künftige weitere Entwickelung der homöopathischen Vereine in Württemberg wichtige Entscheidung hat gestern das Schöffengericht in Kirchheim u. T. gefällt. Es waren nämlich drei Verwalter homöopathischer Vereinsapotheken vom Oberamt Kirchheim wegen Ueberlassens von homöopathischen Arzneimitteln „an Andere" vom Oberamt mit 5 bis 15 Mk. bestraft worden. Die Beklagten legten mehrere gerichtliche Entscheidungen höherer Gerichte in derselben Frage vor. Darnach sind die Mitglieder homöopathischer Vereine berechtigt, aus der auf gemeinschaftliche Kosten angeschafften homöopathischen Apotheke Mittel für sich und ihre Familienangehörigen zu entnehmen. Nach Kenntnisnahme dieser Urteile und der darin angezogenen Gesetzesparagraphen verzichtete der Amtsanwalt darauf, einen Strafantrag zu stellen. Die Freisprechung erfolgte infolge dessen unter Uebernahme der Kosten auf die Staatskaffe.
* Gmünd, 10. August. Ein Landwehrmann, der Pächter eines Gütchens bei der Stadt, mußte zu mehrwöchiger Uebung einrücken zum Train. Er nahm als Reisegeld 50 Mark mit und hinterließ zu Hause denselben Betrag des Bargeldes. Am Tage seiner Reise wurden die zurückgebliebenen 50 Mark gestohlen. Dieses Malheur und das weiche Herz des Vorgesetzten Offiziers, der recht gut wußte, daß ein Land- manu in jetziger Arbeits- und Erntezeit nicht gut vom Pachthof entfernt sein kann, waren die Ursachen, daß unser Landwehrmann noch vor Ablauf von 8 Tagen aus der Garnison entlassen wurde. Welche Freude bet der alleinstehenden, kinderlosen Frau zu Hause!
* U l m, 10. August. Das „U. Tgbl." berichtet: Heute vormittag kam die Ex-Kaiserin Eugenie mit zwei Damen hier an und fuhr ins Jordanbad bei Biberach.
-Ulm, 11. August. Auf Anregung des württembergischen Schutzvereins für Handel und Gewerbe haben nach dem Vorgang der hiesigen Metzger auch die Bäcker, die bisher in einem Lieserantenverhältnis zum Konsumverein standen, diese Verträge gekündigt.
* (Verschiedenes.) In Cannstatt wird seit letzten Donnerstag der 16 Jahre alte Ziseleur-Lehrling Bruno Marx vermißt. — In Winnenden feierten die Fr. Becker'schen Eheleute das Fest der goldenen Hochzeit. — Von der Ferienstrafkammer.in Stuttgart wurde der 22jährige Metzger G. Fr. Kunzi von Möhringen wegen Selbstverstümmelung zu 1 Jahr 3 Monaten Gefängnis verurteilt. Derselbe schnitt sich, um sich für den Heeresdienst untauglich zu machen, das vorderste Glied des rechten Zeigefingers ab. — In Kirchen- tellinsfurth ist ein 69 Jahre alter Mann, namens Jakob Diegel von Reutlingen, der im Neckar baden wollte, ertrunken. — In Stetten im Lonthal wurde am Dienstag vormittag ein Mann namens I. G. Ott ermordet aufgefunden. Nähere Einzelheiten über den Fall fehlen noch. — InHeilbronn hat ein
in einer Wirtschaft momentan allein anwesender jüngerer Bursche die Kaffe um etwa 70 Mk. Inhalt erleichtert. — InReutlingenhat ein Hausdiener 2400 Mk. in bar Geld unterschlagen und ist damit verduftet. — Der 15 Jahre alte Chrn. Kißling von Oetisheim ist in ein Bahnwarthaus, dessen Bewohner gerade abwesend waren, etngesttegen und hat aus der Stube eine silberne Cylinderuhr nebst Kette, ein paar Schuhe und 8 Mk. gestohlen. Der Dieb sitzt bereits hinter Schloß und Riegel. — In Stuttgart hat ein Fräulein aus München, das die Absicht hatte, sich daselbst zu verehelichen und sein Vermögen bei sich trug, das Geldtäschchen verloren, in welchem sich mehrere Tausendmarkscheine befanden. Das Geld ist noch nicht beigebracht.
* Mehrere 10—12jährige Buben haben, wie der „Nass. Bote" berichtet, auf der Schützenbleiche bei Höchst versucht, einem Hund die Beine abzuschneiden. Sie durchschnitten ein Bein bis auf die Knochen, hackten dem Tier noch Zehen ab und wollten es dann unter einem Floß ertränken. Die Polizei hat die Tier- guäler ermittelt; eine empfindliche Strafe wird wohl nicht ausbleiben.
* Rücksichtsvoll ist die Leitung in Bad Elster in Sachsen. Dort ist, wie sächsische Blätter Mitteilen, wegen eines Kommerzienrats, den das Frühläuten störte, -dieses bis zur Abreise des Badegastes eingestellt worden.
* Frankfurt a. M., 10. August. Wie Hensel, so hat auch Rudolf Jäger seinen Anwalt beauftragt, gegen das ihn zu 10 Jahren Gefängnis verurteilende Erkenntnis der Strafkammer Revision einzulegen.
* Berlin, 9. Aug. Der „Voss. Ztg." zufolge entlassen die baltischen Bahnen alle Maschinisten lutherischer und katholischer Konfession.
* Berlin, 9. August. Von allen Seiten kommen Klagen darüber, daß der Brotpreis dem Sinken der Getreidevretse durchaus nicht in entsprechender Weise gefolgt sei. Die „N. A. Z." bemerkt dazu: Das Sinken der Getreidepreise ist ebenso allgemein in den Provinzen, wie die Klage über die Höhe des Brot- Preises.
* Berlin, 10. August. Es kann jetzi, berichtet man dem „M.", als sicher angesehen werden, daß der Reichstag auch diesmal wieder im November zusammentreten wird, da er, selbst für den Fall, daß die Einbringung der Militärvorlage verschoben würde, einen bedeutenden Arbeitsanfall zu bewältigen hat.
* Berlin, 10. Aug, Aus London wird gemeldet: Gladstone wurde gestern im Unterhause von seinen Parteigenossen mit stürmischen, nicht endenwollenden Zurufen begrüßt. Gladstone drückte zunächst sein Erstaunen über die Haltung der Regierung aus, welche allem Herkommen zuwider den Wahrspcuch der Nation nicht unbedingt anerkenne, sondern im Amte bleibe und, ohne mit einer Politik vorbereitet
zu sein, eine zeitraubende, zwecklose Adreßdebatte veranlasse. Das Urteil der Nation sei ein Urteil ohne Berufung.
* Berlin, 11. Aug. Das Bildnis, das der Kaiser nach Beendigung der Ausgletchsver- handlungen mit dem Herzog von Cumberland dem Frhrn. v. Hammerstein-Lopteu schenkte, soll dem Berliner Tageblatt zufolge die Widmung tragen: „Recht muß doch Recht bleiben!"
* Berlin, 11. Aug. Graf Waldersee traf zu den Manövern in Kuxhaven ein. Die Beobachtung einer Anzahl fremder Offiziere, darunter der französischen, wird durch einen Militärkordon unmöglich gemacht.
* Jetzt ist's heraus! Der Tabak soll bluren! Nach einer Berliner Meldung des Ham- burgischen Korrespondenten, wird es bestätigt, daß unter den zur Erörterung stehenden Vorschlägen zur Erhöhung der Reichseinnahmen sich auch derjenige einer höheren Besteuerung des Tabakverbrauches befindet; indessen verlautet, daß eine Abänderung des Branntweinsteuergesetzes im Sinne einer Verminderung der Kontingentierung bisher noch keine Vorzugsstellung einnehme.
* Ueber die mutige That eines Bahnwärters der Nordbahn wird folgende Mitteilung aus Dalldorf gemacht. Am Samstag abend gegen 6 Uhr vermißte die Arbeiterfrau M. ihr kleines zweijähriges Söhnchen. Sie begab sich sofort auf die Suche und sah das Kind alsbald mitten auf den Schienen sitzen, während gerade ein Zug heranbrauste. Die Frau war vor Schreck nicht im stände, sich zu rühren und das Kind wäre verloren gewesen, wenn nicht der Bahnwärter Starke atemlos hinzugeeilt wäre und den Kleinen mit eigener Lebensgefahr dicht vor der Maschine fortgerissen hätte.
* In Köln hat sich ein Verein gegen die Sonntagsruhe gebildet. Die ihm angehörtgen Geschäftsleute wollen ihren Gehilfen und Lehrlingen gern die Sonntagsruhe gönnen, aber selbst verkaufen dürfen.
' Wilhelmshaven, 9. Aug. Die Bewohner der oldenburgischen und der Weser- Marschen bereiten einen Huldigungsbesuch bei Bismarck mittels Sonderzuges vor.
* Hamburg, 9. August. Die Eigentümer des Schiffes „Fred Taylor," welches nach Zusammenstoß mit dem Schnelldampfer „Trave" sank, verlangen vom Lloyd 85 000 Dollar Entschädigung für den Verlust des Schiffes und 3000 Dollar für die verlorenen Effekten der Mannschaft.
* Wien, 10. August. Ein siebenjähriger Knabe, der sich wegen Mißhandlungen durch seine Mutter aus dem vierten Stockwerke stürzte, blieb sofort tot. Eine die Unglücksstätte umstehende Menge nahm eine drohende Haltung gegen die unnatürliche Mutter an.
* (Wie die Alten jungen. . .) Von dem in Wien verhafteten preußischen Abgeordneten
Der fatsche Hraf. ^«4^
(Kriminal-Roman von Karl Schmeling.)
(Fortsetzung.)
Julie stieß einen Schrei der Ueberraschung hervor, Bennoit erhob sich und trat dem jungen Manne ernst entgegen.
„Verzeihung, Vater Bennoit!" rief Gilbert aufgeregt, dem Alten die Hand entgegenstreckend. „Vorwürfe ändern hier nichts. Schelten nützt zu nichts. Ich habe nur eine Stunde Zeit, aber sie wird genügen, die kurze Zeremonie einer bürgerlichen Trauung auszuführen, wenn sonst mein Vater derselben nicht entgegen ist."
„Junger Mann!" sagte Bennoit freudig überrascht, „Sie wollen also wirklich das Mädchen wieder zu Ehren bringen?"
„Nun, was anders, Vater Bennoit, ist es nicht meine Pflicht?"
„Ja, ja, ganz recht. Aber solche Pflichten werden nur zu leicht abgeschüttelt. Ich freue mich, daß Sie ein rechtschaffener Mann geblieben, trotz Ihrer mutmaßlich bösen Umgebung."
„Lassen wir, das, guter Bennoit, wir haben mehr zu thun, als mit Worten zu spielen; folgt mir zum Vater, und du Julie, sei des Rufs gewärtig —; kommt, Bennoit!"
Bennoit antwortete nicht, aber er folgte dem jungen Manne und beide wendeten sich dem Hauptgebäude des Gehöftes zu. Als Julie allein war, drückte sie beide Hände gegen den Busen, das Herz drohte vor freudiger Erregung die Brust zu sprengen.
Der Herr Maire machte große Augen, als er seinen Sohn in Zivil und von Bennoit begleitet eintreten sah; vielleicht war er aber auch schon von der Ankunft des elfteren unterrichtet und fühlte sich verletzt, daß derselbe nicht zuerst bei ihm sich gemeldet. Möglich auch, daß er in dem Zivil-Anzuge des jungen Mannes ein beachtenswertes Omen
sah; denn es galt zu jener Zeit für einen Offizier fast für entehrend, in Zivil zu gehen.
„Nun, Monsieur," rief er. „was bedeutet dies und was der Aufzug, in welchem ihr erscheinet? Ich denke, es geht etwas vor, was eines Schleiers bedarf."
„Sei gegrüßt, guter Vater!" erwiderte Gilbert, „doch ängstige dich nicht. Ich bin in den besten Absichten hier, habe aber wenig Zeit, und du mußt mir deshalb erlauben, ohne Umschweife auf den Hauptzweck meines Besuches loszusteuern!"
„Nun, Bennoit," sagte der Maire, zu diesem gewendet, „dann zieht Euch nur so lange zurück, bis ich die Geheimnisse meines Herrn Sohnes erfahren habe. Euer Geschäft wird überdem nicht eilen!"
„Verzeihung, Vater!" rief jedoch Gilbert, „Bennoit und ich sind zu diesem Zwecke hier!"
„Wie — was?" schrie der alte Milhaud auf, „hast du etwa gar von Bennoit Geld geborgt, ehrvergessenes Kind?"
„Nein, mein Vater —; doch ich möchte meinen Bruder bitten, die Beteiligten allein zu lassen!"
Der anwesende Bruder erhob sich, wie es schien, jenem Wunsche nachzukommen.
Der Vater war bereits ärgerlich geworden, und schien zu ahnen, wie Aussicht vorhanden sei, daß seine amtliche und väterliche Autorität in Frage gestellt werden könne.
„Bleib!" sagte er daher entschieden, „ein Geschäft, was Bennoit und der da gemeinschaftlich haben, kannst auch du kennen, und nun heraus mit der Sprache."
„Gut, Vater — ich habe mich entschlossen, zu heiraten."
Der alte Herr stand da, wie aus den Wolken gefallen. Als erste Obrigkeit des Ortes hatte er sich daran gewöhnt, für andere zu denken
- 77 ' ^
LL » v-o?
jZu§
.2