lcr v. Weizsäcker beklagte die Mangelhaftigkeit in der Verbindung von Tübingen mit Stutt­gart, bei welcher doch wohl nicht die Rentabilität in erster Linie komme. Im weiteren Verlauf der Debatte bemerkte der Ministerpräsident, die Regierung lege auf die Bewilligung von 10 000 Mark zu Vorarbeiten für ein zweites Geleise von Haseuberg nach Böblingen kein großes Ge­wicht; dasselbe sei wünschenswert, aber not­wendig werde es erst werden, wenn die Station einmal Vollbahnhof geworden sei; weiterhin teilte derselbe mit, daß der durch das Eisen­bahnunglück vom I. Oktober v. I. angerichtete Gesamtschaden sich auf 250 000 bis 375 000 M. berechne, wobei die zu zahlenden Renten kapi­talisiert seien; von 77 Entschädigungsfällen seien 46 erledigt, bei 31 schweben die Verhandlungen noch. Für den ganzen Schaden die Schuldigen verantwortlich zu machen, daran könne nicht wohl gedacht werden. Bei der Abstimmung wurde der Antrag v. Göz mit 56 gegen 30 Stimmen abgelchnt und darauf der Antrag der Negierung in allen Teilen (auch bezüglich des zweiten Geleises HaseubergBöblingen) ange­nommen. Nachdem sodann Artikel 6 des Ge­setzes ohne Debatte genehmigt worden, wurde das ganze Eiseubahugesetz einstimmig angenom­men. Die Bitte badischer und württembergischer Gemeinden wegen Erbauung einer schmalspurigen Straßenbahn von Möckmübt nach Mergentheim wurde gemäß dem Kommissionsantrag der Re­gierung zur Erwägung überwiesen und darauf die Sitzung geschloffen.

Lalldesuachrichteu.

r. Rohrdorf, 1. Mai. Auf der Straße von Nagold hieher ereignete sich heute nach­mittag ein höchst bedauerlicher Unglücksfall. Der hiesige Tuchmacher Bränning, Vater einer zahlreichen Familie, setzte sich beim nach Hause gehen auf ein ihm begegnendes Fuhrwerk. Un­weit des Orts fiel derselbe so unglücklich vom Wagen, daß er das Genick brach und auf der Stelle tot blieb. Herzzerreißend war der Jam­mer der schwergeprüften Familie, als man ihren Ernährer, der einige Stunden vorher gesund das Haus verließ, entseelt über die Schwelle trug.

* Freudenstadt, 29. April. Der,Nztg." wird geschrieben: Als Se. K. Hoheit Pkinz Wilhelm von Württemberg letzten Freitag von der Auerhahnbalz zurückkam, hatten sich in Kloster-Reichenbach auf die Kunde von der An­kunft des hohen Herrn der Krieger- und Militär- Verein, die bürgerlichen und kirchlichen Kollegien nebst den Lehrern mit ihren Schülern vor der Klosterkirche aufgestellt. Der Prinz wurde von der versammelten Menge mit begeistertem Hurrah und mit Gesang begrüßt. Seine Kgl. Hoheit stieg aus, nahm von dem Vorstand des Krieger­vereins den Rapport entgegen, begrüßte den Ortsvorsteher und Pfarrer und dankte für den freundlichen Empfang. Zum Schluffe brachte der Vorstand des Militärvercius auf Se. Kgl.

Hoheit ein Hoch aus, in welches die Anwesenden jubelnd einstimmten.

* Frendenstadt, 29. April. Im Schoße der bürgerlichen Kollegien wurde gestern be­schlossen, die Grundstücke und Gärten au der südöstlichen Ecke der Sternschanze, welche die Stadt einschloß, käuflich für die Stadtgemeinde zu erwerben. Der Kauf, welcher schon vor­bereitet war, wurde sofort perfekt gemacht und es erhalten die Besitzer dieser Grundstücke per Quadratrute durchschnittlich 4060 Mk., was einer Kaufsumme von ca. 14,000 Mk. gleich­kommt. Dadurch ist die Stadtgemeinde in die Lage versetzt, 2 Straßen gegen Süden der Turnhalle zu verlängern, was schon längst als ein Bedürfnis geltend gemacht war, und gewinnt eine Reihe schöner Bauplätze für ein ganzes Häuserquartier, welche bald Kauflieb­haber finden werden. Der Platz soll bis 1. September von den seitherigen Besitzern ge­räumt sein, worauf der Wall abgetragen und der Schanzgraben aufgefüllt wird.

* Poltring en, 29. April. Das Zimmer- mann'sche Rittergut, Schloß, Mühle und sämt­liche Liegenschaften, früher den Frhrn. v. Ulm gehörig, wurde von der Gemeinde Poltringeu um 135,000 Mk. erworben. Der Ertrag der Accker wird Heuer verpachtet. Die Güter sollen dann später teils an die Poltringer Bürger verkauft, teils von der Gemeinde zu Bürger­nutzungen verwendet werden. Den fleißigen Bürgern ist nun günstige Gelegenheit geboten, ihre Lage und Besitztums-Verhältnisse zu ver­bessern. Mögen fruchtbare Jahre dies gewagte Unternehmen von Oben begünstigen.

* Stuttgart. 1. Mai. Die Arbeiter Stuttgarts haben sich heute, wie derMerkur" berichtet, vollzählig zur Arbeit eingestellt. Das Blatt schreibt:Es wird uns diese Nachricht bestätigt aus den bedeutendsten Betrieben der Baugewerbe, der Bekleidungsindustrie, der Bier­brauereien, der Bijouteriebranche, der Buch­bindereien, der Buchdruckereien, der Zigarren­fabriken, der Gießereien, des Gipser- u. Maler- gewcrbes, der litographischen Anstalten, der Maschinenfabriken, der Wageufabriken, der Piauofortefabriken und der Trikotwareubranche. Es sind uns etwa 30 Mitteilungen zugegangen, alle übereinstimmend dahin lautend, daß überall vollzählig die Arbeiter sich zu ihrem Berufe eingefunden haben."

' Wie dasNeue Tgbl." schreibt, soll die Wahl des Frhrn. v. Münch beim Reichstag angefochten werden, und zwar auf Grund seiner eigenen Geständnisse betreffs seiner Wahlaus­lagen für Unterstützungen und Freibier.

* DerSchwäbische Merkur" schreibt: Durch mehrere Blätter geht die Meldung, Präsident v. Hosacker werde in Bälde von der General­direktion der Staatseisenbahnen zurücktreten. Wie nun verlautet, bestätigt sich diese Nachricht insoweit, als Präsident v. Hofacker nach 45jäh- riger hochverdienter und äußerst anstrengender Thätigkeit beabsichtigt, um seine Pensionierung

einzukommen. Eine Entscheidung, wenn dies geschehen wird, ist jedoch keineswegs getroffen, ebensowenig irgend welche Bestimmung über einen etwaigen Nachfolger. Die Namen, welche in dieser Richtung genannt werden, beruhen auf Mutmaßungen.

* Hellbraun, 1. Mai. Der Macht des Gewissens verdankt ein früherer hies. Mehl- und Fruchthändler die Zurückzahlung einer alten Schuld. Derselbe hatte vor ca. 25 Jahren von einem Händler aus Mergentheim öfters Früchte gekauft und demselben dabei einmal aus Versehen 25 Gulden zu viel übergeben. Letzterer steckte das Geld stillschweigend ein. Aber die Sache ließ ihm keine Ruhe. Vor drei Wochen kam er hieher und brachte den Betrag seinem ehemaligen Geschäftsfreunde zurück, um, wie er sagte, sein Gewissen, das ihm keine Ruhe lasse, zu beruhigen.

* (Verschiedenes.) Dieser Tage flog in Heiden heim ein Nabe in einen Tauben­schlag hinein und holte sich aus dem Neste ein junges Täubchen. Daß die Naben junge Slaaren aus ihren Häuschen rauben, kommt öfters vor. Bei einer militärischen Uebung in Ulm wurden am Montag in der Friedrichsau Baum­stumpen mit Pulver gesprengt und hierzu so starke Ladungen verwendet, daß die zentner­schweren Wurzelstöcke weithin geschleudert wur­den. Ein Stumpen flog auf das Dach des Schießhauses, in welchem von Schützen eben geschossen wurde, durchschlug das Cementplatten- dach, und richtete große Zerstörung an. Eine eigentümliche Wasserkur probierte in der Kar­freitag-Nacht ein ca. 65 Jahre alter Mann in Steinheim a. d. Murr. Nach der aber­gläubischen Meinung, als ob eine Waschung in der Mitternachtsstunde dieses Tages Gesundheit und Schönheit bringe, stieg er vergnügt in die kühle Flut und badete darin, ohne sich eine Erkältung zuzuziehen.

"Karlsruhe, 29. April. Regelmäßig wie das Mädchen aus der Fremde, kehrt mit jeder Kammersesston die Klage seitens mehrerer Abgeordneten aus ländlichen Wahlkreisen wieder über ungenügende Abgabe von Laubstreu und ebenso regelmäßig erwidert der Vertreter der Forstkultur, es würde stets so viel abgegeben als ohne Schädigung des Waldes geschehen könne. Dabei bleibts. Einen unangenehmen Ton erhält die Debatte jedesmal durch die Behauptung der Opposition, man verfahre bei Abgabe dieser Laubstreu parteiisch, indem man liberalen Wählern sich entgegenkommender zeige als oppositionellen Streubedürftigen. Eine wei­tere die Landwirtschaft betreffende Vorlage, die Zwangsrindvieh-Versicherung, wurde in beiden Kammern als sehr nützlich anerkannt und an­genommen. Auf dem Wege der Freiwilligkeit ist auf dem Lande bekanntlich nicht viel zu er­reichen. Es wird nicht lange dauern, so wird sich dieser Zwang auch auf Pferde-, Hagel­und sonstige Versicherungen ausdehnen. Der

Ja, das können auch wir, Heinrich, und das wollen wir auch. Gott, wie ich mich auf diese Zeit freue, kann ich dir gar nicht sagen. Aber nun nenne mir doch endlich einmal den Namen derjenigen, um derentwillen du dies alles ins Werk setzen willst!"

Heinrich zögerte einen Augenblick, als wenn es ihm schwer würde, das Geheimnis seines Herzens preiszugeben, dann sagte er:Es ist die Gräfin Jsabella von Waldsee."

Der Kommerzienrat flog förmlich bei Nennung dieses Namens von seinem Sitze empor.Wie?" rief er aus,die Tochter des Grafen Waldsee, der in der kleinen Villa neben unserer zukünftigen wohnt?"

Dieselbe. Setzt cs dich so sehr in Erstaunen, daß ich meine Blicke bis zu einer Gräfin emporgehoben?"

Aus diesen Namen war ich allerdings nicht gefaßt."

Brauer schwieg einen Augenblick, dann sagte er:Erwartest du dort Vermögen?"

Ich habe noch mit keinem Gedanken daran gedacht, ob die Familie vermögend sei oder nicht. Das wäre doch auch Nebensache."

Ja, das ist Nebensache und ein Glück, daß dem so ist, denn wenn du es nicht als Nebensache betrachtetest, würdest du sehr enttäuscht wer­den. Die Vermögensverhältnisse des Grafen sind sehr zerrüttet."

Woher weißt du das?"

Woher ich es weiß, uun, das ist einerlei, aber daß dem so ist, darauf kannst du dich verlassen."

Ist dies allgemein bekannt?"

So allgemein wohl nicht, aber man weiß doch, daß er zu Leb­zeiten seine? Sohnes, der ein großer Verschwender gewesen sein soll, sein Gut mit einer enormen Hypothekenlast beschwert hat."

Der Kommerzienrat dachte einen Augenblick darüber nach, ob er das, was er hierüber noch mehr wisse, dem Neffen Mitteilen solle, sowie

auch, daß er diesen Umstand für geeignet hielt, Hoffnungen für den glück­lichen Erfolg seiner Bewerbung zu erwecken. Aber sein Neffe hatte über manche Dinge oft ganz andere Ansichten wie er; er war seiner Sache nicht sicher, ob das, was unternommen werden könnte, um einen Erfolg herbeizuführen, auch dessen Billigung haben werde; es war sogar wahr­scheinlich, daß derselbe das Mittel verwerfen würde und dann könnte durch ein unzeitig gewecktes Zartgefühl die ganze Verlobung in Frage gestellt werden und das durfte nicht sein! Sein Neffe der Verlobte, der Gemahl einer Gräfin Waldsee, er selbst der Onkel dieser Gräfin, der nahe Ver­wandte dieser altadeligen Familie! Mochten des Grafen Verhältnisse verwirrt, seine Finanzen zerrüttet sein, das war eine Sache, die zu än­dern war, Heinrich und er traten zu einem hocharistokratischen Geschlecht in die nächsten Beziehungen, das die einflußreichsten Personen in der Um­gebung des Monarchen zu seinen Verwandten zählte, ja durch feine ver­storbene Frau war der Graf Waldsee mit einem Fürstenhause verwandt. War es nicht mehr als wahrscheinlich, daß Heinrichs zukünftiger Schwie­gervater alles daran fetzen würde, durch seine einflußreichen Verwandten auch für seinen Schwiegersohn ein Adelsdiplom zu beschaffen? Was da­her geschehen mußte, um dies schöne Ziel zu erreichen, wollte er allein thun, ohne daß Heinrich darum wußte und erst später, nachdem der Wurf gelungen, sollte derselbe erfahren, wer ihm den Weg zu seinem Glücke geebnet.

Diese Gedanken fuhren mit Blitzesschnelle durch das Gehirn des Kommerzienrats. Beide hatten längere Zeit geschwiegen, in der auch Heinrich sich besonderen Gedanken hingab.

Brauer brach zuerst das Schweigen und sagte:Ist denn die Gräfin Waldsee schon von ihrer Reise zurückgekehri?" .

Sie und die Gräfin Scheck verließen bereits vor fünf Tagen das Gut des Grafen Hohenfels, um direkt nach Hause zu reisen." (Forts, f.)