Ar. 65.

Erscheint wöchentl. 3mal: Dienstag, Donners­tag und Samstag und kostet in Altensteig 90 ^ im Bezirk 90 ^ außerhalb 1 das Quartal.

Samstag den 7. Juni

Einrückungspreis der Ispalt. Zeile für Altensteig und nahe Umgebung bei Imal. Einrückung 8 ^ bei mehrmaliger je 8 auswärts je 8

1890.

Gestorben: Dekan Stirm, Reutlingen; Wagner­meister Movent, Wangen i. A. Gunningen; Mittelschul­lehrer Gottlob Maier. Stuttgart; Oberlehrer a. D. PH- Merkle, Göppingen.

. Tages'Politik.

Das preuß. Abgeordnetenhaus ver­handelte am Mittwoch über die Sperrgelder­vorlage. Die Verhandlung nahm einen unge­wöhnlich heftigen Charakter an durch einen un­erwartet scharfen Angriff des Abg. Hofprediger Stöcker auf das Zentrum. Stöcker sagte nach derFrkf. Ztg.": Seit der ersten Lesung sei eine Wandlung eingctreten. Das Zentrum trete jetzt mit berechneter Leidenschaft auf. Es sei nicht zu dulden, daß ein Mann in Rom (?) preußische Staatsgesetze verwerfe. Ein Mann, der so handelt, steht nicht auf dem Boden des Evangelium. Das Zentrum spricht immer von Eigentumsverletzung. Die Geschichte des Papst­tums ist eine fortlaufende Güterkonfiskation. Der Papst erklärte immer das Eigentum des gebannten Kaisers für konfisziert. Und da spreche das Zentrum von Diebstahl! (Unruhe, Gelächter im Zentrum; Abg. Bachem ruft: Alte Geschichten! Was sollen die heute?) Die Kirchenpolitik der Katholiken ist verwerflich und widerspricht dem Evangelium. Durch die Vor­lage seien die Protestanten thatsächlich beunruhigt. Er bedauere, daß Protestanten, wie Rickert und Brüel, dieses leugnen. Wenn Brüel die Schuld des Kulturkampfes Preußen zuschiebe, so müssen die evangelischen Abgeordneten protestieren, wenn sie nicht vor dem Lande als Verräter des Glaubens dastehen wollen. Der jetzige Stand­punkt des Zentrums sei kleinlich; er sei ein Feilschen um den Groschen; er werde selbst, wie er gehört, von katholischen Domherrn ver­urteilt. Die Verantwortung für das Scheitern des Gesetzes falle auf das Zentrum zurück. (Zischen im Zentrum.) Die Entgegnung Windt- horst's war ziemlich schwach. Stöcker's Rede, sagte der alte Zcntrumsführer, habe die eigent­lichen Gedanken der Protestanten klargelegt. Es handle sich um einen Kampf der Majorität gegen die Minorität der Katholiken. Die Rede fei eine Aufforderung zum Kriege bis aufs Messer. Ec habe diesen nicht gesucht; werde er ihm aufgezwungen, so sei er bereit ihn auszu- fechten. Er mißgönne der evangelischen Kirche keine finanzielle Stärkung; er begreife daher den feindseligen Standpunkt derselben nicht, der die Restiturion mit einer Dotation verwechsele. Gegen eine Kultusverwaltung, die den radikalen Lehrertag begrüße, werde das Zentrum immer protestieren. Hrn. Stöcker's Excmplistzieruug auf das Mittelalter sei haltlos; jede Zeit müsse aus ihren eigenen staatsrechtlichen Begriffen be­urteilt werden; aber Stöcker habe bei seiner Vielseitigkeit und seiner Agitationspolitik keine Zeit sich wissenschaftlich zu belehren, Geschichte aus unparteiischen Quellen zu lernen. Stöckers jetziges Auftreten ziele nach einer hohen Stelle, damit dieselbe das Entgegenkommen gegen die Katholiken ausgebe. Mit Stöcker sei eine Ver­ständigung, die bei Limburg-Stirum (dem Führer des nichtstöckerschen Flügels der konservativen Partei) leicht sei, unmöglich. Nachdem noch verschiedene Redner, auch aus den andern Par­teien des Hauses gesprochen, ward Artikel 1 der Regierungsvorlage gegen das Zentrum an­genommen; alle Gegenanträge des Zentrums wurden abgelehnt. Die Freisinnigen stimmten für die Bruel'sche Fassung des Gesetzes. Artikel 2 ward ohne Debatte angenommen. Es folgte die Beratung des Artikels 3, der über die Ver­

wendung handelt. Bruel beantragte hierzu, den Bischöfen Freiheit in der Verwendung zu lassen. Zedlitz begründete den Hobrecht'schen Kartellantrag, der die Verwendungszwecke durch Vereinbarung des Ministers und der kirchlichen Obern festlegen will. Der Kultusminister be- zeichnete den letzen Antrag als eventuell an­nehmbar. Der Bruel'sche Antrag habe staats­rechtliche Bedenken gegen sich. Der Antrag Bruel wurde abgclehut, der Antrag Hobrecht gegen Freisinn und einen Teil des Zentrums angenommen, ebenso der Rest der Vorlage.

Im Reichstage ist die Gcwerbekom- misstou am Montag, die Kommission für die Gewerbenovclle am Dienstag wieder zusammen­getreten; die Militärkommisston tritt erst Frei­tag zusammen.

Der Nachtragsetat, welcher die Er­höhungen der Gehälter für die unteren und mittleren Ncichsbcamtcn enthält, ist in den Reichsämtern festgestellt worden. Der Bundes­rat wird diese Vorlage in der nächsten Plenar­sitzung beraten, so daß der Reichstag .beim Wiederzusammentritt oder bald darauf den Nachtragsetat erhalten wird. Außer diesem Nachtragsetat ist ein auf die Militärvorlage bezüglicher Nachtragsetst noch zu erwarten.

Ein Immediatgesuch um Begnadigung der Bergleute des Waldenburger Reviers, welche wegen der Exzesse, die sie während der vor­jährigen Streikbewegung begangen, verurteilt worden sind, war, wie seiner Zeit gemeldet, anfangs dieses Jahres aus diesem Revier au den Kaiser gerichtet worden. Dasselbe ist ab­schlägig beschieden worden.

In Bestätigung früherer Nachrichten melden jetzt verschiedene Blätter, daß der nächste sozialdemokratische Parteikongreß nicht in Ber­lin, sondern in einer Stadt Mitteldeutschlands stattfinden soll. Der Kongreß wird unmittelbar nach Ablauf des Sozialistengesetzes zusammen- treten.

In betreff der Insel Helgoland erklärte am Montag im englischen Unterhause Campbell, dieselbe sei für England nutzlos und sollte besser au Deutschland abgetreten werden. Er beantragte deshalb die Streichung des Gehalts für den Gouverneur von Helgoland. Dem gegenüber erklärte Unterstaatssekretär Worms, wenn England über seine Besitzungen vom Ge­sichtspunkte ihrer nahen Lage bei anderen Län­dern ans verfügen solle, so würde es die ihm gehörigen Inseln des Kanals au Frankreich und Gibraltar au Spanien abzutretcn haben, er sei gegen die Abtretung Helgolands an Deutschland. Der Antrag Campbell wurde darauf mit !50 gegen 27 Stimmen ab­gelehnt.

König Milan von Serbien hat sich in Begleitung seines Sohnes, des Königs Ale­xander, sowie der Regenten Ristitsch und Pro­ritsch und mehrerer Minister nach Schabatz be­geben, wo eine Feier zu Ehren der Familie Obrenowitsch (der Milan und Alexander ent­stammen) stattfindet. Der Aufenthalt des Kö­nigs in Belgrad ist für ihn nicht ohne mehr­fache Unannehmlichkeiten verlaufen. U. a. er­lauben sich die radikalen Preßorgane die ver­letzendsten Ausfälle. Als die Polizeibehörde ein Belgrader Blatt, welches einen für den König Milan kränkenden Artikel abgedruckt hatte, mit Beschlag belegte, wurde vom Gericht erster Instanz die Beschlagnahme wieder auf­gehoben mit der Begründung, König Milan

besitze nicht die einem regierenden Fürsten zuge­sicherte gesetzliche Unverletzlichkeit.

LandeSuachrichteo.

* Stuttgart, 4. Juni. Heute vormittag nahm der König die Parade der Stuttgarter und Ludwigsburger Garnison (8 Bataillone Infanterie, 3 Kavallerie-Regimenter, 1 Ab­teilung Artillerie und Train) auf dem Cauu- statter Wasen ab. Der König fuhr in einem zweispännigen Wagen die Fronten ab und ließ, im Wagen stehend, die Truppen im zweimaligen Parademarsche defilieren, wobei Prinz Wilhelm das Ulanen - RegimentKönig Karl" Nr. 19, und Herzog Albrecht seine Compagnie des Inf.-Regts. Nr. 119 vorführten. Die Kö­nigin, sowie die übrigen weiblichen Mitglieder der Königsfamilie wohnten der Parade, die viel Publikum angelockt hatte, zu Wagen bei. Später fand auf dem Rosensteiu ein militä­risches Frühstück statt, bei welchem der König und mehrere Mitglieder des kgl. Hauses zu­gegen waren. Nach aufgehobener Tafel er­schien auch die Königin, um im Verein mit dem Könige noch längere Zeit Cercle zu halten.

* Laut einer imSt. - Anz." enthaltenen Verfügung des Miuisterinms der auswärtigen Angelegenheiten, Abteilung für die Verkehrs- Anstalten, erfahrt der Sonntagsdienst bei den Telegraphen-Anstalteu mit beschränktem Tages­dienst bis auf weiteres nachstehende Aenderung: An Sonntagen und an den nachgenannten Fest- und Feiertagen als Neujahrfcst, Erscheinungs- fcst, Chartreitag, Ostermontag, Christi Himmel­fahrt, Pfingstmontag, Christfest, Stefanstag und in denjenigen Orten mit Telegraphen- anstalteu, in welchen die katholischen Einwohner die Mehrzahl bilden,' auch an Fronleichnam, Mariä Himmelfahrt und Allerheiligen werden die Dienststunden der Telegraphen - Anstalten mit beschränktem Tagesdienst je nach den ört­lichen Verhältnissen und Bedürfnissen in der Weise beschränkt, daß der Tclegraphendienst er­forderlichenfalls 1 Stunde vor dem Vormittags­gottesdienst, 1 Stunde zwischen den beiden Gottesdiensten und 1 Stunde nach dem Nach­mittagsgottesdienst stattfindet. Bei jeder Tele­graphen - Anstalt mit beschränktem Tagesdienst werden die Diensthunden au den Sonntagen und den genannten Fest- ec. Tagen durch den auch während des Dienstschlusses dem Publi­kum zugänglichen Schalteranschlag bekannt ge­macht.

* (Milzbrand.) In Roßwangen ist unter den Pferden der Milzbrand aufgetreten und sind dem Bauern Schweizer 3, einem andern Besitzer 4 Stücke daran verendet. Eine vom 5?. Oberamte beauftragte Kommission hat die krepierten Pferde abgcschätzt und deren Wert je auf nahezu 610 Mk., bei einigen darüber, fest- gestellt, welche Summe die beschädigten Besitzer ans der Staatskasse vergütet bekommen.

* Aalen, 2. Juni. DieJagstztg." be­richtet: In der Nacht vom 31. Mai auf den 1. Juni wurde auf der Bahnstation Unterkocheu das Einfahrtssignal von böswilliger Hand auf­gezogen und ein starker Draht über die Bahn­linie gespannt. Der Thäter wurde von der Landjägermannschaft in der Person des Tech­nikers Grüuiuger von Reutlingen, derzeit in der Zellstoff- und Papierfabrik in Unterkochen beschäftigt, ermittelt und dem K. Amtsgericht Aalen eingciicfert.

* Giengen a. d. Br., 4. Juni. Beim Aus-