herausfordert."
„Und weshalb sollten sie für dich zu hoch hängen?"
„Ich besitze nur meine Ehre und meinen Degen!"
„Das wird dem Vater Theodores genügen."
„Dem reichen Manne? Ich glaube es nicht."
„Da kenneich ihn besser! Hallstädt ist in diesem Punkte vernünftig, er liebt seine Tochter viel zu aufrichtig, als daß ihn bei der Wahl seines Schwiegersohnes kleinliche Bedenken leiten könnten. Die Bürgschaft, die dein Charakter ihm für die Zukunft seines Kindes bietet, wird ihm vollständig genügen, laß dich also nicht durch unbegründete Bedenken entmutigen!"
„Die Zeit ist zu kurz
...Ach was, folge dem Spruch Goethes, er kannte die Frauen. Theodore ist eine von jenen Frauen- naturen, die im S-lurme gewonnen sein wollen und langes Zaudern nicht lieben."
Friedrich schüttelte sinnend das Haupt.
i „Wird man nicht glauben, zu dieser Werbung ! habe nur die Aussicht auf eine reiche Mitgift mich ! bewogen?" fragte er.
l „Hallstädtund Theodorewerden das nicht glauben: ! was die anderen denken, was küunnert's dich?" ent- gegnete Gustav.
„Nichts, es ist wahr! Man hätte viel zu thun, wollte man sein Handeln von dem Urteil der Leute abhängig machen. Und doch ist's nur eine Frage des Augenblicks," fuhr Friedrich träumerisch fort, bietet sich der rechte Augenblick nicht, dann zerfließen die schönen Hoffnungen in Nebel."
„Der Augenblick bietet sich oft, und häufig wird er verpaßt," sagte Gustav Varnay ernst; „man er- ke. nt es erst später und der Aerger ist dann um so größer."
„So warten wir denn ab, was die Zeit bringt", erwiderte der Premierleutnant, „erzwingen läßt es sich nicht. — Du warst also bei der Beerdigung Griesheims nicht zugegen?"
„Nein; wozu jetzt noch die Komödie fortsetzen? Die Maske kann nun abgeworfen werden, Madame Griesheim wird ohnehin vermuten, daß —"
Er brach ab; der Kellner trat auf den Balkon und legte zwei Briefe auf den Tisch, einer war an Gustav Varnay, der andere an den Premierleutnant Hagen adressiert.
Gustav erriet den Inhalt seines Briefes schon, als er einen Blick auf die zierliche Handschrift der Adresse geworfen hatte, er sah sich in seinen Vermutungen nicht getäuscht.