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1893.
D Das Spiouagegesey.
Bekanntlich hat sich Frankreich zu der Zeit, als Boulanger Kriegsminister war, ein drakonisch strenges Spionagesetz zugelegt, dem Franzosen und in Frankreich weilende Ausländer ebenso leicht schuldlos zum Opfer fallen körnen, wie dies in Deutschland durch das Dynamitgesetz der Fall ist, dessen Strenge sich noch aus der Zeit des Sozialistengesetzes herschreibt.
Nach dem Vorbilde des französischen ist nun auch rin deutsches Spiouagegesetz entworfen worden, das bereits in der vorige» Session dem Reichstage Vorgelegen hat. Die schwerwiegenden Bedenken, die sofort dagegen laut wurden, veranlaßten das Reichsjustizamt, die Vorlage zurückzuziehen, und man glaubte sie bereits spurlos unter dem Geschäftstisch verschwunden, als die laufende Session von neuem damit bedacht wurde, und zwar nicht, wie man erwarten durfte, mit einem beschränkten, sondern mit einem noch erweiterten Inhalt. Die unklaren, dehnbaren und deutungsfähigen. Begriffe über vorsätzliche und fahrlässige Mitteilung von Schriften, Gegenständen, Nachrichten, deren »Geheimhaltung im Interesse der Landesverteidigung erforderlich ist," über die »Absicht," die Sicherheit des Reiches zu gefährden, oder das »Unternehmen" ohne die obengedachte Absicht, über die Verpflichtung zur Anzeige — alle diese Bestimmungen enthält auch die neue Vorlage gleich der alten. Die neue bringt aber insofern mehr, als sie sich die Ahlwardtschen „Judenflinten"- Broschüre zu nutze gemacht und offenbar im Hinblick auf dieselbe noch um zwei Paragraphen bereichert worden ist.
Von diesen „Ahlwardt"-Paragraphen bedroht der eine denjenigen mit schwerer Gefängnisstrafe, der Mitteilungen über die Verhältnisse der Kriegsmacht oder die Verteidigungsmittel des Deutschen Reiches veröffentlicht, obwohl er weiß oder annehmen muß, daß dadurch die Sicherheit des Reiches gefährdet wird; der andere erklärt die Beschlagnahme von Druckschriften auch ohne richterliche Anordnung auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes für zulässig. Die vorberatere Kommission hat zwar beide Paragraphen abgelehnt, aber es liegt die Wahrscheinlichkeit vor, daß sie im Plenum wrederhergestellt werden.
Von einem Spionagegesetz muß unbedingt verlangt
werden, daß es die schnöde Absicht und Ausführung des wirklichen Verrats trifft. Aber dies geschieht bereits in ausreichender Weise durch § 92 des Strafgesetzbuchs, der da lautet:
„Wer vorsätzlich 1) Staatsgeheimnisse oder Festungsvläne, oder solche Urkunden, Aktenstücke oder Nachrichten, von denen er weiß, daß ihre Geheimhaltung einer anderen Regierung gegenüber für das Wohl des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats erforderlich ist, dieser Regierung mitteilt oder öffentlich bekannt macht; 2) zur Gefährdung der Rechte des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats im Verhältnis zu einer anderen Regierung die über solche Rechte sprechenden Urkunden oder Beweismittel vernichtet, verfälscht oder unterdrückt, oder 3) ein ihm von seiten des Deutschen Reichs oder von einem Bundesstaat aufgetragenes Staarsgeschäst mit einer andern Regierung zum Nachteil dessen führt, der ihm den Auftrag erteilt hat, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter sechs Monaten ein."
Diese Bestimmungen erscheinen dem Laienverstande zur Sicherung des Reiches, soweit diese durch Gesetze erfolgen kann, ausreichend. Wenn nun von Bundesratsseite aus behauptet wird, daß in der letzten Zeit eine Anzahl von Fällen bekannt wurde, in welchen Personen straflos ausgegangen find, obwohl durch ihr Verhalten die Sicherung des Reiches unzweifelhaft gefährdet wurde — auch hier hat man wohl die „Juden- fltnten"-Broschüre im Auge — so könnte der obige Paragraph des Strafgesetzbuches angemessen erweitert werden; ein eigenes Gesetz wäre aber doch wohl kaum nötig.
Keine Partei im Reiche mag auf eine freimütige Kritik auch unserer Heereseinrichiungen verzichten, weil Volk und Heer bei uns innig mit einander verwachsen sind. Eine solche-Kritik wäre aber unter der Herrschaft des neuen Spionagegesctzentwurfcs unmöglich, denn sie droht stets mit der Gefahr, den Kritiker ins Zuchthaus zu bringen. Das mag nicht die Absicht des Gesetzgebers sein, wäre nichtsdestoweniger aber die nackte Wirklichkeit.
Deutscher Reichstag.
* Berlin, 28. April. Interpellation Richter
(d.fr.) über einen Korpsbefehl im 7. Armeekorps, welcher das Mißverständnis veranlaßt habe, als ob die Personen des Beurlaubtenstandes im Beurlaubtenverhältnis bezüglich ihrer staatsbürgerlichen Rechte Beschränkungen bei der öffentlichen Erörterung allgemeiner Fragen der Militärgesetzgebung unterworfen seien. Der preuß. Kriegsminister v. Kaltenborn erklärt sich zur sofortigen Beantwortung der Jnterp. bereit. Richter begründet dieselbe. Kriegsminister Kaltenborn: Es handle sich um eine Verfügung vom 15. März 1893, welche die Anwendung des ß 101 des Militärgesetzbuchcs auf die Personen des Beur- laubtenstands betreffe und durch einen in Württemberg vorgekommenen Etnzelfall veranlaßt worden sei. Dort habe der Vorsitzende eines Kriegervereins behufs Beratung über eine militärische Angelegenheit ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde eine Versammlung von Personen des Beurlaubtenstandes veranstaltet, woran auch mehrere Reservisten teilgenommen haben. Das Generalauditoriat war der Ansicht, daß dieses Vorkommnis unter die Strafbestimmungen des 8 101 falle. Die Verfügung entbehre durchaus eines politischen Karakters, sie habe weder den Zweck noch die Absicht, die Personen des Beurlaubtenstands in ihren staatsbürgerlichen Rechten zu beschränken, stehe auch mit der Militärvorlage in keinem Zusammenhänge. Eine Besprechung der Interpellation wird nicht gewünscht. Es folgt die 2. Beratung des Nachtragsetais. Derselbe wird nach kurzer Debatte genehmigt. Es folgt die Fortsetzung der 3. Beratung des abgeänderten Wuchergesetzes. Stadthagen (Soz.) will den Wucherbegriff nicht zu eng gefaßt haben. Wucherer sei ein jeder, der die Notlage anderer ausbeutet. Bei der Prüfung des statistischen Materials der Antisemiten habe er erfahren, daß ein Mann Namens Böckcl ebenfalls Wucher treibe. Böckel (Antis.): Das beleidigt meinen Vater, das ist eine Gemeinheit! Der Präsident ruft Böckel zur Ordnung. Böckel: Ich kann die Ehre meines Vaters nicht schänden lassen. Schuft! Der Präsident ruft Böckel zum 2. Male zur Ordnung. Stadthagen fährt fort: Aufhören werde der Wucher nicht eher, als bis die Produktion vergesellschaftet sei; bis dahin dürfe man aber die Hände nicht in den Schoß legen.
Der zweite Mann.
Erzählung von Ewald August König. i,zortiexung.)
„In diesem Falle hoffe ich. Sie recht oft in meinem Hause zu sehen," sagte Elisabeth, und das bezaubernde Lächeln umspielte wieder ihre Lippen; „es wird mir ein großes Vergnügen sein, Sie hier zu empfangen."
Der Advokat verneigte sich dankend.
„Ihr Bruder wohnt noch bei Ihnen?" fragte er.
„Einstweilen ja. Was soll er machen? Die Mittel, ein eigenes Geschäft zu gründen, besitzt er nicht; er beabsichtigt, eine Stelle anzunehmen, aber bis jetzt hat sich noch nichts Passendes für ihn gefunden."
„Ihnen muß das doch auch unangenehm sein!"
„Gewiß, aber ich kann doch auch nicht den eigenen Bruder Hinausweisen. So lange mein Mann dazu schweigt, lasse ich es mir gefallen, und glücklicherweise harmonieren die beiden miteinander."
Gustav konnte nur mühsam ein spöttisches Lächeln unterdrücken; er hatte ja von Hallstädt erfahren, welch sauberes Gewerbe dieser zweite Gatte betrieb.
„Ihr Bruder beantwortete mir damals meinen Brief in einem Tone, den ich nicht höflich nennen kann," sagte er; „offen gestanden, hatte ich das doch nicht erwartet."
„Hatten Sie nicht auch an die hiesige Behörde sich gewandt?"
„Ich wurde dazu gedrängt."
„Und uns erwuchsen daraus große Unannehmlichkeiten ; daß Ms dies erbitterte, können Sie uns nicht
verargen; mein Bruder war gereizt, ich wollte Ihnen nicht antworten, weil ich überhaupt nicht wußte, was ich antworten sollte, da that er es."
„Und seitdem habe ich die Sachen zu den Akten gelegt," sagte der Advokat, während er mit der Hand über den tiefschwarzen Vollbart strich, „ich habe keine Lust mehr, mich mit ihr zu beschäftigen."
„Sie sind in dieser Angelegenheit wohl selbst hintergangen worden, Herr Doktor!"
„Es kann sein; wie gesagt, die Sache ist mir noch nicht klar geworden und nun interessiert sie mich nicht mehr."
Gustav hatte bei den letzten Worten sich erhoben, um Abschied zu nehmen, der wiederholten Einladung der jungen Frau versprach er Folge zu leisten.
Als er schied, äußerte er seine Freude darüber, daß nun zwischen ihnen das einstige herzliche Einvernehmen wieder hergestellt sei, und er sagte dies in einem so aufrichtigen Tone, daß Elisabeth keinen Zweifel hegen konnte.
Die junge Frau triumphierte, aus dieser Unterredung glaubte sie die Ueberzeugung schöpfen zu dürfen, daß ihre Absicht erreicht und der Bruch zwischen dem Anwalt Varnay und seiner Braut vollzogen war.
„Jetzt durfte Elisabeth unbesorgt sein, der Advokat hatte ja wiederholt versichert, daß er sich mit der Angelegenheit nicht mehr beschäftigen werde, also war auch nicht zu fürchten, daß nochmals ein Verdacht in seiner Seele aufstieg.
Grüner, der sich bald nach dem Besuch des Doktors im Salon seiner Schweister einfand, teilte diese
l Ueberzeugung nicht, er ahnte vielmehr die Komödie und ließ es an ernsten Warnungen nicht fehlen.
Darüber ging Elisabeth mit geringschätzendem Achselzucken hinweg, indem sie behauptete, eine Maske könne sie niemals täuschen und Gustav Varnay habe nie das Talent besessen, Komödie zu spielen.
„Wir werden sehen, wer von uns beiden recht hat," sagte Grüner endlich ärgerlich; „keinesfalls kann ich es billigen, daß ihm hier jederzeit die Thüren offen stehen sollen. Dies zu erreichen, war wohl der Zweck seines ersten Besuches. Nun wird die Spionage beginnen und wir sind im eigenen Hause keinen Augenblick mehr sicher."
Elisabeth saß neben dem mit üppigen Pflanzen reich dekorierten Blumentisch am Fenster; sinnend blickte sie hinunter auf die stille, wenig belebte Straße.
„Ich konnte nicht anders, die Klugheit gebot wir, ihn einzuladen," erwiderte sie achselzuckend. „Im übrigen darfst du meinem scharfen Blick vertrauen, ich kann die Lüge von der Wahrheit unterscheiden. Oder teilst du jetzt auch die Ansicht meines Mannes, daß es ratsamer sei, heute noch Luzern zu verlassen?"
„Nein, aber will er allein abreisen, so könnte uns das nur angenehm sein."
„Dazu wird er sich nicht entschließen, seine Eifersucht erlaubt es ihm nicht," spottete die junge Frau." „Er weiß ja, daß ich mit Varnay verlobt gewesen bm —"
„Bleibe ich bei dir, so muß ihm das zur Beruhigung dienen."
„Ich bedarf keines Wächters, Willy! Lieb