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Hlr. 41.

Erscheint wöchentl. 3mal: Dienstag, Donnerstag u. Samstag u. kostet bei der Exped., sowie im OA.- Bezirk Nagold SO^s, außerhalb 1 das Quartal.

Samstag dw 8. April

Einrückungspreis der Ispalt. Zeile für Altensteig I und nahe Umgebung bei Imal. Einrückung 8^1 ^ 893

bei mehrmaliger je 6 auswärts je 8 j

Gestorben: Friedrich Glaser, Bärenwirt, Wildbecg; Konditor Lieb, Biberach.

D Die kugeisicheren Stoffe.

In dem kurzen Zeitraum von nur drei Wochen sind nicht weniger als vier Eifinder von kugelsicheren Stoffen an die Ocffentltchkeit getreten: zuerst der Mannheimer Schneider Dome, dessen Erfindung schon verschiedeneFeuer­proben" durchgemachl hat, sodann der Wiener Ingenieur Scarneo, ein früherer Offizier, der seine Erfindung schon vor zehn Jahren gemacht z» haben behauptet und dem es angeblich nur an den nötigen Geldmitteln zur Erprobung ihrer -raktischenVecwendbarkeit gefehlt hat; als dritter im Bunde meldete sich und zwar gleichfalls in Mannheim der Techniker Reidel, dessen Stoff zweimal so leicht und billig wie der Dowe'sche sein soll, und ihnen hat sich schließ­lich der ehemalige Fadrikdirektor Xylander in Preßburg (Ungarn) zugesellt, dessen kugelsicherer Stoffnur einen Zentimeter dick, von den be­kannten Präparaten vollständig verschieden und von der Preßburger Patronensabrik als zufrieden­stellend und überraschend erprobt" worden ist.

Man kann wirklich von einer so kurzen Spanne Zeit nicht mehr verlangen! Der Mensch­heit wäre schon gedient, wenn auch nur eine dieser Erfindungen sich als vollkommen oder doch vervollkommnungsfähig sich bewährte, und es ist nicht bloßer Patriotismus, der es wünschen läßt, es möchten die deutschen Erfinder den Vogel abschietzen. Seit Dreyse sein Zündnadel­gewehr und Krupp die gezogenen Geschütze er­fand, find alle weiteren Erfindungen auf militärischem Gebiete auf die Zerstörung gerichtet gewesen. Welche fürchterliche Rolle in einem Zukunftskrtege die Torpedos und Dynamitbomben, Las kleinkalibnge Gewehr und das rauchschwache Pulver spielen werden, das ahnen wir einst­weilen nur; und gegenüber diesen in der Praxis noch unbekannten Schrecknissen, da mutet es uns wunderbar und zugleich wohllhuevd an, daß sich nunmehr der Erfindergeist auch so erfolg­reich auf dem Gebiete des Schutzes und der Abwehr zu regen beginnt. Man muß hoffen, daß die Erfindungen, die hier noch alle zu machen find, den zerstörenden Kräften recht bald voll­kommen die Wage halten möchten.

Indessen man gebe sich nicht allzugroßen Erwartungen hin. Der neue kugelsichere Stoff, wenn er sich den bestehenden Gewehrsystemen wirklich gewachsen zeigen sollte, wird tue erste Folge haben, daß man die Geschosse oder die Gewehre anders konstruiert; dann müßte natür­lich der Panzer noch dauerhafter gefertigt werden und die Folge wäre . . . abermals eine neue Schießmafchtne von größerer Durchschlagskraft. Man hat diesen Wettlaus bereits einmal zwischen Panzer und Kanone durchmachen sehen und dieser ist noch nicht einmal zu Ende gekommen. Immer größere Kanonen durchschlugen immer stärkere Panzer und wenn wir nicht irren, ist gegenwärtig der Panzer im Vorsprunge. Derselbe Wettlaus würde auch zwischen Gewehr und schußsicherem Stoff staufinden und natür­lich viele Millionen verschlingen.

Die Phantasie der Tagesschriftsteller hat fich schon der Angelegenheit bemächtigt und künftige Schlachten ausgemalt, in denen beider­seitig der schußsichere Panzer verwendet wird. Soviel steht fest: wenn sich die Verluste an Menschenleben wirklich verringern sollten, so wären die Folgen doch wohl nur, daß sich die Errege in Zukunft erheblich in die Länge ziehen; damit verbunden wäre natürlich eine längere

Unterbrechung des regelmäßigen Handelsver­kehrs und dies hätte wiederum ein rapides Sinken des Nationalwohlstandes zur Folge.

Trotzdem steht die neue Erfindung voll und ganz im Dienste der Kultur und ist daher mit Freuden zu begrüßen. Wenn der tückischen Kugel die Kraft genommen wird und im Kriege wieder allein persönliche Tapferkeit und geistige Ueberlegenheit zum Siege verhelfen, so wäre dies schon ein kolossaler Fortschritt. Würde aber auch nur ein Staat den kugelsicheren Stoff zum Schutze seiner Armee einführen, so dürften und könnten die anderen schon des moralischen Eindrucks auf die Soldaten wegen nicht Zurückbleiben. Damit aber würden wir in eine ganz neue Phase der Kriegsführung eintreten und eine solche hat immer den Vor­teil, daß sie für viele Jahre hinaus besser den Frieden sichert, als geschriebene Verträge.

Württemdergischer Landtag.

Kammer der Abgeordneten.

* Stuttgart, 5. April. (18. Sitzung.) Unter den Einläufen befindet sich ein Gesetz­entwurf, betr. die Entlassung dienstunfähiger Körperschaftsbeamten. Den ersten Gegenstand der Beratung bildete der Gesetzentwurf, betr. die Dienstaufficht über die Gewerbegerichte, wonach die letzteren der Dienstaufficht der Landgerichte unterstellt werden. Die Vorlage, die in einem einzigen Artikel besteht, wurde nach einigen Bemerkungen des Berichterstatters Untersee uud des Justizministers v. Faber angenommen, und zwar in der Schlußab­stimmung mit 76, allen abgegebenen Stimmen. Auch die Anträge der Geschäftsordnungskom- mission, betr. die Beschleunigung der Anfertigung der ständischen Protokolle, wurden nach kurzer Debatte teils einstimm-g, teils mit großer Mehrheit genehmigt. Hierauf wurde dir Etats­beratung fortgesetzt, und zwar wurde Kap. 108 Ständische Kaffe, Kap. 109 Reservefonds und Kap. 110a Aufwand an Postporto infolge der Aufhebung der Portofreiheit in Dienstsachen erledigt. Bei Kap. 108 hatte Aldinger als Berichterstatter im Namen der Kommission die Abrundung der ständischen Taggelder nach unten, d. h. von 9 M. 43 Pf. auf 9 M. 40 Pfennig, angeregt; nachdem aber der Finanz- minister daraus hingewiesen, daß der jetzige Satz aus einer gesetzlichen Bestimmung beruhe, d.e nicht ohne weiteres sich abändern lasse, wurde nach einigen weiteren Bemerkungen mehrerer Abgeordneten der Gegenstand ver­lassen. Bei Kap. 100 a. brachte Me yd er zur Sprache, daß den Ortsbehörden seitens der Bezirksbehörden oft Vorhalle ans Postkarten gemacht werden; so sei irgend ein Schultheißen­amt einmal mittels Postkarte darauf hinge- wiesen worden, daß Oderamtsrichter, Ober­amtsärzte u. s. w. zu grüßen seien, worauf der Finanzminister versprach, dafür Sorge zu tragen, daß derartige Taktlosigkeiten nicht mehr Vorkommen. Die Beratung des Etats wurde darauf abgebrochen.

"Stuttgart, 6. April. (19. Sitzung.) Beratung des Entwurfs, betr. das landwirt­schaftliche Nachbarrecht. Sämtliche Redner, die bei der Generaldebatte zum Worte kamen, mit Ausnahme des Abgeordneten Essich, welcher den Nutzen des Gesetzes für die wein- bantretbenden Gegenden sehr niedrig anschlügt und auch Bedenken wegen des bürgerlichen Ge­setzbuchs hat, gaben ihrer Befriedigung über die Einbringung der Vorlage Ausdruck. Minister

v. Schmid hob den Nutzen des Entwurfs für die Landwirtschaft sowohl als für das ganze Land hervor und stellte bei dieser Gelegenheit auch die Einbringung eines Wafferrechtsgesetzes für die nächste Session in Aussicht. Wenn die Verhandlungen vom Geiste weisen MaßhaltenS beherrscht werden, meinte derselbe, so gelangen wir jedenfalls zum Ziele. Einstimmig wurde beschlossen, in die Spezialberatung der Vorlage einzutreten.

Laudesvachrichteu.

Altensteig, 7. April. Wohl selten war die innerpolitische Lage in Deutschland so unklar wie heute. Es wäre eine große Täuschung, zu glauben, die Militärvorlage nehme gegen­wärtig ausschließlich das Interesse der Deutschen in Anspruch. Wohl steht sie im Vordergrund und ist von der Parteien Haß und Gunst heiß umstritten. Und doch scheiden sich nicht nach ihr allein die Geister in zwei Lager, wie es anno 1887 bei der Septennatsvorlage der Fall war. Neben und trotz der Militärvorlage gehen noch andere Strömungen durch Deutschland, die in unserem öffentlichen Leben Wellen schlagen. Wie hoch diese Fluten zu steigen vermögen, das haben eine Reihe von Reichstagsersatzwahlen gezeigt, die in dem letzten halben Jahre statt­gefunden haben; ihren höchsten Stand erreichten sie zweifellos in der Wahl Ahlwardts. Ihren Ursprung haben diese Strömungen in den ge­drückten wirtschaftlichen Verhältnissen. Außer dem Arbeiterstand, dessen Klagen sich haupt­sächlich in den Bestrebungen der Sozialdemokratie Luft machen, ist es der landwirtschaftliche und gewerbliche Mittelstand, der seine Forderungen immer lauter und entschiedenerstellt. Die sog. Agrarier, die auf der Tivoliversammlung in Berlin denBund der Landwirte" gründeten, entfalten eine überaus lebhafte Agitation. Ob­wohl Programm und Agitation diesesBundes der Landwirte" mehr für nordostdeutsche Ver­hältnisse paffen, haben sie doch schon in Bayern und am Sonntag in Mainz beachtenswerte Vor­stöße nach Süd- und Südwestdeutschland ge­macht. Der gewerbliche Mittelstand nimmt Namentlich in Norddemschland seine Zuflucht vielfach zum Antisemitismus und so einseitig und verwerflich auch in vielen Stücken seine Agitation und seine Ziele find, so wäre es boch Thorheit ihn nicht zu beachten. Die unstreit­baren Fortschritte des Antisemitismus geben Kunde von der Unzufriedenheit des Mittelstandes mit seiner materiellen Lage. Besonders beach­tenswert ist, daß die deroen letzgenannien Be­strebungen, die agrarische und antisemitische, unseren bestehenden Parteien an den Leib gehen. An Stelle der Berücksichtigung der gesamten politischen und wirtschaftlichen Interessen unseres Volkes, wie sie tn den bestehenden Parteien mehr oder weniger gepflegt wird, erheben in den erwähnten Strömungen einseitige Sonderintereffen kühn ihr Haupt. Niemand hat mehr Veran­lassung, diesen unruhigen Pulsschlägen unseres inneren politischen und wirtschaftlichen Lebens volle Aufmerksamkeit znzuwenden, als die Re­gierung. An ihr wird es sein, sich über die wahre Stimmung der Bevölkerung zu unterrich­ten, damit nicht ohne Not und ohne alle Aus« sicht auf Erfolg öurch einen erregten, von dem gegenseitigen Kamps der nacktesten materiellen Interessen verhetzten Wahlkampf die gesunde Fortentwicklung unseres politischen und wirt­schaftlichen Lebens auf lange Zeit hinaus em­pfänglich geschädigt werde. X.