sie Cadot erst kürzlich mit blutigem Gesicht aus der Kammer hatten Hervorkommen sehen. Die Polizei wurde benachrichtigt und fünf Agenten mit einem Schlosser begaben sich gestern nach dem bezeichneten Lokale, das mehrere eiserne und steinerne Mörser, sowie einen beträchtlichen Vorrat von salpetersaurem Kali, Glycerin und Quecksilber enthielt, daneben auch Fachschriften über Chemie und die Zubereitung von Dynamit. Man nimmt an, daß mehrere der verhafteten Anarchisten bei dem Unternehmen beteiligt waren. Ohne Zweifel war letzten Sonntag der erste Versuch mißglückt und trug Cadot die Brandwunden an Gesicht und Händen davon, die bei seiner Verhaftung auffielen. Cadot ist 28 Jahre alt, seines Berufs Drechsler und wurde schon zweimal wegen Diebstahls und zweimal wegen Körperverletzung verurteilt.
* Paris, 5. Mai. Ueber die Gemeinderatswahlen (65 Republikaner, 13 Konservative, 2 Boulangisten) schreibt „Figaro": „Ilss sssrs, wlssr. Es wäre grausam, über die unheilbare Niederlage, den tiefsten Zusammensturz weiland des Boulangismus noch sich zu verbreiten. Diese Partei hat jetzt selbst das Recht verloren, einen besonderen Namen zu tragen. Die paar Anhänger derselben nennen sich Patrioten, mögen sie — das darf man im Namen des Vaterlandes von ihnen verlangen — uns künftig in Ruhe lassen. Sie sollen Opposition treiben, aber bescheiden und im Verhältnis zu dem wenigen Kredit den sie im Lande besitzen!" Und dieses Blatt hat vor wenig mehr als einem Jahr in dem General nicht bloß den Herrscher über Frankreich, sondern auch den Sieger über Preußen, den „Befreier" des El- saßes und Eroberer der Rheingrenze erblickt!
* Paris, 5. Mai. Nach der gestrigen Niederlage des Boulangismus und wegen der Weigerung Boulanger's nach Paris zu kommen, soll die Auflösung des boulangistischen Zentralkomitees erfolgen.
* Aus Brüssel wird der „Allg. Ztg." gemeldet: Stanley hat den Eintritt in die Dienste der englischen Ostafrikanischen Gesellschaft abgelehnt und wird im Oktober zum Generalgouverneur des Kongostaates ernannt werden.
* London, 6. Mai. Die geographische Gesellschaft veranstaltete gestern abend zu Ehren Stanley's und seiner Begleiter einen glänzenden Empfang in der Prinz Alberthalle. Der Präsident der Gesellschaft überreichte Stanley mit einer Ansprache eine Adresse. Stanley antwortete in längerer Rede und beschrieb die Ausdehnung und den Charakter des von der Expedition durchschrittenen Landes. Er schloß: Als christliche Nation müssen wir uns freuen, mehr als 400 Menschen aus der Sklaverei gerettet und 290 in ihre Heimat Aegypten zurückgeführt, endlich den Gouverneur, welcher zur Unthätigkeit verurteilt war, befreit und in stand gesetzt zu haben, in den Dienst einer befreundeten Nation einzutreten. Der Prinz von Wales
überreichte Stanley eine besondere Medaille 'in Gold und den übrigen Teilnehmern an der Expedition dieselbe Medaille in Bronze.
* Madrid, 6. Mai. Im ganzen Königreich ist die Ruhe wieder hergestellt. Hier nahmen fast alle Streikenden die Arbeit wieder auf; in den Provinzen dauern die Streiks fort, jedoch ohne Ruhestörungen.
Haus- und Landwirtschaftliches.
* (Fütterung trächtiger Kühe.) Bei der Fütterung trächtiger Kühe ist Vorsicht geboten; durch Verabreichung roher Kartoffeln z. B. wird leicht ein Verkalken der Tiere bewirkt. Schädlich wirken auch schimmeliges Dürrfutter oder zu sehr durchnäßte, sehr kalte oder stark abführende Futtermittel, z. B. viel nasse Rübenblätter. Hochträchtige Kühe sollten jedenfalls mit Biertrebern nicht mehr gefüttert werden.
Handel und Berkehr.
* Stuttgart, 5. Mai. (Landes-Produkten- Börse.) Die Börse ist schwach besucht; infolge der hohen Forderungen der Händler halten die Käufer zurück. Wir notieren per lOOKilogr.: Weizen russ. Sax. 22 Mk. 50 bis 22 Mk. 75, Redwinter 22 Mk. 50, Rumänier 22 Mk. 20, azima 21 Mk. 75 bis 22 Mk. 50, ungar. 23 Mark 20, CaLMta 22 Mk. 40 bis 22M.50, Oberländer Kernen 23 Mk. bis 23 Mk. 50, Gerste rumän. 18 Mk. 50, Hafer !7 Mk. 60 bis 18 Mk. 20. — Mehlpreise per 100 Kiloar. inkl. Sack bei Wagenladung: Suppengries 33 Mark 50 bis 34 Mk., Mehl Nr. 0 34 Mk. bis 34 Mk. 50, Nr. 1 32 Mk. bis 32 Mk. 50, Nr. 2 30 Mk. 50 bis 31 Mk.. Nr. 3 28 Ml. 50 bis 29 Mk. 50, Nr. 4 25 Mk. bis 25 Mk. 50, Kleie mit Sack 9 Mk. per 100 Kilo je nach Qualität.
* Spaichingen, 5. Mai. Die Aussichten auf eine reichliche Heuernte find es wohl allein, die im Futterhandel Flauheit hervorgerufen haben. Doch sind in den letzten Tagen wiederum mehrere Käufe von Heu abgeschlossen worden und schwankten die Preise von 2 Mk. bis 2 Mk. 40 Pf. je nach Qualität.
* Meßkirch (Baden), 5.Mai. Der Viehexport steht z. Zt. wieder in voller Blüte; in letzter Zeit waren mehrere Kommissionen hier, die Vieh kauften. Heute Montag werden wieder 60 Stück Kalbinnen und Bullen verladen, die der bekannte Viehhändler Grunert aus Sachsen- Weimar kaufte.
* (Warum er ab r e i st.) „Herr Baron reisen schon ab?" — Ja, liebe Mills. Die beste Zeit ist vorüber; was jetzt zur Kur kommt, ist Plebs, Leute, von denen man nicht einmal — eine Kleinigkeit pumpen kann."
Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.
Buxkin, reine Wolle, uadelfertig
ca. 140 ein breit ä Mk. 1.95 Pf. psr Alster
versenden direkt jedes beliebige Quantum
Burkin-Kabrik-Depot Osttünssrn- Va.L'rs.irkriirta.bl. _ Muster-Auswahl umgehend franko.^ _
Ausgaben für die Erhöhung der Friedenspräsenz betragen 31,500,000 Mk., die dauernden Ausgaben inclusive Bayern 18 Millionen Mark.
* Köln, 2. Mai. Die „Köln. Zeitung" erhielt ein Telegramm aus Belgrad, wonach auf Befehl des Ministers des Innern mehrere bulgarische Emigranten, die einen Putsch gegen Bulgarien auf serbischem Gebiet vorbereiten, verhaftet worden sind.
* Bochum, 4. Mai. Die heutige konstituierende Versammlung des neuen Bergarbeiter- Verbandes nahm die Satzungen an, durch welche Sozialdemokraten als Leiter und Mitglieder ausgeschlossen werden.
* Hagen i. W., 2. Mai. Heute wurde der vom Schwurgericht wegen eines im August v. I. begangenen Lustmordes zum Tode verurteilte Taglöhner H. Walch durch den Scharfrichter Reindl aus Magdeburg mittels des Beiles hingerichtet.
* Hamburg, 2. Mai. Etwa 8000 Arbeitern, die gestern gefeiert, wurde heute bis zum 6. Mai gekündigt.
Ausländisches.
* Pest, 5. Mai. Wegen des Bäckerstreikes läßt die Militärbehörde täglich 60,000 Brode backen.
* Im Handelsministerium zu Pest wurde am Samstag der Vertrag unterzeichnet, durch welchen die Sprengung der Felsengruppe an der unteren Donau, bekannt unter der Bezeichnung „Eisernes Thor", dem durch den Ingenieur Haidu vertretenen deutschen Consortium übertragen wird. Die Bedeutung dieser Arbeiten ist sehr groß, technisch sind sie eine der schwierigsten Aufgaben neuerer Zeit, ihre volkswirtschaftliche Bedeutung ist die, daß der Weg von der obern Donau zum Meere schiffbar wird. Für die Handelsbeziehungen Deutschlands und Oesterreich-Ungarns zum Orient eröffnen sich durch die Sprengung des „Eisernen Thores", für welche jedenfalls eine Reihe von Jahren nötig ist, ganz neue Aussichten.
* Genf, 1. Mai. Das Lassalle-Denkmal, das am 13. April in Bosscy, einem Dorfe halb auf Genfer, halb auf französischem Boden, hätte enthüllt werden sollen, wurde, wie der Berner „Bund" meldet, am letzten Sonntag, im Beisein des Verfertigers, ohne Sang und Klang, ohne Rede und Beteiligung des Volks, enthüllt.
* Paris, 4. Mai. Telegraphischen Meldungen zufolge wurde gestern in Lyon ein Sprengstoff-Laboratorium entdeckt. Dasselbe befindet sich im 5. Stockwerke eines Hotel garni, wo eine Dirne Caron vor einigen Monaten eine Kammer gemietet hatte, die von einem gewissen Cadot und seinen Kameraden allmählich in eine Werkstätte verwandelt worden war. Die Caron ist verschwunden; aber als Cadot am 29. April verhaftet wurde und sich dann Gerüchte von einem Verstecke explodierbarer Stoffe verbreiteten, erinnerten sich die Bewohner des Hauses, daß
daß ich von dem aufgeblasenen Kommerzienrat zur Hochzeitstafel geführt würde und seine Schwester, meine ehemalige Zofe, mir gegenüber säße, so überläuft mich jetzt schon eine Gänsehaut."
„Sollte wirklich das Unerhörte eintreten, meine liebe Tante," rief Jsabella mit Hellem Lachen, „so werden wir Ihnen gnädigst gestatten, am Tage meiner Vermählung ein Unwohlsein vorzuschützen."
„Ich bitte dich inständigst, auch nicht einmal im Scherz von einer solchen Möglichkeit zu sprechen."
In diesem Augenblick gingen der Kommerzienrat Brauer und Heinrich Willhöft an der Villa vorüber. Beide grüßten, als sie die Damen sahen, ehrerbietigst. Die Generalin, Gräfin v. Scheck, warf den Kopf in den Nacken und erwiderte den Gruß nicht im mindesten, Jsabella dagegen mit sichtbarer Freundlichkeit.
Nachdem sie vorübergegangen waren, sagte die alte Gräfin: „Dein Gruß war ja äußerst verbindlich und freundlich."
„Warum auch nicht? Soll ich hier unfreundlicher gegen ihn sein, als ich es auf Hohenfels war?"
„Es wird ihn ermutigen, bei uns eine offizielle Visite zu machen."
„Ich erwarte cs sogar."
„Ich leider auch. Diese Bürgerlichen besitzen im Gefühle ihres Reichtums eine Frechheit und Aufdringlichkeit —"
„Ich würde es unartig finden, wenn er nicht wenigstens einen Besuch machte. Ob er ihn wiederholen wird, hängt davon ab, wie wir ihn empfangen werden."
„Du wirst ihn gar nicht empfangen und dich verleugnen lassen."
„Das wäre meinerseits unartig."
„Ueberlasse den Empfang mir, Jsabella, ich will es ihm fühlbar machen, welche Kluft zwischen ihm und uns besteht und ihm die Lust am Wiederkommen verleiden."
„Ach nein, liebe Tante, ich kenne Ihre Virtuosität, Nadelstiche zu blicken und Messerstiche zu sprechen, ich möchte den armen jungen Mann davor bewahren, geschunden zu werden und," hier wurde ihr Ton unwillkürlich etwas schärfer," mich vor dem Verdachte schützen, mit Ihrer Excellenz, der Generalin, Gräfin Scheck, außer durch die Geburt auch noch in bezug auf andere, sehr schätzenswerte Eigenschaften verwandt zu sein. Es wäre mir unangenehm, wenn Herr Willhöft in betreff der allgemeinen Höflichkeit, die in jedem Stande die gleichen Gesetzesparagraphen hat, von der Tante auf die Nichte schließen sollte."
„Mir scheint, du verletzest in diesem Augenblicke einen Hauptparagraphen! Du sprichst von Virtuosität — die deine, um nicht respektwidrige Malicen zu sagen, liebe Nichte, kann so leicht nicht übertroffen werden! Aber ich will mich nicht dadurch berührt fühlen und werde nach wie vor an der Pforte unseres Hauses Wache stehen, daß keine unreine Luft in dasselbe eindringe."
„Ein prächtiges Bild, Tante!" rief Jsabella mutwillig lachend. „Sie als Jungfrau von Orleans frisiert, mit Panzer und Schwert, vor dem Eingänge unseres Hauses gegen unreine Luft kämpfend. Das sind wirkliche Lufthiebe!"
„Spotte nur, häßliches Kind! Ich hoffe indessen, den Papa auf meine Seite zu bekommen und werde ihn bitten, wenn Herr Willhöft hier wirklich eine Visite machen sollte, ihn danach keinenfalls mit einer Einladung zu beehren."
„Und ich werde den Papa ersuchen, es unter allen Umständen zu thun!"
(Fortsetzung folgt.)
(Lesefrucht.) Offene Augen und geschloffener Mund haben noch Niemandem geschadet.