sich seit zwei Monaten im diesseitigen Kreise umhertreibt, kam vor einigen Tagen auch nach Haspe. Der Arbeiter Braun, welcher den Sticht persönlich kannte, glaubte die Polizei auf diesen aufmerksam machen zu sollen. Als er auf dem Wege zum Rathause war, schlich ihm Sticht nach und dabei entstand ein kurzer Wortwechsel. Schließlich gab der Deserteur einen Revolver­schuß auf Braun ab, welcher sofort leblos zu­sammenbrach. Obgleich Sticht von einer An­zahl Leute sofort umstellt wurde, gelang es ihm doch, zu entfliehen. Unter Drohungen und Verwünschungen stürmte der Mörder durch die Felder. Niemand wagte eine Verfolgung. Der fürchterliche Mensch hat die gesamte Gegend in Schrecken versetzt.

Ausländisches.

* Prag, 4. Sept. Der Einsturz von zwei Brückenbogen der altehrwürdigen steinernen Brücke infolge des Hochwassers erfolgte heute früh halb 6 Uhr. Sowohl die Wölbung mit den darauf befindlichen Kolossalmonumenten, als auch die Brüstung versanken in den Fluten. Um 40 Uhr vormittags stürzte unter fürchter­lichem Krachen und entsetztem Aufschrei der herandrängenden Menschenmassen auch der achte Brückenbogen ein, so daß der siebente allein stehen blieb, was einen schauderhaften Anblick bietet. Der Kai beim böhmischen Nationaltheater beginnt zu bersten. Auf der Schützeninsel wur­den sieben Personen vom Tode des Ertrinkens gerettet. In der Stadt herrscht die größte Auf­regung.

* Wien, 5. Sept. Die Prager Katastrophe spottet jeder Beschreibung. Fortwährend steigt dasWasser. Aus vielen überschwemmten Häusern auf der Kleinseise dringt lauter Ruf:Brot! Brot! Wir verhungern!" Ans Kähnen wird mittels Körben die Nahrung emporgereicht. Tausende von Familien flüchten, insbesondere aus den arg bedrohten Sommerfrischen. Jammer- szeneu spielen sich in den Straßen ab. Am Fenster erscheinen händeringend Weiber und Kinder, mit Tüchern Hilfe herbeirufend, jedoch umsonst, da alle Rettungskähne überfüllt sind. Auf fast sämtlichen böhmischen Bahnen ist der Verkehr eingestellt. Es verlautet, der Kaiser werde nach Prag kommen. Großes Elend herrscht in der Judenstadt, woselbst die Bäcker die Situation zur Preiserhöhung ausnützten. Im Spttale der barmherzigen Schwestern reicht das Wasser bis zum Altäre.

* Ueber eine verunglückte Rettungsaktion braver Pioniere, bei welcher zwanzig wackere Soldaten ihr Leben eingebüßt haben, berichtet dasPr. Tgbl.": Es handelte sich darum, das auf dem Pionier-Uebungsplatze bei Prag be­findliche Material zu sichern und die Schwimm­schule und die in ihr befindliche Mannschaft aus der Moldau herauszuholen. Offiziersstellvertreter Kießwetter ließ einen dreiteiligen Ponton mit 32 Mann besetzen, um mit demselben an das linke Ufer der Moldau zu fahren. Während

der Ponton längs des rechten Ufers stromauf­wärts fuhr, wurde er plötzlich von der Hrömung ergriffen und fortgerissen. Zu allem Unglück trieb auch ein losgerissencs Floß heran, mit furchtbarer Gewalt prallte cs an den Ponton an, welcher kenterte. Die Insassen desselben fielen in die hochgehenden Fluten. Es begann nun ein furchtbarer Kampf mit den Wellen, ein entsetzliches Ringen um das Leben. Dem Offi­ziersstellvertreter und 40 Manu gelang es. sich an Tauen festzuhalten und das Ufer zu gew unen, die übrige Bemannung des Pontons versank in den Wellen. Kurz darauf wurde die Schwimm­schule fortgerissen, in der sich ein Feldwebel und drei Schwimmmeister befanden. ImKaiser­wasser" trieb sie ans Ufer und strandete daselbst, worauf sie ordentlich verankert wurde.

* Prag, 6. Sept. Das Wasser fällt fort­während. Kaiser Franz Joseph wies tele­graphisch 40,000 Gulden zur Linderung augen­blicklicher Notlage an.

" Znaim. Ungewöhnliches Aufsehen erregt hier in der Bevölkerung der Selbstmord der jungen hübschen Gattin eines Beamten des Krcisgerichtes, welche sich unter ganz eigentüm­lichen Umständen erhängt hat. Die junge Frau hatte vor der Ausführung des Selbstmordes die sorgfältigste Toilette gemacht, sich ganz in Weiß gekleidet und zwei Kerzen angezündet. Welche dem Zimmer, in dem der bestürzte Gatte seine junge Fran an einem Fensterbügel mittels einer Zuckerschnur erhängt als Leiche fand, ein mysteriös feierliches Aussehen gaben, zumal un­mittelbar vor dem Fenster, an dem die Leiche hing, ein großer Spiegel stand, ans welchem das Bild der Leiche der sorgfältig geschmückten Frau mit den bleichen, entstellten Zügen heraus­zutreten schien. Alle Wiederbelebungsversuche, welche vom Arzt angestellt wurden, blieben erfolglos.

* Paris, 6. Sept. Der boulangistische Abgeordnete Mermeix wurde von Labruyere, Laurent und Castelin gefordert. Es verlautet, derselbe habe seinerseits Millevoye, Fouguier, Rane und Arene gefordert.

* Die boulangistischen Abgeordneten ver­sammelten sich am Donnerstag in Paris, um über den Verfasser der Enthüllungen, als wel­chen sich Mermeix bekannt hat, zu Gericht zu sitzen. Nach langer Beratung wurde einstimmig die Veröffentlichung verurteilt und die Ver­fassungsänderung in demokratisch-sozialistischem Sinne auch weiterhin für das Programm ver­ließ, wurde er auf der Straße von verschie­denen Leuten mit Schimpfreden verfolgt und thätlich bedroht. Man schreibt ihm die Absicht zu, seine Beleidiger herauszufordern.

* In Bel fort ist dieser Tage ein Mobil­machungsversuch gemacht worden. Der komman­dierende General des VII. Armeekorps, de Regner, traf um 6Vs Uhr früh in Belsort ein, begab sich sofort nach dem Schlosse, wo 3 Kanonen­schüsse abgefeuert wurden. Bis 7Vr Uhr durch­streiften Ordonnanzen die Stadt und eine Viertel-

Kabel durch alle Teile der Stadt sendet. Man will eine Mnsteranlage Herstellen, was um so eher möglich wird, als die Betriebskosten durch Anwendung der Wasserkraft erheblich geringer sein werden, als dies bei anderen großen An­lagen der Fall ist.

* Erfur t. Eine aufregende Szene gab es am Sonntag in der Kirche zu Lindcrbach. Mit­ten in der Predigt stockte der hochbetagte Geist­liche, Pastor Thürmer aus Azmannsdorf, er­mannte sich indes wieder und predigte weiter. Plötzlich aber sank er seitwärts halb ohnmäch­tig mit den Worten nieder:Jetzt kann ich nicht mehr!" Die Aufregung, welche sich der Gemeinde bemächtigte, war eine große. Man führte den Geistlichen von der Kanzel und brachte ihn nach Hause. Zwar hat sich sein Zustand gebessert, doch will sich der Geistliche, welcher nahezu 50 Jahre im Amte ist, nunmehr pen­sionieren lassen.

* Berlin. Mit seinen Kräften, insbeson­dere mit der Festigkeit seines Gebisses prahlend, wettete in einem hiesigen Schanklokal der Schlos­ser K. mit einigen Zechgenossen, daß er im stände fei, eine volle Viertel-Tonne Bier mit seinen Zähnen vom Fußboden cmporzuhebcn. Das gefüllte Faß wurde herbeigebracht, K. biß sich in den überstehenden Rand des Gefäffes ein und hob dasselbe in der Thal vom Boden. Er hatte jedoch die Festigkeit seines Gebisses überschätzt, denn kaum war er halb emporge­richtet, so brachen dem K. mehrere Zähne aus, das schwere Faß entfiel ihm und schlug ihm auf die Füße, so daß er mit einem lauten Aufschrei zusammenbrach. Da K. außerdem über heftige Schmerzen im Unterkiefer klagte, so wurde ein Arzt herbeigeholt, der eine schwere Verletzung des Unterkiefers und eine gefährliche Quetschung des rechten Fußes feststellte, welche die sofortige Ueberführung des Verunglückten nach einem Krankenhause nötig machten.

* Wie jetzt erst bekannt wird, fand die 40. Jnfanteriebrigade bei der Parade am 4. Sep­tember in so hohem Grade den Beifall des Kaisers, daß derselbe in jedem Regiment zwei Portepee-Fähnriche sofort zu Lieutenants er­nannte. Es ist das ein militärischer Vorgang, der viel besprochen wird.

* Aus Mühlberg a. d. Elbe wird ge­meldet: Drei Schwadronen des 44. Husaren­regiments durchschwammen vorgestern bei einer Hebung die 240 w breite Elbe.

* Ein Landsmann, der die in Ustazewo, preuß. Regierungsbezirks Bromberg, seit ca. 2 Jahren angesiedelten Württemberger besuchte, berichtet imN. Tagbl.", der heurige Jahrgang habe sich bei den Kolonisten so vorzüglich ange­lassen, daß bei den meisten der Ertrag der Felder bis ein Viertel des Ankaufspreises derselben er­reichte. Der Boden ist fett, und da er lange Jahre hindurch nicht gehörig bewirtschaftet wurde, sehr ergiebig. In der Hauptsache wer­den Roggen, Dinkel und Haber angepflanzt.

* Hagen. Der Deserteur Sticht, welcher

New-Iork, daß sie sich entschloß, hier zu bleiben; sie ist erst seit sechs Wochen in Amerika und so rasch lernt man eine fremde Sprache nicht. Was liegt dir übrigens daran?"

Nun, weil ich mich nicht gern behorchen lasse und namentlich jetzt nicht, und du weißt nur zu wohl, wie gerade dieser Art Dämchen das Lauschen ein besonderes Vergnügen macht."

Hätte Robertson gewußt, wie recht er mit seiner Meinung über die Kammerkätzchen, namentlich in diesem Momente hatte, vielleicht würde ihm dann Lucie noch unsympathischer geworden sein, als sie es ihm beim ersten Anblick war. Sie stand am Schlüsselloch und merkte sich mit einem verständnisinnigen Nicken jedes Wort, das in dem Salon Julias ge­sprochen wurde.

Georg Robertson war ein vorsichtiger, schlauer Mensch. Er ließ sich nicht ohne weiteres davon überzeugen, daß die Zofe nur französisch verstand. Er wollte erst prüfen, ehe er sich zufrieden gab.

Julia", sagte er,rufe das Mädchen unter irgend einem Vor­wand herein."

Warum?"

Ich wünsche mich zu vergewissern, daß du nicht hintergangen wirst."

Aber woher denn plötzlich dieses Mißtrauen? Du kümmerst dich doch sonst auch nicht um meine Leute."

Ein vielsagender Blick traf sie aus seinen Augen; sie schien plötz­lich zu verstehen, denn sie erhob sich und rief nach Lucie.

Das Mädchen trat ins Zimmer; sie schaute so harmlos und un­schuldig in die Welt, daß es kein Wunder war, wenn sie ihrer Herrin volles Vertrauen einflößte.

Julia gab Lucie auf französisch einen Befehl, der sie für eine Weile im Zimmer aufhielt.

Aber, Julia, wo hast du denn dies Mädchen her ?" fragte Robert­

son in lautem Tone und auf Englisch.Das ist ja eine zweideutige Person, die jedermann auf der Straße kennt und die unter polizeilicher Aufsicht steht."

Bei dieser schrecklichen und etwas gewagten Behauptung ruhten seine stechenden Augen durchbohrend auf dem Mädchen. Nicht die geringste Veränderung in ihren Zügen ließ annehmen, daß sie die häßliche An« klage Robertsons verstanden habe. Sie hätte nicht ruhiger und gleich­gültiger dreinschaucn können, wenn sie taubstumm gewesen wäre.

Dagegen rief Julia entrüstet aus:

Was fällt dir denn ein? Eine solche Behauptung aufzustellen!"

Was mir einfällt? Daß ich einen Schutzmann rufen werde, um die Betrügerin, die sich hier als ein anständiges Mädchen eingeführt hat, verhaften zu lassen."

Noch immer blieb des Mädchens Gesicht ruhig wie zuvor, während sie in einer Schublade nach dem von Julia Gewünschten suchte.

Julia entließ sie, indem sie ihr ein paar freundliche Worte sagte.

Nochmals, was soll das?" wandte sie sich dann an Robertson, nachdem Lucie aus dem Zimmer gegangen war.

Ich wollte sie auf die Probe stellen."

Ach so! Und das Resultat?"

Ich bin überzeugt, daß sie kein Wort englisch versteht; sie würde bei einer solchen Anklage mindestens mit den Wimpern gezuckt haben, wenn sie mich verstanden hätte."

Wenn Robertson das Mädchen auf gut englisch zu sich hätte sprechen hören, was er wohl gesagt hätte?

Das sollte wohl schlau sein, mein Bester?" murmelte die Zofe; ich war darauf vorbereitet und bin froh, daß du mich auf die Probe stelltest; um so leichter habe ich es jetzt, dich zu fangen."

(Fortsetzung folgt.)