Betrunkenen geistige Getränke verabreicht haben, muffen dafür sorgen, daß er nach Hause oder aus eine Polizeistelle geschafft wird. Geistige Getränke dürfe« auf Borg nicht verabreicht werden. Forderungen für Getränke, welche auf Borg verabreicht find, können nicht eingeklagt werden. Wer infolge von Trunksucht seine An­gelegenheiten nicht zu besorgen vermag oder die Sicherheit anderer gefährdet, kann entmündigt «nd in einer Trinkerheilanstalt untergebracht werden. Zuwiderhandlungen der Kleinhändler und der Gast- und Schankwirte werden mit Geldstrafen bis zu dreißig, sechzig, auch hundert Mark und mit Hast bis zu vier Wochen be­droht. Mit Geldstrafe bis zu hundert Mark oder mit Haft bis zu vier Wochen wird be­straft, wer in einem selbstverschuldeten Zustande SrgerniSerregender Trunkenheit betroffen wird.

Das ist in der Kürze der Inhalt des Trunksuchts-Gesetz-Entwurfs.

LaadeSvachrichtea.

* Altenstetg, "30. August. In Edel- weil er wurde heute Sonntag nachmittag ein 12jähr. Knabe, Sohn des Holzmachers Seeger, zu Grabe getragen, welcher auf recht bedauer­liche Weise sein Leben verlor. Eine Anzahl Knaben vergnügte sich am vorletzten Sonntag nachmittag in der Nähe des Ortes im Walde Edelhalde und hüpfte über gefällte Tannen. Plötzlich geriet ein Stamm ins Rollen und traf besagten Knaben, wobei ihm der eine Ober­schenkel abgeschlagen und auch innerliche Ver­letzungen zugefügt wurden, denen das junge Leben nach einigen schweren Schmerzenstagen erlag. Allgemeine Teilnahme wendet sich der schwerbetroffenen Familie zu. Ein zweiter Knabe, welcher vom gleichenZStamm getroffen wurde, kam glücklicherweise mit unwesentlichen Verletz­ungen davon.

* Bekanntlich ist den modernen Weltverbesse­rern, den Sozialdemokraten, auch die Stück- und Akkordarbeit ein Dorn im Auge und wird als eine Lohnform bezeichnet, welche die Ausbeutung des Arbeiters vermehre. Das ist eine Behaup­tung deren Verkehrtheit und gehässige Tendenz jeder halbwegs Vernünftige einsteht. Es ist von jeher so gewesen und muß billigerweise auch ferner so bleiben, daß derjenige, welcher etwas besser kann und will, eine seiner Leistung entsprechende Bezahlung erhält. Es wäre eine eigentümliche Zumutung an den Arbeitgeber, wenn er den Unfähigen oder den Faulpelz aus feiner Tasche oder auf Kosten der brauchbaren und fleißigen Arbeiter für eine Arbeit belohnen müßte, die von demselben nicht gethan wird. Gerade die Akkordarbeit sollte von den Arbeitern hochgehalten werden, was übrigens trotz des Geschreis der Leithämmel auch im großen Gan­zen geschieht. Sie ist nicht nur ein Sporn zur Aneignung möglichst großer Leistungsfähigkeit, sondern verschafft auch demjenigen den Lohn, welcher ihn wirklich verdient hat, während bei

der TaglohnDarbeit nicht selten ein geriebener Tagedieb sich den Löwenanteil zu sichern versteht.

* In der Stuttgarter Stiftskirche fand kürzlich unter großer Beteiligung seitens der Gläubigen das heurige Bibelfest statt. Aus dem erstatteten Jahresbericht geht hervor, daß das abgelaufene Vereinsjahr seit dem Bestehen der Anstalt eines der fruchtbarsten war. Im Ganzen wurden bis jetzt nahezu zwei Millionen fertige Schriften an Brautpaare, Konfirmanden, ärmere Schulkinder, Soldaten, Rettuugshäufer, christliche Vereine, Kirchen, Schulen, Gefängnisse u. drgl. tells unentgeltlich, teils zu herabge­setzten Preisen verteilt. Demnächst wird eine Bibelauflage in der Duallasprache gedruckt.

* Urach, 26. Aug. (Der Gemeinderat «nd der Konsumverein.) In unserer industriereichen Stadt ist vor einiger Zeit ein Konsumverein ins Leben gerufen worden. Der Gemetnderat hat indessen geglaubt, Stellung gegen diese Gründung nehmen zu sollen, und beschlossen, »er erwarte von jedem, der aus der Stadt­kasse Gelder beziehe, daß er dem Konsumverein nicht beitrete". Die Eröffnung dieses Beschlus­ses muß jeder Geldempfangende auf der Stadt­pflege bescheinigen.

"(Verschiedenes.) In Rutesheim hat sich ein 22jähr. Mädchen ertränkt. Ein Flaschnermeister von Aalen erbte von einem Onkel in Amerika die Summe von 25,000 Mk. Eine Frau E. von Göppingen wollte aus dem noch nicht stille stehenden Eisenbahnwagen aussteigen, kam jedoch zu Fall und wurde eine Strecke weit geschleift; außer einigen unbedeuten­den Hautschürfungen und gänzlich zerrissenen Kleidern kam die Frau mit dem Schrecken da­von. InKlein - Süßen scheinen durstige Seelen ihr Dasein zu fristen. Der Ort hat nämlich 32 Bürger und besitzt nicht weniger als fünf Wirtschaften. Trotzdem fanden die dortigen hochwohlweisen Gemeinderäte, daß dem Bedürfnis an Wirtshäusern noch nicht voll und ganz Rechnung getragen sei, denn sie beschlossen, ein Gesuch um Gewährung der Konzession zur 6. Wirtschaft zu befürworten! Ob das Ober­amt seinen Segen dazu giebt? Im Bahn­hofabtritt zu Stuttgart hat sich am Freitag abend ein unbekannter Mann erschossen. In Heilbronn wurde am Freitag die Leiche der seit einiger Zeit vermißten 20 Jahre alten Friederike Schmiv von Zaberfeld geländet. In der Nonnenmacher'schen Mühle zu Calw geriet ein 16jähriger Schuhmacherlehrling beim Suchen nach Mehlwürmern unter den in Be­wegung gesetzten Fahrstuhl, wodurch ihm der Kopf ganz zerdrückt wurde und der Tod fast augenblicklich eintrat. In Ebingen fiel ein Schlossermeister in einem neuerbauten Ma­gazin drei Stockwerke hoch herunter und erlitt hiebei derartige Verletzungen, daß er andern Tags denselben erlag. Ein Kaufmannslehr­ling von Oehrtngen, welcher für seinen Prin­zipal Geld einkassieren sollte, ist mit einigen Tausend Mark durchgebrannt.

* Kaiser Wilhelm wird am 7. September von den österreichischen Manövern 9 Uhr abends in München eintreffcn. Die Abreise von München erfolgt am 11. September nach Kassel, wo der Kaiser am Abend eintreffcn wird. Die große Parade findet, wie schon bekannt ist, am 9. Sep­tember, die großen Manöver am 10. und N. September statt.

" Berlin, 28. Aug. Wie aus Warschau berichtet wird, wurden vom 11. bis 26. Aug. über 60000 Tonnen Roggen aus dem Sönigr. Polen nach Preußen vermittelst der Bahnen ab­geladen. Gestern fiel der Roggenpreis auf de» polnischen Märkten um ein beträchtliches.

"Berlin, 29. Aug. In Sansibar ist seit 1. Aüg. die deutsche Postagcntur geschloffen, da das Postwesen vertragsmäßig an England übergeht.

* Berlin. Bei mehreren Garde-Regimen­tern soll der Befehl erteilt worden sein, »daß jeder Soldat, welcher sein Brot verkauft, mit 3 Tagen Arrest bestraft werde."

* Die »Nordd. Allg. Zeitung" bespricht den in der »Presse" aufgetauchten Vorschlag, daß die Reichsregierung ermächtigt werde, Roggen und Weizen zollfrei einzuführen und das auf diese Weise eingeführte Getreide dem inländischen Konsum zum Selbstkostenpreise zur Verfügung zu stellen. Das Blatt hält diesen Vorschlag aus entscheidenden inneren und rechtlichen Grün­den für undurchführbar; die Verwirklichung des Vorschlags würde, ohne den erhofften Nutzen zu bringen, eine schwere Schädigung unserer landwirtschaftlichen Verhältnisse zur Folge haben.

* Eine grauenhafte That vollbrachte die Ehe­frau des Schneidermeisters K. in Nordhausen. Dieselbe versuchte, sich und ihre drei Kinder (im Alter von 11, 9 und 3 Jahren) in der Helme zu ertränken. Ein Opfer des Wassers wurde nur das drei Jahre alte Mädchen; der neun­jährige Knabe kroch selbst wieder aus dem Flusse und das älteste Kind, sowie die Mutter wurden von einem zufällig hinzukommenden Manne noch lebend herausgezogen.

Ausländisches.

* Wien, 26. Aug. Bei dem Einsturz des Kirchturms in Pörtschach wurde ein Tischler- geselle unter den Trümmern begraben. Heute nun wurde derselbe lebend hervorgezogen, nach­dem er 72 Stunden verschüttet war.

* Wien» 27. Aug. Morgen erscheint hier eine Broschüre, welche eine Mehrforderung des Kriegsministers im Betrage von 1618 Mil­lionen fl. motiviert und in Aussicht stellt.

* Wien, 28. Aug. Nach den bisherigen Anordnungen trifft Kaiser Wilhelm zur Teil­nahme an den Manövern am 3. Sept. früh in Horn ein. Am 7. Septbr. erfolgt nach dem Schluß der Manöver die Abreise nach München. Der König von Sachsen und Prinz Georg treffen am 2. Sept. zu deu Manövern ein und reisen nach Dresden am 7. Sept. zurück.

'Wien, 28. Aug. Wie man galizischen

Empfehlungsschreiben an meine Chefs senden. Du kannst gewiß sein, daß du die fragliche Stelle erhalten wirst. Ich schmeichle mir, soweit das Vertrauen meiner Vorgesetzten zu besitzen, daß ich auf Gewährung meiner Bitte rechnen kann."

Er legte die Hand auf das kleine Lederportefeuille, das Marfeld noch immer vor sich liegen hatte. Robert schob es ihm zu, nachdem er sein Theatcrbillel herausgenommen.

»Nimm," sagte er eifrig, »nimm, es enthält alle die Papiere, die ich noch habe. Du kannst mir das Täschchen morgen zurückstellen. Heute drängt mich noch meine Verpflichtung ins Theater. Können wir uns vielleicht noch nach der Vorstellung sehen?"

»Ich glaube nicht." sagte Heinrich, das Täschchen mit gleichgül­tiger Bewegung zu sich steckend,ich will sofort daran gehen, nach Hause zu schreiben. So lange als die Erledigung auf sich warten lassen kann, werde ich höchstwahrscheinlich noch hier bleiben. Wir können uns, wenn es dir beliebt, vielleicht morgen um die gleiche Stunde wie heute hier in diesem Cafe zusammenfinden."

»Gut, ich komme!" Robert schlug in seine Hand ein und erhob sich.

Jetzt verzeihe, es ist bereits zwanzig Minuten vor Beginn der Offenbachschen Operette, der ich heute applaudieren soll. Wenn ich auf der letzten Galerie noch einen halbwegs erträglichen Platz finden will muß ich mich sputen!"

Sormann stand auf, bezahlte die gemeinschaftliche Zeche und begleitete den Freund, gegen den er den schwärzesten Verrat plante, auf die Straße. Hier zog schon von allen Seiten eine große Menschen­menge nach dem prächtigen Gebäude des Ningtheaters. Sormann ging die wenigen Schritte bis dahin mit Robert zusammen. Erst im Vesti­büle verabschiedete er sich von ihm mit herzlichem Händeschütteln. I

Kaum war Marfeld in der nach der Aufgangstreppe drängenden!

Menge verschwunden, so lenkte Sormann seine Schritte wieder nach dem üaffeehause, das er eben erst mit seinem Begleiter verlassen hatte.

Das Lokal war fast leer geworden. Der größte Teil der früheren Gäste hatte sich ins Ringthealer begeben.

Das war Heinrich jetzt sehr willkommen. Er setzte sich wieder in die lauschige Fensterecke vor den Spiegel und zog aus seiner Brief­tasche das bewußte Portefeuille hervor. Er öffnete es und besah seinen Inhalt; es waren einige Zeugnisse und die noch sämtlich vorhandenen Legitimationspapiere Marfelds. Er nahm den Reisepaß heraus und durchlas die Personalbeschreibung. Bei jeder Bezeichnung, die da stand sah er in den Spiegel und verglich seine Züge mit den in dem Sig­nalement skizzierten. Nur der Bart stimmte nicht, aber das ließ sich ja leicht verbessern. Im übrigen jedoch paßte die beiderseitige Perso­nalbeschreibung auf ein Haar: dieselbe Gestalt, dasselbe Gesicht, ja sogar fast dasselbe Geburtsdatum!

Sormann lächelte sehr befriedigt, als er die Papiere wieder zu- sammenfaltete und zu sich steckte. Jetzt hatte er. was er brauchte. Der alte Heinrich Sormann blieb hier in Wien zurück und ehe noch ein neuer Tag anbrach, sollte der neucrstandeneRobert Marfeld" mit dem Kurierzuge nach der ungarischen Hauptstadt abreisen. Der Herr Reinert" mußte sich eben künftig ohne Papiere behelfen.

Er sah nach seiner Uhr. Der Zeiger stand noch einige Minuten vor Sieben. Noch vier Stunden und die Residenz lag hinter ihm.

Seine Hand haftete noch am Bügel der Taschenuhr, als plötzlich die große Glasrhür aufgerissen wurde, durch die ein bärtiger Mann in der Bluse eines Arbeiters hereinstürzre.

(Fortsetzung folgt.)

AusiLsnng des rkätsels in Nro. 100:

Gras Sarg.