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Kienslag den 10. Juni

Einrückungspreis der lspalt. Zeile für Altensteig und nahe Umgebung bei lmal. Einrückung 8 ^ bei mehrmaliger je 8 auswärts je 8

1890.

Gestorben: Stadtförüer Josef Günter, Geislingen; Redakteur Kr. Albrecht, Ulm; furstl. Hofgärtuer Buhler, Auleudorf; Bäckermeister Johann Georg Hägele, Ried­lingen; Gerichlsnotar a. D. Eugen Remppis, Güglingen; Schullehrer a. D- Carl Pfannenschmied, Nordheim.

D Die französischen Thronanwiirter.

Die Gewalthaber in Paris haben den jungen Herzog von Orleans laufen lassen oder ihn vielmehr über die Grenze abgeschobcu. Einhunderlundsechzehn Tage mußte der Prinz inr seinen unbesonnenen Jugendstreich büßen, der von seinem Vater, dem Grafen von Paris, als eineheroische That" bezeichnet worden ist. Dian hat sich in Frankreich darüber gestritten, ob die Jnhaftbehaltung des Prinzen politisch klug war. Der junge Mann hat in kecker Weise das Gesetz verletzt und chas forderte Sühne. Aus seiner Verurteilung versuchten seine Anhänger- politisches Kapital zu schlagen. Aus diesem Grunde konnte die Begnadigung der Strafe nicht auf dem Fuße folgen, wie es wohl sonst der Fall gewesen wäre. Das hätte leicht als Schwäche ausgelegt werden können. Erst als sich der Versuch der Orleanisten, die Angelegen­heit für ihre Parteizwecke auszumünzen, als gänzlich aussichtslos erwiesen, als man bereits aufgehört hatte, von dem jungen Gernegroß zu sprechen, da erfolgte seine Begnadigung. Man brachte ihn in aller Stille an die Grenze und dort erhielt er seinen Laufpaß.

Um keinen Thron der Welt streiten sich so viele Teile, wie um den Frankreichs, der in Wirklichkeit gar nicht existiert. Die französische Republik hat dennoch Glück; denn keiner von den Prätendenten ist ernsthaft zu nehmen und derjenige, der eine Zeitlang der gefährlichste schien, ist gründlich abgethan, Boulanger nämlich. Er, der im Januar vergangenen Jahres mit einer kolossalen Majorität in Paris, dem Herzen Frankreichs, siegte, ist heute nur noch eine Episodeufigur, von der man kaum noch spricht. Die Boulangistenpartei hat nach kurzer Zeit des Aufsteigens schnell und gründ­lich abgewirtschaftet und spielt heute absolut keine Rolle mehr.

Seit dem Tode des Grafen von Chambord ist der Graf von Paris derlegitime" Erbe des französischen Königsthrones. Er ist ein Nachkomme jenes Philipps Egalite, der die Revolution von 1789 für seine egoistischen Zwecke ausbeuteu wollte, wie Ludwig Philipps, der die Revolution gegen Karl den Zehnten in un­lauterer Weise für sich ausbeutete, indem er seinen historischen roten Regenschirm mit dem Königsszepter vertauschte. DasBürgerkönig- tum" dieses Mannes steht zwar bei den Speku­lanten und Börsenmännern in gutem Andenken, aber letztere haben herausgefunden, daß sie auch unter dem zweiten Kaiserreich und unter der dritten Republik ganz ungehindert ihre Ge­schäfte betreiben konnten; aus diesem Grunde bestehr für letztere durchaus kein Grund, sich für die Wiederaufrtchtung des französischen Königsthrones aufzuopfern oder auch nur in Unkosten zu stürzen. Während der Präsident­schaft Mac Mahons stand die Sache des Or­ganismus nicht ungünstig, wenn der Graf von Paris erstens den Beutel aufgethan und zweitens sich selber an die Spitze der Stnrm- kolonuen gegen die Republik gestellt hätte; je­doch zu elfterem war er zu geizig, zu zweitem zu feig und daraus erklärt sich, daß er den Pagenstreich seines unreifen Sohnes, des Herzogs von Orleans, schoneine heroische That" nennen durfte.

Es bleiben nur noch die Bonapartisten übrig, welche zwei Prätendenten aufweisen, den dicken Plon-Plon, Schwager des Königs Hum- bert, und seinen Sohn, den Prinzen Viktor, der sich in Brüssel anfhält und sich mit seinem Vater überworfen hat. Prinz Plon-Plon, ein Sohn desKönigs Lustik" von Westfalen, ist in Frankreich nie für ernst genommen worden. Er kann nämlich den Pulvergeruch nicht ver­tragen, was ihm im Krim- und im italienischen Kriege den Spott seiner Landsleute eingetragen hat. Im Jahre 1870 war er froh, daß ihn sein kaiserlicher Vetter zu einer Mission an den Hof Viktor Emanuels verwandte. Sonst galt er als derrote Prinz", weil er stark in Demokratie machte und sich dieserhalb öfter mit Kaiser Napoleon überworfen hatte. Worauf er sich nicht wenig einbildet, das ist seine Aehnlich- keit mit seinem Oheim, dem ersten Napoleon, d. h. er trägt dessen Gestchtszüge, doch hat er von dessen Genie keine Spur ererbt. Da er sich selber wohl für unfähig hielt, nach dem Tode des Prinzen Lulu die Prätcndentenrolle zu übernehmen, so kokettierte er mit den Re­publikanern und spekulierte wohl dabei auf den Präsidentenposten der Republik. Hierüber kam er mit seinem Sohne Viktor in Konflikt, der die napoleonische Kaiscridee weiter vertritt, aber außer einigen Proklamationen, die wirkungslos verhallten, noch nichts für. seine Sache hat thun können.

Man ersieht hieraus, daß die Kronpräten­denten ihrer Persönlichkeit nach der französischen Republik nicht allzu gefährlich sind.

Lalldesuachrichteu.

* Alten steig, 8. Juni. Es werden gegen­wärtig allenthalben im ganzen Lande Darlehens­kassen gegründet, wobei namentlich die Geistlich­keit mit anerkennenswertem Verständnis des dringenden Bedürfnisses das Heft in die Hand nimmt. Es ist dies ein Vorgehen, das nicht genug gelobt werden kann. Man wird in den betreffenden Ortschaften den unberechenbaren Vorteil sehr bald verspüren, welcher aus diesen segensreichen Schöpfungen erwächst. Der Wucher ist zwar gesetzlich verboten, aber du lieber Gott, tatsächlich besteht er immer noch fort. Die bedürftigen Leute selbst reichen die Hände dazu. Sind sie von einemGeschäftsmann" über den l-öffel barbiert worden, so schämen sie sich nachher die Wahrheit zu sagen; denn sie bekämen zum Schaden auch noch den Spott. Daß der Halsabschneider aber nicht plaudert, versteht sich von selbst. Uebrigens kommt auch bei etwaigen Klagen selten etwas heraus. Die gesetzeskundigen Geschäftsleute halten sich so viele Hinterthürchen offen, daß ihnen das Durch­schlüpfen ohne große Mühe gelingt. Die beste Illustration für das heute noch, wie früher, bestehende Ausbeutungssystcm des Landvolkes durch die Geschäftsleute bildet die Thatiache, daß bald da bald dort einer derselben seinen ländlichen Wirkungskreis, wo er vielleicht ur­sprünglich altes Eisen aus dem Kehricht gescharrt oder mit Lumpen gehandelt, mit einem vollen Geldsacke verläßt und sich in der Stadt als Bankier oder ein derartigesgroßes Haus" etabliert.

* An der K. Universität Tübingen be­finden sich lautSt.-Anz." im laufenden Som­merhalbjahr 1422 Studierende, worunter 855 Württemberger und 567 Nichtwürttemberger. Im Einzelnen studieren Evangelische Theologie 432, Katholische Theologie 162, Rechtswissen­

schaft 272, Medizin 262, Philosophie 61, Staatswissenschaften 187, Naturwissenschaften 52. Hiezu kommen nicht immatrikulierte, zum Besuch von Vorlesungen ermächtigte Personen 16, so daß die Gesamtzahl der Teilnehmer am Universitätsunterricht 1438 beträgt. Von den 567 Nichtwürttembergern gehören an: andere­ren Staaten des Deutschen Reiches 521, außer­deutschen Staaten 46. Die angegebene Fre­quenz von 1422 Studierenden übertrifft die des vorjährigen Sommerscmesters (1410) um 12.

* Stuttgart. Sicherem Vernehmen nach sind den wegen des Vaihinger Eisenbahnunglücks Verurteilten, Betriebsoberinspektor Finanzrat Lang von hier und Bahnhofverwalter Schwen- ninger von Vaihingen a. F., durch Königliche Gnade je 2 Monate der gegen sie erkannten Gefängnisstrafen nachgelassen worden.

* Die diesjährige Generalversammlung des evangel. Bundes wird in den Tagen vom 23. bis 25. September ds. Js. in Stuttgart abgehalten.

* Vaihingen, 6. Juni. Einer Mitteilung des Euzb. aus Straßburg zufolge, hat Frau Gutsbesitzer Liuckh Wwe. vom Pulverdüngerhos für das von ihr dort ausgestellte Vieh, eine Kalbel mit Kalb, Simmenthaler Raffe, einen ersten Preis erhalten.

* Obergriesheim, 6. Juni. Nach so­eben eingegangen Nachrichten erhielten auf der Ausstellung der Deutschen Landwirtschaftsgesell­schaft in Straßburg Anton Werner in Ober­griesheim für 2 ausgestellte Tiere 2 Preise, A. Spohrer in Oedheim für 1 ausgestelltes Tier einen Preis.

* Ulm, 5. Juni. (Geschenk an die beim Münsterbau Beteiligten.) Nach derFkf. Ztg." wurden am letzten Samstag im Anschluß an die Feier auf dem Turm in der Bauhütte unter sämtliche Arbeiter am Münsterbau 3000 Mark verteilt; Werkmeister Wächter erhielt 1500 M. und Münsterbaumeister Prof. Beyer ein Geschenk von 10 000 Mk.

* (Verschiedenes.) In Ulm stürzte ein Schieferdcckergehilfe etwa ein Stockwerk hoch herunter und ist an den dadurch erhaltenen Ver­letzungen gestorben. In Heslach fiel ein zweijähriges Knäbchen in eine Gelte mit an­gebrühter Wäsche und wurde derart verbrüht, daß es in der folgenden Nacht starb. In Cannstatt wurden einem Wcichenrevidenten beim Weichenschmiercn beide Füße abgefahren. In Fellbach spielte ein Mhriges Kind im Hofe und jagte dabei einige Hühner davon. Der die letzteren begleitende Haushahn geriet deshalb so in Harnisch, daß er auf den Kopf des Kindes flog und denselben mit Schnabel und Krallen so zurichtete, daß das Blut in Strömen herablief. Erst durch das herbeigeeilte Dienstmädchen konnte das Kind von seinem Angreifer befreit werden, dessen eine Kralle buchstäblich in der Kopfhaut stecken blieb und erst durch den Arzt entfernt werden konnte. Das 2. Geleise auf der Strecke Maulbron n- Bretten ist fertiggestellt und mit Beginn des Sommerfahrplatts, I.Junt, in Betrieb genommen worden. In Hartheim wurde am Sams­tag ein Schatz gehoben, der den annähernden Wert von :000 Mk. repräsentiert, nämlich 25 Goldstücke mit Gepräge aus dem 15. bis 16. Jahrhundert. Der Gemeinderat Röster aus Wittlingen fuhr letzten Montag mit zwei Pferden in den Wald. An einer sehr ab­schüssigen Stelle glitt der Wagen den Abhang hinunter und zog die Pferde nach sich. Beide