Geleise bugsiert und die Fahrt ging vollends zum Bahnhof. Schaden und größere Störung ist glücklicherweise nicht entstanden.
-r. Alten steig, 22. Mai. Unser Bimbachthal, das wegen seiner Schönheiten von Spaziergängern und Naturfreunden gerne besucht wird, hat nun einen weiteren Reiz erhalten. Auf Staatskosten wurden nämlich unter Leitung unseres Hrn. Oberförster Stock im hintern Telle des Thaies drei hübsche Fischweiher angelegt, welche von dem klaren und raschfließenden Bächlein gespeist werden. In diesen Teichen soll nun die Fischzucht rationell betrieben werden und sind bereits ziemlich junge Fische eingesetzt.
* Alt ersteig, 23. Mai. Durch Verfügung der K. Generaldirektion der Staatseisenbahnen sind nunmehr von Altensteig nach Eb- hausen Arveiterfahrkarten zur Einführung gekommen, welche pro Woche 40 Pfg. kosten. Dieselben sind nur gültig für die Züge vor 8 Uhr morgens und nach 5 Uhr abends. Ferner können von jetzt ab auf der hiesigen Station Schnellzugzuschlagfahrkarte« ab Eutingen nach Stuttgart (Altensteig ab 10.48 vorm.) und Horb-Rottweil (Altensteig ab 1.38 nachm.) gelöst werden, sodann kommen jetzt direkte Iahrkarteu von Alten steig nach Durlach, Heidelberg, Karlsruhe und Mannheim zur Ausgabe. Diese Neuerungen dürften von dem reisenden Publikum mit Genug- thuung begrüßt werden.
— Die hiesige freiwillige Feuerwehr benützte den gestrigen Sonntag, an welchem wieder einmal herrliche Witterung herrschte, zu einem Ausflug nach Stmmersfeld. Derselbe verlies, wie wir hören, bei gehobenster Stimmung in schönster Harmonie. Der Ausflug geschah in Begleitung der Feuerwehrkapelle.
— Wie notwendig der vor kurzem begründete Württ. Schutzverein für Handel und Gewerbe ist und wie segensreich er auch für das allgemeine Publikum wirken kann, dürfte aus folgender Thatsache hervorgehen. Ein Detailreisender aus Sachsen verkaufte im Hohenlohe'schen an Geistliche und andere Leute besserer Stände sog. echt wollene (Jäger) Hemden zum Preise von 6 V- bis? Mk. per Stück. Der genannte Schutzverein erhielt Kenntnis von der Sache, ließ sich solche Hemden einsenden und von fachmännischer Seite untersuchen. Es stellte sich dabei heraus, daß ein solches Hemd höchstens 2V- Mk. Ankauf gekostet hatte! Der biedere Detailreisende hat also seine Abnehmer, die ihm zum Teil gleich ^2 Dutzend Hemden auf einmal abnahmen, in der schmählichsten Weise über das Ohr gehauen.
x. Pfalzgrafenweiler, 21. Mai. Heute morgen nach 3 Uhr weckte uns die Sturmglocke. Das Doppelhaus des Fuhrmanns Raisch und des Bauern Thumm, gegenüber dem Schwanen, stand in Hellen Flammen. Dank der günstigen Windrichtung und der anhaltenden Thä- tigkeit der hiesigen Feuerwehr blieb der Brand auf seinen Herd beschränkt. Gerettet konnte außer dem Vieh nichts werden. Ein Hund und
einiges Federvieh fanden ihren Tod in den Flammen. Die beiden Abgebrannten sind versichert.
* Freudenstadt, 20. Mai. Die Frage des Posthausneubaus war gestern der Gegenstand von Unterhandlungen zwischen Vertretern der K. Generaldirektion der Posten und Telegraphen und der bürgerlichen Kollegien. Es wurde vorbehältlich der Genehmigung des K. Ministeriums des Auswärtigen, Abteilung für die Verkehrsanstalten und der Stände eine Einigung dahin erzielt, daß die Stadtgemeinde das städtische Wachthaus in der Mitte des Marktplatzes abbrechen läßt und diesen Platz um den Preis von 7000 Mk. für ein Postamtsgebäude zur Verfügung stellt, wogegen dieses Gebäude eine der Umgebung (vier Hauptstraßen) entsprechende äußere Ausstattung erhält. Durch die zentrale Lage im Mittelpunkt der Stadt ist dieser Bauplatz glücklich gewählt und bietet namentlich für den Betrieb bei nach allen Richtungen ebenen Straßen gleiche Vorteile.
* Stuttgart, 18. Mai. Kaum sind die Besitzer griechischer, portugiesischer und argentinischer Papiere einigermaßen zur Ruhe gekommen und schon wieder sind die Besitzer fremder Papiere, die Besitzer von Losen der Stadt Madrid, genötigt, den Rechtsweg zu beschreiten, da die spanische Residenz es nicht für nötig erachtet, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Die Besitzer derartiger „Lose" fremder Städte, welche durch Frankfurter Bankhäuser hier etnge- führt werden, rekrutieren sich zumeist aus den weniger bemittelten Klassen, welche derartige Lose von hausierenden Agenten aus monatliche Abzahlung erwerben. Dieses Jahr, welches, wie man uns aus Fachkreisen mitteilt, das württemb. Privatkapital empfindlich schädigt, bringt demselben zugleich eine sehr heilsame Lehre, nämlich die, daß eine Kapitalanlage in ausländischen Werten, deren Qualität zu prüfen der einzelne Privatmann gar nicht in der Lage ist, immerhin ein sehr gewagtes Unternehmen ist.
* Stuttgart, 19. Mai. Wie man sich erinnert, erregte seinerzeit das verbrecherische Gebaren des Bankiers Julius Bayer in Eßlingen, welcher durch einen betrügerischen Bankerott eine Menge kleiner Leute schwer geschädigt hatte, großes Aufsehen. Heute sprach nun das Gericht nach 2tägiger Verhandlung, in der 19 Zeugen vernommen wurden, den Angeklagten schuldig, in 8 Fällen Unterschlagung und 4 weiteren Fällen Veruntrenungen begangen zu haben. Für diese und 3 weitere Delikte erhielt Bayer eine Gesamtstraße von 3Vr Jahren Gefängnis nebst Sjährigem Ehrverlust. Wegen betrügerischen Bankerotts hat sich der Angeklagte vor dem nächsten Schwurgericht zu verantworten
* Heilbronn, 19. Mai. Vor der Strafkammer begann heute die Verhandlung gegen den suspendierten Oberbürgermeister Hegelmaier, sowie gegen Stadlpflezer Füger. Es handelt
sich um die Abfassung dreier Protokolle anläßlich der städt. Anlehensaufnahme im Jahr 1891 seitens des Stadtpflegers Füger, welche durch die Beurkundung des OBM. Hegelmater den Glauben erweckten, als sei letzterer bei dem Beurkundungsakt auf der Stadtpflege anwesend gewesen, obwohl Hegelmaier bei dem Beurkun- dungsvorgang nicht anwesend war. — Die Verhandlung endigte mit der Freisprechung beider Angeklagten unter Uebernahme der Kosten auf die Staatskasse. Die Staatsanwaltschaft hatte für Hegelmaier 4, für Füger 3 Monate Gefängnis beantragt.
* Von der Tauber- 18. Mai. Die Auswanderung nach Amerika ist dieses Jahr stärker wie je. Aus dem Amt Bischofshetm
sind seit 1. Januar über 100 Personen abge
reist. Ein einziger Agent beförderte anfangs dieses Monats an einem Tag 27 junge Leute, sämtlich aus Werbach und Umgebung stammend. Ein gleiches läßt sich aus den Bezirken Mergentheim und Wertheim berichten. Aus letzterem sind die meisten abztehenden wohlhabende Leute in jugendlichem oder kräftigem Mannesalter, welche dem neuen Vaterlande beträchtliches Kapital sowohl an Gelb als an Arbeitskraft zuführen.
(Verschiedenes.) In Stuttgart wird seit Samstag morgen der Hausknecht einer dortigen Käsehandlung vermißt. Man vermutet, daß er in einem Anfall von Irrsinn den Tod im Wasser gesucht habe. — In Neckarthai l- singen ist das Anwesen des Bauern Lepple und des Gemeindepflegers Kuhn abgebrannt.
Fräulein Mathilde Schlayer, Staatsministers Tochter, hat der Gemeinde Liebenzell zum Guß einer Glocke für den Kirchturm eine Schenkung von 3000 Mk. zugewendet. — Der Cigarrenhändler H. in der R.-Straße in Stuttgart hat unlängst sein Geschäft verkauft und unter Zurücklassung seiner Frau und eines Kindes mit einer andern Frauensperson eine Reise von unbekannter Dauer und Ziel angetreten. — Der Collin'sche Konkurs in Backnang hat ein recht ungünstiges Resultat ergeben. Martin Collin verfügte über eine Masse von 15797 Mk. 44 Pfg., die nicht bevorrechtigten Forderungen betragen 154285 Mk. 45 Pfg. Sein Bruder und Teilhaber Henry har eine verfügbare Masse von 746 Mk. 38 Pfg., nicht bevorrechtigte Forderungen 124 489 Mk. 94 Pfg. — In Donaurieden hat sich ein Schuster, um einer gerichtlichen Pfändung aus dem Wege zu gehen, erschossen. — Der frühere Hirschwirt K. in Heslach (Stuttgart) wurde mit seiner Frau und seinem Sohn wegen betrügerischen Bankerotts verhaftet und in das Amtsgerichtsgefängnis verbracht. Nicht weniger als 14 Fahnder waren dabei thätig, indem bei verschiedenen Bekannten des K. Haussuchung vorgenommen wurde.
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* lieber einen sensationellen Diebstahl berichten amtliche Bekanntmachungen. Danach sind dem Vorsitzenden desBerltner Männergesang-
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„Wir sind der Hemmschuh für ihre hochfliegenden, ehrgeizigen Pläne," entgegnete der Alte. „Bei den Qualen der ganzen Hölle! ich ärgere mich über deine kurzsichtige Dummheit. Hoffnung? Täuschung! Sehen wir dem Tode entgegen und verfluchen bas Leben, das keinen andern Zweck besessen hat, als schließlich auf dem Block zu enden. Ich wollte, ich hätte es vertrunken. He! Hollah!"
Er stand auf und polterte gewaltig gegen die Thür. Nach einigen Minuten öffnete sie sich und ein Edelmann trat herein und fragte, ob die gefangenen Fürsten etwas wünschten.
„Natürlich, du Narr!" ließ ihn Iwan Chowansky heftig an. „Ich lasse den Schuft, den Galitzin fragen, ob wir zuerst verdursten sollen, ehe man „Kops ab" spielt. Habt Ihr kein Geld, Wein zu kaufen, hier ist eine Kette, schwer genug, ein Oxhoft herbeizuschaffen. Was stehst du und starrst mich an? Hat dein Spatzengehirn nicht verstanden, was ich dir befohlen habe, Männchen?"
Der junge Edelmann stieß die ihm vor die Füße geschleuderte Kette zurück.
„Ich nehme kein Geschenk — zumal von Rebellen," versetzte er. „Wein werde ich senden."
Er verließ das Zimmer, welches zum Gefängnis diente, und hinter ihm folgte ein wahrer Strom von Schimpfwörtern aus dem Munde des Alten.
Jury suchte diesen vergeblich zu beruhigen und setzte sich endlich an das Fenster, um in die Nacht hinauszuschauen und sich seinen Gedanken zu überlassen. Dieselben nahmen ihn bald in einem Maße ein, daß er das wilde Toben seines Vaters nichl mehr vernahm. Die Hoffnung regte ihre kühnen Schwingen. Er hatte gesehen, wie Makom entkommen war, er wußte, daß er sich auf ihn verlassen konnte. Der Strelitz mußte jetzt schon lange in Moskau sein. Auf seinen Ruf ver
sammelten sich dann die Strelzi. Man greift zu den Waffen, man ordnet sich, man maschiert ab, um die geliebten Führer zu befreien. Noch ehe der Morgen erscheint, sind sie zur Stelle, die Treuen, die Befreier.
So träumt sein Geist und weiter steht er sich, wie er die Zarenfamilie nach Moskau zurückführt, wie er im Kreml der Zarewna Kathinka die Hand reicht, um sie in die Kapelle zu führen. Er ist der erste in dem weiten Reich.
Der Traum des Wachenden vermischte sich bald mit dem Traum, der sich im Gefolge des Schlafes befindet. Sein Haupt ruhte auf der Hand, seine Augen waren geschloffen und der ruhige Atem zeigte, daß er der Wahrheit entrückt war, daß er der Welt der Wirklichkeit den Rücken gekehrt hatte.
Aus diesem Zustand wurde er aufgerüttelt. Jury empfand einen stechenden Schmerz; sein Vater, welcher vor ihm stand, hatte eine der empfangenen Wunden unabsichtlich berührt. Jury blickte unwillig auf, als er aber das bleiche Gesicht seines Vaters bemerkte, erstarb ihm das Wort auf der Lippe.
Der Alte wies auf den Tisch. Dort stand Wein. Zwei Flaschen hatte Iwan Chowansky bereits geleert, zwei andere waren noch
unberührt.
„Jury, wie ist es möglich, daß du schlafen kannst?" rief er. „Nur noch wenige Stunden und dann ist es vorüber, und was im Sonnenschein vor uns lag, versinkt in Nacht. O, ich wollte, es wäre überstanden — und alles wäre geschehen."
„Vater, ich glaube nicht, daß die Todesjungfrau uns entführen wird."
„Ich wollte es würde so sein. Nein, es ist aus — das Beil, das entsetzliche —"
(Fortsetzung folgt.)