162. Amts- und Anzeigetüatt für den Oöerawtsbyirk Calw. 86. Jahrgang.

ErschrinungStage: M.ntaa, Dienstag, Mittwoch, Aonnerltag, Freitag und Samstag. JnserttonSprei« II Psg. pro Zeile sür Stabt u. BezirtSorte; außer Bejirt I» Psg.

Kreitag, den 14. Zuli 4911

LezugSpr.i. b. Stadt '/^Lhrl.m. Träger!. Mk. I.2S. PostbezugSpr. f-d.OrtS-u.NachbarortSverk. -/^Lhrl. Ml. 1.20, in>F«rnverlehk Ml. 1.30. B-st-llg.tn Württ.S0PsS-, in Bayern ü^Reich 42Psg.

Amtlich» Vekanntmachttngen.

An sämtliche Fehlstellen des Bezirks.

Die heurige BezirkSschulversammlung wird am Mittwoch, den 26. Juli, in Calw stattfinden. Beginn: vormittags 9 Uhr in der Turnhalle; die anschließenden Verhandlungen finden im Saal des evang. BereinshauseS statt.

Tagesordnung:

1. Vorführung von einfachen Leibesübungen für

Mädchen.

2. Bericht über das Schulwesen.

3. Referat: Fürsorge für die schulentlassene Jugend.

4. Lesegesellschaft.

Von sämtlichen Schulorten wolle eine Be­scheinigung über die Kenntnisnahme des Vorstehen­den bis zum 24. d. M. eingesandt werden.

An sämtliche Schulorte werden Formulare z« Diätenverzeichuiffen ausgegeben werden. Die­selben sollen vom Schulvorstand, ersten oder einzigen Lehrer ausgefüllt, beurkundet und zur Bezirksschul­versammlung mitgebracht werden.

Calw. 14. Juli 1911.

K. ev. Bezirksschulamt.

Schmid.

«n die Ortsschulräte.

Unter Bezugnahme auf vorstehende Bekannt­machung werden die Mitglieder der Ortsschulräte, insbesondere deren Vorsitzende zu der heurigen Vezirksschnlversammlnng am 26. d. M. eingeladen. Calw, 14. Juli 1911.

K. ev. Bezirksschulamt. Schmid.

Tagesueuigleiteu.

I» Liebenzell hatte der Maurer Kugelmann an« dem Bayrischen dem Fostwart angegeben, einen Rehbock gewildert zu haben

und hierauf dem Forstwart mit Erschießen ge­droht. Als er in den Arrest gebracht wurde, widersetzte er sich und demolierte die Zelle und den Ofen. Seine Aussage, einen Rehbock ge­wildert zu haben, erwies sich als Flunkerei.

Herrenberg 13. Juli. (Kleine Ur­sachen- große Wirkungen.) Der Korb­macher Anton Wirthensohn, der seit einiger Zeit hier wohnt und zahlreiche Vorstrafen hinter sich hat, fuhr ohne Fahrkarte von Pfäffingen nach Unterjesingen, eine Strecke von etwa 2 km. Er wurde vorgeführt und sollte die Taxe nach­bezahlen. Dies löste bei ihm eine derartige Flut von Schimpfworten gegen Bahnbeamte au», daß er gestern vom Schöffengericht Hiewege« zu 6 Woche« Gefängnis verurteilt wurde.

Stuttgart 13. Juli. Wie derSchw. Merk." meldet, hat die Herzogin Wera die Zusage gegeben, au» Dankbarkeit für alle» da» Gute und Große, da» sie in beinahe 50 Jahren in Württemberg empfangen habe, auf ihre Koste» eine evangelische Kirche auf dem Grund und Botu-n der- Villa Berg, gegenüber dem Karl-Olgakrankenhau» erbauen zu lassen. D e Kirche, die in romanischem Stil von der Architrktenfirma Oberbaurat Eisenlohr und Archi­tekt Pfennig aulgeführt werden wird, soll, wenn möglich, auf 2. Dez. 1913, an welchem Tag die Herzogin 50 Jahre in Württemberg ansässig ist, fertiggestellt sein.

Stuttgart 13. Juli. (Landtag.) Zur Weiterberatung de» SporteltarifeS in der Zweiten Kammer lagen heute eine Reihe von Anträgen vor, so bezüglich der Automaten, LuxuS- pferde und et« gemeinsamer Antrag der bürger­lichen Parteien, die Musterschätzung der Hopfen­gärten bezüglich ihrer Besteuerung einer neuen

Prüfung zu unterziehen und da» Ergebnis mit­zuteilen, damit der schwierigen Lage de» Hopfen­baus Rechnung getragen werden kann. Nach längerer Debatte, an der sich die Abgg. Elsa» (Vp.), Häffaer (D.P.), Keil (Soz.), v. Balz (D.P.), Gröber (Ztr.) und der Finanzminister beteiligten, werden die Nummern 8 (Automaten), 9 (Bausachen), 10 (Beerdigungsfälle) und so weiter bi» Nummer 15, zumeist nach den Aur- schußanträgen erledigt. Au» den folgenden Nummern ist hervorzuhebeu die Nummer 16 (Dampfkefselanlagen), wo die Kommission niedrigere Sätze als der Entwurf angesrtzt und Schmid- Neresheim die Wiederherstellung des Regierungs­entwurfs beantragt hatte, wa» Käß (Vp.) bekämpfte. Angenommen wurden aber die Kommissionssätze. Bei Nr. 17 (Dienstanstellungen) wurden auf Antrag der Kommission erhöhte Sätze angenommen und beschlossen, auch die Offiziere und Militär­beamten einzubeziehen, ferner Nr. 21 (Eisen­bahnen), wo sich zwischen dem FinauMinister und dem Abg. Haußmann (Vp) eine Auseinander­setzung über die Bespöttelung der Privatbahneu entspann. Auch diese Nummer wurde ebenso wie die folgenden bi« 25 «ach de« KommissionS- anträgrn angenommen, letztere betrifft die Feuer­bestattung. Die Kommission beantragte Streichung. Der Finanzminister bestritt, daß die Bespöttelung eine unfreundliche Haltung gegen die Feuer­bestattung sei. An der Debatte beteiligte« sich «och Walter (Ztr.), Schrempf (kons.) und Linde- man» (Soz ), worauf die Sportel gestrichen wird. Nächste Sitzung heute nachmittag 5 Uhr.

Stuttgart 13. Juli. (Landtag.) Die Zweite Kammer setzte heute nachmittag die Beratung de» Sporteltarif« fort. Nr. 26 (Feuerverficherungsverträge) soll, sobald die sozial­demokratische Fraktion in ihrer Partei über die

Der Erbe von llemerow

Roman von B. von der Lancken.

(Fortsetzung.)

Nun war er seit mehrere« Monaten in Berlin und hatte, wen« er sich auch von größerer, oberflächlicher Geselligkeit fern hielt, doch in den Kreisen hervorragender Gelehrten angenehmen und anregenden Verkehr gefunden; daneben arbeitete er fleißig an seinem wissenschaftlichen Werk oder versuchte e» wenigstens; den» zu Anfang ging e» «ur langsam damit von statten. Ehre, Pflicht und Gewissen folgend, hatte er, als er erkannt, wa» Lotte ihm, wa« er ihr geworden, mit raschem Entschluß Nemerow verlassen, frühzeitig genug, ehe auch nur ei« Wort gefalle», da« er vor dem Bruder nicht hätte verantworte«, da» ihn selbst und die geliebte Frau hätte erniedrigen können.

Nun war er gegangen, räumlich war er weit von ihr getrennt, aber die tiefe Liebe, die sei» Herz erfüllte, sie konnte er nicht gehen heißen, und er merkte bald genug, daß sie bleiben würden für» Lebe«. Wie oft ertappte er sich dabei, daß ihm mitte» in der Arbeit der Faden de» erfolgreichen Werkes riß, daß er wie ein Träumer da saß, und daß die Erinnerung an Charlotte ihn mit einem süßen Zauber umwob. Entsagen wie schwer wird es dem Menschenherzen!

Nachrichten von Nemerow kamen nur spärlich; Paul Ulrich war nie schreiblustig gewesen und Charlotte vermied e» absichtlich, wie er fühlte, eine Korrespondenz mit ihm anzufange«; er wußte e» ihr Dank, sie stand ihm dadurch nur noch höher.

Treu", sagte ertreu bi» in» Kleinste."

Zum Weinachtsfeste lud Paul Ulrich ihn ein; er lehnte unter dem Vorwand großer Arbeitslast ab und verlebte den Christabend für sich allein.

Seit Jahren da» erste Weihnachtsfest im deutschen Vaterland; er

hatte es sich ander» gedacht und ander» ausgemalt, al» er in den Tropen war so einsam, wie an diesem heiligen Abend war es noch nie gewrsen.

Nach Nemerow hatte er eine Kiste mit hübschen Geschenken gesandt. Anfang» hatte er für Lotte einen schönen, antiken Goldreif al» Armband gekauft, aber er behielt ihn schließlich doch zurück. Er wollte ihr nicht« schenken, wa» sie beim Tragen an ihn erinnerte, und wa« sie seiner Ueberzeugung nach schon de» Gatte« wegen nicht tragen durfte. So entschied er sich für eine meisterhafte in Marmor ausgeführte Kopie von Torwaldsen» segnendem Christ«». Einige arme Familie«, die er sich von einem bekannte» Geistlichen hatte nennen lassen, beschenkte er reich, ebenso seinen treuen Sambo und die beide» Söhne seiner Wirtin.

Am Spätnachmittage de» 24. Dezember« ging er durch die Straßen, er wollte sich zerstreuen; dazu, sich mit seinem eigenen Gemütszustände zu beschäftige« und sich seinen wenig fröhlichen Gedanke« zu überlasse», hatte er ja »och den ganzen langen einsamen Abend, nnd er kehrte auch wirklich etwa» erfrischt heim. Als er in sein Zimmer trat, blieb er im ersten Moment erstaunt auf der Schwelle stehen. Auf dem Sofatische prangte ein schlank gewachsenes Tannenbäumchen, daneben stand mit freudig grinsenden Gesicht Sambo, der, nicht recht wissend wie er in dieser ungewohnten Situation sich zu benehmen hätte, unschlüssig von einem Fuß auf den ander« hin und her trippelnd, beide Hände an den Hosennähten auf- und abrieb.

Sambo, mein alter Sambo, welche Freude hast du mir bereitet, du gute Seele!" rief Peter, nun rasch näher tretend und dem treuen Diener auf die Schulter klopfend.

Massa immer so gut ist mit Sambo, Sambo Maffa eine kleine Vergnügen machen wollte, weil Massa immer so viel von deutsche Tannen­baum mit Lichter dran gesprochen hat."

Ei» warmer, dankbarer Blick und Händedruck sagte« dem Schwarze« besser als Worte, daß er es recht gemacht hatte.

Al» Sambo gegangen, saß Peter in der Sofaecke, blickte auf die