.Calw, 17. August. Schon wieder er­tönten in unserer Stadt die Feuerzeichen. Es brannte um IVs Uhr heute Mittag in dem Hinterhaus des Gasthauses zur Jungfer. In demselben wurde vor kurzer Zeit eine Färberei eingerichtet. Dasselbe steht in der Biergasse, einem eng zusammengebautrn Stadtteil. Es war ein Glück, daß der Brand bei Tag zum Ausbruch kam, sonst wären unfehlbar verschie­dene Nachbarhäuser ein Raub der Flammen geworden. Durch schnelle Hilfe war in 2 Stunden alles gelöscht.

* Aus Tübingen wird berichtet: Von dem nach Entringen ausgerückten Militär mußte infolge der Hitze eine große Anzahl der Mann­schaften, die von Unwohlsein befallen wurden, in Wagen zurückbefördert werden. Zwei Mann sollen gestorben sein. Das Bedauern hierüber ist in allen Kreisen der Stadt ein allgemeines und tiefgehendes und ebenso der Wunsch, daß solches nicht mehr Vorkommen möge.

* Stuttgart, 18. Aug. In der gemein­schaftlichen Sitzung der bürgerlichen Kollegien wurde heute beschlossen, die Nationalfeier am 1. und 2. Sept. in derselben Weise wie in früheren Jahren zu halten.

* Der Bericht der Stuttgarter Handels­und Gewerbekammer sagt in Beziehung auf die Lage des Kleingewerbes und der Landwirtschaft im Jahr 1891: Auf dem Lande kehrte auch 1891 eine Erfahrung wieder, die man, wenigstens in unserem Handelskammerbezirk, seit mehr als einem Jahrzehnt machen kann: alljährlich wird nämlich durch das jeweilige Ernte-Ergebnis, sowie durch den hohen Stand der Viehpreise und der landwirtschaftlichen Nebenprodukte die Hoffnung auf eine Stärkung der Kaufkraft be­lebt und dann im Herbst, trotz des befriedigen­den Ernte-Ertrags, wieder enttäuscht. Die Landwirtschaft hat sich zwar, von den Gegenden mit vorwiegendem Weinbau abgesehen, nach einer Reihe ungünstiger Jahre entschieden wieder ge­hoben, aber die frühere Konsumtionskraft hat sie noch nicht wieder erlangt. Speziell in unserem Bezirk kam 1891 noch dazu, daß die Kartoffel­ernte mißriet und der Wetnertrag so ungünstig ausfiel, wie seit Jahrzehnten nicht. Daher ist auf dem Lande Geld sehr rar, der bäuerliche und der kleinstädtische Mittelstand ein schwacher Käufer. Wo keine Fabriken sind, ist in unserem Bezirk der Bauernstand, der vergeblich ander­weitigen Verdienst sucht und Geld nur selten sieht, sehr bedrängt und zeigt eine gedrückte, un­zufriedene Stimmung. So fehlt es dem Handwer­ker überall auf dem Lande an Aufträgen bezw. Ab­satz. Für manche Kleingewerbe verschärft sich zu dem als Folge der allgemeinen Stock­ung die Konkurrenz des Großbetriebes, so namentlich für die Gerber, Hutmacher, Klein­brauer, Tuch- und Strumpfweber, Färber, Kupferschmiede, Seiler, Ziegeleien, welche Ge­werbe in der Verdichtung zum Großbetrieb wei­ter voranschreiten. Die Schneider und Schuh­macher sehen sich durch die fast in allen größeren

Orten errichteten Fabrikniederlagen mehr und mehr auf die bloße Flickarbeit zurückgedrängt. Für die Kolonial- und Kurzwarengeschäfte bil­det die Konkurrenz des Hausierhandels, der De­tailreisenden und der auswärtigen Versandge­schäfte eine steigende Gefahr; dieser Existenz­kampf wird dadurch geschärft, daß sogar immer noch neue Geschäfte wie Pilze aus dem Boden schießen, welche, um gegen die älteren Geschäfte aufzukommen, schleudern müssen. Das Anwachsen einer zersplitterten vielköpfigen Kon­kurrenz, welche den Umsatz und den Geschäfts­gewinn des Einzelnen fortwährend herabdrückl, ist eine allgemeine Erscheinung u. für den Detaillisten­stand in Stadt und Land seit Jahren eine ernste Gefahr.

* Ulm, 17. Aug. Beim 12. bayrischen Infanterieregiment, welches gestern mittag 11 Uhr von einer Uebung auf dem Lerchenfelde zurückkehrte, fielen acht Mann am Hitzschlag, doch haben sich dieselben wieder erholt. Wegen der in aller Morgenfrühe beginnenden militäri­schen Uebungen müssen die Soldaten gegenwär­tig abends um 9 Uhr statt 10 Uhr in die Ka­serne zurückkehren.

* Ulm, 18. August. Der Einbrecher Klein, der die Blaubeurer Oberamtssparkasse bestohlen hatte und der als Zeuge zu der Verhandlung gegen den Buchbinder Stübler aus Leipzig vom Zuchthaus in Ludwigsburg hiehec geliefert worden war, ist heute morgen um 8 Uhr aus dem hiesigen Amtsgerichtsgefängnis entflohen. Gegen Klein war auch noch Untersuchung wegen Mordverdachts eingeleitet und er war deshalb gestern vernommen worden.

* Ell wangen, 13. Aug. Vor der Ferien­strafkammer stand der Privatier und Geldmäk­ler Michael Stegmaier von Gmünd wegen Wucher und Betrug. Derselbe betreibt schon seit langen Jahren das gewerbsmäßige Ausleihen von Gel­dern in Gmünd und Umgegend. Die zum Ge­genstand der Anklage gemachten Fälle in der Zeit von 1879 bis 92 förderten eklatante Bei­spiele zu Tage, in welch schändlicher und raffi­nierter Weise der Angeklagte die Notlage seiner Mitmenschen auszunützen verstand. Ec lieh Posten von 20 bis 100 Mk. und bezog hievon 40 bis 50 Prozent per Jahr. Bei nicht pünkt­licher Heimzahlung rechnete er 1 bis 2 Mark Strafgeld per Woche an, bei neuer Prolongation Extrahonorar rc. Die Strafkammer verurteilte den Blutsauger zu 3 Monaten und 15 Tagen Gefängnis und 200 Mk. Geldstrafe.

* (Verschiedenes.) Am Donnerstag mittag führte der Müller Sieber von Rott­weil Steine auf den dortigen Bahnhof. Durch die Dampfpfeife einer Lokomotive erschreckt gingen die Pferde durch und fielen mit dem geladenen Stetnwagen von der Rampe auf das Bahn- geletse, wodurch sie so schwere Verletzungen er­litten, daß das eine sofort getötet werden mußte, das andere jedenfalls nicht mehr viel wert ist. Der Fuhrmann kam mit leichteren Verletzungen davon. In der Nacht vom Sonntag auf

Montag wurde in Hömweiler (Oberndorf) der 24 Jahre alte Bauernsohn I. M. durch einen Stich mit einem Taschenmesser in den Unterleib aus geringfügigem Anlaß so schwer verletzt, daß die Eingeweide austraten und der bedauernswerte junge Mann andern Tags starb. Es ist wahrhaft entsetzlich, wie frevelhaft jüngere Leute mit dem Leben des Nebenmenschen gegen­wärtig umgehen und auch die humanste Natur müßte bald damit einverstanden sein, wenn den rohen Messerhelden gegenüber die Prügelstrafe wieder in Anwendung gebracht würde. Das Hagelwetter am 12. Juli d. I. hat nahezu sämtliche Gemeinden des Oberamts Balingen betroffen. In 12 Gemeinden wurde amtliche Schätzung wegen Steuernachlasses beantragt und angenommen, wobei ein Schaden von 143 000 Mark erhoben worden ist. In den weiteren Gemeinden dürfte der schaden immerhin noch weitere 20000 Mk. betragen. Im Laufe dieses Frühjahrs fand der Jagdpächter Heinz von Bühlerthann vor der Thüre eines Kellerhauses außerhalb des Ortes einen nur wenige Wochen alten Dachs sitzen, der sich wahr­scheinlich mit seinen Geschwistern aus dem Bau entfernt, in dem Hellen Sonnenlicht gespielt hatte, und dann eingeschlafen war, als die an­dern die sichere Heimstätte wieder aufgesucht hatten. Herr Heinz nahm das seltene Tierchen nach Hanse, fütterte und pflegte es, so daß dasselbe gleich einem Hunoe als traulicher Hausgenosse heranwuchs. In Stuttgart wurde ein verheirateter Heizer von Eßlingen beim Ueberschretten der Geleise auf dem mitt­leren Güterbahnhoi von einer Maschine erfaßt und ihm beide Beine abgefahren. Er starb noch am gleichen Tage an den erhaltenen Ver­letzungen. In Cannstatt ist ein lOjähr. Knabe beim Baden im Neckar ertrunken. In Stammheim hörten am Dienstag nachmittag etwa um 2 Uhr viele Leute, die bei der Ernte­arbeit auf dem Felde (Lindach genannt) be­schäftigt waren, ein Sausen wie von einem herannahenden schweren Gewitter als plötzlich die Sammelten im Umkreis von ea. 4 Morgen von einer Windhose erfaßt in die Luft wirbel­ten bis sie dem Auge entschwanden, selbst ge­bundene Garben wurden bis Haushöhe empor­gehoben. In einer Mühle des Zementwerkes inLauffen wurde ein Arbeiter von der Trans­mission erfaßt und so verstümmelt, daß er augen­blicklich tot war. In einem Gasthof in Heilbronn logierte sich vor ca. 14 Tagen ein Herr ein, der sich für einen Beamten der Straßenbau-Inspektion ausgab und sich Essen und Trinken gut schmecken ließ. Nunmehr ist derselbe verschwunden, nachdem er den Wirt um mehr als 100 Mk. betrogen hatte.

* Schönau i. Baden, 14. August. Der hiesige Sozialistenführer Beyerle ist mit Hinter­lassung von Frau und Kindern vor einiger Zeit über den Ozean, nachdem er noch vorher 40 Mk. Abonnementsgclder für die Volksstimme statt

Der faLsche Krcrf. «»«,-! verbmm.)

(Kriminal-Roman von Karl Schmeling.)

(Fortsetzung.)

Wohl möglich," meinte jener,gewiß einen guten Kamerad oder Freund!"

Den ärgsten Feind, welchen ich habe und je haben werde!"

So, das ist etwas anderes!" sagte der Mann aufmerksam.Wel­cher ist es?"

Bennoit bezeichnete den Neuling.

Sofort begab sich der Aufseher an den Ort, wo die Angekom­menen von der Kette los und mit den ihnen bestimmten älteren Gefähr­ten zusammengeschmiedet wurden.

Bald darauf ward Bennoit gerufen, von seinem bisherigen Ge­fährten gelöst und mit dem von ihm bezeichneten Menschen zusammen­geschweißt.

Man begeht die Niederträchtigkeit in den Bagnos, Feinde, aus leicht 'begreiflichen Gründen, zusammenzuketten.

Der neue Partner Bennoits aber war Gilbert Milhaud.

12 .

Der Husarenleutnant.

Es war zu Ende 1806 oder anfangs des Jahres 1807, als Gil­bert Milhaud im Bagno von Toulon Aufnahme fand.

Die Kette, mit der er gekommen, war eine sehr schwere, das heißt, alle, welche dem Transport angehörten, waren wegen schwerer Ver­brechen verurteilt.

Gilbert erschien sehr bleich und abgezehrt, doch das Feuer seines Auges zeigte an, daß sein Geist nicht gebrochen; die Entschlossenheit auf seiner Kfurchten Stirn verriet, daß er bereit sei, den schweren Kampf,

zu dem ihn das Schicksal zwang, zu Ende zu kämpfen. Als Gilbert sich Bennoit gegenüber sah, stutzte er; das hämische Grinsen auf dem Gesicht des letzteren mochte aber wohl die Ueberraschung, welche er em­pfand, zu einer unangenehmen machen. Beide sprachen nicht, weil sie nicht sprechen durften, oder vielmehr, weil ihnen das Sprechen ohne Aufforderung Schläge eingetragen hätte. Doch sie sprachen durch Blicke; aus denen Bennoits leuchtete Haß und Schadenfreude; Gilbert Milhauds Gesicht nahm einen kalten, gleichgültigen Ausdruck an.

Als das Geschäft des An- und Einschmiedens verrichtet war, wurden die Neulinge nebst ihren Kettenpartnern nach einem Saale ge­führt, wo für jeden der elfteren die Uniform bereit lag.

Nachdem sich alle entkleidet hatten, wurden sie erst durch einen Arzt besichtigt, dann ließ man sie die Sträflingskleidung anlegen, und schließlich wurden mehrere Abteilungen von der Gesellschaft gebildet. Die Partie, der Bennoit und Milhaud angehörten, ward wieder auf den Hof und nach einer dort befindlichen Schmiede geführt, in deren Esse ein Feuer brannte.

Jetzt machte Bennoit ein höchst überraschtes Gesicht, denn offenbar gehörte Gilbert zu denen, die gebrandmarkt werden sollten, und dies waren natürlich die allerschwersten Verbrecher.

Gilbert hielt den körperlichen Schmerz der Brandmarkung stand­haft und ohne zu zucken aus; wie sehr sich jedoch seine Seele im mora lischen Schmerze aufbäumte, sah niemand.

Nachdem jene Menschenschändung, die man nichts destoweniger Ge­rechtigkeit nannte, vorüber war, wurden alle in ein Büreau geführt. Die Neulinge erhielten eine Nummer, die Paare wurden bestimmten Abtei­lungen und Schlafsälen zugewiesen.

Hiermit war es Essenszeit geworden und man marschierte nach dem Speisesaal. Auf dem Wege nach demselben wagte Bennoit einig

s

!

1 stU

I

! >

L>

Vd-

l

' e- s

r- .

sr