Amtsblatt für
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Ar. 145.
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In Nagold, Wildberg und Neubulach ist die Maul- und Klauenseuche erloschen.
Deutscher Reichstag.
* Berlin, 6. Tez. Interpellation des Zentrums betreffend die Organisation des Handwerks rc.
Nach der Begründung durch Hitze teilt Staatssekretär Bötticher mit: Wenn die früher von ihm angckündigten Vorlagen noch nicht fertiggestellt seien, so liege das in der Schwierigkeit der Sache, nicht am W illen der Regierung. Das Reichsamt des Innern und das preußische Handels-Ministerium habe sich eingehend mit diesen Fragen befaßt und Sachverständige vernommen. Die verbündeten Regierungen hätten noch keine Stellung dazu genommen. Beabsichtigt sei die Errichtung von Handwerkerkammern, die mit obligatorischen Befugnissen (Beaufsichtigung des Lehrlingswesens, Erstattung von Gutachten, Berichterstattung über die Lage des Handwerks) und fakultativen (wie Bildung von Prüfungsausschüssen) auszustattcn seien. D-e Innungen sollten daneben bestehen bleiben. Wann dem Reichstage die Vorlagen unterbreitet werden könnten, lasse sich nicht absehen.
In der an die Antwort des Staatssekretärs Bötticher sich knüpfenden Diskussion erklärt sich Buhl (nat.-lib.) gegen die Zwangsinnungen, aber für eine Organisation, welche eine gute Ausbildung der Lehrlinge garantiert; im klebrigen müsse man die Regierungsvorlagen abwarten.
Ackermann (kons.) vertritt seinen bekannten Künstlerischen Standpunkt.
Ricke rt (dfrs.) hält die ganze Diskussion für überflüssig, zumal aus den Aenderungen Böttichers über die Gestaltung der Handwerkerkammern kein Mensch klug werden könne. Redner wendet sich besonders gegen die Jnnungspri- vilegien.
Auer (Soz.) betont, daß dem Zentrum bei seiner Interpellation weniger auf die Aufbesserung des Handwerks, als auf die Beruhigung feiner Wähler ankomme, um deren Aufmerksamkeit von wichtigeren Fragen abzulenken. Er wünsche nur, daß die Regierung den Arbeiterorganisationen ebenso wohlwollend gegenüberstehe, wie den Künstlerischen Bestrebungen.
Nach längerer Debatte wird die Sitzung vertagt. Morgen Initiativanträge.
* Berlin, 7. Dez. Das Haus nahm zunächst in erster und zweiter Beratung einen Antrag Dr. Hirsch (dfrs.), Möller (nat.-lib.) und Gen. betreffend Abänderung des § 75a des Krankenverstcherungsgesetzes an. Danach soll die Frist für die Beibringung der Bescheinigungen seitens eingeschriebener HilsSkaffen bis zum 1. Juli künftigen Jahres verlängert werden.
In der daraus folgenden ersten Beratung des Gesetzentwurfs über Abänderung der Strafprozeßordnung betr. die Wiederaufnahme des Verfahrens sowie die Entschädigung für unschuldig erlittene Strafen bekämpft Rin tele n (Zentr.) in der Begründung des Antrags die Ansicht des Abg. Träger (dfrs.), daß alle im Wiederaufnahmeverfahren Frcigesprochenen die Entschädigung erhalten sollen. Er verlangt, daß sie nur denjenigen zuteil werde, deren Unschuld ausdrücklich festgestellt sei.
Sraatssekrctär Hanauer erwidert, daß im preußischen Justizministerium bereits eine Vorlage in Angriff genommen sei, die beide Fragen regeln solle.
Bei der Abstimmung über den Schluß der Debatte ergiebt sich Beschlußunfähigkeit.
Nächste Sitzung Freitag: Kleinere Vorlagen.
Lalldesaachrichteu.
-r. Altensteig, 8. Dez. Auch die Gemeinde Bösingen bekommt nun eine Wasserleitung. Die Kosten derselben dürften zirca 38000 Mk. betragen. Das Wasser kommt aus einer Quelle im Waldachthal, und das Wasser vom Waldachbach kann benützt werden, um das Quellwasser in dos Reservoir zu heben, so daß eine Dampfmaschine nicht nötig wird.
* Freuden st adt, 8. Dezbr. Wie einträglich in manchen Jahren ein unscheinbares Erzeugnis werden kann, ist gegenwärtig an den Tannenzapfen zu ersehen. Während in früheren Jahren 50 bis 60 Pfennig für den Zentner bezahlt wurden, finden dieselben in den letzten Tagen zu 2,50 bis 2,80 Mark willige Abnehmer. Dieser hohe Preis soll dadurch erzielt worden sein, daß in den letzten Jahren die Ernte auf diesem Gebiet gering ausgefallen ist. Wenn man bedenkt, daß ein gewandter schwindelfreier Arbeiter leicht 4 bis 5 Zentner in einem Tag zusammenbringt, so kann auch hier gesagt werden: Der Arbeiter ist seines Lohnes wert. Der eingetretene Schneefall macht übrigens diese Arbeit noch gefährlicher.
* Tuttlingen, 7. Dez. In unserer Stadt werden gegenwärtig eine Reihe antisemitischer Flugblätter verbreitet, in denen der Referat stets lautet: »Kaufet nicht bei Juden, zumal nicht auf das Weihnachtsfest."
* Böblingen, 7. Dez. Letzten Sonntag wurde hier unsere neurestaurierte evangelische Stadtktrche eingeweiht.
' Sindelfingen, 6. Dez. Großes Aufsehen erregt hier das Verschwinden des Fabrikanten K., welcher nach Amerika entwichen sein soll.
* Stuttgart, 7. Dezbr. Die durch die schlechte Geschäftslage herbeigeführte Stellenlosigkeit so vieler junger Kaufleute hat schon längst den Wunsch nach Abhilfe rege gemacht. Soviel man jetzt hört, findet die von dem deutschen Verband kaufmännischer Vereine angestrebte Errichtung einer Versicherung gegen Stellen losigkeit allgemeinen Beifall. Bereits soll ein Entwurf so weit gediehen sein, daß dem nächsten Verbandstage deutscher Kaufleute eingehende Vorschläge zur praktischen Relation dieser wichtigen Institution unterbreit werden können.
* Stuttgart, 7. Dez. Der Personenzug 170 nach Calw ab Stuttgart 9,23 ist heute vormittag im Feuerbachtunnel auf den sehr langen Güterzug 620, der noch auf der Station Feuerbach hielt, und dessen Hintere Wagen noch im Feuerbacher Tunnel standen, aufgefahren. Mehrere Waggons wurden beschädigt und auf das Nebengeletse geworfen, so daß der Tunnel unfahrbar ist und voraussichtlich den ganzen vormittag abgesperrt bleibt. Verletzt wurde niemand. Die Passagiere des Schnellzugs Nr. 90 Hcilbronn-Berlin mußten wieder aussteigen, und konnten vorläufig nicht befördert werden.
* Stuttgart, 8. Dezbr. Der „St. A." enthält eine K. Verordnung, welche die K. Eisen bahnverwaltung zur Erwerbung des für den Bau der Eisenbahnstrecke Marbach-Beilstein er forderlichen Grundeigentums im Wege der Zwangsenteignung ermächtigt.
* Ulm, 8. Dez. In der gestrigen Sitzung der Ulmer Handels- und Gewerbekammer fand eine Einladung des Vereios Berliner Kaufleute und Industrieller, zur Unterstützung des Planes, als Ersatz für die durchgefallene Berliner Weltausstellung eine große deutsche Gewerbeausstellung im Jahre 1895 zu veranstalten, eine sehr bei fällige Aufnahme.
* Vom Bodensee, 6. Dezbr. Im Rheinthal ist man hocherfreut, daß die Rheinregulie- rungs-Abmachung zwischen Oesterreich und der Schweiz endlich einmal zu Stande gekommen ist; es war aber auch die höchste Zeit, denn zahlreiche Besitzer von Grund und Boden wären zu Grunde gegangen. Der Versumpfung ganzer Landstriche ist nun ein Ziel gesetzt und dem Zurückgehen der Ertragsfähigkeit Einhalt gethan.
* (Verschiedenes.) In Untertürkheim stürzte der 12 Jahre alte Christian Munk beim Heuherabwersen durch das Garbenloch herab und brach beide Vorderarme. — Dr. S. in W eikersheim ist am Montag bet der Einfahrt in die Stadt verunglückt, indem an einer kurzen Straßenbiegung das Gefährt umstürzte, wobei der Dr. einen Rippenbruch erlitt. — In Sulzbach a. M. ist die Scheuer des Hafners Ockert vollständig abgebrannt. — In Ulm sind einer Familie binnen wenigen Tagen 5 Kinder an Diphtheritis gestorben. — In Ludwigsburg ha: Messerschmied H. durch einen Schnitt in d n Hals seinem Leben ein Ende gemacht.
* Mannheim, 6. Dezbr. Die Arbeitslosen hiesiger Stadt hielten gestern 3 Versammlungen, um sich über Maßregeln zur Hebung der Not zu besprechen. Ihre Zahl wird auf über 1000 männliche Personen geschätzt, da in verschiedenen Fabriken Entlassungen stattgefunden haben. Zwar sind von der Stadt mehr als 100 Arbeiter bei Anlegung des neuen städtischen Parkes auf der Kuhweide beschäftigt; aber dies genügt natürlich nicht. Auch wohlhabendere Geschäftsleute klagen sehr über den Mangel an Verdienst. Wenn die Rhetnschifffahrt wegen niederen Wasserstands eingestellt werden müßte, so würde die Not noch größer und allgemeiner werden.
* Berlin, 5. Dez. In der heutigen Verhandlung des Prozesses Ahlwardt war das Bemerkenswerteste, daß der Vertreter des Kriegsministers Oberstlieutenant v. Gößnitz, erklärte, ec habe Instruktionen beim Kriegsminister eingeholt, und er bedauere, daß er von den von Ahlwardt überreichen Schriftstücken nicht eher Kenntnis genommen habe; sonst würde ec sofort Nichts gegen die öffentliche Verlesung derselben einzuwenden gehabt haben. Dieselbe könne' unbeanstandet statlfinden. Es handelt sich darum, daß in Wesel eine Anzahl Löwe'scher Gewehre bei den Ueiiungen des Beurlaubtenftandes reparaturbedürftig geworden seien. Die That- sache, daß 69 Kammern reparaturbedürftig geworden seien, hat den zi riegsminister veranlaßt, 10 derselben nach Spandau zur Untersuchung zu senden. D.r Direktor der Spandauer Gewehrfabrik Obcrstlieutenant Lange sei sofort telegraphisch geladen worden und habe die 11 Kammern bei sich. Darauf wurden die Schriftstücke öffentlich verlesen. Es geht aus ihnen hervor, daß von 939 Gewehren aus der Löwe'- schen Fabrik 525 Stück reparaturbedürftig gewesen sind. Der Direktor der Gewehrfabrik gibt sein Gutachten dahin ab, daß der Bericht über die Untersuchung noch ausstehe. Man habe bei der äußeren Besichtigung der Kammer gemerkt, daß bei 4 oder 5 Stück augenscheinlich gewaltsame Zerstörungsmittel angewandt worden wären. Es seien Spuren wie von Hammerschlägen sichtbar. Das Metall habe einen etwas geringeren Gehalt an Phosphor und Schwefel gehabt und sei daher etwas weniger elastisch gewesen. Ein Schluß auf die Kriegsbrauchbarkeit der Gewehre sei durchaus nicht zu ziehen.