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Erscheini wochenil. 3wal: Dienstag, Donnerstag 'Ä!' 10 u. Samstag ii. kostet bei der Crped., sowie im OA.- o ' ^ Beziik Nagold SOaußerhalb 1-^LdasQuartal.

Dienstag den 24. Januar

Einrückungspreis der Ispalt. Zeile für Altensteig I und nahe Umgebung bei lmal. Einrückung 8 1893

bei mehrmaliger je 6 auswärts je 8 j "

Amtliches.

Uebertragen wurde die Schulstelle in Friolzheim, Bez. Leonberg, dem Schullehrer Lechler in Cresbach, Bez. Freudenstadt, und die Schulstelle in Martinsmoos, Bez. Calw, dem Schulamtsverweser Schmerle in Manolzweiler, Bez. Schorndorf.

Die Sitzungen des Schwurgerichts Tübingen pro 1. Quartal d. I. beginnen am Montag, den 13. Februar, vormittags 9 Uhr.

Gestorben: Privatier Lechner, Hall-Stuttgart; Postsekretär Platz, Stuttgart; Buchhändler Ebner, Ulm; Dr. Vöhringer, Reutlingen.

Die Gefährdung der dritten Republik.

Die schmutzige Flut des Panamaskandals steigt immer höher und es gewinnt immer mehr an Wahrscheinlichkeit, daß sie die dritte fran­zösische Republik in ihren Strudel hinabreißen wird. Die französischen Zeitungen, die mit verschwindend geringen Ausnahmen alle von den Panamisten mit bestochen worden waren, treten jetzt, da sich mit der Panamagesellschaft kein Geschäft mehr machen läßt, lebhaft für die Interessen der Orleans ein. Weshalb? Weil diese die einzigen zahlungsfähigen Thron- anwärter sind und sich zweifellos die Sache ein gutes Siück Geld kosten laßen!

Sie haben cs ja auch dazu. Zwar mußte Louis Philipp noch sein Brot mühselig als Sprachlehrer ui London erwerben, als er aber durch schnöden Verrat gegen seine Verwandten sich zum König von Frankreich gemacht hatte, da flössen ihm die Millionen nur so zu; denn derBürgerköntg" war zugleich der größte Börsenspekulant, der die Erträgnisse seiner Ge­schäfte weislich in der Bank von London de­ponierte. Als er 1848 unter Zurücklassung seines roten Regenschirmes aus Frankreich ent­floh, brauchte er nicht wieder Sprachlehrer zu werden und sein Enkel und Haupterbe, der gegenwärtige Graf von Paris, ist einer der reichsten Leute der Welt.

Allerdings ist er auch geizig; indessen wird er wohl diese Tugend gegenwärtig etwas unter­drücken, um seinem langersehnten Ziele näher zu kommen. Und die großen Zeitungen, allen voran derFigaro", der von dem Panamagelde nachweislich mehr als eine Halde Million ge­schluckt hat, stellen sich ihm bereitwillig zur Verfügung. Anfangs hatteFigaro" die Auf­merksamkeit auf den Prinzen Viktor Napoleon ln Brüssel gelenkt. Aber dieser arme Teufel lebt von dem Taschengelde, das ihm die Kaiserin Eugenie zukommen läßt und das reicht nicht hin, um in der Weise der Panamisten franzö­sische Blätter zu bestechen. Dagegen spielen beim Grafen von Paris einige Millionen keine Rolle. Hat er sich doch den Boulangerrummel etwa 4 Millionen kosten lasten und dies Geld trägt jetzt Zinsen, denn ohne den Boulangis- mus hätte es keinen Panamaskandal gegeben und ohne diesen würde die Republik nicht wackeln.

Die tonangebenden französischen Blätter verlangen ganz unumwunden, Sadi Carnot solle zurücktreten. Gleichzeitig fordern sie die Aus­lösung der Deputierlenkammcr, damit das sou­veräne Volk von Frankreich über sein weiteres Schicksal selbst entscheide. Es wird dabei ohne weiteres vorausgesetzt, daß das französische Volk der Republik überdrüssig sei und nach den Skandalen der letzten Zeit sich reuig in den Schoß'der orleanisttschen Monarchie zurück- treten werde. DerFigaro" sagt, unter allen Umständen wäre das Vertrauen der Franzosen in die besondere Kraft der republikanischen Staatsform stark ins Wanken gekommen. Ein halbes Jahrhundert hindurch? hätten die Repu­

blikaner unaufhörlich die Vorzüge der republi­kanischen Regierungsform gerühmt. Wollte man ihnen glauben, so mußte diese Regierungs- form die allgemeine Wohlfahrt sichern, die Freiheit auf unerschütterlichen Grundlagen auf­bauen, zum allgemeinen Besten die großen sozialen Probleme lösen und die Errungen­schaften der Revolution, deren logische und not­wendige Folge die Republik sei, in friedlicher Weise zur Bethätigung bringen. Es sei auch der Tag gekommen, an dem die Republikaner unbehindert den Versuch machen durften, den sie so lange vergeblich angestrebt. Sie kamen zur Gewalt, sie nahmen die Aemter in Besitz, sie leiteten die öffentliche Meinung, sie verwal­teten das Vermögen Frankreichs, und nichts wurde ihnen verweigert oder geschmälert, weder der moralische Kredit, noch das thatsächliche Vertrauen. Die ihnen feindlich gesinnten Par­teien haben sich so sehr zersplittert, daß sie augenscheinlich kaum noch zu existieren scheinen. Die Franzosen haben sich allmählich wohl oder übel an die Republik gewöhnt und sich ihr angeschlossen, teils aus Ueberzeugung, teils aus Zwcckmäßigkeitsgründen, teils aus Gleichgültig­keit. Außerdem hat die Republik daS uner­wartete Wohlwollen des päpstlichen Stuhles und die Sympathie der kaiserlich russischen Re­gierung erlangt. Man müsse zugeben, daß seit einem Jahrhundert noch keine französische Re­gierung so viel Trümpfe in der Hand gehabt, wie die republikanische Regierung.

Jetzt sei die Republik zweiundzwanzig Jahre an der Regierung und habe keine der Hoffnungen wahr gemacht, die sie wachgerufen. Die Schuldenlast des Landes sei in das Unge­heuerliche vermehrt und die Moral sei unge­heuer im Kurse gesunken, so daß einer dem anderen nicht mehr über den Weg traut. Man müsse sich deswegen bet Zeiten darauf vorbe­reiten, die Republik eines Tages zusammen­brechen zu sehen, wie die vorigen Regierungen auch zusammengebrochen sind. Was in der letzten Zeit geschehen, reiche vollständig aus, die Nation mit Ekel vor ihrer Regierung zu erfüllen. Es frage sich nur, ob die Republik zu Grunde gehe oder bloß ihre gegenwärtigen Leiter verschwinden werden. Die Lösung dieser Frage liege in den nächsten Wahlen.

In solcher Weise erinnernFigaro" und Genossen daran, daß die französischen Staats­bürger eigentlich die Verpflichtung haben, die Republik abzuschaffen. Wenn sie dann nicht wissen, was anzusangen, so werden ihnen die Orleans in patriotischer Weise zu Hilfe kommen und die Last der Herrschaft auf sich nehmen.

Ein Zeitungsartikel ist noch keine historische That. Wenn aber ein Geschäftsblatt wie der Figaro", wenn auch andereangesehene" Blätter es ohne von ihren Lesern verleugnet zu werden wagen dürfen, der bestehenden Re- gterungssorm das Ende zu prophezeihen, so muß sich bereits ein Umschwung der Anschau­ungen im Volke vollzogen haben, der der Re­publik nicht günstig ist.

Deutscher Reichstag.

Am Mittwoch, dem sog. Schwerinstage, standen zur Diskussion ein Antrag der Abgg. Ackermann und Gen. (kons.) betr. den Be­fähigungsnachweis für den selbstständigen Be­trieb eines Handwerkes, und in Verbindung damit drei Anträge des Zentrums betr. Ab­änderung der Konkursordnung; des Gesetzes über Erwerbs- und Wirtschafts-Genossenschaften

durch die der Verkauf von Waren an Ntchtmit- glieder verboten werden soll, und Abänderung der Gewerbeordnung. Nachdem der Abg. Acker­mann seinen Antrag, der sich zum Teil mit den Anträgen des Zentrums deckt, begründet, entgegnete der Abg. Stolle (soz.), daß die von den Anhängern der Innungen gepriesenen Ein­richtungen sich in Oesterreich nicht bewährt hätten; es sei unmöglich, den Befähigungsnach­weis von einem Handwerker zu verlangen, der mehrere Gewerbe betreibe. Abg. Metzner (Zemr.) bestritt dies. Abg. Schräder (dfrs.) meinte, die Zünftler verteidigten einen verlorenen Posten. Als das wirksamste für die Hebung des Hand­werks bezeichnete er eine gute Vor- und Aus­bildung der jungen Leute. Schließlich wurden die Anträge auf Einführung des Befähigungs­nachweises und Ausdehnung der Jnnungsprtvi- legien angenommen.

* Berlin, 19. Jan. (Erste Lesung der Börsensteuervorlage.) Staatssekretär Maltzan: Die Vorlage diene lediglich finanziellen Zwecken und sei um so gerechtfertigter, als die Besteuerung der Börsengeschäfte hauptsächlich die Wohl­habenderen treffe. Siemens (freis.) schildert die Bedeutung des mobilen Kapitals und der Börse für das öffentliche Leben, sowie die nach­teilige Wirkung der Steuererhöhung auf die Arbitrage, auf das Kreditgeschäft und auf die Handelsbeziehungen zum Auslande. Mehnert (kons.) Seine Partei sei stets für die Be­schnetdung der nach exotischem Muster über­wuchernden Aeste des mobilen Kapitals einge­treten; er halte eine weitere Besteuerung der Börse für umso gerechtfertigter, als eine Ab­nahme der Spekulation bisher nicht bemerkbar sei. Trotz aller düsteren Prophezeiungen werde auch diesmal das Börsengeschäft nicht zu Grunde gehen. Für reine Differenz- und Börsenspiel­geschäfte sei eine zehnfache Erhöhung des Stempels wünschenswert; auch eine erhöhte Emissions­steuer für auswärtige Anleihen sei angebracht. Hätte man von Anfang an der Börse die Haupt­kosten für die Mtlttärvorlage zugeschoben, so wäre die Sympathie für die letztere größer. Singer (sozial.): Wir stimmen gegen die Vorlage, nicht ihres Zweckes halber, sondern wegen der Verwendung ihrer Erträge für Milttär- zwecke. Die Konservativen eifern gegen die Börse nur, um die Aufmerksamkeit von dem von den Agrariern betriebenen Kornwucher ab­zulenken. Die Börse ist nur ein Spiegelbild der heutigen Wirtschaftsordnung; ihre Auswüchse werden durch eine höhere Besteuerung nicht be­seitigt. Dagegen verbiete man die Reportge­schäfte; man entziehe die Geschäftsbedingungen der einseitigen Feststellung durch die Bankiers, und stelle die Depots unter öffentliche Kontrolle. Marquardsen (nat.-lib.): Bn der Dring­lichkeit der Mckirärvorlage habe man ein voll­ständig neues Sleuecprogramm nicht erwarten können. Ihm scheine eine höhere Besteuerung der Börsengeschäfte als eine Act Ecgänzungs- steuer zu Bier- und Branntweinsteuer, die vor­nehmlich d;e große Masse treffen. Fors. morg.

Württembergischer Landtag.

Kammer der Abgeordneten.

* Stuttgart, 19. Jan. 7. Sitzung. Zur Beratung steh: der Bericht der Legitimations- kommisston über d e Anfechtung der Wahl m OA. Besigheim. Aus der Geschichte der Wahl ist zu erwähnen: Am 11. August 1890 erhielt im Bezirk B. Essich 1135, Payer 1053 Stim­men u. s. w. Keiner der vielen Kandidaten