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Erscheint wöchentl. 3mal: Dienstag, Donnerstag «Ul' 150 u. Samstag u. kostet bei der Erped., sowie im OA.- ' Bezirk Nagold 90 außerhalb 1 das Quartal.
Donnerstag dm 22. Dezbr.
Einrückungspreis der Ispalt. Zeile für Altensteig und nahe Umgebung bei Imal. Einrückung 8 ^ bei mehrmaliger je 6 -A auswärts je 8
1892.
Zn Altensteig Stadt, Egenhausen und Ueberberg ist die Maul- und Klauenseuche erloschen.
Gestorben: Pens. Schullehrer Glos, Ditzingen; BctriebsbauinspektorBock, Crailsheim: MetzgermeisterBranz, Buchau o. F.; Forstmeister a. D. Haber, Göppingen; Schullehrer a. D. Eitle, Eßlingen; Christine Barbara Gärtner, geb. Conal von Gülrlingen, Schullehrersgattin, Alt- bnlach.
D Der Panamaskandal
beherrscht die jetzigen ftonzösischen Zustände vollständig; Ministerium, Kammer, Presse, öffentliche Meinung — alles beschäftigt sich dauernd mit diesem großartigen Schwindel und . . . wird von ihm abhängig. Es ist kein Wunder und sehr glaubhaft, daß auch der Präsident Carnot dieser ewigen Aufregungen müde ist und an seinen Rücktritt denkt.
Schon seit Jahren war es in Frankreich rin öffentliches Geheimnis, daß bei dem Panama- kanal-Uniernehmen Unregelmäßigkeiten schwerwiegender Art vorgekommen sind. Es kann nicht befremden, daß die ersten Berechnungen über die Kosten des ganzen Werkes unzutreffend waren, nicht einmal, daß man sich über die erforderlichen Aufwendungen wiederholt irrte. Dergleichen ist schon bei Unternehmungen von geringerem Umfange vorgekommen und die sich nicht durch weite Entfernung der stetigen Kontrolle entzogen. Es war ferner kein Geheimnis, daß in mehrfacher Wiederkehr von seiten der Panama-Unternehmer große Aufwendungen gemacht worden waren, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen und die Stimmung unter denjenigen Kapitalisten, die ihr Geld hin- geben sollten, günstiger zu machen. Es scheint jedoch, daß bei dem Panamakanal-Unternehmen noch weit übler gewirtschaftet worden ist und Laß d<e vorgekommenen Unregelmäßigkeiten das ganze Werk verschlangen.
Die Erregung, die hierüber entstehen mußte, war sehr begreiflich, da es sich um ein Kapital von dreizehn- bis v er-ehnhundert Millionen Frank handelt. Die Gerichte waren schon lange darauf aufmerksam gemacht worden, daß Anlaß vorhanden sei, gegen die Leiter des
Unternehmens strafrechtlich vorzugehen. Die gerichtlichen Behörden zögerten, dies zu thun, weil sie eine erklärliche Scheu hatten, einen Mann unter Anklage zu stellen, der der „große Franzose" genannt wird und auf den das Land viele Jahre hindurch mit Stolz geblickt hatte. Es muß dahingestellt bleiben, ob die zögernden richterlichen Behörden die Absicht gehabt haben, die Verjährungsfrist verstreichen zu lassen, damit wenigstens das Aeußerste vermieden werde. Vielleicht wäre dieses Ziel auch erreicht worden, gleichviel ob man mit Absicht darauf lossteuerte oder nicht, wenn nicht die Parteien sich der Angelegenheit angenommen hätten, wenn nicht die Feinde der französischen Republik in Frankreich die günstige Gelegenheit aufgegriffen hätten, sich als die Vertreter der Moral aufzuspielen gegenüber den in der Republik maßgebenden und von der Republik verhätschelten Persönlichkeiten, die als Vertreter der Unmoral htngestellt wurden. Die Boulangisten wollten Boulanger rächen, die Monarchisten den Republikanern Schwierigkeiten bereiten und die Radikalen wollten zeigen, wie gefährlich es für die herrschende, gemäßigte Richtung wäre, wenn man die fortgeschritteneren Elemente immer von der großen Staatsschüffel forttreibt, aus der sie so gerne mitlöffeln möchten.
Nachdem bereits ein Ministerium über den Panamaskandal zu Falle gekommen ist, steht auch das jetzige Kabinett ratlos da und es ist fraglich, ob ihm das energische Vorgehen des neuen Justizministers Bourgeois Luft schaffen wird. Bourgeois hat nämlich die Direktoren des verkrachten Panama-Unternehmens, darunter auch den Sohn Lesseps', ein- sperren lassen; die gerichtliche Untersuchung soll nun energisch geführt werden Die armen Opfer, die den an ihnen gemachten Bestechungs- Versuchen eine höfliche Hand entgegengestreckt und mehrere Millionen in ihre tugendhaften Hosentaschen hatten verschwinden lassen, werden jetzt von zwei Seiten untersucht; denn auch die Teputiertcnkammer will ihre Panamakommission fortbestehen lasten.
Daß Bourgeois die Angelegenheit vor das S chwürge richt verwiesen hat, ist ein äußerst geschickter Schachzug, der möglicherweise . . . die Republik rettet. Das Schwurgericht ist in Frankreich eine sehr volkstümliche Einrichtung; zudem erhält man im Publikum auch die Gewißheit, daß nunmehr der ganze Schwindel nicht verjähren kann. Denn Straffälle, in denen das SLwurgericht zuständig ist, verjähren in Frankreich erst nach zehn Jahren.
Jetzt ist aber auch eine vollkommen genügende Handhabe gegeben, die Untersuchung auf Bestechungen auszudehnen, die vorgekommen sind, und die Bestechenden nicht bloß, sondern auch die Bestochenen vor Gericht zu stellen. Die monarchistischen Deputierten, die Boulangisten und die Radikalen werden nun nicht mehr sagen können, daß sie aus Liebe zur Gerechtigkeit und im Interesse der öffentlichen Moral in der Deputiertenkammer eine Mißachtung der Gesetze und der Gerichte verlangen, sie müssen zugeben, daß die Angelegenheil in die geordneten Wege geleitet ist, und daß jedes wettere Eingreifen ihrerseits die Erklärung des Mißtrauens gegenüber dem Schwurgericht sein würde. Das können die Deputierten jener Parteien ohne Gefährdung ihrer Mandate und ihrer Popularität nicht wagen, und so hat die gegenwärtige französische Regierung zum mindesten Zeit gewonnen.
Laadesuachrichten»
"Altensteig, 20. Dezbr. Während bei Nacht die Kälte ganz erträglich ist, herrscht über die Mittagsstunde eine so angenehme Wärme, wie sie uns das beginnende Frühjahr zu bringen pflegt, und so scheint das Jahr mit einer Abnormität des Wetters von uns scheiden zu wollen, die fast in seinem ganzen Verlauf zu beobachten war. Ein prächtiges Schauspiel bildet nach Untergang der Sonne der Abendhimmel, der in wechselnder Reihenfolge die schönste Färbung zeigt vom zarten Rot bis zum grellen Gelb. — Besser wäre es indessen, die Felder wären in eine schützende Schneedecke
Die Hochler des Gauklers.
(Nachdruck
verboten.)
Original-Roman von Gebh. Schätzler-Perasini.
(Fortsetzung.)
„Das gibt Kurt gar nicht zu!" rief ganz energisch Sabine. „Du solltest sehen, wie der den ungebetenen Freier nach Hause schickt; ich helfe dazu!"
Sabine vertraute ganz der Energie Kurts.
Die Gräfin lächelte.
„Und wenn dich nun Kurt zu seinem Weibchen erwählte?"
Diese Frage kam ziemlich unvermittelt; sie berührte Sabine nicht sonderlich.
„Ah, das ist ja drollig, Mama!" lachte sie. „Ich wußte ja doch, daß du mit mir scherzen wolltest! Kurt — Kurt ist ja mein Bruder!"
„Und wenn er das nicht wäre, mein Kind?"
Da ward es lange still.
Sabine schaute wortlos und verblüfft die Gräfin an.
Franziska nickte ernst.
„Kurt ist nicht dein Bruder!"
Sabine wurde abwechselnd rot und blaß! sie vermochte kein Wort hervorzubringen; hilflos hafteten ihre Angstblicke auf dem ernsten Antlitz der Gräfin. Nein, nun war es kein Scherz mehr.
„Kurt — ,-uirt —" stammelte sie leise.
„Wie du erschrocken bist, Sabinchen!" sagte mitleidig Franziska. „Aber ich kann nicht anders; ich mußte es dir einmal sagen: Kurt ist nicht dein Bruder!"
Des jungen Mädchens hilfesuchende Augen irrten von einem Punkte zum andern. Sie war verwirrt; ihr Kopf drohte zu zer springen.
„Dann bin — ich ja auch nicht seine Schwester!" preßte sie heraus, noch halb zweifelnd.
„Nein, Sabine; aber du kannst Kurt mehr werden als das."
Sabine schlug die bebenden Finger krampfhaft ineinander; ihre Lippen zuckten schmerzlich. Sie war gleich zu Anfang aufgesprungen; nun stand sie einen Schritt von der Gräfin entfernt.
„Und du, Mama, — Sie — Frau Grä — ach!"
Mit einem lauten Aufschrei brach Sabine zusammen. Es war ein furchtbarer Schlag dem jungen Herzen, das nie etwas anderes, als die heiterste Seite des Lebens kennen lernte.
„Sabine!"
Franziska fing die Wankende in ihren Armen auf und bettete das schluchzende Gesicht an ihrer Brust.
„O, Mama — Mama!" stöhnte Sabine herzbrechend.
„Nenne mich immer so, mein Liebling; dann wirst du die Wahrheit, die sich nun einmal nicht verschweigen läßt, leicht überwünden, und alles kommt dir vor wie eine harmlose Enthüllung. Sieh', Sabinchen, nichts wird sich ändern; du bleibst hier und sollst so glücklich leben wie bisher; ja, du würdest mich tief betrüben, wenn du dich mir entfremden wolltest."
Mit einem starren Antlitz entwand sich Sabine der Gräfin.
„Nein, nein! Lassen Sie mich gehen — in die Welt hinaus!" Sie schlug die Hände vor das schluchzende Gesicht. „Du — Sie — Kurt alle fremd! Und ich ganz allein! O, ich möchte sterben!"
Wenige Augenblicke hatten genügt, um das ganze Wesen Sabinens umzuändern. Da war keine Spur mehr zu sehen von dem tollen Ueber- mute, der noch vor wenig Augenblicken Sabinens ganzes Sein in Anspruch nahm.