er überhaupt der Belehrung fähig sei, sich durch Besichtigung des Spandauer Gefängnisses davon überzeugen. Haußmann findet in diesen Worten nicht den Ton, wie er Abgeordneten gegenüber vom Bundesratstische angebracht ist. General Spitz: Ich habe diese Worte nur gebraucht, weil der Vorredner lächelte, als ich vom Zustande der preußischen Gefängnisse sprach. Haußmann konstatiert, er habe nicht spöttisch, sondern freundlich gelächelt über das freundliche Anerbieten, das Spandauer Gefängnis zu besuchen. Szmula bedauert, daß fortgesetzt Behauptungen vorgebracht würden, die die deutsche Armee discreditierten. (Lebhafter Wiederspruch links.) General Spitz: Er kenne Haußmanns Gewohnheiten nicht; wenn er sein Lächeln aber anders begründe, müsse er ihm glauben. Beim Kapitel Waffenwesen kommt Marquardsen auf Ahlwardts Angriffe gegen das deutsche Jnfanteriegewehr zurück. Ahlwardt habe diese neulich wiederholt, ohne widerlegt zu werden, vielleicht sei der Kriegsminister nachträglich zu einer entsprechenden Antwort bereit. Kriegsminister Kaltenborn: Auf Ahlwardts Rede zu antworten, hielt ich für unnötig, weil seine Behauptungen bereits von dieser Stelle aus durch meine Erklärung vom 29. Mai vorigen Jahres und durch das gerichtliche Urteil widerlegt sind. Ich hielt auch eine etwaige daran sich knüpfende Debatte für Deutschland wenig vorteilhaft. Wenn der Vorredner es wünscht, bin ich aber zu einer Antwort bereit. Das in meiner Erklärung abgegebene Urteil über die Löwe'schen Gewehre ist durch die inzwischen gemachten Erfahrungen voll und in jeder Beziehung bestätigt worden. Wir halten die Löwe'schen Waffen für kriegsbrauchbar und die Herren können in dieser Beziehung mit Vertrauen der Zukunft entgegensehen. Ahlwardts 2 c. Behauptung, daß Löwe von Solingen 60 000, von der italienischen Regierung zurückgewlesene Läufe bezogen habe, ist^absolut falsch. (Hört! Hört!) Wie bekannt, sind die Läufe zu Löwe's Gewehren aus der königlichen Gewehrfabrik geliefert und von Krupp bezogen. Den Vorschlag, die Gewehre an Löwe zurückzugeben, ernst zu nehmen, hat die Militär-Verwaltung keine Veranlassung. (Bravo!) R ichter konstatiert, daß Ahlwardt bei den Kapiteln, wo er seine Anklagen vertreten könne, nicht zugegen ist, parlamentarisch also nur debütiert hat mit der Vorbrtngung von Unwahrheiten, die als solche sofort konstatiert wurden. Im Uebrtgen wird der Militäretat ohne erhebliche Debatte erledigt. Montag Post- dampfer-Vorlage und Fortsetzung der Etatsberatung.
LaudeSuachrichteu.
* Altensteig, 15. März. Gestern nachmittag spielte das 4^ Jahre alte Söhnchen der Fuhrmann Schweizers Witwe am Mühlkanal, wobei es plötzlich unbemerkt ins Wasser fiel und von demselben fortgeführt wurde. Am Rechen der Schill'schen Mühle blieb das Kind hängen
und als es von einem Müller zufällig entdeckt wurde, hatte es schon sein Leben ausgehaucht. Der schwergeprüften Mutter, welche vor einigen Jahren den Gatten infolge eines jähen Unglücks- falls verloren hat, wendet sich die allgemeine Teilnahme zu.
* Alten steig, 15. März. Oberholzhauer Schneider von Spielberg hat nun im Untersuchungsgefängnis in Nagold eiugestanden, den in Spielberg am 26. Dezbr. 1892 ausgebrochenen Brand, durch welchen das Wohnhaus des Bauern Joh. Gg. Seeger in Asche gelegt wurde, angestiftet zu haben. Der von ihm an das K. Pfarramt Spielberg geschriebene Brief, in welchem ein angeblicher Handwerksbursche sich der Brandstiftung beschuldigte, wurde zu seinem Verräter, anstatt, daß damit die Absicht des Sch. gelang, den auf ihm ruhenden Verdacht abzulenken. Das Sprichwort: „Ist etwas noch so fein gesponnen, es kommt doch an die Sonne" hat sich auch in diesem Falle wieder bewahrheitet zum besonderen Glück derjenigen Personen, auf welchen ebenfalls ein Verdacht lastete.
* Stuttgart, 12. März. Die goldene Rose, welche Leo XIII. für die Herzogin Al- brecht von Württemberg bestimmt hat, ist vom Papst persönlich geweiht worden.
* Stuttgart. 13. März. (Vortrag Schrempf.) Seinen 2. Cyclus von religiösen Vorträgen beschloß der ehemalige Pfarrer Schrempf heute mit einer Entgegnung auf die von verschiedenen hiesigen Geistlichen in öffentlichen Versammlungen gegen ihn gerichteten Vorwürfe. Besonders eingehend beschäftigte sich Schrempf mit dem Vortrag des Hofpredigers Braun, welcher die kirchliche Ordnung unserer evangelischen Landeskirche, sowie die Schritte des Konsistoriums gegen Schrempf vertrat. Von allen den geistlichen Herren habe keiner die Anklagen Schrempf's widerlegt und Herr Braun habe stets von kirchlichen Zuständen, wie sie sein sollten, aber nicht wie sie bei uns in Wirklichkeit herrschen, gesprochen Andere seiner Gegner haben gerade die Hauptsachen, die Schrempf aufdeckte, übergangen. Das k. Konsistorium erwiderte auf die , von 153 Geistlichen eingereichte bekannte Bittschrift nur mit Redensarten und Schrempf erklärte daher öffentlich: das Konsistorium vermöge die bestehenden kirchlichen Mißstände nicht zu leugnen. Die Oberkirchenbehörde mache sich einer unchristlichen Opportunitätspolitik schuldig. Zum Schluß seines Vortrages wies Redner noch auf eine weitere Reihe von Mißständen in der Kirche hin, die nichts weniger als vom Geiste Christi durchdrungen sei. Nach Schrempf's Ansicht würde es Christus sicherlich mit Entrüstung zurückweise», daß man zu Gunsten der Erbauung von christlichen Kirchen re. Zirkusvorstellungen (wie in Berlin) und derartige Vorstellungen abhält. Passe sich das schon nicht zu der gegenwärtigen Zeit der sozialen Frage, so wäre ein Protest von geistlicher Seite gegen solche Verirrungen, die direkt gegen die christlichen Grundsätze verst-chen, wohl angebracht. Aber dazu fehle es an dem nötigen Blut. Wie mit seinen früheren Vorträgen so fand Redner auch mir dem heutigen Seitens des zahlreichen Auditoriums lebhaften Beifall.
* Stuttgart, 13. März. Das Organ der Zentralteitung des Wohlthätigkcttsvereins konstatiert einen bemerklichen Rückgang der Zahl der rückfälligen Verbrecher in den letzten Jahren. Die Gründe hiefür sieht das Organ nicht in einer Besserung der sozialen Lage, sondern in der strengeren Handhabung der landespolizei- ltchen Bestimmungen gegen das Stromertum, sowie in einer schärferen Anwendung der Dis
ziplin in den Arbeitshäusern und Gefängnissen, in denen sich die Disziplinarstrafen in letzter Zeit um 20 Proz. erhöht haben.
* (Ständige Druckschriften.) Erschienen ist der Entwurf eines Gesetzes betr. die Entschädigung für an Maul- und Klauenseuche gefallenes Rindvieh; ebenso der Bericht der Justizgesetzgebungskommission über den Gesetzentwurf betr. die Dienstaussicht über die Ge- werbegertchte.
* In Ravensburg hat ein Bäcker einer Oberamtsstadt um sich Kundschaft zu erwerben, in zwei Anzeigen im dortigen Amtsblatt bekannt gemacht, daß er in jeden 1000. Laib Brot ein 5 Markstück und später in jeden 500. Laib Brot ein Markstück einbacke, welche dem Brotkäufer zufallen. Ec hat sich hierdurch (laut reichsgecichtlicher Entscheidung) eines Vergehens der unerlaubten Veranstaltung einer Lotteret tz 286 St.-G.-B. schuldig gemacht, indem er gegen Entrichtung eines im Kaufpreis für das Brot bestehenden Einsatzes, die Aussicht auf einen von zufälligen Umständen abhängig gemachten Gewinn an Geld gewährte. Die Strafkammer erkannte auf eine Geldstrafe von 3 Mark.
* (Verschiedenes.) Am Sonntag nacht sind in Schwenningen sechs Gebäude abgebrannt; 10 Familien sind obdachlos. — In Winzerhausen stürzte ein 2jährtges Kind aus dem Fenster in den Hof hinab. Die Verletzungen in der Hals-Wirbelgegend waren derart, daß dos Kind kurze Zeit nachher starb. — In Biber ach sind die Kosten für die elektrische Stadtbeleuchtung auf 400 000 Mk. veranschlagt. — Im Gasthaus zur Krone inOberhausen siel ein Eisenbahuarbeiter die Stiege hinab und war sofort tot. — Ja der Aumühle in Kün- zelsau kam ein Knecht einem Riemen zu nahe und wurde von demselben erfaßt, wobei ihm der linke Arm abgerissen wurde.
* Karlsruhe, 13. März. Die badischen Reichstagsabgeordneten beantragen eine Resolution, worin eine genügende Entschädigung des Etnzelstaats wegen der Betriebsverluste bet den Landesverteidigungsbahnen gefordert wird.
* München. Ein nächtlicher Unfug ist das ruhestörende Herabfahren mit Spazterstöcken an den geschlossenen Rollläben. Kürzlich wurden einige Studenten bei diesem Unfug ertappt, notiert und im Wege des Strafmandats der eine zu 100 Mk., der andere zu 60 Mk. Geldbuße verurteilt. Das ist, wie die „M> N. N." treffend bemerken, das beste Heilmittel gegen diese scheinbar unausrottbare Kinderkrankheit.
* Berlin, 14. März. Der Freisinnigen Zeitung zufolge gtlc in parlamentarischen Kreisen der deutsch-russische Handelsvertrag infolge der umfangreichen Gegenforderungen, welche die preußische Regierung im Gegensatz zum Reichskanzler aufgestellt habe, als gescheitert.
' Am Samstag nachmittag wurde in Berlin in der Kanonierstraße 28 das Dienstmädchen Katharine Wittkowska von ihrem Dtenst-
„Soweit er zu ordnen war, jawohl," erwiderte Elisabeth, seinem forschenden Blick mit ernster Ruhe begegnend; „ich habe keine Wertpapiere entdeckt."
„Und Sie haben auch keine Ahnung davon, wo sie geblieben sein können?"
„Nicht die geringste! Ich weiß nur, baß Roderich mir Schulden hinterlassen hat, die zu decken meine Mittel nicht ausreichen werden."
„Sie besitzen eine Lebensversicherungs-Police?"
„Die mir wahrscheinlich erst dannausgezahlt wird, wenn ich meine Rechte auf gerichtlichem Wege geltend gemacht habe."
„Wie groß ist der Betrag?"
„Zehntausend Thaler."
Gustav Varnay fuhr langsam mit der Hand über den dunklen Vollbart; es war ihm selbst peinlich, die Verzichtleistung auf diese Summe von ihr zu verlangen, aber wie die Dinge jetzt lagen, konnte er nicht anders, er mußte das Ansinnen an sie stellen.
„Ich gebe Ihnen zu bedenken, daß Sie vor einer ernsten Frage stehen," sagte er. „Fräulein Hagen wird auf eine gerichtliche Verfolgung verzichten, wenn sie das Geld, das ihr ganzes Vermögen bildet, zurück- erhäll; ich rate Ihnen, ihr die Police vorläufig zu übertragen, damit sie ein sicheres Unterpfand in Händen hat, später mögen Sie dann mit Ihrem Bruder beraten, in welcher Weise die Schuld getilgt werden soll."
„Und das können Sie von mir fordern?" erwiderte die Witwe entrüstet. „Sie selbst wollen mir den Bettelstab in die Hand geben und mich arm und hilflos ins Elend Hinaustreiben? Das hatte ich nimmer geglaubt — einer unedlen Rache hielt ich Sie nicht fähig! Vergangene Ereignisse mögen Sie berechtigen, mir Vorwürfe zu machen, aber Sie haben nicht das Recht, Rache an mir zu üben."
Der Advokat preßte die Zähne auf die Unterlippe, er hatte diesen
beleidigenden Vorwurf erwartet, dennoch konnte er nur mühsam dem Groll gebieten, der in seinem Innern aufstieg.
„Sie greifen mich persönlich an," sagte er, „und doch wissen Sie, daß ich nur kraft meines Amtes den Auftrag einer anderen Person vollziehe. Sie, wie Sie sich ausdrücken, an den Bettelstab zu bringen, kann wahrlich nicht in meiner Absicht liegen, im Gegenteil, ich habe Ihrer stets in treuer Freundschaft gedacht —"
„Wäre das die Wahrheit, so würden Sie diesen Auftrag nicht übernommen haben!"
„Tha ich es dennoch, so geschah es nur in der Absicht, auch Ihnen zu dienen, meine Kollegen würden weniger schonend gegen Sie aufgetreten sein."
„Und Ihr Auftreten nennen Sie schonend?"
„Ja, denn ich habe Ihnen den Weg gezeigt, auf dem Sie einen Prozeß vermeiden können, der Ihren verstorbenen Gatten und voraussichtlich auch Ihren Bruder entehren und in die Klasse der Verbrecher setzen wird. Wollen Sie meinen Rat nicht befolgen, so sehe ich mich im Interesse meiner Klientin genötigt, hier das Siegel anlegen zu lassen und den Prozeß einzuleiten."
„Sind Sie dazu berechtigt, so kann ich es nicht verhindern," sagte Elisabeth mit schneidender Kälte, und ein geringschätzendes Achselzucken begleitete die Worte; „ich bin leider nicht in der Lage, die Forderung der Dame erfüllen zu können. Uebrigens kann ich auch nicht beurteilen, ob diese Forderung begründet ist — ich kenne dieses Fräulein Hagen nicht, die Möglichkeit ist keineswegs ausgeschlossen, daß hier betrügerische Absichten vorliegen, dessen Opfer ich werden soll."
„Wäre diese Möglichkeit vorhanden, dann würde ich die Vermittelung in dieser Angelegenheit gewiß nicht übernommen haben."
(Fortsetzung folgt.)