konnte das stellenweise schon morsch gewordene Eis nicht länger widerstehen; in gewaltigen Massen wurde es thalabwärts geführt oder über die Niederungen getrieben, wo es jetzt in oft glanzhellen, fußdicken Tafeln aufgeschichtet liegt. Der Anblick war großartig, hatte aber durch das donnerähnliche Getöse etwas Unheimliches; doch hat sich das Ereignis glücklicherweise ohne besonderen Schaden vollzogen. Immerhin hat manches Fischlein sein Leben lassen müssen, auch 2 Hasen wurden so überrascht, daß sie sich nicht mehr aufs Trockene retten konnten und von den Eisschollen erdrückt wurden.
* Maulbronn, 2 Febr. Die Hälfte der Enzbrücke zwischen Mühlacker und Dürrmenz ist vergangene Nacht weggerissen worden.
* Heilbronn, 31. Jan. Der Neckar ist in den letzten paar Stunden stark gestiegen und hat seine Eisdecke gesprengt. Das Eis treibt in mächtigen Schollen hier ohne Gefahr vorüber.
* Aalen, 1. Febr. Durch den Austritt von Kocher und Aal ist das Thal zwischen hier und Wasseralfingen in einen See verwandelt.
* In Aulendorf proklamierte am Dienstag eine große Versammlung des 17. Wahlkreises unter dem Vorsitz des Herrn Rechtsanwalts Grasseli von Ravensburg den Herrn Rechtsanwalt Rembold von Ravensburg als Kandidaten für die nächste Reichstags-Ersatzwahl, nachdem der ebenfalls anwesende Kaufmann und Landtagsabgeordnete Bueble von Tettnang abgelehnt hatte.
* (Verschiedenes.) Das Schullehrerseminar in Eßlingen mußte den Unterricht diese Woche einstellen, da die Influenza sich im Hause zeigte. Die Krankheit trat so rasch und allgemein auf, daß in einem Tage 30 bis 40 Zöglinge erkrankten und das Bett nicht verlassen konnten. — JnNeresheim stimmte bei der letzten Bürgerausschußwahl in zwei Wahlgängen ein einziger Wähler ab, so daß dessen Vorschlag „einstimmig" durchging.
* Worms, 31. Jan. Das Rheineis setzte sich um 3 Uhr nachmittags in Bewegung; es treibt gefahrlos vorüber.
* Bet Marienthal in der Pfalz ist ein Kohlenlager entdeckt worden.
* München, 1. Febr. Einer unerwarteten Einnahme erfreut sich die kgl. bayer. Staatskaffe, indem anfangs Januar beim Finanzministerium ein anonymer Brief mit 1600 Mk. baar eingelaufen ist, worin der Uebersender bemerkt, daß er seine Gewerbesteuer zu niedrig fatiert habe und nun diesen Fehler gut machen wolle; er habe übrigens nicht in gewinnbringender Absicht, sondern wegen der Mißgunst der Mitbürger und um nicht bei schlechteren Zeiten wieder herabgehen zu müssen, die Fasston unterlassen.
* Berlin. 1. Febr. Gestern wurden hier Extrablätter mit der lügenhaften Nachricht von
einem Attentat auf den Zaren verbreitet. Wie nun die „Nordd. Allgem. Ztg." meldet, hat Staatssekretär Frhr. v. Marschall heute dem russischen Botschafter Grafen Schuwalow sein Bedauern über diesen groben Unfug ausgesprochen.
* Berlin, 1. Febr. Heute vormittag findet auf Anordnung des Kaisers eine Uebung der gesamten Feuerwehr statt, welcher der Monarch mit glänzendem militärischen Gefolge beizuwohnen beabsichtigt.
* Berlin, 1. Febr. Der Entwurf eines Reichsseuchengesetzes liegt dem Vernehmen nach im Kabinet des Kaisers und dürfte allernäch- stens zur Beschlußfassung an den Bundesrat gelangen.
* Berlin, 1. Febr. „Bei der Abstimmung stellte sich die Beschlußunfähigkeit des Reichstags heraus", so schließt seit Wochen und Monaten regelmäßig der Bericht über eine Reichs- tagsfitzung, wenn überhaupt eine Auszählung stattgefunden hat und die Augen nicht über die fast vollkommen leeren Bänke gnädig zugedrückt werden. Der Anblick einer Reichstagssitzung gehört gegenwärtig zu den trübseligsten Schauspielen, die man sich denken kann. Von den überhaupt anwesenden etwa 150 Mitgliedern ist höchstens ein Drittel im Saal zugegen, die andern müssen bei einer Auszählung erst mühsam von allerwärts her zusammengerufen werden. Kopfschüttelnd wird sich mancher Reichsbürger, der ehrfurchtsvoll das Haus betreten und auf diesen gähnend leeren Saal herabblickt, fragen: „Das soll unsere nationale Vertretung sein, und darum kämpfen wir bei den Wahlen einen Kampf auf Tod und Leben ?" In der Reichsverfassung heißt es: „Zur Giltigkeit der Beschlußfassung ist die Anwesenheit der Mehrheit der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich". Thatsäch- lich sind seit Jahren drei Viertel aller Reichs- tagsbeschlüffe verfassungswidrig und ungiltig. So kann es nicht weiter gehen. Das Ansehen einer unserer wichtigsten nationalen Einrichtungen leidet darunter schweren Schaden. Und so schlimm, wie in dem gegenwärtigen Reichstag, der mit so viel übermütigen Prahlereien ins Leben trat, ist es noch nie gewesen.
* Berlin, 2. Febr. Die Frau eines hiesigen Händlers und dessen kleiner Knabe wurden gestern mit durchschnittener Kehle aufgefunden. Es liegt ein frecher Raubmord vor. — Eine zu heute mittag einberufene Versammlung Arbeitsloser der Nahrungsmittel-Industrie, in der mehrere Redner heftig gegen die heutige Gesellschaftsordnung sprachen, deren Beseitigung fordernd, wurde aufgelöst, als ein Redner aus- führte, die Bourgeoisie werde bald die Schritte der Arbeiterbataillone hören.
* Die „Delegierten der Brennereibefitzer kür Rheinpsalz, Württemberg, - Baden und Hessen" haben dem Bundesrat und dem Reichstag „in Ausübung des ihnen übertragenen Mandats" einen Gesetzentwurf überreicht, der die Einführung eines Rohspiritus-Monopols bezweckt, und bitten, „diesem Gesetze an Stelle der bestehenden
Branntweinsteuergesetzgebung baldthunlichst Geltung zu verschaffen.
* Der schon seit längerer Zeit schwebende Plan eines Elbe-Trave-Kanals ist der Verwirklichung nahe gerückt. Zwischen den beteiligten Staaten Lübeck und Preußen ist über den Bauplan, seine Finanzierung und Ausführung nunmehr ein Einverständnis erzielt, so daß dem preuß. Landtag noch in der laufenden Session eine bezügliche Vorlage zugehen wird.
* Die Kommission des Reichstags zur Vorberatung des Entwurfs eines Gesetzes, betr. Ergänzung der Bestimmungen über den Wucher hat zum Vorsitzenden den Abgeordneten v. Dziem- bowski, zu seinem Stellvertreter den Abgeordneten Graf v. Holstein, zu Schriftführern die Abgeordneten Frhr. v. Gültlingen und Stadthagen gewählt.
* Die „Hamb. Nachr." kämpfen gegen die „Einschüchterung und Beunruhigung", welche die der Regierung nahestehende Presse wegen der Militärvorlage gegenwärtig ins Volk trage. Es sei gar nicht notwendig, daß es im Fall der Ablehnung der Militärvorlage zu „schweren Konflikten," zu „scharfen Kämpfen zwischen den verbündeten Regierungen und dem Reichstag" kommen müsse, wie dies z. B. die „Köln. Ztg." in einer ihrer letzten Nummern behaupte. „Die verbündeten Regierungen haben sich in diesem Fall vielmehr zunächst darüber zu entscheiden, ob sie die vom Reichstag abgelehnte Vorlage einem neu gewählten Parlament unterbreiten oder sich mit der vorhandenen Volksvertretung über diejenigen Modifikationen ihrer Vorlage verständigen wollen, nach deren Annahme der Weg des Kompromisses gangbar sein würde. Es ist zu diesem Zweck weder eine Auflösung des Reichstags noch ein Ministeiwechsel erforderlich, am allerwenigsten ein Wechsel in der Besetzung des Reichskanzlerpostens. Es fehlt sonach für das offiziöse Raffeln mit „schweren Konflikten" und „scharfen Kämpfen" für den Fall der Ablehnung der Militärvorlage an jeder verfassungsmäßigen Unterlage; dieses Rasseln kann nur den Zweck haben, die damit Bedrohten so einzuschüchtern, daß ihnen die Fähigkeit zur ruhigen Prüfung der Vorlage und das Bewußtsein ihrer eigenen Aufgabe, verloren geht." — In einem andern Artikel, der dasselbe Thema behandelt, heißt es: „Bei dem Umfang und der Vielfältigkeit, wonach die Einschüchterungen zu Gunsten der Militärvorlage erfolgen, sehen wir mit Sorge der Entwicklung entgegen, wenn infolge dieser Bearbeitung der öffentlichen Meinung und der Fraktionsstreberei die Militärvorlage, so wie sie eingebracht ist, oder mit nicht genügenden Abänderungen zur Annahme gelangt. Die Gefahr ist um so größer, weil die Probe auf die Richtigkeit des Exempels erst dann möglich sein wird, wenn die Remedur es nicht mehr ist."
* Die „Franks. Zeitung" meldet aus Recklinghausen: Auf der Zeche Graf Blumenthal erfolgte gestern eine Explosion schlagender
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Manche kannten den jungen Grafen, der verstört und mit wildem Blicke nach einem Vagabunden und einem jungen Mädchen fragte.
Endlich erhielt er auch eine Antwort.
Im „Stern" logierten Vagabunden oder derlei Gesindel — Kunstreiter, Akrobaten.
Der Hausknecht hatte die jungen Artisten in den greulichsten Verwünschungen über das Mädchen schelten hören, nachdem Stanislaus sie die Treppe hinabwarf.
Er gab also dem Grafen die verlangte Auskunft.
„Halte mein Pferd, Bursche!" schrie Kurt ihm heiser zu.
Er schritt nach dem Eingänge des Hinterhauses; sein Gang war unsicher wie Per eines Betrunkenen.
Es war ein Wunder, daß Kurt bei seinem wahnsinnigen Ritte von Felsberg nicht stürzte; dies hatte er zum größten Teile auch nur seinem Reitpferde zu verdanken.
Das Tier schien mit seinem Reiter zu fühlen; jetzt trippelte es ruhig auf dem Pflaster, und sein lautes Wiehern drang wie Trompetenton durch den Hofraum.
Als Kurt auf die Thür zuging — die einzige, die geradeaus von der Treppe lag, wie der Bursche sagte — trat Stanislaus hinter ihm aus der Stube der Zirkusdame. Der junge Graf bemerkte den Kunstreiter nicht, und wenn dies auch der Fall gewesen wäre, er hätte ihn doch nicht erkannt und demnach auch keine Notiz von ihm genommen.
Stanislaus Feriua blieb an der Thür stehen und sendete dem Grafen einen vielsagenden Blick nach, als dieser eintrat.
Also war man ihm schon zuvorgekommen.
„Na, ihm konnte es auch jo recht sein; das änderte an der Sache nichts. Aber hören wollte er, was für Antworten Sabine gab. Wenn sie den Bräutigam auch gar fortschickte, das erhöhte nur den Preis;
der gab sich doch nicht zufrieden. Da konnte er noch mehr verlangen
— und wenn sie alle abwies — desto besser!
Schließlich ging sie doch gern; er brauchte ihr dann nur das
Leben in der Truppe zu zeigen. Ein Pröbchen davon hätte >i am Morgen sehen können. Und er ist nicht immer dazu da, seine Kollegen die Treppe hinunterzuwerfen. Wenn sie diese einmal richtig kennen lernte, floh sie schaudernd von selbst nach Felsberg zurück.
Die Thür schloß sich hinter dem eingetretenen Grafen. Seine
Augen suchten sein einziges Glück, seine zweite Seele. Das stand dort an der Wand, bleich wie diese selbst, und zitterte vor ihm. Wie sie ihn anschaute mit den lieben Augen. Aber sie hätten sich beinahe nicht wieder erkannt. All' sein Toben, seine Wildheit verflog bei diesem Anblicke. Er schlug die Hände wie zum Gebete zusammen und lag v»r ihr auf den Knieen.
„Sabine! — Sabine!"
Sein ganzer großer Schmerz lag in diesen Worten.
(Fortsetzung folgt.)
Auswanderer.
Herbstnebel hülli die deulschen Wälder, Ein feuchter Wind vom Meere weht; Auswand'rer eilen und besteigen Das Schiff, das stolz im Hafen stehc.
Ein bleicher Jüngling gräbt am Strande, Der Spaten Hebt in seiner Hand; Mitnehmen will er eine Scholle Vom eichenreichen Vaterland.
Der alte Bootsmann ruft: „Zu Schiffe!" „Was soll dein unbegreiflich Thun?"
„Ich möchte einst im feinen Westen Äuf meiner Heimat Erde ruhn."
W ä t s e k.
Du liebst sie in der Speise wohl,
Daß besser sie Dir munden soll.
Die Andern sind die Herrn der Welt,
Du ratest wohl das — liebe Geld.
Das Ganze ist ein heilsam Krank.
Ein Trank daraus, er Dich erbaut.
Auslösung des Rätsels folgt in nächster Nr.