Rüstigen, wenn er einstens den ihm liebgewordenen Wald nicht mehr betritt, ein freundlicher Lebensabend beschieden sein. (C. W.)
* Aus dem Oberamt Horb, 27. März. Eine merkwürdige Krankheitserscheinung macht gegenwärtig in Salzstetten viel von sich reden und erweckt das Interesse weitester Kreise. Die 16jährige, sonst kerngesunde Tochter des Bauern Philipp Döitling verfiel nach vorausgegangener Brustbeklemmung in einen tiefen Schlaf, in dem sie auch heute noch, nach 24 Tagen, verharrt. Alle angewandten Mittel, wie Eisauflcgen, kalte Bäder, Duschen u. s. w., bleiben erfolglos. Die Kranke kann mit Milch und Eier ernährt werden, ist auch nicht völlig bewegungslos und hat bis jetzt keine veränderten Gesichtszüge erhalten. Eine Ueberführung des Mädchens auf Wunsch von Prof. Dr. v. Liebeimeister nach Tübingen gestatten die Eltern nicht, die auch gestern Medizinalrat Dr. Bnrkart in Stuttgart i zu Rate zogen und welcher sich weitere Berichte ' über den Krankhcitsverlanf erbat. Tausende aus nah und fern besuchen die interessante Kraukenstätte.
* Stuttgart, 30. März. Wie das „N. T." vernimmt, ist. die seit langem andauernde Arbeiterbewegung im Baugewerbe, welche nach allgemeiner Annahme zu einem Streik während der Hauptarbeiismonate führen dürfte, bisher nicht vhne Einfluß geblieben ans die Baulust im laufenden Jahre. Verschiedene für Heuer projektierte Bauten sind cinz'g verschoben worden, weil sich Private sowohl als Baumeister nicht der drohenden Kalamität aussetzen wollen.
* Cannstatt, 28. März. In der gestrigen Stiftungsratssitzung wurde die Ausscheidung des Stiftungsvermögens genehmigt und insbesondere von den Kollegien beschlossen, für eine zum Bedürfnis gewordene neue evangelische Kirche ein Baukapital im Betrag von 60,000 M. als Baufonds auszuscheiden.
* lllm, 29. März. Da S. M. der Kaiser- Ende Juni nach den bereits getroffenen Dispositionen in Norwegen weilen wird, so wird das hiesige Münsterfest voraussichtlich um 3 Wochen verschoben werden, um dem Kaiser die Anwesenheit bei demselben zu ermöglichen.
* (Verschiedenes.) In Eßlingen ist ein Knecht von Kropfenreuth verhaftet worden, weil derselbe einen Bauersmann angefallen und ihm seine Baarschaft geraubt hat. — In Uhingen ließ eine Mutter, während sie Wasser holte, ihr kleines Kind allein in der Stube. Als sie nun wieder zurückkam, fand sie die Wiege umgeworfen und das Kind erstickt darunter. — In B. wurde einem Mann beim Fischen durch eine Dynamitexplosion der Arm so schwer verletzt, daß dieser amputiert werden mußte. — Eine höchst merkwürdige und seltene Mißgeburt war in der vor. Woche bei Präparator Bretter in Elpers- heimzu sehen; dieselbe ist ein völlig ausgewachsenes Lamm, welches 2 Köpfe mit je 2 Augen und 2 Ohren, einen Leib, 2 Schwänze u. 5 Füße hat, von welchen der 5. auf dem Rücken herausgcwachsen
ist und nach oben gerichtet steht. — In Lützenhardt schoß ein 21jähr. Bursche auf offener Straße mit einem Revolver auf einen jungen Mann, welcher lebensgefährlich verletzt wurde. Der Thäter wurde dem Gerichte übergeben. — An der Kammerz des Maschinenfabrikanten Schott in Kirchheim u. T. befinden sich blühende Trauben.
* Würzburg, 29. März. Durch die Hafenpolizei ist die weitere Anfuhr von Langholz auf vier Tage wegen Ueberfüllung sistiert.
* Berlin, 29. März. Der „Nationalztg." zufolge hat Fürst Bismarck die Herzogswürde abgelehnt.
' Berlin, 29. März. Berlin hat sich von dem Manne, der es zum Mittelpunkte des deutschen Nationallebens gemacht, in einer der Reichshauptstadt und des weltgeschichtlichen Augen- I blicks würdigen Weise verabschiedet. Brausende Huldigungsrufe und unzählige, thränengcfüllte Blicke sind dem Fürsten Bismarck auf seinem Wege in die Zurückgezogenheit gefolgt. Die stürmischen Kundgebungen, die bei der Ausfahrt des Fürsten aus dem Kanzlerpalais begannen und sich die weite Strecke bis zum Lehrter Bahnhofe fortpst'anztcn, spotten jeder Beschreibung. In der Bahnhofshalle erreichte der Huldigungsjubel seinen Höhepunkt in der Absingiiiig der Strophe des deutschen Nationalliedes: „Lieb Vaterland magst ruhig sein" — ein Ausdruck des Vertrauens in die Beständigkeit des von dem Scheidenden geschaffenen Werkes, das beste also, was die Menge dem großen Staatsmanne darzubringen hatte. Der Kaiser hatte seine General- und Flügeladjutanten entsendet, von welchen Generallicutenant v. Wittich die Abschiedsgrüße des Monarchen überbrachtc.
* Berlin, 30. März. Ein von Berlin nach Schrimm bestimmter Ballon der Luftschifferabteilung ist verunglückt. Ein Gefreiter ist tot, ein Hauptmann hat beide Beine gebrochen.
* Die gute Aufnahme, welche dem Prinzen Wales in Berlin seitens des Kaisers Wilhelm zu teil wurde, hat in England lebhaften Widerklang gefunden, und die Blätter sind des Lobes voll über Kaiser Wilhelm und seine Politik, die auch in richtiger Weise verstanden habe, die englischen und deutsche» Interessen miteinander zu verbinden. Der Besuch werde viel dazu beitragen, diese Interessen noch enger zu verknüpfen.
* Auch Graf Rantzau, Schwiegersohn des Fürsten Bismarck und preußischer Gesandter in München, soll nach bayrischen Blättern sein Entlassungsgesuch eingereicht haben.
* Aus verschiedenen Städten des Deutschen Reiches treffen Berichte über Dankeskundgebungen für den Fürsten Bismarck und Verleihung des Ehrenbürgerrechts an denselben ein. Die Berliner Schlosserinnung hat den Fürsten Bismarck zum Ehrenschlosser ernannt. Er sei der geschickteste Kunstschlosser Deutschlands, heißt es in dem für ihn ausgestellten Meisterbriefe, indem er das
Kyffhäuser-Schloß geöffnet, den Schlüssel dazu gefertigt und ihn in die Hände des Kaisers Wilhelm I. gelegt habe.
* Den Briefwechsel zwischen Papst und Kaiser über die internationale Arbeiterschutzkon- serenz veröffentlicht der „Reichsanzeiger" in sranzösischer Sprache. Kaiser Wilhelm bittet den Papst unter Einsendung des Programms um Unterstützung des Werks, und zeigt ihm an, daß er den Fürstbischof von Breslau als Vertreter der Gesinnungen des Papstes zur Konferenz berufen habe. Auf der anderen Seite bekundet der Papst in einem längeren Schreiben sein Interesse an den einschlagenden Fragen.
* Die deutsche Abteilung der internationalen kriminalistischen Vereinigung hat am Mittwoch in Halle a. S. unter dem Vorsitze des Reichsgerichtsrats Stellmacher ihre Verhandlungen begonnen. Nach verschiedenen Begrüßungsreden berichtete Gcheimrat Wirt über die bedingte Verurteilung und trat für die Einführung derselben ein; ebenso der Korreferent Staatsanwalt Blume und die Redner, welche sich an der Debatte beteiligten. Dagegen sprach Professor v. Kirchheim-Gießen. Die Versammlung bejahte folgende Fragen: 1) Ist eine Abänderung des Strafsystems geboten, namentlich in der Richtung einer Einschränkung der kurzen Freiheitsstrafen? 2) Empfiehlt sich Verurteilung mit bedingtem Strafvollzug? 3) Wird Verurteilung mit bedingtem Strafvollzug als zulässig erachtet, erstens bei Gefängnis bis drei Monat, zweitens bei Haftstrafe?
* Graudenz Im Dorfe Wolle verheiratete sich kurz nach Neujahr ein Kätncrssohn mit einem hübschen jungen Mädchen. Unter den jungen Eheleuten herrschte stets das größte Einvernehmen. Kürzlich nachts wurden deren Nachbarn wiederholt durch lautes Aufschreien gestört, das jedoch bald wieder verstummte. Morgens fand man die Thür verschlossen; man drang gewaltsam in's Zimmer. Schnarchend lag dort der Ehemann, mit Blut besudelt und Schaum vor dem Munde, neben feinem toten Weibe, das Bett war zerrissen und mit geronnenem Blute bedeckt. Die Nase und die Ohren waren der Frau abgebissen, die Brust zerfleischt. Angestellte Untersuchungen ergaben, daß der Ehemann vor kurzer Zeit von einem Hunde gebissen, und daß in dieser verhängnisvollen Nacht die Tollwut zum Ausbruch gekommen war. Der Unglückliche mußte gefesselt werden; er erlag sehr bald seinem fürchterlichen Leiden.
* Bochum, 30. März. Heute wurde in Herne eine von etwa 800 Bergleuten besuchte Versammlung aufgelöst und die Kasse polizeilich beschlagnahmt.
' Ronneburg. Hier hat eine Fleischers- fran einen lohnenden Münzfnnd gemacht. Als sie eine alte Lade zerschlug, entdeckte sie ein verborgenes Kästchen, in welchem fünf Lederbeutel lagen. Darinnen waren 60 Silbermünzen und 17 Goldmünzen enthalten, die einen hohen Wert haben, nicht bloß um ihrer Größe
Auf Irrwegen.
Original-Novelle von Claire Gerhard.
(Fortsetzung.)
Erich war in der besten Stimmung und wir alle, die wir in sein hübsches strahlendes Gesicht sahen, die wir seine witzigen Toaste hörten, wurden immer von neuem von dem Bedauern ergriffen, ihn scheiden zu sehen, aber er war so voll froher Glückeshoffuung für die Zukunft, daß wir kaum wagten ihm unfern Schmerz zu zeigen.
Unser Fest war vom wundervollsten Wetter begünstigt gewesen, noch als wir uns in den großen Speiscsaal begaben, lachte der Himmel in wolkenloser Bläue und das Meer lag wie funkelndes Sonnengold zu unfern Füßen. Aber wie hatte sich seine Physiognomie verändert, als wir nach einigen Stunden wieder das Deck betraten! Schwarze unheil- drohende Wolken ballten sich am Horizonte, wild bewegt rollten große Wellen an den Bug des Schiffes und ein unheimliches Zischen und Brausen in der Luft bekundete die Nähe des Sturmes.
Es war keine Zeit zu verlieren, wenn Erich und einige von uns noch in einer kleinen Jolle sicher das Land erreichen wollten. So nahm er denn einen kurzen und bewegten Abschied und wir bestiegen das Boot. Erich stand aufrecht in demselben, sein Antlitz dem Sturme darbieteud, der nun mit aller Gewalt losbrach. Seine Augen leuchteten und seine fröhliche Trimme rief laut den auf der „Bellona" stehenden Kameraden Abschiedsgrüße zu, die freilich in dem Toben der Elemente »»gehört verhallen mußten. Plötzlich schrie er entsetzt: „Dort kämpft ein Boot auf hoher See mit dem Untergänge. Leute, ändert den Kurs, wir müssen den Armen Hilfe bringen."
„Unmöglich! Herr," erwiderten die Schiffer, „das gelingt uns nimmer. Unsere Jolle ist selbst nur schwach und hält den Anprall der Wogen nicht aus."
„Wie?" rief er nun zornig, „und ihr könntet es mit ansehen, wie jene Aermsten untergehen, ohne wenigstens die Hilfe zu versuchen?"
Sein Heldenmut bezwang die Leute, er riß ein Ruder vom Boden auf, wir beiden andern wechselten mit den Schiffern und so ging denn die grausige Fahrt los. Alle Augenblicke glaubten wir von einer Welle verschlungen zu werden, aber wir arbeiteten tüchtig und endlich hörten wir mitten durch das Höllengebrause den Angstschrei einer weiblichen Stimme, und nun sahen wir auch das kleine Boot mit gerissenem Segel wie eine Nußschale auf und ab tanzen. Die Insassen, ein Mann und ein Weib schienen den unnützen Kampf aufgegebeu zu haben, sie hielten sich beide umschlungen und erwarteten den Tod. Wir riefen ihnen zu, auszuharren, aber in demselben Augenblicke schlug ihr Boot um und begrub sie in den Wellen.
Zu gleicher Zeit war auch Erich ins Meer gesprungen; er war ein vorzüglicher Schwimmer, aber ihm mußten bald die Sinne vergangen sein in dem entsetzlichen Graus. So schien es mir wenigstens, als ich ihm folgte. Uns beiden gelang das Werk; Erich hatte den Fischer, ich sein Weib ergriffen; beide waren noch lebend und es gelang uns, sie mit Hilfe der Zurückgebliebenen in unser Boot zu heben. Soeben wollten wir beide folgen; da brachte plötzlich eine Sturzwelle die Trümmer des anderen Bootes aus der Tiefe empor; mit voller Wucht fiel die eisenbe- schlagcne Spitze desselben auf Erichs Siirn und glitt dann auf die Brust. Er stieß einen furchtbaren Schrei aus, ein roter Streifen färbte das Wasser und wir hoben einen Ohnmächtigen zu uns hinein.
Als wir endlich nach vieler Mühe das Land erreichten, glaubten wir Erich wäre schon eine Leiche, aber endlich schlug ec im Hotel unter den Bemühungen der Aerzte wieder die Augen auf und ist noch bei voller Besinnung, trotzdem das Wundfieber bereits ausgebrochen ist."
So endete der junge Offizier und bleich, mit bebenden Gliedern