Blättern aus Warschau berichtet, findet aus Mittel-Rußland eine massenhafte Auswanderung statt. Die zunehmende Notlage und die Furcht vor Hungersnot und Epidemien haben eine be­denkliche Bewegung hervorgerufen, welche die Regierung nicht einzudämmen veruröge. Aus dem Bezirke Lomza seien in der letzten Woche 500 Männer unter Zurücklassung ihrer Frauen und Kinder auSgewandert.

In Agram dauern die Kundgebung» für die Vereinigung Dalmatiens mit Kroatien und die Errichtung eines großkroatischen Königreiches fort. Ein Redner in einer Wählerversammlung forderte die Wähler auf, den Abgeordneten die Pflicht aufzuerlegen, nicht nach Wien in den Aeichsrat, sondern nach Agram in den Landtag zu gehen. Auf Antrag Starcrwitschs wurde «in Sympathie-Telegramm an die Tschechen -abgesandt.

* Pa r is, 29. Aug. Ein ehemaliger ita­lienischer Offizier, Namens Rochinellt, wurde wegen Spionage in seiner Wohnung verhaftet und eine umfangreiche Korrespondenz bei ihm beschlagnahmt. Rochinelli wurde seit drei Mo­naten von der Polizei gesucht.

* DerGaulois" will wissen, daß die im Frühjahr abgebrochenen Unterhandlungen wegen der russischen Anleihe in der zweiten Hälfte deS September wieder ausgenommen werden würden. <Ob die neue russisch - französische Freundschaft bis an den Geldbeutel geht?)

* Riga, 27. Aug. Die Provinz Livland, wo 2 Millionen Pud Roggen liegen, bot der Regierung eine Million Pud als Darlehen für die notleidenden Gouvernements an.

* In derRigaer Senatszeitung* werden die Namen der 65 Personen (meist deutsche) veröffentlicht, die aus der russischen Unterthanen- schaft entlasten sind; darunter befinden sich auch sehr viele Balten, wie Baron Viktor v. Behr und Max v. Oetlingen, einer der ehemaligen Hauptführer der Riga'schen Opposition gegen die Äusstfizierung der baltischen Provinzen.

* Die Agitation gegen das Roggenausfuhr­verbot tritt jetzt deutlicher hervor. Der Nattonal- Oekonom Professor Jstagew erklärt, Deutschland, Holland, Norwegen und England seien reich genug, um nicht, wie die armen, russischen Bauern, Baumrinde und Lindenblätter zu essen, sondern kauften anderweitig Weizen. Infolge der Unmöglichkeit rechtzeitiger Beförderung der ungeheueren Roggenmenge erfolgten in Wilna in den letzten Wochen täglich Zahlungs - Ein­stellungen großer Getreidegeschäfte. Die russi­sche Regierung verbot auch die Einführung der bisher zollfreien kleineren Mehlmengen.

' (Die Hungersnot in Rußland.) Erst neuer­dings erfährt man genauere Einzelheiten über die furcht­

bare Not, welcher ein großer Teil der russischen Bevölkerung ausgesetzt ist. Ein Priester namens Filomanoff berichtet über das von ihm im Gouvernement Kasan gesehene Elend, und sein« Berichte erregen überall daS größte Aufsehen zumal er auf Grund der Geschauten die berechtigt« Ver­mutung aufstellt, daß daS Elend weit verbreitet sei. Von dem .Massensterben", wie er ei nennt, giebt er nur ein­zelne Züge: .Vorgestern trat ich eine Wanderung durch dar Dorf Naredey an. In der ersten halben Stunde be­gegnete ich IS Leuten, die mit dem Tode rangen. Ein altes Mütterlein starb vor meinen Augen. Die meisten von den Hungrigen hatten seit acht Tagen kein Stückchen Brot mehr gesehen. Fahlen Angesichts, mit trübem Auge blickten mich die Unglückliche» au. und manche derselben hatten nur noch die Kraft, die Hände nach dem er» sehnten Brot auSzustrecken. Nur die wenigsten find so glücklich, diese» ihren Wunsch «füllt zu sehen. Sie sterben, ehr dir Hilse kommt. Und je weiter ich in das Dorf ging, desto mehr Elend bekam ich zu sehen. Bor den ein» zelnen Häusern, am Straßenrain, vor der Kirche und an anderen Plätzen erblickte ich zahlreiche bleiche, abgemagerte, krankhafte Gestalten. Aus jeder Mene dieser Leute sprach Hunger und Entbehrung. Ein Teil derselben zeigte sich ganz teilnahmslos. Mit einer dumpfen Gleichgültigkeit stierten die Armen vor sich hin, ergeben in daS Schicksal. Andere gebärdeten sich wieder wie rasend und verzweif- lungSvoll. Sie sprangen wie sinnlos von einem Platze auf den anderen, tobten und schrieen krampfhaft: .Brot! Brot! Laßt uns nicht sterben!" Die Mütter, deren Kinder schon zum Teile der Hungersnot zum Opfer gefallen sind, hören nicht auf zu jammern. Als ich ihnen etwas Nah­rung reichte, da gaben sie vorerst von dem Brot den hungerskranken Kindern zu essen, und erst dann suchten sie ihren Hunger zu stillen. Alles, was eßbar ist, ist schon längst aufgezehrt. Solange es noch Kräuter und Beeren gab, da ging es leidlich gut. Endlich waren auch diese Nahrungsmittel ausgezehrt. In der Not verfielen die Dörfler auf neue Ideen, ihren Heißhunger zu stillen. Sie trockneten Lindenblätter, zerrieben dieselben in Küchen­mörsern und bereiteten dann einen Brei daraus. Ein solcher Brei bildete durch 14 Tage die ausschließliche Nah­rung der ganzen hiesigen Bevölkerung. Auf die Dauer konnte diese Speise nicht das mangelnde Brot ersetzen. Hilfe war nur spärlich vorhanden und es begann das große Sterben. Die Hungersnot machte im hiesigen Kreise während der letzten acht Tage solche Fortschritte, daß in einer einzigen Ortschaft von liO Familien 47 ganz aus­gestorben sind. Schleunigste Hilfe ist das dringendste Ge­bot der Notwendigkeit, damit diesem unbeschreiblichen Elende wenigstens teilweise Einhalt gemacht wird. Zwar haben sich schon einzelne Gesellschaften zur Unterstützung der Notleidenden gebildet. Die Mittel derselben sind jedoch bei weitem unzureichend. Daß sich im Gefolge der Hungersnot auch verheerende Krankheiten eingestellt haben, ist leider auch gewiß. Kurz, Rußland leidet im Innern schwerer, als man bisher angenommen hat.

* Belgrad, 27. Aug. Aus Plevlje wird berichtet, daß der Gouverneur von Novibazar im Einverständnis mit dem österreichischen Civil-Commissär die Entwaffnung der Bevölker­ung vornehmen wollte, jedoch angesichts des heftigen Widerstandes der Bevölkerung diesen Plan aufgab.

* Belgrad, 29. Aug. Unter der Kavallerie der Sabaver Division drohte eine Meuterei aus­zubrechen. Die Rädelsführer wurden verhaftet.

* Konstantinopel, 27.Aug. Der Kriegs­minister unterhandelt seit gestern mit der fran­zösischen GesellschaftMeffageries Maritimes*

behufs zeitweiliger Ueberlafsung von Pier groß» Dampfern zum Transport von Truppen und Kriegsmaterial nach Jemen.

* Die Getreide-Zufuhr aus den Ber. Staa­ten von Nordamerika dürfte demnächst ein» großartigen Umfang annehmen. Wie aus Phi­ladelphia gemeldet wird, werden durchschnittlich 800,000 Bushel Weizen täglich in den atlan­tischen Häfen der Ver. Staaten zur Ausfuhr nach Europa verladen. Man berechnet, daß bis Ende Septbr. noch 40 Mill. Bushel (S Bushel 1 Hektoliter), nach Europa, geßchickk-^verden. In Kansas Eich find ungeheure Wckzeatrans- porte angekommen. Die Eisenbahnen find mit langen Weizenzügen bedeckt und die Getreide- Elevatoren mit Weizen gefüllt.

* Nach einer Meldung aus New«Iork ist zwei Meilen von Statesviüe in Nord-Caro­lina ein Expreßzug der West-Compagnie von Nord-Carolina von einem Viadukt 80 Fuß hoch in den Eatanbafluß herabgestärzt; fast sämtliche Waggons und Maschinen wurden zertrümmert. Die Zahl der Toten und Verwundeten wird auf über 200 geschätzt. Bisher find 4L Leich» aufgefunden worden.

* Washington, 29.Aug. Eine amtliche Depesche Mac Creery's, des amerikanischen Kon­suls in Valparaiso, meldet die Niederlage der Regierungstruppm. Die Verluste find beider­seits groß. Die Stadt übergab sich den Geg­nern, jedoch in die Hände der amerikanischen, deutschen, französischen und englischen.Admirale behufs Ausrechthaltung der Ordnung. Mit San­tiago ist keine Verbindung. Die Gegner besetzen die Stadl.

* NewDork, »0. August. (Telegramm d.Aus d. T.*) Heralddepefche: G»u- tiago kapitulierte, die So»gr«sfistr» er- ränge« einen vollständigen Lieg.

Handel und Verkehr.

* Horb. 28. Aug. Die Hopfenpflanzungen haben sich in den letzten warmen Tagen zusehends erholt und dürfte die Ernte der Früh- oder Deutschen Hopfen Montag beginnen.

* Tettnang, 28. Aug. (Hopf»). Bei war­mem, trockenem Wetter konnte seit Montag die Ernte ungestört vor sich geh» und ist nun be­reits so viel trockene Ware vorhanden, daß täg­lich große Wagen das Produkt nach der Sta­tion Meckenbeuren bringen. Bezahlt wurden in den letzten Tagen 8090 und 90100 Mk. per Zentner.

* Untertürkheim, 28. Aug. Bei dem gestern stattgehabten Verkauf des Gemeindeobstes wurde aus dem zu 160 Stmri geschätzten Er- trag 245 Mk. erlöst.

Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.

Meiisteigcr Lokalbahn.

UtmlilW « MOreckilrn.

Die Montierung von ca. 1500 lfo. w Röhren auf den Sicher­heitssteinen an der Staatsstraße von Nagold nach Altensteig wird im Ganzen oder in Abteilungen vergeben.

Die Röhren und Rohrhalter liefert die Bauverwaltung; die näheren Bedingungen können auf der Kanzlei der unterzeichnet» Stelle eilige) chen werden.

Tüchtige Meister wollen Angebote auf diese Arbeiten, enthaltend den Preis Pr. lfd. w bis

Montag den 7. September ö. Is.,

vormittags II Uhr

hieher einreichen. Zu dieser Zeit findet die Oeffnung der Angebote statt, der die Bewerber anwohnen können.

Nagold, den 30. Aug. l891.

K. Kisenbaynbaufektion.

K ü b l e r.

ßMimirtschaMn KeMs- ornia Nagold.

.1

am 5. Sept. d. I. in Altensteig.

Die Ausstellungsgegenstände sowie die Gegenstände für die Lotterie werden von Hrn. Buchbüldermeister Schulter in Altensteig über­nommen.

DieAusstellungsgegen stünde müssen

spätestens am Freitag den 4. k. Mts. nachmittags übergeben werden.

Die Lolternegcgenstände sind spä­testens am 3. Sept. d. I. in Alten­steig abzugeben.

Die Abgabe der Lotteriegewinnste erfolgt nur gegen Vorzeigung der Loosnummer.

In die Commission für Abgabe der Lotteriegewinnste wurden gewählt: Herr Buchbinder Schüller, Altensteig.

K.-A.-Dimer Metz, Altensteig.

Jnciplent Luz, Altensteig.

Tuchmacher Frick, Altensteig.

Simmersfeld-Gaugenwald.

Genannte Herren werden ersucht,

alsbald nach Bekanntgabe des Lot­terieergebnisses in Fuuknon zu treten. Nagold, den 29. Aug. 1891.

Der Bereinsvorstaud

vr. Gugel.

100,000 Säcke

für Kartoffel«, Getreide, einmal gebraucht, groß ganz u«d stark L 25 u. 30 Psg. Probebaltcn von 25 Stück Vers. unt. Nachnahme und bittet Angabe der Bahnstation Mas Wendershausen, Köthen i. Anhalt.

Revier Pfalzgrafenweiler.

Brennholz-Berkaus

am Ireitag de« 4. Septbr. vorm. 10 Uhr

auf dem Rathaus in Pfalzgrafen- weilcr aus Abt. 7 Baumptatz, 10 Ncugrcut, 13 Leimenwald, 52 Oberes Finstergrüble, 91 Saiblestetch, 121 Eschenweth, 124 Kreuzweg; Nur.: 20 buch. Scheiter, 99 dto. Abfall, 33 Nadelholzschetter, 12 dto. Prügel, 1032 dto. Anbruch, 580 mumme Brennrinde.