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Erscheint wöchentl. 8si»l: DimStag, Donnerstag und Samstag und kostet in Wensteig SV ^ im Bezirk SO «ußrrhaid 1 das Quartal.
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bei mehrmaliger je S auswärts je 8 j '
Gestorben: Reallehrer Bundschuh, Biberach; Kaufmann Scheurlen, Stuttgart; Predigtanttskandidat Merz, Fellbach; Jntendanturrat Keitel, Stuttgart; res. Apotheker Hoser, Heilbronn.
Die innere Lage
mit kurzen und kräftigen Strichen deutlich zu kennzeichnen, ist heute vielleicht niemand in der Lage. In der Presse herrscht ein so wirres Durcheinander von Meldungen, daß man sich darin nicht zurechtfinden kann. Es fehlt in der Regierung ein Mann, der ihr ein festes Ziel giebt, und wenn man im Publikum bisher vergeblich auf authentische Nachrichten über die neue Wchrvorlage und die damit zusammenhängenden Steuerreformen gewartet hat, so liegt das wohl daran, daß man in den leitenden Kreisen selbst noch nicht recht weiß, was man will.
Wollte man alles das zusammenstellen, was die verschiedenen Zeitungen tagtäglich und meist einander widersprechend „aus verbürgter Quelle' auftischen, so könnte man ganze Spalten füllen. Nachdem offiziöserscits versprochen war, daß die Militärvorlage um den ersten Oktober herum veröffentlicht werden sollte, heißt es jetzt, der Bundesrat werde sich bis gegen Weihnachten mit dem Entwurf beschäftigen und derselbe werde crst dann der Öffentlichkeit übergeben werden. Die „Köln. Volksztg." weiß zu melden, der Kaffer habe zum Grafen Caprivi gesagt, dieser möge zusehen, wie er mit der Vorlage fertig werde; die Schulvorlage habe er zurückgezogen, die Wehrvorlage aber werde nicht zurückgezogen werden und wenn es darüber zur Auflösung des Reichstages komme.
Diese Meldung bcgegnet-allseitigem Zweifel, da man sich nirgends darüber täuschen kann, daß ein neuer Reichstag den Entwurf erst recht nicht annehmen werde. Das leitende Berliner Blatt der Zentrumspartei, die „Germania", sagt, falls Graf Caprivi wirklich mit der Vorlage stehe und falle, dann sei sein Sturz sicher. Enthält die Mililäkvorlage wirklich die zwei Forderungen einer Erhöhung der Präsenz um 90,000 Mann und einer Erhöhung der jährlichen Geldopfer um 60—70 Millionen Mark, dann fällt sie sicher, mag sic im übrigen enthalten, was sie will. Hat also Graf Caprivi die Absicht, mit der Vorlage zu stehen und zu fallen, dann wäre sein Sturz sicher, wenn die Vorlage den bisher mitgeteilten Inhalt hat und nicht im Bundesrut wesentlich gemildert wird.
Bezüglich der durch die Militärvorlage notwendig werdenden Erhöhung der Einnahmen des Reiches aus Tabak, Bier und Branntwein und sonstigen Stempelabgaben schreibt die „Na- tonallib. Korr.", sie glaube gut unterrichtet zu sein, wenn sie annehme, daß überall nur eine Erhöhung der Steuersätze, ohne eine Umgestaltung der Grundlage der bestehenden Besteuerung, beabsichtigt sei, insbesondere wird dieses bei der Verbrauchssteuer zutreffcn. So dürfte für Tabak nicht eine Umwälzung des Steuersystems, sondern nur eine Erhöhung des Zolles und eine entsprechende Erhöhung der Steuer in Frage kommen. Eine Abänderung der Branntweinbesteuerung dürfte in einer Minderung des den bevorzugten Brennern gewährten Steuer-Nachlasses etwa von 20 aus 15 geplant sein. (Hierdurch würden der Reichskaffe jährlich 10 Mill. Mark zuflteßen.) Auch eine etwaige Erhöhung der Brausteuer dürfte sich in mäßigen Grenzen halten und die Reservatrechte der süddeutschen Staaten in keiner Weise antaften. Wenn der Reichstag mit der Regierung zu einer Verständigung über die Mtlitärvorlage gelangt, wird
er auch die Pflicht anerkennen müssen, eine genügende Vermehrung des Reichseinkommens zu bewilligen.
Was das Verhältnis zwischen Kanzler und preuß. Staatsministerium anbetrifft, so widersprechen die Nachrichten darüber einander vollständig. Während die „Nationallib. Korresp.", sowie ein Offiziosus in der „Pol. Korr." versichern, von einem Konflikt sei gar keine Rede, die ganze Angelegenheit sei den verfassungsmäßigen Gang gegangen, wird dem „Hannov. Kour." von einem stets aus „bester Quelle unterrichteten Gewährsmanne" geschrieben: „Daß eine Ministerkrisis besteht, wird kaum jemand leugnen können, der von den Vorgängen, die sich in den letzten Tagen abgespielt haben, unterrichtet ist."
Wie schon oben gesagt, ist es schwer, wenn nicht unmöglich, aus dem Durcheinander der Meldungen die begründeten von den unrichtigen zu sondern, die Wirrsale der Nachrichten selbst aber geben ein zutreffendes Bild von der Verworrenheit unserer inneren Verhältnisse.
LaudeSuachrichteu.
* Friedrichshafen, 12. Okt. Ihre Majestät die Königin Olga hat wieder Besuche empfangen können; es war heute die Gräfin Marie Taubenheim, nach der es sie verlangt hatte, auf einige Stunden hier; auch ist der russische Gesandte aus Stuttgart eingetroffen. Wie man hört, ist das Befinden Ihrer Majestät andauernd so, daß die schmerzlichste Teilnahme begründet ist.
* Schloß Friedrichshafen, 13. Okt., vorm. 8 Uhr. Ihre Majestät hat gestern nachmittag und vergangene Nacht mehrere Stunden ruhig geschlafen; in Folge dessen ist die Schwache heute etwas weniger groß. Im übrigen keine Aenderung.
* Nach den neuesten Nachrichten aus Fried - richshafen befindet sich I. M. die Königin Olga etwas besser, ohne daß jedoch hierauf
entschiedene Hoffnungen gegründet werden könnten. * *
' Altenst eig, 14. Okt. Wie bald es oft mit dem menschlichen Leben geschehen ist, das zeigt wieder aufs neue ein in Egenhausen vorgekommener jäher Todesfall. Am Mittwoch abend wurde die 45 Jahre alte brave Tochter Marie der Chausseewirt Burghard's Witwe, mitten in der Arbeit von einem Herzschlag betroffen und hauchte alsbald ihren Geist aus zum großen Schrecken ihrer Angehörigen. Der so rasch in Trauer versetzten Familie wendet sich die allgemeine Teilnahme zu.
* Stuttgart, 13. Okt. Ter sich jetzt schon über 3 Tage hinziehende Todeskampf der Königin Olga giebt Zeugnis von einer fast unglaublichen Widerstandsfähigkeit der Natur der hohen Frau. Was diese Widerstandskraft ganz besonders unterstützt, ist die vortreffliche Konstitution des Herzens. Der schon seit einiger Zeit neben den beiden homöopathischen Aerzten Stiegele und v. Sick hinzugezogene Arzt ist ein Spezialist für Elektrotherapie. Einen rührenden Eindruck macht das treue Ausharren der Königin Charlotte am Krankenbette ihrer Tante. — Mt Bedauern wird man im Lande vernehmen, daß der ehemalige Oberstallmeister Graf v. Taubenheim, der so lange Jahre an der Spitze des würlt. Tierschutzvereins gestanden hat von diesem Ehrenamt seines hohen Alters wegen zurückgetreten ist. Die Mitgliederzahl dl?ses Vereins beläuft sich jetzt auf 2513. Vom Landjägerkorps und der Polizei erfreut
sich der Verein ausgiebiger Unterstützung. Das Landjägerkorps brachte in den beiden letzten Jahren 1400 Fälle von Tiermißhandlungen, die Polizeistellen von Stuttgart, Heilbronn, Ulm, Cannstatt zusammen 584 Fälle zur Anzeige. Von 1889—91 verausgabte der Verein 9815 Mk. für Prämien, Flugschriften rc.
Ulm, 12. Okt. Die Geschworenen sprachen die antisemitische Ulmer Schnellpost von der Anklage der Beschimpfung der isreaelitischen Religionsgesellschaft frei.
* (Verschiedenes.) Bei der am Dienstag inJsny vorgenommenen Stadschultheißenwahl wurde Kaufmann A. Bär von Stuttgart mit 196 Stimmen gewählt. — Im Walde bet Geislingen wurde ein menschliches Skelett gefunden. Bei demselben lag ein teilweise noch geladener Revolver, eine Patronenbüchse, eine goldene und eine silberne Uhr und in einem noch gut erhaltenen Ledertäschchen 24 Mk. und einige kleinere Münzen. An der goldenen Uhr zeigte sich das Monogramm L. N. Man erkennt dadurch in dem Leichnam einen vor einigen Jahren spurlos verschwundenen Amtsrichter aus Hohen- zollern. — In Plüderhausen kam der Bahnwärter Schnabel unter den Abendschnellzug, der ihn in Stücke zermalmte und sofort tötete. Der Verunglückte hinterläßt eine Witwe und 9 Kinder. — Eines der ältesten württem- bergischen Dampfschiffe auf dem Bodensee, welches in den 50er Jahren erbaut wurde, das Dampfschiff „Olga", ist dem Verkauf ausgesetzt worden.
* Karlsruhe, 12. Okt. In unserer Stadl herrscht heute große Aufregung über eine Polizeimaßregel, welche große Gefahr über die Einwohnerschaft verhängt. Auf einem in Leopoldshafen (zwei Stunden von hier) angekommenen Rheinschiff starb gestern eine Person unter Umständen, welche den Verdacht der Cholera nicht ausschließen. Es wurden deshalb 4 wettere Personen, welche sich mit dem Gestorbenen aus dem Schiff befanden, polizeilich hieher in das städtische Krankenhaus verbracht, welches im Innern der Stadt liegt. Bis jetzt ist keine derselben erkrankt. Der Stadtrat, welcher nicht um seine Zustimmung gefragt wurde, hat soeben in einer Sitzung Einsprache gegen die Benützung des Krankenhauses erhoben.
* Mannheim, 12 Okt. Eine Stiefmutter, wie sie der Volksmund im schlimmsten Sinne kennt, stand heute in der Person der 32 Jahre alten Ehefrau des Taglöhners Johannes Beckenbach, Juliane, geb. Oechsle, vor dem Schwurgericht. Das Scheusal hatte die Kinder erster Ehe, zwei Mädchni, 6 und 4 Jahre alt, monatelang aufs grausamste gepeinigt, so daß die ganze Nachbarschaft davon sprach. Am 4. Juli d. I. warf sie das..jüngere Mädchen, ein armseliges, abgemagerteZ and verkrüppeltes Kind, das an Rachitis litt, mit solcher Gewalt an einen Schrank, daß die Hirnschale in Trümmer ging und das arme Wesen 2 Tage nachher starb. Das Gericht sprach eine Gefängnisstrafe von 9 Monaten gegen das Weib aus.
* Nürnberg, 11. Okt. Das Gemeindekollegium ist dem Magistratsbeschluß zur Einführung der fakultativen Feuerbestattung einstimmig beigetrelcn.
* Ein gefährlicher Schwindler — er nennt sich Konrad Brand, aus Hannover — ist mit grober Mühe in Augsburg festgenommen worden. Er machte sich auf der Straße an stellungslose junge Leute heran, spielte sich als
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