die regierenden Fürsten des Deutschen Reiches, deren Gemahlinnen und Witwen, ferner Briefe und Postkarten von den Mitgliedern der Re- gentenfamilie ohne sie als Einschreibebriefe zu behandeln besonders zu registrieren. Der prak­tische Effekt dieser Maßregel ist also eine Porto­vergünstigung, indem Briefe an die regierenden Fürsten u. s. w. nicht mehr als Einschreibbriefe aufgegeben zu werden brauchen.

* (Verschiedenes.) In Stolzeneck kam eine Frau mit den Haaren einer Dresch­maschine zu nahe, wodurch derselben die Kopf­haut vom Nacken bis zum Nasenbein vollständig abgerissen wurde. Im Postlokal zu Brett­heim wurde eingebrochen und aus der Postkaffe die Summe von 1000 Mk. entwendet; des­gleichen wurden in einer dortigen Wirtschaft durch Einbruch 30 Mk. gestohlen. In Sin- delfin gen fiel ein lljähr. Knabe so unglück­lich das Garbenloch herunter, daß er an den erhaltenen Verletzungen starb.

* Würzburg, 2. Sept. Der frühere Hof­prediger Stöcker will am 17. September im evangelischen Vereinshaus in Kitzingen eine Rede halten. Die dortigen Israeliten agitieren mit allen Kräften dagegen.

* Berlin, 1. Sept. Anläßlich des Ab­lebens Rislams Pascha's sandte der Sultan an Kaiser Wilhelm ein Beileidstelegramm, das mit folgenden Worten schließt:Majestät wür­den mich zu außerordentlichem Dank verpflichten, wenn Sie aus den Reihen Ihres so herrlichen Offizierkorps einen erwähnen wollten, den der scharfe Blick Ihrer Majestät als fähig erkannt haben, den uns Allen zu früh Entrissenen zu ersetzen und dessen Werk fortzuführen."

* Berlin, 2. Sept. Die Meldung, daß militärische Mehrforderungen in Aussicht stehen, dürfte sich bestätigen, und zwar sowohl einma­lige als dauernde.

* Berlin, 2. Sept. Die zur Bekrönung des Kuppeldaches des Reichstagsgebäudes be­stimmte kupfergetriebene Kaiserkrone, welche ge­stern aufgebracht worden ist, wurde heute in aller Frühe von den Gerüsten'befreit; sie bildet nun im Glanz der strahlenden Sonne einen herrlichen Schmuck des gewaltigen Bauwerks.

* Berlin, 2. Sept. Die Getreidezufuhr nach Berlin war nach offiziösen Meldungen in den letzten Tagen so stark, daß wegen Ueber- füllung der Getreidespeicher im schlesischen Bahn­hof bahnamtliche Entladungen nicht mehr mög­lich waren.

* Berlin, 3. Sept. Der Kaiser schenkte den Bauarbeitern der Garde du Corps-Kaserne in Potsdam, nachdem er sich mit ihnen unter­halten. 400 Mk.

* Ein Besuch des Kaisers in Ostpreußen steht, wie aus Königsberg verlautet, noch für diesen Herbst bevor. Der Kaiser gedenkt nämlich am 21. September in Theerbude einzutreffen. Bis zu diesem Termin dürfte auch der Bau des kaiserlichen Jagdhauses dortselbst, dessen Fort­

schritten infolge der ungünstigen Witterung bis­her beträchtlich behindert worden, fertig gestellt werden. .

* Der Zusammenkunft des Kaisers Wilhelm gelegentlich der österreichischen Manöver vom 3. bis 7. September mit Kaiser Franz Josef auf Schloß Schwarzenau wird von der 'österreichi­schen Presse diesmal eine ganz besondere Be­deutung beigelegt. Der löbliche Gebrauch, schreibt dieNeue Fr. Pr.", das deutsch-österreichische Bündnis durch häufige und regelmäßig wieder­kehrende persönliche Berührung der Monarchen zu unterstützen und im Gedächtnisse der Zeit­genossen lebendig zu erhalten, hat Kaiser Wil­helm II. von seinem Großvater ererbt und mit der Krone übernommen. Der deutsche Kaiser wird ein willkommener und gerade im gegen­wärtigen Augenblick mit verdoppelter Freude und Genugthuung begrüßter Gast auf öster­reichischem Boden sein. Was wäre auch bester geeignet, den bangen Druck zu verscheuchen, der seit den Kronstädter Festen auf den Gemütern lastet, was könnte in der nicht zu leugnenden Unsicherheit der europäischen Lage eine festere Stütze, eine zuverlässigere Richtschnur gewähren, als der Anblick der die Ausbildung ihrer Heere überwachenden Träger des mitteleuropäischen Bundes! Nach dem überschwänglichen Austausch von Zärtlichkeiten zwischen der Republik und der Despotie, von dem der Besuch der franzö­sischen Flotte in Rußland begleitet war, nach den Ausbrüchen des Chauvinismus, welche bei­derseits darauf gefolgt sind, inmitten der dum­pfen Gerüchte, welche Europa durchschwirren und angesichts der neuerdings wieder verstärkten Rüstungen bedürfen die Völker einer Beruhigung. Wenn die beiden Kaiser von Oesterreich und Deutschland, umgeben von ihrem diplomatischen und militärischen Stabe, in Schwarzenau sich wieder begrüßen, so wird dies zu den Toasten des Admirals Gervais und zu der Abgötterei, die mit der russischen Hymne in Paris getrieben wird, einen wohlthätigen Gegensatz bilden. Je weniger man weiß, ob und was für ernste Ver­abredungen diesen Gefühlsausbrüchen zugrunde liegen, desto wichtiger ist es zu wissen, daß das Bündnis, dessen Inhalt jedermann kennt, in un- geschwächter Kraft forrbesteht, und je unver­ständlicher und verdächtiger die Versicherung klingt, die russisch-französische Freundschaft diene dem Frieden, desto wohlthuender wird es wirken, die beiden Reiche geeinigt zu sehen, deren Bund seit 12 Jahren sichtbare Beweise liefert, daß er ein Friedensbund ist.

* Zur Roggenteuerung schreibt dieKöln. Ztg.":Deutschland verbraucht nach Abrech­nung des Saatguts jährlich ca. 5,500,000 Ton­nen Roggen. DerReichs-Anzeiger" berechnet für Winterroggen 82 Prozent einer Mittelernte, die zu 1313 Kilogramm für den Hektar ange­nommen wird. Die Anbaufläche für Roggen beträgt in Deutschland annähernd 6 Millionen Hektar. Darnach wären in Deutschland weit über 6 Millionen Tonnen Roggen gewachsen,

nicht abhalten, trotzdem wirklich jedermann drin­gend beschäftigt ist, sei es mit Vorbereitungen zum landwirtschaftlichen Fest, sei es mit drin­genden Ernte-und Berufsgeschästen, den Tag von Sedan durch eine Er-innerungs- feier zu begehen. Dieselbe wurde am Mitt­woch abend im Gasthof zumgrünen Baum" abgchalten und war die Beteiligung eine immer­hin ansehnliche. Unser verehrter Herr Stadt­pfarrer Hetterich hielt eine tiefempfundene Ansprache, in welcher er zunächst von dem groß­artigen Waffenerfolg des deutschen Heeres an jenem Tage und von der Freude, welche die deutschen Truppen beim nachherigen Ruhen der Waffen auf dem Kampfplatze beseelte, ein ge­winnendes Bild vor Augen führte. Dann rich­tete der Herr Redner eine beherzigenswerte Er­mahnung an die Versammlung, betonend, was uns frommt, um unter den heutigen Verhält­nissen hoffnungsvoll in die Zukunft schauen zu können, nämlich eine getreue Hingabe eines je­den Einzelnen ans liebe Vaterland. Schließlich gedachte Redner in ehrenden Worten der ver­storbenen Krieger, insbesondere des geistigen Kriegers und gewaltigen Helden Moltke. Hr. Buchbinder Schüller toastete auf den frühe­ren Reichskanzler Fürsten Bismarck und der Liederkranz verlieh der Feier eine besondere Weihe durch seine erhebenden patriotischen Ge­sangsvorträge. Möge nie vergessen werden, welch' großen Dank wir den gefallenen, Heimge­gangenen und noch lebenden Kriegern schulden !

* Bei der am 2. ds. in Nagold stattge­fundenen staatlichen Viehprämiierung haben fol­gende Viehbesitzer Prämien erhalten: X. für Farren: 4. Preise: Joh. Köhler, Farrenhal- ter von Mindersbach und Farrenhalter Mohr­hardt von Ueberberg je 60 Mark; L. für Kühe: 2. Preis: Müller Schill, Altensteig 100 Mark; 3. Preise: Rueff, z. Rößle, Spiel­berg und Lutz, zur Post, Nagold, je 80 Mark; 4. Preise: Link auf Tröllenshof, Schmied Manz, Walddorf, Posthalter Schrafft, Altensteig, Hirsch­wirt Kleiner, Gültlingen, Reichert, zur Kloster­mühle, Wildberg je 60 Mark. Erste Preise wurden nicht vergeben.

* Am Montag ereignete sich in Schopfloch ein bedauerlicher Unglücksfall, der fast einzig in seiner Art sein dürfte. Ein etwa 20jähriger Knecht der beim Oehmdabladen beschäftigt war, wollte vom zweiten Heuboden auf den ersten springen und fiel dabei auf einen aufrechtstehen­den Heurupfer ähnlich einer Harpune der ihm tief in den Unterleib eindrang. Dem schnell herbeigerufenen Arzt von Dornstetten gelang es in kurzer Zeit, den fremden Eindringling zu beseitigen, so daß der Verletzte in das Kran­kenhaus Freudenstadt übergeführt werden konnte. Wenn keine Blutvergiftung eintritt, so dürfte das Leben des Verunglückten erhalten bleiben.

* Das Ministerium der Verkehrsanstalten er­läßt lautSchw. B." eine interessante Bekannt­machung. Danach sind, wenn die Nachricht richtig ist, sämtliche Briefe und Postkarten an

entsetzliches Ende hatte der Sohn seines Wohlthäters, der Freund, den er verraten wollte, gefunden! Er war so erschüttert, er hatte gute Lust, seine eigenen Vergehen, seinen Frevel an dem Jugendgenoffen laut hinaus­zuschreien und sich selbst anzuklagen. Aber aus seiner Kehle rang sich nur das Schluchzen, das auch rings um ihn her laut wurde.

Im Vestibül erschienen jetzt einige Männer, die zwn Feuerwehr­leute die Treppe herabtrugen. Brachten sie da schon die ersten Leichen? Nein, es waren nur ohnmächtige Löschmänner, die der Anblick des am Eingänge zur vierten Galerie sich ihnen darbietenden Schauspiels besin­nungslos gemacht hatte.

Andere, standhaftere stürmten totenbleich herab und schrieen nach Trägern und Bahren. Was sie von oben berichteten, machte das Blut in jeder Ader gerinnen.

Eine Viertelstunde später wurden die ersten Leichen herausgeschafft, denen bald mit erschrecklicher Schnelligkeit andere nachfolgten. Die meisten dieser Toten waren verkohlt und bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Im Hofe der zwei Häuser der neben dem Ringtheater gelegenen Polizei­direktion, wo die Leichen für die erste Nacht untergcbracht oder vielmehr wie Holz auseinander geschichtet wurden, war eine besondere Ecke für die Unmasse von abgerissenen Gliedmaßen und buchstäblich abgequetschten Rumpftcilen der Verunglückten reserviert.

Indessen herrschte in der Menge auf der Straße ein herzzerreißendes Wehklagen. Hier sammelten sich die Geretteten, die ihre Angehörigen noch im Theater wußten. Einige unternahmen das verzweifelte Wagnis, in die Brandstätte zurückzukehren, um diesen oder jenen ihnen Teuren z« suchen und kehrten gewöhnlich samt dem Vermißten nicht mehr zurück.

Sormann fühlte seine Kniee wanken, lein Körper zitterte mit jedem Nerv. Er konnte sich kaum noch aufrecht erhalten.

Halb bewußtlos drängte er sich durch die Menge. Er lenkte in

das Thor des unmittelbar neben dem Ringtheater liegenden Hotel des France ein. Mühsam schleppte er sich bis zur Portierloge.

Nachdem ihn ein Trunk erfrischt, bestellte er ein Zimmer, in das er sich augenblicklich zurückzog.

Zum Glück für ihn dachte weder der Portier, noch der Zimmer­kellner oder sonst wer an diesem Abend daran, dem Gast das Fremden­buch vorzulegen. Sormann würde unter dem Eindruck des Entsetzlichen sicher nicht an seinen Fluchtplan und an das, was dieser erforderte, ge­dacht haben.

Von einer Art Betäubnng überwältigt, warf er sich von allen Kleidern, ohne auch nur Licht zu machen, auf das Bett des ihm ange­wiesenen Zimmers und verfiel sofort in einen dumpfen Schlaf.

So endete für Sormann der 8. Dezember 1881, jener Tag, der in der Chronik Wiens für ewig mit unauslöschlichen Lettern vermerkt ist.

X.

Als Sormann am nächsten Morgen das Hotel verließ, hatte die gestrige Aufregung wieder seiner ruhigen Ueberlegung Platz gemacht. Wie lächerlich erschien ihm jetzt das Gefühl, das ihn gestern angesichts der furchtbaren Katastrophe überwältigt und beinah« alle seine so raffi­niert zusammengezimmerten Projekte über den Haufen geworfen hatte.

Ganz im Gegensätze zu seinen gestrigen seldstanklägertschen Anwand­lungen war in ihm heute morgen eine Idee gereift, die ihm großartig erschien und alle die Hoffnungen zu halten versprach, die er darauf setzte.

Auf der Straße angelangt, lenkte er seine Vchritte nach der nächst­besten Barbierstube, wo er sich feinen Bart abnehmen ließ. Jetzt paßte das Signalement des Passes aufs genaueste.

Nachdem dies geschehen, bestieg er einen Fiaker, dem er die kurze Weisung gab:Polizeidirektion Schotteurmg!"

(Fortsetzung folgt.)