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1890.

Ehe und Familie in sozialdemokratischer Beleuchtung.

Ein sozialdemokratisches Blatt, dieSäch­sische Arbeiter-Ztg.", stellt folgende Betrachtung über Ehe und Familie an:

Im Bürgcrstande finden wir der Nach­kommenschaft eine übertriebene Sorgfalt gewid­met. Der Proletarier steht seinen Kindern kälter gegenüber; die große Kindersterblichkeit bei den Arbeitern erklärt sich daraus, daß die Kinder hier nicht so die Götzen sind; eine sehr glückliche Thatsache, denn dadurch werden schwäch­liche und untaugliche Individuen gleich von vornherein ausgeschieden und nicht mit Mühe und Not aufgepäppelt, um sich dann nachher zu verheiraten, ebenso schwächliche Nachkommen zu erzeugen und auf diese Weise die Rasse zu ver­schlechtern. Beim Proletariat ist das Weib dem Mann gleichgestellt. Sie verdient ihren Lebens­unterhalt und beansprucht also dieselben Rechte. Wenn der Mann ihr nicht zusagt, so kann sie ihn verlassen; denn sie kann ja durch ihre Arbeit überall durchkommen. Freilich, da die Gesetze die Verhältnisse der herrschenden Klasse aus- drücken, so ist diese Freiheit nicht sittlich sanc- tioniert; aber in Wirklichkeit macht sie schon Ge­brauch von ihrer Freiheit. Dazu kommt, daß sie nicht nötig hat, an einen Mann sich zuverkaufen". Die junge Arbeiterin kann warten; sie kann ein Verhältnis" eingehen mit einem jungen Mann, wenn er ihr nicht gefällt, so läßt sie ihn und sucht einen anderen, mit dem sie besser harmoniert. Es ist eine, leider nicht zu realisierende Idee des Bürgertums, aus Probe sich zu verheiraten; die Idee ist durchaus nicht unberechtigt. Die Arbeiter können die Ehe auf Probe realisieren, und sie thun es auch fast durchgängig. Durch diese Freiheit wird mit einem Mal alle Lüge und Heuchelei aus dem Geschlechtsleben verbannt. Unglückliche Ehen sind ausgeschlossen. Und trotz aller Pfaffenmoral sind die bürgerlichen Ehen in den meisten Fällen unglücklich! Die Frau kann nicht zugleich in die Fabrik gehen und die Kinder erziehen. Natürlich hat das die schlimmsten Folgen für die Kinder; sie

wachsen ohne Erziehung auf. Den Punkt, von dem aus die Weiterentwickelung vor sich gehen wird, bilden die Kindergärten. Wenn die Frau eine andere Thätigkeit bekommt, so muß ihr die alte Thätigkeit abgenommen werden, die Erziehung der Kinder wird von Fremden be­sorgt, und natürlich wird das ein pädagogisch gebildeter Mensch besser können, als die erste beste Frau. Sobald die Kinder arbeitsfähig sind, müssen sie gleichfalls in die Fabrik wan­dern. Das hat zur Folge, daß auch sie eman- cipiert werden, ähnlich wie die Mutter. In der Rege! wird die Sache so sein, daß sie ihren Eltern Pension bezahlen. Mit der Macht des Vaters über die Kinder ist es damit natürlich zu Ende. Dadurch bilden sich selbständige und energische Charaktere. Mit einem Worte: die alte Form der Familie sehen wir beim Prole­tariat in vollständiger Auflösung begriffen. Aber diese Auflösung ist nicht, wie beim Bürger­tum, eine Zersetzung, sondern sie enthält die Elemente einer neuen Gestaltung. Die Fabrik­arbeiterin kann keine Hausfrau sein. Das hat wohlwollende" Unternehmer z. B. dazu geführt, eine-Art Uuterrichtskurse im Haushalten für ihre jungen Arbeiterinnen einzurichten. Daß so etwas nicht helfen kann, ist klar, denn es geht gegen die Entwickelung. Die produktiv wirkende Frau wird zuletzt auch von der Haus­haltung befreit werden, und die Zurichtung der Speisen wird ebenso wie die Erziehung der Kinder die Funktion bestimmter Leute werden, welche dieselbe für eine Reihe von Familien besorgen."

Württembergischer Landtag.

Kammer der Abgeordneten.

Stuttgart, 30. April. (61. Sitzung.) Zu­nächst wurde der an Stelle des Prälaten v.Schmid neuernannte Generalsuperintend. von Heilbronn, Prälat v. Sandberger, eingeführt und beeidigt. Dann wurde die Beratung über die Bahnprojekte zur Umgehung des Stuttgarter Bahnhofs fort­gesetzt. Die Regierung verlangt 30 000° Mark zu Vorarbeiten für eine direkte Verbindungsbahn

Untertürkheim ZuffenhausenHasenberg und Erweiterung der letzteren Station, sowie 10000 Mark zu Vorarbeiten für ein zweites Geleise auf der Strecke HasenbergBöblingen. Dem gegenüber hat Dr. v. Göz beantragt, 40000 Mark zu verwilligen zu Vorarbeiten für Eisen­bahnlinien, welche der Ueberlastung des Güter­bahnhofs Stuttgart abzuhelfen geeignet sind. Für den Antrag v. Göz sprachen nacheinander die Abgg. Maurer, welcher betonte, daß durch den Bau einer Bahn VaihingenRenningen Böblingen ein altes, an Vaihingen durch die Anlegung des dortigen Bahnhofs begangenes Unrecht wieder gutgemacht würde, ferner von Wolfs, der für eine bessere Verbindung von Tübingen und Stuttgart (über Böblingen) ein­trat, Aldinger, Haußmann, Frhr. v. Ellrichs- Hausen, v. Abel, während Stälin die Vorschläge der Regierung empfahl, da eine Entlastung des Stuttgarter Bahnhofs nur erreicht werde, wenn die Station Hasenberg zu einem Vollgüterbahn­hof gemacht werde. Oberbaurat Bracher wies auf die groben Schwierigkeiten hin, die einer Vergrößerung des Stuttgarter Bahnhofs (wie sie in der letzten Sitzung der Kammer der Ab­geordneten Dr. v. Göz u. a. vorgeschlagen) im Wege stehen. Ministerpräsident Dr. v. Mitt­nacht wandte sich in längerer Rede gegen die von Dr. v. Göz geltend gemachten Bedenken, als ob bei Annahme des Regierungsprojekts eine Verödung des Stuttgarter Güterbahnhofs eintreten könnte, und kritisierte das Projekt VaihingenRenningenBöblingenTübingen. Die Kosten dieser Bahn würden sich auf 21600 000 Mark belaufen (TübingenBöb­lingen 7.«, BöblingenRenningen 4.z, Ren­ningenVaihingen 9.5 Millionen) und doch hätte dieselbe für den Transitverkehr keine Be­deutung, da sie mit der Linie Pforzheim Jmmendingen doch nicht konkurrieren könnte. Die Regierung werde übrigens auf Grund ihrer Vorlage alle einschlägigen Momente prüfen, auch den Vorschlag einer Verbindung vom Prag­tunnel zum Kriegsbergtuuncl (behufs Verbindung der Stationen Feuerbach und Hasenberg). Kanz-

Die Pflegekinder des Kommerzienrats. (Nachdruck

Novelle von Carl H artm an ii-P lon.

verboten.)

(Fortsetzung.)

Das liegt denn doch nahe genug, zumal da die Tante das Necken nicht lassen kann und schon mehrmals gesagt hat: Sobald du nur erst hier die Hausfrau bist, dann reise ich zu meinen Kindern zurück. Auch weiß Katharina, daß es der Wunsch meiner Frau war, daß ihr beiden ein Paar würdet. Also auf den Gedanken wird sie schon gekommen sein und Nein würde sie auch nicht sagen."

Aber ob sie mich liebt, liebt wie ein Weib den Mann lieben muß, das ist doch sehr zweifelhaft. Die wirkliche Liebe ist stets eine Verräterin an sich selbst: ein flüchtiges Wort, eine Bewegung, ein Erröten entschleiert das liebliche Geheimnis und vor allen Dingen ist es ein Blick, der es enthüllt."

Ein Blick? So ein Blick, der einem etwas heiß macht und einem durch die Augen in die Seele hinabfährt?"

So ähnlich, Onkel. Aber Käthe ist von jeher dieselbe geblieben, sie ist als erwachsenes Mädchen nicht anders, wie sie als Kind war. Sie ist mir freundschaftlich gesinnt, gewiß, aber noch nie habe ich das leiseste Zeichen bemerkt, daß sie mehr für mich fühle, als Freundschaft und das ist mir lieb, sehr lieb, so wird ihr Herz nicht brechen, wenn ich mich mit einer anderen verlobe."

Ich habe dir eine Kiste feiner Zigarren auf den Tisch gestellt, zünden wir uns eine davon an und dann, mein Junge, befriedige endlich meine Neugierde, meine Geduld ist erschöpft und ich ruhe nun nicht eher, als bis du mir den Namen derjenigen genannt hast, mit der du dich möglicherweise verloben wirst."

Gleich, Onkel, erst die Zigarre."

Nachdem beide sich eine Zigarre angezündet und sich darauf auf das bequeme Kanapee niedergelassen, sagte Heinrich:

Von Verlobung ist vorläufig noch nicht die Rede. Ich bin weit entfernt zu glauben, daß ich bereits einen Eindruck gemacht hätte, der im stände wäre, eingewurzelte Vorurteile sogleich über den Haufen zu werfen, aber darin täusche ich mich doch wohl nicht, daß ich ein Interesse geweckt habe, welches, wenn es genährt und gepflegt wird, zu einer wirklichen Liebe sich erweitern könnte. Ist es aber erst Liebe geworden, dann hoffe ich, daß sie so stark sein wird, diese Vorurteile zu besiegen und alle Standesrücksichten beiseite zu legen. Mein nächstes Streben ist darauf gerichtet, in die erste Gesellschaft eingeführt zu werden; habe ich erst darin festen Fuß gefaßt und gehöre ich, so zu sagen mit dazu, so ver­spreche ich mir hiervon den Vorteil, daß die Betreffende einem Manne aus der Gesellschaft, wenn er auch ein Bürgerlicher ist, leichter ihre Hand schenkt, als wenn er außerhalb dieser exklusiven Sphäre steht. In dieser Gesellschaft will ich aber nicht allein genießen, sondern ich will in glän­zender Weise erwidern, was mir in ihr geboten wird; ich will nicht nur geduldet werden, sondern mir ein Recht auf den Platz erwerben, den man mir eingeräumt. Und dieses Recht erkennt man demjenigen sehr leicht zu, der in jeder Weise wie ein Kavalier auszutretcn vermag, es nament­lich auch versteht, auserlesene Feste zu arrangieren. Wer das kann, der steht oft in größerem Ansehen und wird mehr geachtet, als Leute mit Titeln und Orden, die die Mittel nicht dazu haben. Was sichert denn dem durchaus nicht hochgebildeten Zuckersabrikanten Wehlmaun, dem Bankier Meier, dem Grossisten Stcffenscn und einigen anderen ihre aus­gezeichnete Stellung in dieser aristokratischen Gesellschaft? Nur ihre Diners und Bälle und bei diesen der Luxus an feigsten Weinen und lukullischen Delikatessen, wie sie bei keinem Fürsten schö. er gereicht werden. Das können auch wir, Onkel, und wir wollen cs auch, nicht wahr?"