* In Wiesbaden ist der Diener des Majors a. D. v. Frankenberg - Proschitz, Namens Georg Diefenbach, verhaftet worden, weil er seinem Dienstherrn aus dem Schreibtisch 5000 Mk. in Banknoten gestohlen hatte. Um die Spur des Diebstahls zu verdecken, legte er in der Wohnung Feuer, das jedoch bald gelöscht wurde. Diefenbach war früher Bursche eines höheren Offiziers in Koblenz, welchem eben in jener Zeit Geld und Schmucksachen entwendet worden sein sollen, ohne daß es gelungen wäre, den Dieb ausfindig zu machen.
Ausländisches.
* Wien, 8. April. Die Regierung soll in den nächsten Tagen zur Feier des 1. Mai öffentlich Stellung nehmen. Wie verlautet, beabsichtigt sie alle Demonstrationen aufs ernsteste zu verbieten. Die Direktion der Lokomotiv- fabrik Wiener-Neustadt eröffnete ihren Arbeitern, falls sie den 1. Mai feierten, bleiben ihre Fabriken auch am 2. und 3. Mai geschlossen und werden die Arbeiter erst am Montag den 5. Mai wieder ausgenommen.
* Wien, 8. April. Im Bezirke Neu- lerchenfeld fanden heute große Arbeiter-Exzesse statt. Da die Alarmschüsse der Sicherheits- wachtleute fruchtlos blieben, gebrauchten letztere das Seitengewehr. Zahlreiche Geschäftslokale wurden zertrümmert und die Waren auf die Straßen verstreut. In zwei Branntweinschenken wurden die Fässer zerschlagen und der ausfließende Branntwein angestcckt, wodurch die Lokale in Brand gerieten. Die Fensterscheiben der Häuser und die der vorbeifahrenden Tramway - Waggons nnd Droschken wurden mit Pflastersteinen zertrümmert. Zahlreiche Verhaftungen mußten vorgenommen werden. Zwei Schwadronen Kavallerie und ein Bataillon Infanterie besetzten den bedrohten Stadtteil.
* Wien, 9. April. Die nächtlichen Unruhen in den westlichen Vororten Nculerchenfeld und -Ottakring von Wien hatten einen ausgesprochen antisemitischen Charakter. Die geplünderten Geschäfte gehören Inden.
* Aus B e r n geht der „Voss. Zig." folgende Meldung zu: „Von gut unterrichteter Seite erfahre ich, daß die Aufhebung des Paßzwangcs an der deutsch-französischen Grenze in nächster Zeit bevorstehe. Wir verzeichnen dieses Gerücht, welches wir augenblicklich nicht kontrollieren können, ohne jede Gewähr."
* (Graf Waldersee in San Remo.) Seit etwa zehn Tagen weilt Geueralqnartier- meister Graf Waldersee mit Gemahlin in San Remo. Dieser Tage erhielt Graf Waldersee den Besuch des italienischen Ministerpräsidenten Crispi.
* Paris, 7. April. Soir bringt in seiner heutigen Nummer unter der Ueberschrift: „Die Deutschen in Paris" folgende Mitteilung: „Aus einer vom Polizeipräfekten veranlaßten Zusammenstellung geht hervor, daß in der Stadt Paris augenblicklich 30,229 Deutsche leben,
außerdem in den Arrondissements Sceale nnd Saint-Denis 5189; auf das ganze Seine-Departement kommen also insgesamt 35,718, und zwar 20,471 Frauen und 15,247 Männer — also eine recht artige Ziffer. Unter je 1000 Einwohnern von Paris sind hiernach 12 Deutsche zu rechnen; mit einer noch höheren Verhältnisziffer sind einzig und allein die Belgier vertreten. Diese Zahlen sprechen für sich und bedürfen keiner Erläuterung; es ist wohl an der Zeit, daß die Regierung sich nach Mitteln umsteht, um diesem Eindringen der Teutonen in Paris zu begegnen."
"Paris, 8. April. Das Schwurgericht der Seine verurteilte wegen zweier Artikel der boulangistischen „Egalits", welche zur Ermordung des Ministers des Innern und des deutschen Kaisers aufreizten, Zevaio, den Verfasser des ersten Artikels, zu 4 Monaten Gefängnis und 1000 Frcs. Geldbuße, Conret, des zweiten Artikels zu 1 Monat Gefängnis und 3000 Fr. Geldbuße und den verantwortlichen Redakteur Caillava zu 3 Monaten Gefängnis und 1000 Francs Geldbuße.
* Paris, 8. April. Eingeweihte Personen wollen wissen, daß im heutigen Ministerrate die Begnadigung des Herzogs von Orleans beschlossen worden sei. Der Herzog soll aus dem Gefängnisse direkt an die Schweizer Grenze geführt werden. Seine Freilassung wird erst publiziert werden, wenn der Herzog sich auf schweizerischem Gebiete befindet.
* Paris, 9. April. Die Bronzierung aller glänzenden Ausrüstungsteile der Armee (Helme, Schnallen, Seitengewehrgriffe, Säbelscheiden u. s. w.) wurde beschlossen.
* Paris, 10. April. In unterrichteten Kreisen ist von einer Freilassung des Prinzen von Orleans bisher nichts bekannt.
* Die großen russischen Manöver, zu welchen auch Kaiser Wilhelm erwartet wird, beginnen in den ersten Tagen des August in der Umgegend von Petersburg und werden mehrere Wochen dauern. An denselben sollen mehr Truppen als gewöhnlich teilnehmen, zugleich auch Versuche mit rauchlosem Pulver gemacht werden.
" Eigentümliche militärische Maßnahmen Rußlands bringt die „Kreuzztg." zur öffentlichen Kenntnis. Das Blatt erfährt, daß im September dieses Jahres große russische Manöver in Rowno, hart an der galizischen Grenze stattfinden werden. Die Truppen des Kiewer und Warschauer Militärbezirks werden hier in einer Gesamtstärke von 150,000 Mann Zusammenwirken. Das Blatt erblickt hierin eine Fortsetzung der Nörgeleien und Provokationen, die seit Jahren schon von russischer Seite statt- finden. Die „Kreuzztg." hält es nicht für unwahrscheinlich, daß, wie es bisher stets geschehen ist, ein Teil des Kriegsmaterials in der Nahe des Schauplatzes der Manöver Zurückbleiben wird.
* Sophia, 8. April. Panitza hat weitere
Geständnisse abgelegt. Die Selbstmorde kompromittierter Offiziere nehmen erschreckend zu. Prinz Ferdinand soll aus Aufregung erkrankt sein.
* Madrid, 10. April. Augenscheinlich hat sich ein centrales Arbeiter-Komite in Europa gebildet, nm überall Propaganda für eine allgemeine Arbeitsniederlegung am 1. Mai zu machen. Hierher sind besondere Delegierte entsandt, welche die Arbeiter zu einer Folgeleistung der Beschlüsse des Komites zu überreden suchen. Man erwartet, daß fast 80000 Angestellte am 1. Mai in Barcelona zusammenströmen werden. Barcelona ist zum Mittelpunkt der Demonstration ausersehen. Ein großer allgemeiner Streik, zur Erzielung eines achtstündigen Normalarbeitstages, wird für die Folge erwartet.
* New-Aork, 8. April. In Edgerton (Kansas) wurde eine Frau zum Bürgermeister gewählt, ebenso wurden Richterposten, Gemein- derats- und Polizeistelleu mit Frauen besetzt.
Handel nnd Verkehr.
Von jetzt an werden Drucksachen in Rollenform , welche bisher nur im Verkehr mit den außerdeutschen Ländern zur Postbeförderung gegen die ermäßigte Drucksachentare zugelassen waren, gegen diese Taxe auch im Verkehr innerhalb Württembergs und im Verkehr mit den andern deutschen Pastgebieten zur Postbeförderung angenommen. Derartige -Lenkungen müssen den für Drucksachen geltenden Vorschriften entsprechen und dürfen das Maß von 45 om in der Länge, sowie das Gewicht von 1 KZ nicht überschreiten.
- Calw, 9. April. Dem heutigen Viehmarkt waren zugeführt 244 Stück Rindvieh, 7 Pferde, 23 Stück Läuferschweine und 14 Körbe Saugferkel. Obwohl schöne, fette und angefleischte Zugochsen zugebracht, wurde doch wenig gehandelt und blieben die Preise auf seitherigem Stand. Höchster Preis für ein Paar Ochsen 1000 Mk. Gleich flau war der Handel in Kühen und Jungvieh. Läuferschweine und Saugferkel wurden rasch und zu hohen Preisen, letztere zu 24—39 Mk. das Paar, verkauft.
' H e i l b r o u n, 9. April. Kartoffelpreise auf dem gestrigen Markt: gelbe galten 1 Mk. 85 Pf. bis 2 Mk. 20 Pf., blaue 2 Mk. 10 Pf. bis 2 Alk. 60 Pf. Wurstkartoffeln 2 Mk. 30 Pf.
* Kirchheim u. T> (Viehmarkt vom 7. April.) Der heutige Markt war gut befahren und kosteten Zuchtfarren per Stück 170—600 Mark, Mastochsen per Paar 700 -9 0 Mark, Zugochsen 600-800 M., Stiere 450 -600 M., Kühe per Stück 100—390 Mk., Kalbeln 200 bis 480 Mk., Rinder 90—240 Mk. Fettöieh sehr gesucht und gutbezahlt, ebenso schöne Zucht- farren. Sonst geringer Preisabschlag.
Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.
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