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Samstag» den 26. August 1911.
Amtlich» Vekanntmachunge«
An die Ortsvehördeu für die Arb eiterv ersich eruug.
Die im letzten Quartal aufgerechneten Ouittuxgskarteu sind, sofern sie dem Oberamt nicht schon vorgelegt wurden, alsbald hieher einzuseuden. Calw, 25. August 1911.
K. Oberamt.
Amtmann Rippmann.
Lsgesuenigkeite«.
Calw. Am Sonntag Abend wird im Gasthaus z. „Ochsen" hier durch den seit 11 Jahren in Wiesbaden als Spielleiter und Direktor tätige«Künstler Hans Wilhelmy ein heiterer Vortragsabend veranstaltet. Zur Aufführung kommen Lieder, Couplets, Solo- und Duoszene» und Serenissimus-Zwischenspiele. Dem Künstler geht ei» guter Ruf voran»; seine Darbietungen haben überall reichen Beifall gefunden.
-X-Bad Liebenzell 25. Aug. Wie au« de» Nachfragen geschloffen werde» darf, wird unser Kur- und Badeort auch im September eine» guten Besuch aufzuweisr» haben. Die« vrranlabte die Kurverwaltung die täglichen Konzerte der Kurkapelle, die am 3. September ihr Ende finde» sollten, noch bis 10. September fortzusetzen. Die Zahl der Kurfremden beträgt heute 4244, also jetzt schon 261 mehr als die Gesamtfrequenz der vorjährigen Saison.
Stuttgart 25. Aug. Das Finanzministerium hat die Forstämter zu einer weitgehenden Abgabe von Waldstre« (Laub-, GraS-, Moos- und Nadelholzstre«) an die Gemeinde» ermächtigt. In den Körperschafts
waldungen hat die Nutzung in der Regel in der Weise zu erfolgen, daß die Streu, soweit nicht deren Aufbereitung durch die Waldarbeiter der körperschaftliche» Verwaltungsbehörde« erfolgt, durch die von den Nutzungsempfängern zu stellenden Personen gemeinschaftlich unter genügender Aufsicht gewonnen und auf gleich große Haufen zusammengebracht wird und daß alsdann die Haufe», sofern nicht deren Versteigerung von der körperschaftlichen Behörde beschloffen wird, durch da» Lo» unter die Streubedürftigrn verteilt werde«. Soweit Privat-, Gemeinde- und Körperschaftswaldungen für die Bedürfniffe der Bevölkerung nicht ausreichen, sollen auch in Staattwaldungen außerordentliche Streunutzungrn eröffnet und die unter der Aufsicht der staatlichen Forstorgane gewonnene Streu zu mäßigen Preisen abgegeben werden.
Stuttgart 25. Aug. Ei« verheirateter Fuhrmann wurde eine» Tages auf dem Pragfriedhof betroffen, wie er von einer Kranzschleife ei» Stück Goldborte wegriß und einsteckte. Als er sich beobachtet sah, warf. er die Borte, die übrigens eine« ganz geringen Wert hatte, wieder weg. Der Kranz lag auf einem frischen Grab. Gegen den Mann wurde nun Anklage wegen Diebstahls erhoben. Da er vorbestraft ist, kam Rückfall in Betracht und in einem solchen Fall ist die Mindrststrafe 3 Monate Gefängnis. Da» Urteil lautete auf diese Strafe. Dem Angeklagten wurde vom Vorsitzende» bedeutet, daß die Strafkammer ein Gnadengesuch befürworten werde.
Stuttgart 25. Aug. Heute vormittag wurde im Kräherwald, etwa 150 m von der Doggenburg entfernt, der 24 Jahre alte ledige Lehrer Friedrich Eberspächer von Oberlenningen OA. Kirchheim, der bisher in Stein
heim a. d. Murr als Schullehrer angestellt war, tot aufgefunde». Er hat sich «ach einer zurück- gelassenen Notiz aus Schwermut erschossen. Der Leichnam wurde in das Leichenhaus de« Pragfriedhofes verbracht.
Obertürkheim 24. Arg. (Ein Zeichen der Zeit.) In dem Zug Stuttgart ab 12.15 mittags befand sich ei« etwa 19jährige» Frauenzimmer in Begleitung einer barmherzige« Schwester, die es in eine Anstalt verbringen sollte. Doch schien ihm die „Freiheit" lieber zu sei« als der AnstaltSzwang, und so versuchte e«, schon in Untertürkheim auszureißen, nahm aber wieder Abstand davon. In Obertürkheim jedoch ließ sich da» Frauenzimmer nicht mehr halte«. ES schleuderte die Begleiterin einfach beiseite und begab sich durch die Bahnsteigsperre an de» Fahrkartenschalter, um eine Fahrkarte nach der entgegengesetzten Seite zu lösen, die ihr auch verabfolgt wurde. Der barmherzigen Schwester aber stand niemand in ihrem schwere« Amte bei. Sie mußte allein Weiterreise».
Flein OA. Heilbronn 25. Aug. Der verheiratete Landwirt Jakob Braun ist spurlo» verschwunden. Er ging am Dienstag mittag zur Arbeit in den Weinberg und ist seither nicht zurückgekehrt. Das eifrige Suche« seiner Angehörige« war bi« jetzt ohne Erfolg.
Bückingen 25. Aug. Der 28 Jahre alte verheiratete Bauarbeiter Schanz war aushilfsweise in der Kiesgrube beim Krählochweg mit Kiesgrabe» beschäftigt. Plötzlich löste sich eine große Stein- und Kiesschichle lo» (möglicherweise durch den am Tag zuvor niedergegangene» schweren Gewitterregen) und während es einem ander» Arbeittkollegen möglich war, sich rechtzeitig noch zu rette«, wurde Schanz rücklings
Frau Lores Lebenswerk.
22) Roman von Erich Ebenstein.
«Fortsetzung.)
„Da» sag' ich Dir, unsere Kinder müssen ander» erzogen werden", meinte Lanzendorf.
Sie sah mit einem stillen ernsten Blick zu ihm auf.
„Möchtest du mich ander» haben, als ich bin?"
„Nein — da» heißt, mit Deiner blinden Liebe für Deine Sippe bist Du schon manchmal ein komisches kleines Tierchen. Etwa« mehr Egoismus möchte ich Dir entschieden wünschen."
Abend», als sie daheim in ihren vier Wände« allein saßen, und in Erinnerung der eigenen Hochzeit eine Flasche Sekt tranken, kam da» Thema noch einmal zur Sprache.
Assunta hatte mitte« in dem verliebten Getändel tief aufseufzrnd gesagt: „Wie einsam es heute der armen Mama sein muß, nachdem nun auch Eva fort ist. Wir hätte» sie nicht allein lassen sollen."
Sofort verfinsterte sich Ferry» Gesicht.
„Hör' mal, Assunta, Du lebst da entschiede« in ganz falsche« Ansichten, und e» ist mir lieb, daß wir einmal ernstlich darüber rede« könne». Ich denke, Deine Verwandte« find mehr al» genug in meinem Hause —"
Sie sah ihn groß, fast entsetzt an.
„Meine Verwandten? In Deinem-"
„Nun ja — dieser Onkel Peter, mit dem Du alle Augenblicke musizierst, und Mama, die täglich zu Dir kommt."
„Willst Du mir ganz die Musik nehme«, die mein halbe» Lebe« ist?
„Sie hat nicht Dein „halbe» Leben" zu sei»! Man« und Häuslichkeit sollen Dein ganzes Lebe« ausmache«!"
Assunta fing zu zittern an.
„Lieb' ich Dich denn zu wenig? O Ferry-kann eine Frau
ihre» Man» zärtlicher, heißer liebe» als ich?"
Er ringelte spielend eine der schimmernden, rotbraune« Haarwellen, die geöffnet über ihre« Schlafrock au» nilgrüner Seide fiele«, um die Finger, und sagte leichthin: „Nun, reg' Dich nur nicht auf, Herzchen, ich mach' Dir ja weiter keine Vorwürfe. Nur solltest Du endlich begreifen, daß die Jugend allein Rechte hat im Leben und daß e» die Pflicht der Alte« ist, znrückzutreten, wenn ihre Aufgabe im Leben erfüllt ist. Statt dessen wird man da immer von einem Netz von Gefühlsansprüchen umgebe«, die ebenso unberechtigt als lästig find. Ich habe Dich geheiratet und nicht Deinen Anhang, da» solltest Du nicht so oft vergessen."
Sie war blaß geworden bis in die Lippen hinein. Eine Weile blieb es still im Zimmer. Dann stand Lanzendorf auf und begann auf und nieder zu gehen. Endlich blieb er vor Assunta stehen.
„Nun, warum redest Du den« nicht? Hast Du nicht begriffen, was ich sagte?"
„O ja. E» ist da» Evangelium de» Egoismus, der nur an sich denkt-abscheulich ist es-"
„ES ist da» Evangelium unserer Zeit, die mit dem morschen Gefühls- plunder vergangener Generationen aufräumte! Egoismus? Bah, er ist weder die schlechteste, noch die dümmste Eigenschaft, die der Mensch haben kann. Wer ist es den» nicht?"
Sie sah ihn leidenschaftlich bewegt an.
„Diejenigen, die noch selbstlos sein könne»! Diejenige«, die «och andere Ideale in sich trage», al» ihren Vorteil und ihre Bequemlichkeit!
Meine Mutter zum Beispiel, von der Du so geringschätzig sprichst-
Peter Lott-"
Etwa» Drohendes flammte ihm zum erste» Male au» de» geliebte« Augen entgegen. Aber er war zu sehr in die Sache verrannt, die er schon längst hatte zur Sprache bringen wolle«, um e» zu sehe».