welche den Zweck der Beratung hatte, anläßlich der Altensteiger Eisenbahneröffnung eine derartige Ausstellung zu veranstalten, sich die Verhältnisse anders gestaltet haben und Nagold deshalb der geeignete Ort der Ausstellung sei, weil die Lokalfrage hier (Turnhalle) nicht wie in Altcnsteig Schwierigkeiten bereite und die Ausstellung mit der Altensteiger Eisenbahneröffnung nimmer (?) zusammentreffe, wodurch (namentlich da Altensteig anderweitig entschädigt werde) eine Beanspruchung letzteren Orts nicht mehr geltend gemacht werde. Erhobene Bedenken ängstlicher Gemüter, namentlich hinsichtlich des Geldpunktcs, wußte der gewandte Redner durch Beispiele und Eröffnung günstigster Auspicicn zu zerstreuen. Nach unbeschränktem Austausch der Meinungen aller Art, wozu eine angemessene Pause gestattet wurde, teilte Werkmeister Wilhelm Benz namens einer größeren Anzahl anwesender Gewerbetreibenden mit, daß sie eine Bezirksgewerbeausstellung mit Freuden begrüßen, worauf mit überwiegender Mehrheit beschlossen wurde, daß sich der Gewerbeverein für die Veranstaltung dieses Unternehmens ausspreche und der Ausschuß beauftragt sein solle, in aller Bälde Aufforderungen an die Aussteller ergehen zu lassen. Stadtschultheiß Brodbeck beglückwünschte diesen Beschluß und spricht seine Freude darüber aus, daß das Unternehmen durch die kräftige Unterstützung des Herrn Bezirksvorstandes jedenfalls besten Erfolg verspreche und der Stadt zum Nutzen gereichen muffe. Als Zeitpunkt der Ausstellung wurde Mai 1891 in Aussicht genommen. Daun heißt cs in einem „Eiliges." weiter: Besonders warm trat Stadtschultheiß Brodbeck für die in Aussicht genommene Ausstellung ein, indeui er die Wichtigkeit einer solchen für alle gewerblichen Verhältnisse betonte und indem er hcrvorhob, daß dadurch auch der Fremdenverkehr in Nagold wohl auf die Dauer werde gehoben werden. — Wenn nun die Ausstellung für Nagold so wesentliche Vorteile in Aussicht stellt, warum soll man dann in Altensteig auf die Abhaltung derselben verzichten wollen?!
* Alten steig, l. April. Wie in den meisten Städten Deutschlands, so wurde auch hier gestern abend von 8 Uhr an in dem Saale des Gasthofes zum „Stern' die 75. Geburtstagsfeier des Fürsten Bismarck in einfacher aber würdiger Weise begangen. Eingeleitet wurde die Feier durch einen Gesang des Liederkranzes, worauf Herr Stadtpfarrer Hetterich eine Ansprache hielt, in welcher er die Verdienste des verehrten Kanzlers mit trefflichen Worten hervorhob und mit einem begeistert aufgenom- menen dreifachen Hoch auf den greisen Fürsten schloß. Die Feier verschönten noch mehrere durch den Liederkranz vorgetragene patriotische Lieder.
' Freudensladt. 30. März. In den letzten Tagen waren Ihre Hoheiten die Prinzen Wilhelm und Karl von Baden in Beseufeld und Hochdorf auf der Aucrhahnenjagd. Ein prächtiges Tier wurde geschossen.
* In Wildbad erstach der Fuhrmann G. den Z'inmermann Gutbub und verletzte dessen Frau lebensgefährlich. Der Mörder ist dingfest gemacht; derselbe soll ein notorischer Tierqnälcr sein.
* Stuttgart, 30. März. Die hiesigen bürgerlichen Kollegien haben den Fürsten Bismarck zum Ehrenbürger ernannt und werden demselben diesen Beschluß am 1. April (75. Geburtstag) telegraphisch anzeigen.
* Die Erweiterung der Obcramtsgeometer- stellen zu Bezirksgeometerstellen in Württe m- berg hat in aller Stille so große Fortschritte gemacht, daß sie sich schon jetzt über ein Drittel des ganzen Landes erstreckt. Es sind bereits in 24 Oberämtern die Oberamtsgeometerstellen aufgehoben worden und statt dessen sind 12 Bezirksgeometer eingetrctcn. Die endliche Schaffung eigentlicher Beamtenstellen für die Bezirksgeometer wird nach Vorgängen anderer Staaten nur noch eine Frage der Zeit sein. Damit wurde auch in Württemberg das Vermessungs- wescn an diejenige Stelle gerückt, die es anderwärts vermöge seiner Wichtigkeit im Staatsleben einnimmt.
' (Vcrschiedenes.) Inllutertürkheim glitt Gemcinderat Sprecher auf der Böschung eines Holzplatzes aus, wobei er so unglücklich in ein zerbrochenes Trinkglas fiel, daß ihm das Fleisch innerhalb des Knies bis auf den Knochen durchschnitten wurde. — In Fellbach stürzte Zimmermanu Köngeter von Alfdorf von einem drei Stock hohen Gerüst so unglücklich herunter, daß er nach einigen Stunden den Geist aufgab. — Bei einer Wette in einem Gasthaus in Ulm verzehrte ein Gärtnergehilfe ein Stück Rauchfleisch, eine Portion Schweizerkäse, zwei Nickelwürste, eine Portion saure Leber mit gerösteten Kartoffeln nebst der entsprechenden Anzahl Brote und 20 hartgesottene Eier. — In Ludwigsburg ist die Akrienbrauerei zur Krone niedergebrannt. — Die unlängst verstarb. Frau Conradi geb. Roser hat der Stadt Stuttgart 200,000 Gulden für wohlthätige und gemeinnützige Zwecke vermacht.
* Der neue Reichskanzler v. Caprivi soll den ihm angebotenen Schutz durch Geheimpolizisten abgelchnt haben. „Als alter Soldat', soll er gesagt haben, „brauche ich keinen polizeilichen Schutz, ich schütze mich selber". Das kann er auch, denn vorläufig steht er noch niemanden im Wege.
' Fürst Bismarck hat nach der „Voss. Ztg." seine Berliner Dienerschaft bis auf drei Personen entlassen, welche nach Friedrichsruh folgen. Den Entlassenen ist außer Verabreichung von reichen Geschenken ein Jahresgehalt gezahlt worden.
* Friedrichs ruh, 31. März. Graf Herbert Bismarck und Graf Rantzau sind heute hie: angekommen. Die ganze Familie des Fürsten Bismarck ist nun hier versammelt.
* In Frankfurt a. M. haben sich sämt
liche dortige Arbeiter außer den Buchdruckern für den 1. Mai als Feiertag erklärt.
* Frankfurt a. M-, 1. April. Die „Fr. Ztg." meldet aus Friedrichsruh vom 31. März: An dem vom Hamburger Reichstagswahlverein zu Ehren des Fürsten Bismarck veranstalteten Fackelzug nahmen 3000 Personen teil. In seiner Ansprache an das Komite betonte der Fürst, daß er nach 28jähriger Ministerthätig- keit natürlich Feinde habe; die letzten Tage haben ihm jedoch bewiesen, daß er auch, selbst in dem schwer zufrieden zu stellenden Berlin, Freunde habe, ein Zeugnis dafür, daß seine Arbeit zum Nutzen Deutschlands anerkannt werde.
Ausländisches.
* Wien, 30. März. Bei allen Bauten ist die Arbeit eingestellt. Die Maurer verlangen eine Lohnerhöhung auf zwei Gulden und überdies zehnstündige Arbeitszeit.
* Wien, 31. März. Heute begann ein teil- weiser Streik der Maurer und Steinmetzgehilfen. Kleine Ansammlungen wurden von der Polizei zerstreut. Wegen Aufforderung an die arbeitenden Kollegen, gleichfalls zu streiken, wurden 3 Verhaftungen vorgenommen.
' Gablonz i. Böhmen, 29. März. Streikende Glasarbeiter zündeten in vergangener Nacht die Breil'sche Schleismühle in Oberwiesenthal an. Gendarmerie ist anwesend. Die Lage ist wegen der herumziehenden Hausen drohend und es werden Unruhen befürchtet.
* Paris, 30. März. Der Berliner Berichterstatter des „Figaro" giebt von der Abreise Bismarcks aus Berlin eine eingehende Beschreibung. Die Szenen spotten jeder Beschreibung, sagt er, niemals hätte er es für möglich gehalten, daß der deutsche Enthusiasmus solche Proportionen annehmen könnte. Aus allen Fenstern seien Blumen geworfen worden; jedermann habe geweint. Die Kaiserin Friedrich habe von der englischen Botschaft zugesehen und das Taschentuch oftmals an die Augen geführt. Am Bahnhof gar sei daS Publikum geradezu außer sich gewesen; „Deutschland Deutschland über alles" sei gesungen, Bleiben Sie! Auf Wiedersehen! sei gerufen worden, die Leute haben sich vor die Lokomotive gestellt, um Bismarck an der Abreise zu hindern. Eine Anzahl Bevorzugter sei bis Spandau mitgefahren. Dort stiegen sie aus, und erhielten noch einen Händedruck vom Fürsten, dem dicke Thränen an der Wange hingen und von der Fürstin, welche sagte: „Nein, wir kommen nicht zurück, wir sind glücklich, daß wir aus dieser Unruhe heraus sind." In Friedrichsruhe sagte der Fürst bei der Begrüßung der Magdeburger Offiziere: „Ich habe schwere Tage durchgemacht, aber jetzt ist alles wieder gut. 400—500 Fackelträger gaben ihm das Geleite zum Schloß, wo die ganze Dienerschaft versammelt war. Der Fürst sagte: „Guten Abend, meine Freunde!" ließ die Fackel-
^ träger vorbei marschieren, und zog sich dann,
die grünen Baumwipfel hinauf. Aus wie viele Generationen hatten diese Riesen schon herabgeichaut, wie manch ein Menschenkind, das nun schon lange den ewigen Schlaf genoß, hatte hier zu ihren Füßen in bitterm Leid gesessen! Bei diesem Gedanken kam ein stiller Frieden in Noras Brust und ihre Lippen flüsterten leise:
„Geht auch dein Leiden nicht vorbei,
So gehst du doch vorüber."
Das so begonnene Leben wurde nun täglich fortgesetzt; zuweilen unternahm Nora einen kurzen Spaziergang bis zu dem kleinen, alten schlösse, das von dem Fürsten von Waldcck und seiner Familie bewohnt war; dort stand sie dann einige Augenblicke ans der Brücke die über den schmalen Schloßteich führte, und warf den Schwänen Weißbrot zu.
Meistens reichten aber ihre Kräfte nicht so weit und sie war befriedigt, wenn man sie im schönen Parke ruhig liegen ließ. Noch immer zeigte sich keine Besserung, noch immer war Noras Antlitz inarmorblaß und noch immer pochte ihr Herz in wilden, unregelmäßigen Schlägen, um daun plötzlich auszusetzen.
Verzweifelt klagte es die Freifrau dem Arzte; auch er schüttelte besorgt den Kopf: „Ihr Fräulein Tochter wird von einem seelischen Leiden verzehrt", sagte er endlich, „dagegen helfen oft alle angewandten Mittel nicht."
„Sie wollen damit doch nicht sagen, daß mein Kind sterben wird!' unterbrach sic ihn angstvoll.
Er antwortete ernst: „Gnädigste Frau, Ihr Fräulein Tochter ist eine sehr zarte Blume; irgend ein Gram nagt an ihrem Lebensmark und wir Acrzte können nur das schwache Lebensflämmchen anfachen. Es stünde anders um die Kranke, wenn sie selbst den festen Willen hätte, gesund zu werden, aber dieser fehlt ihr gänzlich, soweit ich es zu beurteilen vermag."
Er ging und ließ die arme Mutter in tausend Schmerzen zurück Der schwache Klang ihres Namens ließ sie ins Nebenzimmer eilen.
Nora saß halb aufgerichtet auf ihrem Lager; sie zog die Freifrau zu sich nieder: „Mama, er sagt, ich würde sterben?" Len Widerspruch der Erschreckten wies sie zurück.
„Nein, nein, herzliebe Mama, ich hörte, was der Arzt sagte, während ihr mich ichlafend wähntet. O, weine doch nicht, glaube mir, der Tod wäre mir ein Befreier, ein Erlöser aus schwerem Leid! Willig möcht' ich mich in seine Arme legen und schlafen gehen."
„Nora", unterbrach die Mutter sie vorwurfsvoll, „und willst du uns, deine Eltern, denn so gern verlassen? Gelten wir dir so wenig?
„Ach vergieb, du Teure", bat sie nun unter Thränen, „ich bin egoistisch, aber was kann ich euch noch sein, krank und gebrochen? Ich habe nur unendliche Sehnsucht nach Ruhe vor meinen Gedanken, die mich Tag und Nacht quälen. Nimmer kann ich es vergessen, wie glücklich ich einst war und daß ich durch meine eigene Schuld nun so elend bin."
Erschüttert hörte die Freifrau die Klage ihres Lieblings, aber sie sagte: «Dein Fehlen war menschlich, da die Gründe für deinen unseligen Verdacht so klar schienen, ward ich doch auch durch sie getäuscht! Aber ich bitte dich innig, suche nun das Traurige zu vergessen, — um deiner Eltern willen raffe dich auf. Du hast gehört, daß der Arzt sagt, dein eigner Wille zu leben würde dir schon viel helfen. Möchtest du es daher nicht versuchen, mein Herz, aus Liebe zu uns?"
Bezwungen schmiegte sich Nora an der Mutter Brust. „Ich will es versuchen, Mama, wenn es dich glücklich macht." (Forts, f.)
(Lesefrucht.) Sei stark, dich selbst zu zwinge», sei schnell um Hilf zu bringen, sei treu im Jugendstreben, sei mild dem Feinde zu vergeben.