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fall« möchte er anrege», die Einziehung der Sportel von 2 °/° dadurch zu erleichtern, daß die Sportel nicht auf einmal eingezogen, sondern auf eiue Reihe von Jahren verteilt wird. Walter (Z): die vom Abg. Elsa« besprochene Stellung­nahme zur Standeterhöhuug habe sich lediglich auf ei» zufiimmende» Stillschweigen zu einem entsprechenden Antrag Lindemann beschränkt. Keil (Soz): Eine gewisse Erhöhung von be­stehenden Sporteln, soweit es sich um ent­sprechende Gegenleistungen de« Staates handelt, ist begründet. Immerhin enthalte da» Sportel­gesetz viele Belastungen, denen er nicht zustimmen könne. Durch eine aufwärt» gestaffelte Erhöhung der Einkommensteuer hätten die notwendigen DeckungSwittel beschafft werden sollen. Seine Partei werde entsprechende Anträge stellen. Fiuanzminister v. Geßler: Der Hinweis des Abg. Keil auf andere Deckungsmittel kommt reichlich spät. Im übrigen freue ich mich, daß die Sozialdemokraten sich an den Beratungen beteilige« werden. Elsa« (VP): Wir habe« einstimmig in der Kammer die GehaltSvorlage bewilligt. Durch eine Erhöhung der Einkommen­steuer darf der Mehrbedarf nicht gedeckt werden. Da« jetzige Sportelgesetz bringt eine Belastung der Arbeiter nicht. Nur die gegenwärtige Fi­nanzlage de« Lande« kann die schwere Belastung für Gewerbe und Handel rechtfertigen. Die Staat«fiuanze» müsse» «n« gestatten, daß diese Belastungen später wieder abgeschafft werden. Nur die Resignation läßt Handel und Industrie schweige». E« ist merkwürdig, wie sich die Presse in dieser Sache autschweigt. Der Finanzminister hat sich wohl nicht träumen lasten, wie verhältnis­mäßig leicht er sein Gesetz in der Finanzkom- misfion durchbringt. Diese Belastung wirkt für Gewerbe, Handel und Industrie prohibitiv. Gröber (Ztr.): Die Belastung der große» Ein­kommen reicht zur Deckung des notwendigen Bedürfnisse« nicht aus und so muß man auch de« Mittelstand belasten. Wir haben nicht so viel große Einkommen. Aber ebenso wie wir für Entlastung der Klaffen eintreten, wollen wir andererseit« de» Mittelstand schone». Für eine Erleichterung der Bezahlung der Sportel für Fideikommisse trete auch er ei». Röder (D.P.) erklärt namens seiner Freunde, daß sie eine Er­höhung der Einkommensteuer in dem Umfang, wie sie zur Deckung der nötigen Mittel notwendig ist, nicht für angängig halten. Finanzminister v. Geßler: Allerdings wird durch da» Sportel­gesetz die Industrie in einem gewissen Umfange belastet, aber auch die übrige Bevölkerung wird in einem gewissen Umfang herangezogen. Wenn die Verkehrsstener in mäßigem Umfang ange­nommen wird, wird von einer prohibitiven Wir­kung nicht viel zu finden sein. Graf-Heiden­

heim (B K.) begründet einen inzwischen von ihm eingebrachte» Antrag, betreffs Stundung der Sportel für Familienfideikommisse und Stamm­güter. Kraut (B.K.): Davon, daß Handel, Gewerbe und Industrie ganz besonders mehr belastet werden, könne keine Rede sein, vielmehr werde die gesamte Bevölkerung in gleicher Weise herangezoge«. Wir wissen wohl, daß die Industrie in Württemberg unter schweren Verhältnissen zu arbeiten hat und daß man ihr entgegenkomme» muß. Abg. Keil (Soz.) wendet sich gegen die Ausführungen der Vorredner und stellt ver­schiedene Anträge in Aussicht. Der Antrag Graf scheine einem Bedürfnis nicht zu ent­sprechen. Wir werde» bäuerliche Interessen nicht verletzen, wenn wir Fideikommisse mit 2 °/o Sportel belasten. Nach einem Schlußwort des Referenten werden die Nummern 1, 2, 23 a, 46, 74 und 93 mit dem Antrag Graf Heiden­heim, der in namentlicher Abstimmung mit 40 gegen 38 Stimmen angenommen wird, genehmigt. Keil (Soz.) schlägt vor, abzubrechrn, um den Parteien Zeit zur Verständigung zu laste». Nach kurzer Geschäftsordnungsdebatte wird be­schlosten, von jetzt an in alphabetischer Reihen­folge eine Nummer nach der anderen zur Be­ratung zu stellen. Mithin folgt Nr. 3: Gewerb­liche Anlagen. Durch den Kommisfionrantrag wird die Sportel für Genehmigung zur Er­richtung der Anlagen im mindesten Satz um 1 ^ und im höchsten, (wenn die Kosten der Anlage 100000 ^ nicht übersteigen), von 240 auf 200 ^ ermäßigt. Statt 120 ^ mehr von je angefangene» 50000 ^ wünscht der Kom­missionsantrag nur 100 Ferner will der Kommistionsavtrag die Ziff. 1 von Nr. 3 an­füge»: Für die Berechnung der Kosten kommen nur diejenigen Teile in Betracht, auf die sich die Genehmigung erstreckt. Der Wert de« Grund und Boden ist nicht anzurechne». Wie­land (DP): Die Industrie und das Gewerbe werden durch da« neue Sportelgesetz erheblich belastet und auch ei» Gutachten der Handels­kammer spricht sich dahin aus. An Hand von Zahlen sucht Redner nachzuweisen, welcheenorme" Mehrbelastungen da» neue Sportelgesetz bringe. Der Umstand, daß die Steuerbelastung an und für sich in Württemberg schon hoch sei, begünstige keine Neugründuugen. Die Regierung hätte dem Rechnung tragen wüste». Auch die Sätze für die Genehmigung seien zu hoch. Finanzminister v. Geßler kann den Ausführungen de« Abg. Wieland nicht beipflichten. Kraut (BK.) an­erkennt wohl, daß Gewerbe und Handel belastet werden, aber auch die übrige Bevölkerung werde betroffen. Käß (Vp.): Die Herren von der Rechten möchten doch Nachweisen, wo die Land­wirtschaft durch da» Sportelgesetz so belastet

werde wie die Industrie. Im übrige» gelte da«, was sein Freund Elsa» aufgeführt habe, der Industrie und dem Gewerbe werde einfach alle« aufgehalst. Wieland (DP.) unterstützt die Worte des Abg. Käß; wenn so fortgefahren werde, werde man sehe», wie weit die Industrie in Süddeutschland komme. Nach weiterer Debatte wird Nummer 3 genehmigt, Nummer 4, (Apotheken) wird zugrstimmt. Zu Nr. 5 (Appro­bationsscheine für Arrzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker) beantragt die Kommission einen Satz von 20 statt 10 Dieser Antrag wird angenommen, ebenso Nr. 6 (Autstocken von Waldungen) und Nr. 7 (Auswanderungsagenten). Hier wird abgebrochen und die Weiterberatung auf morgen vertagt.

Stuttgart 12. Juli. (Schwurgericht.) Der frühere Verwaltungskandidat Ernst Single von Neufra erschwindelte von hiesigen Bank­geschäften mit gefälschten Hypothekenbriefen, SchätzungSurkuvde», Vermögens- und LeumundS- zeugnisteu Beträge von 1000 Mk., 1500 Mk., 3200 Mk. und 5500 Mk. Die Fälschungen waren raffiniert ausgeführt. Single ist wegen einer ähnlichen Fälschung mit 3 Jahre» Zucht­haus vorbestraft. Die Geschworenen sprachen ihn der Fälschung öffentlicher Urkunden und des Betrugs in vier Fällen schuldig unter Vernei­nung Mildernder Umstände. Das Urteil lautete sodann auf 5 Jahre Zuchthau«, 1200 Mark Geldstrafe rvent. weitere 80 Tage Zuchthaus und auf 8 Jahre Ehrverlust. Vier Monate Untersuchungshaft gehen ab. Ei» weiterer An­geklagter wurde freigesprochen.

Cannstatt 12. Juli. (Gegen den Staub.) Die Waiblingrrstraße wurde vom Remsbahnübergang bis zumLeudle" (Markungs­grenze Cannstatt-Fellbach) vom Staat geteert. E» wäre zu wünschen, daß dadurch die unheim­liche Staubentwicklung, die der riesige Auto­verkehr begünstigt, etwa» gehemmt wird.

Fellbach 12. Juli. Seit 14 Tagen kommen von hier au» große Masten Früh­kartoffeln in den Handel. In erster Linie sind e» die Sorten:Cannstatt« Frühe",blaue Frühe",Herzog Georg" undJuli Kartoffel". Die in den letzten Abende» in kolossalen Menge» schwärmenden Junikäfer haben, der Art dieser entwickelten Insekten entsprechend, keine» Schaden angerichtet. Ihre Flugzeit ist beendet, dagegen schlüpfen in den nächsten Tage» die Motten au» den Puppen de» Heuwurmes, um eine zweite Generation, de« noch gefähr­licheren Sauerwurm zu erzeugen.

Endersbach OA. Waiblingen 12. Juli. Gestern abend '/,11 Uhr erlag Ziegeleibefitzer Karl Oettinger im Alter von 57 Jahre» den

schriftlich direkt einzulade«. E« ist meiner Ansicht nach stet« eiue große Abzeichnung, die auch nur einem Manne zu Teil werde» kann, der in der Gesellschaft sehr gut akkreditiert ist."

Hm und was sagst du dazu, Peter?" wandte sich Paul Ulrich ziemlich rücksichtslos dem alten Herrn gegenüber an de» Bruder.

Ich stimme mit Herrn v. Weither» überein," antwortete dieser ruhig.

Und ich auch," bemerkte Fra« Sophia.So halte ich die Sache für entschiede»; wir bleibe» heute zu Hause."

Ich nicht," murmelte Paul Ulrich mit schlecht verhehltem Aerger, ab« nur Peter hatte die Worte gehört.

Die alte« Herrschaften brache» auf und verabschiedete» sich besonder» herzlich von Pet«.

Dich, Töchterchen," wandte sich Frau v. Werther» an die Enkelin, dürfen wir wohl morgen erwarte»? Schade, daß dein lieber Schwager dich nicht mehr begleiten kan». Nun, Sie komme» bald einmal wieder, Herr v. Locwett, nicht wahr?"

Vielleicht, meine gnädigste Frau"

Eiue Stunde später hielt der Wagen vor d« Tür, der Peter zur Bahn bringe» sollte; man sagte sich Lebewohl und schloß das Wortauf Wiedersehen" daran. Paul Ulrich schien ernstlich verstimmt, daß sein Plan, den Abend in Meggenthin in lustiger Gesellschaft zu verbringen, ins Master gefalle» war, und sein Lebewohl war infolgedessen kühler, al« e« vielleicht unter andern Umständen gewesen wäre. Fra« Sophia atmete in törichter Verblendung wie erlöst auf, al» der Wage» vom Hof rollte; sie hoffte, da« verlorene Terrain der Meinherrschaft «ach Peter» Abreise leicht« zurück zu «ober«; denn Charlotte? pah die kluge Fra« wußte e» gut genug, sie würde nie Einfluß gewinnen.

Al» der Wage» um die starken Pfeiler de« Hoftor» bog, wandte sich Peter noch einmal zurück und schwenkte grüßend den Hut. Sophia und Charlotte ließen ihre Taschentücher wehen, Paul Ulrich winkte mit

der Reitpeitsche jetzt eiue kurze Biegung, der Wage» verschwand fort war er.

Ich reite auf« Feld zu den Kartoffelsammlern," rief Paul Ulrich und ließ einen kurzen Pfiff ertönen, worauf der Reitknecht die Fuch»- stute au» dem Stall und ihm vorführte.

Addio, Lott! Adieu, Mama!"

Er warf einen flüchtigen Kußfinger und sprengte vom Hof. Die beide» Frauen ginge», ohne ein Wort zu wechseln, in» Hau«.

Die letzte» Strahle« einer scheidenden Oktobersonne stahlen sich durch die geöffnete« Fenster de« Wohnzimmers, glitten über die Bild« an den Wänden und über de« Platz am Fenster, wo Charlotte« Nähtisch stand. Sie ließ sich in den kleine» Korblehnstuhl nieder und unbewußt folgte» ihre Auge« dem Sonnenstrahl, der eben mit seinem goldige» Schein ihr Lieblingsbild umspielte.

Christ««, wie er, auf dem Meere wandelnd, dem finkende« und zweifelnde» Petr«» die Hand entgegenstreckt. Warum grade machte die« Bild ihr heute eine» so tiefe», bewegenden Eindruck? E» war ihr, al« ob sie auch auf einem Meer wandelte, dessen Wogen über ihr zusammen zu schlagen drohte». Nein, gottlob, die Gefahr, die von außen an sie herantrete» konnte, war vorüber, und gegen die, die da« eigene Herz ihr bereitete, wollte sie siegreich kämpfe». Gott hatte ihr eine» Beruf gegeben, al, Gattin dem schwachen Manne ein Halt, eine Stütze zu sei«; Peter hatte diesen Beruf ihre Lebensaufgabe genannt, und treu wollte sie fein in allen Stücken. Daß ihr jetzt weh, unsagbar weh «ms Herz war, konnte sie nicht hindern, auch die heißen Träne« nicht, die ihr in» Auge stiege», ab« da», das mußte und sollte das Ende sei».

Charlotte faltete die Hände und ihre Lippen bewegte« sich in leisem Gebet, da« innig und flehend zu dem emporstieg, der in irdischen und seelischen Kämpfe« der treueste Helfer ist.

He«, hilf mir!" schrie es in der Brust de« jungen Weibe«, wie der Petru» dort auf dem Bilde zum Heiland schrie, und wie jener sich