noch nicht abgeschlossen. Als die Beamten nämlich sich entfernen wollten, hörten sie aus einem Verschlage dumpfe Klagelaute dringen. Sie befahlen, zu öffnen, aber die Vorsteherinnen, am ganzen Körper zitternd, behaupteten, sie hätten den Schlüssel zu diesem Verschlage verloren. Darauf ließ man die Thüre desselben sprengen; ein schrecklicher Anblick bot sich den Eintretenden. Ein armes altes Geschöpf lag in demselben, hilflos die Eindringlinge anblickend. Sein Leib war mit verfaulenden Lumpen bedeckt. Alles starrte vor Unrat und Schmutz in diesem Raume, in den kein Lichtstrahl zu dringen vermochte. Es wurde konstatiert, daß die Unglückliche ein Fräulein de St. Andre sei, welche von den beiden Betrügerinnen in ihr Haus gelockt, ihres Geldes beraubt und in dem lichtlosen Verschlage seit Monaten eingesperrt war. Da sie infolge eines Unfalls ihre beiden Beine verloren hatte, hatten die Nichtswürdigen ihr beide Holzbeine, die sie trug, abgeschraubt, um sie an jeder Bewegung zu hindern. Auch ihre Gesellschaftsdame wurde in einem ähnlichen Zustande in einem andern Verschlage des Hauses gefunden. Ueberdies entdeckte man den Leichnam einer alten achtzigjährigen Dame, der bereits in Verwesung übergegangen war. Die Vorsteherinnen behaupten, daß diese ihre „Pensionärin" eines natürlichen Todes gestorben sei und daß sie nur aus Schonung für die Familie dieselbe noch nicht von diesem Abscheiden in Kenntnis gesetzt hätten. Die beiden Elenden sind sofort hinter Schloß und Riegel gebracht worden, um dein Gericht vorgeführt zu werden.
— Prinz Viktor Napoleon hat von Brüssel aus an den Chefredakteur des „Pays", Robert Mitchel u. a. geschrieben: „Indem wir ans dem Boden des Plebiszits alle um die Zukunft besorgte Männer vereinigen, werden wir es zuwege bringen, Frankreich eine wiederherstellende Regierung zu geben."
* Petersburg, 17. März. Ein in einer geheimen Druckerei hergestelltes Pamphlet ist bieser Tage bekannten russischen und fremden Persönlichkeiten zugestellt worden, wahrscheinlich auch dem Zaren. Die Flugschrift ist ausgezeichnet abgefaßt, verdammt in gemäßigten Ausdrücken die russische Reaktionspolitik und sagt innere Katastrophen vorher. Die Polizei ist bemüht, die geheime Druckerei, welcher diese Schrift entstammt, auszuspüren.
'— Ein Leitartikel der Moskauer Zeitung erklärt die gegenwärtige Lage Deutschlands als eine trostlose und meint, dadurch seien auch Deutschlands Bundesgenossen — Oesterreich und Italien — in eine kritische Situation versetzt. Oesterreich werde die Frage reiflich erwägen müssen, ob es für dasselbe nicht besser wäre, sein Schicksal mit dem unerschütterlich dastehenden russischen Reiche zu verbinden, als mit dem in „Verwesung geratenden" deutschen Reiche; auch werde sich Oesterreich die Frage anfdrängen ob es nicht jener, ersten Platz in Deutschland Zurückgewinnen solle, welchen es viele Jahr
hunderte innegehabt und erst vor 20 Jahren verloren habe. Italien werde sich von Deutschland frei machen und Frankreich nähern müssen. Nur Rußland stehe mächtig und erhaben inmitten all dieser Besorgnisse und Erregungen da. Nur Rußland werde seinerzeit der bevorstehenden mitteleuropäischen Krise ein Ende zu machen im Stande sein.
* Sofia, 21. März. Die Abreise der Prinzessin Clementine erfolgt am Freitag. Dieselbe wird sich zwei Tage in Pest, ebenso lange in Wien aufhalten und sich dann von dort nach Paris begeben.
* Aus Montenegro, 20. März. Der Notstand im Lande nimmt immer größeren Umfang an. Ihm einigermaßen zu steuern, läßt der Fürst verschiedene größere Arbeiten, wie Straßenbauien rc., in Angriff nehmen. Doch haben die Staatskassen kein Geld zurEntlöhn- ung, weshalb jeder Arbeiter für den Tag fünf Oka (9Pfd.) Weizen zugemessen erhält. Außerdem wird in mehreren Bezirken den Leuten Getreide aus den Staatsmagazinen gegen Schuld- fcheine verabreicht, welche nach der nächsten Ernte eingelöst werden müssen.
* Lissabon, 22. März. Im Theater zu Opporto ist infolge Gasexplosion während der Vorstellung Feuer ausgebrochen. Mehrere Zuschauer verunglückten durch Fenstersprung, viele erstickten auf den Galerien. Ganze Familien sind umgekommen. Die Zahl der Toten wird auf 80 geschätzt.
* (Vom Schneesturm in Amerika.) Wahrhaft erschütternd lauten die Berichte, die der Draht nachträglich noch über die traurigen Folgen der Schneestürme bringt, von denen der Osten der Vereinigten Staaten von Amerika in den letzten Tagen der vergangenen Woche heimgesucht worden ist. Der Verlust an Menschenleben ist viel bedeutender, als man zuerst angenommen hatte; man schätzt die Zahl der Toten auf weit über 200. Am heftigsten scheint das Unwetter in und um New- Aork gewütet zu haben. In der Hauptverkehrsstraße dieser Stadt, dem Broadway lag der Schnee am Samstag 6—10 Fuß hoch. Dreitausend Arbeiter mit tausend Pferden arbeiteten die ganze Nacht hindurch, um eine Bahn durch die Mitte des Broadways und nach den Fähren hin herzustellen. Unter den Schneemassen fand man die Leichen von Personen, die der Schneesturm mitten in der Straße überrascht hatte, in aufrechter Stellung. In New-Aork waren am Samstag 25 Personen als tot gemeldet, in und um New-Aersey (gegenüber New-Aork) 24, in Fairhafen im Staate Connecticut 26. Die Friedhöfe New-Aorks sind unerreichbar; in Folge dessen liegen in der Stadt an 500 Leichen, die der Beerdigung harren, im Friedhofe von Greenwood (bei New-Aork) 100, mit denen es unmöglich ist, die Gräber zu erreichen. Die Zahl der Schiffsunfälle steigt stündlich; in der Chesapeake Bai allein sind 200 Schiffe gescheitert. Zwischen New-Jork und Boston
war 5 Tage lang jeglicher Verkehr, auch der telegraphische, abgefchnitten. Am Sonntag ist in New-Aork Tauwetter eingetreten.
LchiffsnachriDt
(an Auswanderungs-Agent W. Rieker in Altensteig.)
„Marsalla", von Hamburg, ist am 15. März in New-Aork angekommen; „Slavonia", von Stettin, ist am 16. März in New-Aork angekommen; „Rhaetia", von Hamburg, ist am 19. März in New-Aork angekommcn.
Handel und Verkehr.
* Ulm, 16. März. Das Resultat des am 5. und 6. März abgehaltenen Ledermarktes war ein sehr gutes, nur wenige kleine Posten blieben unverkauft. Besonders gesucht waren, und zwar für Militärzwecke, Schmal- und Zeugleder; auch Sohlleder fand raschen Absatz. Die Preise gingen bei der gesuchten Ware um einige Prozent höher, als auf dem letzten Herbstmarkte. Die Zufuhr betrug 66521 Kx, hievon wurden verkauft: 16 034 Sohlleder, 35183 Kg Schmal- und Wildleder, 4551 Lg Kalbleder, 8743 lrg Zeugleder, zus. 64 511 kg, mit einem Umsatz von ca. 194000 M. Der nächste Ledermarkt findet am 17. und 18. September statt.
* Sulz. 19. März. (Heu-und Strohpreise.) Heu 4 Mk., Stroh 3 Mk. per Ztr.
* Würzburg, 20. März. Der heutige Großviehmarkt war infolge des Schneefalles weniger gut betrieben. Es hat gekostet das Paar Gang- und Mastochsen 700—1080 Mk., Stiere 450—625 Mk., Kühe und Kalbeln per Kopf 120 -240 Mk.; ferner beträgt der Preis per Pfund Fleischgewicht bei Kälbern 40—45 Pf., bei Schafen 30—45 Pf. und bei Schweinen 40—42 Pfg.
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Der ächten Perle, tief im Meeresgründe Gleicht jene Thräne, die du still zur Nacht,
Wenn alles schläft und nur dein Kummer wacht Fern jedem Blicke weinst in trüber Stunde.
Wohl brennt sie fort, die glühende Herzenswunde,
Die Flamme lodert, die der Schmerz entfacht,
Und Thränen löschen nicht des Feuers Macht,
Das jeder Seufzer nährt von deinem Munde.
Doch weine nur — laß deine Zähren fließen.
Nur Eines merk': Verbirg sie vor der Welt Und lern' dein Weh in deiner Brust verschließen.
Liegt auch dein Glück in Scherben rings zerschellt Und will der Hoffnung Keim dir nicht mehr sprießen: Die Perle bleibt dir, die dem Aug' entfällt.
Ottilie Stein.
Verantwortlicher Red.: W. Rieker, Altensteig.
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mung in dem Saal herrschte, seit der Verwalter sich an den Tisch niedergelassen.
Es mochte doch beinahe 10 Uhr geworden sein, als sich die Damen erhoben, um sich in ihre Gemächer zurückzuziehen. Auch der Verwalter verabschiedete sich und schritt zur Ausgangsthür.
Kurz vorher wandte er sich noch einmal um, einen flüchtigen Blick «ach Ellen hiuüberwerfend. Welch' grausige Härte, welch' verzweiflungs- vollr Entschlossenheit blitzte aus seinen Augen! Ich schauderte vor der tätlichen Kälte dieses Blickes.
Ich folgte dem Verwalter nach einigen Sekunden. Dieser hatte sich bereits seinen Mantel umgeben lassen und sandte soeben den Diener mit dem Befehl hinaus, daß man sein Pferd vorführen solle. Als der Diener auf den Schloßhof hinausgetreten war, schien es mir, als ob Der Verwalter sich zu jenem Gang hin begeben wollte, der zur Thür der Kanzlei führte.
, Doch im selben Augenblick mußte er schon wieder diesen Gedanken fallen gelassen haben, denn er folgte dem Diener und trat in den Schloßhof hinaus. Von einem Fenster der Vorhalle konnte ich beobach« ten, wie Ewald Dressen zu dem Stallgebäude hinüberschritt, sich dort auf den bereit gehaltenen Goldfuchs schwang und im scharfen Trabe zum Schloßthor Hinausritt.
Eben wollte ich mich vom Fenster zurückziehen, als ich plötzlich eine mir bekannte Gestalt in der Nähe des Stalles auftauchen sah.
Das flackernde Licht einer Laterne fiel jetzt auf das Gesicht des jungen Mannes, der sich dicht zu dem vom Regen durchnäßten Kiesboden mederbeugte, als suche er dort einen verlorenen Gegenstand. Ich erkannte das blaffe Antlitz Franz Larfsens. War auch er dem Verwalter aus der <rpur? Es schien so, denn mit einem frohen Lächeln in seinen Zugen schnellte er plötzlich aus seiner gebückten Stellung auf und eilte
dem Eingang des Schlosses zu. Kaum daß er seinen Fuß über die Thürschwelle gesetzt hatte, trat ich ihm in den Weg. »Wohin wollen Sie, mein junger Freund?" ries ich ihm entgegen.
„Ich suchte Sie, mein Herr!" antwortete der von meinem plötzlichen Erscheinen ein wenig verblüffte junge Mann.
„Sie wollen mir, wie Sie versprachen, über den Mörder Ihres Bruders Aufschluß geben?"
.Ja!"
„Und wollen mir nun den Namen des Mannes nennen, der soeben zum Schloßthor Hinausritt?"
Einen Schritt zurücktretend sah mich Franz Larffen einen Augenblick groß an, dann nickte er und sagte schnell: „Ja!"
„So kommen Sie mit mir und berichten Sie, womit Sie die Beschuldigung jenes Mannes begründen!"
Ich zog den in durchnäßten Kleidern dastehenden jungen Mann in den Speisesaal hinein. Nachdem ich ihm ein Glas Wein aufgevötigt, forderte ich ihn zum Reden auf. In stockenden Sätzen begann Franz, um dann, von Erregung hingerissen, immer schneller zu berichten.
„Sie wissen, daß ich der erste war, den der Hirte an die Leiche meines Bruders rief. Es war heute morgen gegen 5 Uhr. Die Feuchtigkeit der Nacht lag noch auf dem Boden, und an den Zweigen der Bäume hingen blinkende Wassertropfen. Der Anger, auf dem mein Bruder lag, war ganz durchweicht, und die braun-grünen Grashalme, die er mit seinem Körper bedeckte, wurden tief in die Erde gedrückt. Meine erste Sorge, als ich bei Klemens anlangte, war die, ihm, wenn noch möglich, Hilfe zu bringen. Aber nur za bald hatte ich erkannt, daß hier keine Rettung mehr möglich war.
(Fortsetzung siehe Beilage.)