und da der Honig in jeder Familie geradezu unentbehrlich ist, so dürfte die Gelegenheit zu billigem Honig zu kommen, vielfach benützt wer­den. Die Ziehung ist schon am 21. Dez. d.J., weshalb zu empfehlen ist, sich baldigst ein Los zu sichern. Die Loseverkäufer sind im Inseraten­teil aufgeführt.

* In vielen Blättern und oft auch In Parla­mentsberichten stößt man auf die Behauptung: Der Wohlstand in Deutschland sei in sortw ähren dem St eigen begriffen. Das behauptete noch jüngst im Reichstage der konservative Abgeordnete von Frege bezüglich der Verhältnisse in Sachsen. Wie nun dort die Verhältnisse liegen, ist dem Eins, nicht be­kannt ; aber dagegen soll protestiert werden, daß man aus den Steuerlisten allein auf die Wohl­habenheit des Volkes schließt. Dem Schreiber dieses sind Verhältnisse bekannt, daß Steuer­zahler in der ersten Steuerklasse figuriren, trotz­dem sie so überschuldet sind, daß kein Ziegel auf ihrem Dache ihnen gehört. Diese Leute verschweigen aus falscher Scham ihre fatale Lage! Wir haben nichts gegen die nackte Be­hauptung, daß der Wohlstand zunimmt aber leider ist es nicht die breite Masse des Volkes, die an dieser Vermehrung Teil nimmt. Einige Wenige teilen sich darein! Ein klares Bild, wie die Lage des Volkes in Wirklichkeit ist, könnte man nur dann erhalten, wenn man außer den eingetragenen Schulden auch die übrigen, auf Bürgschaft und Wechsel u. s. w. eingegangenen Verpflichtungen zusammenstellen könnte. Aber da heißt es eben: Wer kann und will diese Riesenarbeit übernehmen? Dankbar würde aber jeder wahre Freund des Volkes eine solche Zu­sammenstellung begrüßen! Unmöglich ist sie nicht.

* Freudensladt, 2. Dezbr. Vor kurzer Zeit entstanden in der Wirtschaft zur Linde in Baiersbronn zwischen Gästen Streitigkeiten, wo­bei ein 45 Jahre alter verheirateter Mann derart verletzt wurde, daß er nunmehr seinen Verwundungen erlegen ist. Gestern fand die gerichtliche Obduktion der Leiche statt.

* Aus dem Ammerthal, 5. Dez. Zu den lebhaften Klagen unseres ansässigen Ge­werbestandes über das gemeinschädliche Treiben der Hausierer liefert das Ammerthal gegenwär­tig ein höchst bezeichnendes Bild. Hier ziehen drei hessische Hausierer mit einem hochgefüllten Wagen von Ort zu Ort, verweilen in den ein­zelnen Dörfern 8 bis 10 Tage und besuchen mit ihren Waren jedes Haus. Mißtrauisch, wie unsere Landbevölkerung ist, hält sie anfäng­lich zurück. Ist aber das Eis gebrochen, so ist der Absatz ein sehr großer, ja fast unglaublicher. In einzelnen Dörfern sollen die Hausierer, welche sowohl Hemdenstoffe als Kleidertuche zu fabelhaft billigen Preisen anbieten und mit ihrer geschwätzigen Zudringlichkeit Käufer um Käufer anzulocken verstehen, bis zu 3000, es wird sogar versichert 5000 Mk., abgesctzt haben. Von einem Orte des Bezirks wird erzählt, daß die Darlehenskasse ganz geleert wurde, um

möglichst viel von der angebotenen Ware kau­fen zu können. Welcher Schaden durch ein solches Treiben unserem einheimischen Gewerbe zugefügt wird, brauchen wir wohl kaum zu sagen. Sein Weihnachtsgeschäft, auf das es immer angewiesen ist, wird ein sehr geringes sein. Wann endlich wird die Regierung gesetz­liche Schranken ziehen, um dem Haufierunwesen zu steuern?

* Stuttgart, 4. Dez. Das Königspaar ist heute nachmittag aus Bebenhausen wieder hier eingetroffen und hat zum Winteraufenthalt im Wilhelmspalast Wohnung genommen.

* Stuttgart, 4. Dez. Wegen Beleidigung des Hauptmanns Brand und Oberstabsarzt Wegelin wurde der Redakteur derTagwacht" Htldebrand zu 14 Tagen Gefängnis verurteilt.

* Der Bierverbrauch in Württemberg betrug 1890/91: 3 522 000 Hektoliter, was 173 Liter pro Kopf der Bevölkerung ausmacht; in Bayern stellte sich der Bierverbrauch auf 12332 000 Hektoliter --- 221,2 Liter pro Kof, in Baden auf 1688000 Hektoliter 103,2 Liter, in Preußen auf 33 769 000 Hektoliter 87,8 Liter und in Elsaß-Lothringen auf 1021090 Hektoliter 63,7 Liter pro Kopf der Bevölkerung.

' Stuttgart, 5. Dez. Die Schuhmacher Karl und Josef D. in M., die sonst als selb­ständige Gewerbetreibende thätig sind, arbeiten zeitweise bei ihren Kundenauf der Stör," wie dies auf dem Lande vielfach üblich ist. Das Oberamt B. hat nun die Arbeitervecsicherung in M. aufgefordert, die beiden Genannten in den Wochen, in welchen sie auf der Stör und sonst im Tazelohn arbeiten, zur Jnvaliditäts- und Altersversicherung heranzuziehen. Das Landesversicherungsamt hat nun dieser Tage den Erlaß des Oberamts B. außer Wirkung gesetzt. Diese Entscheidung ist namentlich für die Landbevölkerung von wesentlichem Interesse.

* Balingen, 3. Dez. (Todesfall.) Heute starb nach 5tägiger Krankheit unerwartet Stadt­müller M. Narr, noch nicht ganz 40 Jahre alt. Der Dahingeschiedene, dem vor I Vs Jahren seine Frau durch den Tod entrissen wurde, und um den nun 5 unversorgte Waisen trauern, war seit kurzem wieder verlobt und heute sollte die Vermählung stattstnden anstatt dem Hochzeits- nun ein Leichenzug!

* Stuttgart, 5. Dezbr. Am Neujahrs­tag soll im kgl. Residenzschloß weißer Saal wieder eine große Gratulationskur, wie voriges Jahr stattfinden. Zur Zeit kursiert hier wieder eine Petition an den Reichstag mit der Bitte um Nichtzulassung der Jesuiten in Deutschland. Die Petition hat, wie man hört, bereits sehr zahlreiche Unterschriften erhalten.

* Der Gefangenenstand im Untersuchungs­gefängnis des K. Amtsgerichts Stuttgart Stadt ist dem Vernehmen nach zurzeit ein ungewöhnlich hoher und beträgt durchschnittlich 120130 Personen täglich, immerhin 2030 mehr als im Vorjahre.

* (Verschiedenes.) Letzten Samstag abend ereignete sich auf der Station Herbrech- ttngenein schwerer Unglücksfall. Hilfsweichen­wärter Renk glitt beim Einfahren des Güter­zugs Nr. 650 auf den Schienen aus und wurde überfahren. Der Kopf des Unglücklichen wurde gänzlich vom Rumpfe getrennt. Die Familie des Verunglückten wird allgemein bedauert. In Nordheim wurde in der Sonntag-Nacht ein junger Mann im Alter von 19 Jahren er­stochen. In Oberndorf mußten die Schulen wegen der daselbst aufgetretenen Diphtheritis geschlossen werden. In Unterhausen kam es am Freitag in der Winterabendschule, wäh­rend der Abwesenheit des betreffenden Lehrers zwischen 16jähr. Schülern zu Streitigkeiten, wobei einer derselben durch 3 Messerstiche erheblich verletzt wurde. In Stuttgart stürzte am Samstag von der Höhe des Bau­gerüstes am Landesgewerbe-Museum in der Schloßstraße ein Arbeiter auf die unten liegen­den großen Quadersteine. Er erlitt gräßliche Verletzungen und blieb auf der Stelle tot. Seit dem Beginn des Baues sind demselben jetzt 7 Menschen zum Opfer gefallen.

* Das Opfer einer selbst vorgefchlagenen scheußlichen Wette ist der Zimmermann Sch. inFreiburg geworden. Derselbe kam abends, nachdem er schon in einer Wirtschaft Wein ge­zecht hatte, in ein anderes Lokal und brüstete sich dort mit seiner Leistungsfähigkeit auf dem Gebiete des Trinkens, worauf es zur Wette kam, daß Sch einen ganzen Liter Hefenschnaps vertilge. Die Wette wurde buchstäblich ausge­führt und sinnlos betrunken brachte man den Sch. nach seiner Wohnung, wo er lt.Breisg. Ztg." am andern Morgen starb und zwar an Alkoholvergiftung.

* Berlin, 3. Dez. Finanzminister Miquel ist an einer Luftröhrenentzündvng erkrankt und muß das Bett hüten.

* Berlin, 3. Dez. (Prozeß Ahlwardt.) In der heutigen Verhandlung legte Ahlwardt dem Gerichtshof zur Beweisaufnahme sechs Schriftstücke vor, betreffs deren der Staats­anwalt erklärte, daß sie zweiffellos amtliche seien und nur durch einen unerhörten Vertrauens­bruch in den Besitz des Angeklagten gelangt sein können. Der Staatsanwalt ersuchte, während der Verlesung der Schriftstücke die Oeffentlich- keit auszuschließen. Der Gerichtshof beschloß, für die Verlesung der sechs Aktenstücke und für die Verhandlung darüber die Oeffentlichkeit auszuschlteßen, weil die öffentliche Ordnung ge­stört werden könne und die Sicherung des Staates solches erheische.

* Berlin, 3. Dez. Fürst Bismarck ist mit der Fürstin und der Gräfin Rantzau heute abend gegen 6 Uhr in gutem Wohlbefinden auf dem Stettiner Bahnhof einge­troffen. Die Nachricht von seiner Durchreise war erst durch die Abendblätter bekannt geworden. Auf dem Bahnhof waren 2300 Personen anwesend, die den Fürsten mit herzlichem Zuruf und Blumenspenden empfingen, wofür der Fürst am geöffneten Fenster wiederholt dankte. A uf

> dem Lehrt-r B njnhof waren gegen 800 Personen zugegen,

Fort ohne Abschied?" fragte verwundert Franziska.

Ohne Abschied!" bestätigte der Doktor.Dergleichen ist für Stanislaus ein überflüssiges Ding! Und es ist besser so!"

Welch' ein Vater!" flüsterte die Schloßherrin leise und legte ihre Hand mitleidsvoll auf das Köpfchen Sabinens.

Nach kurzer Pause aber drückte sie die leiden Kinder an sich und rief:

Nein, nicht mehr arm sollst du sein und verlassen, mein kleines Mädchen; glücklich sollst du werden und glücklich selbst machen! Doktor, jetzt beginnt auf Felsberg ein neues Leben! Ich liebe sie beide beide!"

Zur Seite stand der Sanitätsrat Doktor Bronnig und wendete sein Auge ab von der rührenden Gruppe. Er schaute den Wolken am Himmel nach, wie sie der Wind in weite Fernen trug.

Vom Parke her drang der Blütenduft; im Laubwerk sangen die Vögel.

Franziska" flüsterte Bronnig, doch so leise, daß es niemand hörte, als sein eigenes Ohr.

11 .

Gräfin Franziska hatte ihr Wort gehalten; auf Felsberg war ein anderes Leben, ein neuer Geist eingezogen.

Nach herzlichem Abschied war Dr. Bronnig nun endlich doch nach der Residenz gereist, nicht ohne mannigfache Aufträge der Gräfin mit- zunehmen.

Die alten Dienstboten wurden fast alle mit bedeutenden Geschenken entlassen, und in den nächsten Tagen schon kamen neue an.

Es war diese Maßnahme auf das Zureden des Doktors geschehen. Und, was ein seltener Anblick vor dem Schlosse war, die Post brachte häufig Kartons und Pakete aus der Stadt.

Galt es doch, außer vielem anderen, Sabinchen standesgemäß aus- zustasfieren. Die Kleine besaß nichts, als was sie am Leibe trug.

Als der Tag entschwand, an dem Stanislaus sein Kind verließ, ohne Abschied zu nehmen, fürchtete die Gräfin, die Frage nach dem Vater zu hören. Allein Sabinchen trennte sich nicht von Kurt und dachte auch gar nicht daran, eine solche Frage zu thun.

Als der Abend da war und das Kammermädchen die beiden Kinder vorerst in ein gemeinsames Zimmer bettete, da strahlte das Ge- sichtchen Sabinchens in Heller Freude.

Nur nach der Mutter fragte das K nd einmal; es war gewöhnt, ste's neben derselben einzuschlafen.

Gräfin Franziska beugte sich über das Bettchen und sagte zärtlich:

Deine Mama ist im Himmel, Sabinchen; du sollst nun mir folgen. Und wenn du brav bist, Hab' ich dich auch lieb wie vie Mama. Willst du, Sabinchen?"

Das Kind schlang lächelnd die Arme um den Hals der Gräfin, und Franziska küßte die kleine Stirn.

Von da an lebten die Kinder zusammen, wie Bruder und Schwester. Eines ohne das andere war nicht denkbar, und Franziska bemerkte mit Entzücken den wohlthätigen Einfluß, den tatsächlich allezeit heitere Wesen Sabinens auf ihren Liebling Kurt ausübte.

Dr. Bronnig hatte von dem ihm geschäftlich befreundeten Bank­hause in New-Iork die Mitteilung empfangen, daß Stanislaus Ferina das Geld richtig erhoben und damit nach dem Innern Amerikas sich gewendet habe.

Von dem Artisten kam weiter keine Kunde mehr nach Felsberg.

Dr. Bronnig blieb allzeit der treueste Freund der Gräfin; ver­geblich aber hatte er auf einen Umschlag der Entschlüsse Franziskas gehofft.

Seine Liebe war treu wie selten eine; er vermählte^sich nicht, ob­gleich ihm die besten Partien angeboten wurden.

(Fortsetzung folgt.)

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