^eilaae mAus den Tanne

Wr. 145.

Attensterg, ScrmsLclg den 10. Zezbr.

1887.

Gesundheitspflege.

* Das in Schlaf- oder Krankenzimmern stehende Wasser ist schädlich. Das Wasser nimmt ver­schiedene in der Luft befindliche Stoffe, nament­lich auch die fauligen und die Anstecknngsstoffe in sich aus. Es ist daher nicht auzurateu, sich des Wassers, das in einem Krankenzimmer stand, zu bedienen, besonders wenn es in einem unbe­deckten Gesäffe war. Selbst das Wasser, das über Nacht im Schlafzimmer stand, kann in manchen Fällen schädliche Teile ausgenommen haben. Man hat mehrere Beispiele, daß durch Trinkwasser, das, damit es überschlagen sollte, in Krankenzimmer gestellt wurde, ansteckende Krankheiten verbreitet wurden.

* (Um Leberthra n) geschmacklos und zum Einnehmen angenehmer zu machen, vermische man einen Eßlöffel voll Thran innig mit dem Gelben eines Eies, setze einige Tropfen Pfeffer­münzöl zu und bringe das Ganze in ein halbes Glas Znckerwasser. Der charakteristische Ge­schmack des Thranes ist vollständig verdeckt und derselbe ist in jeden: Verhältnis mit Wasser mischbar, wodurch er auch wieder leichter vom Körper ausgenommen wird.

Vermischtes.

* Tie Einwohnerzahl Berlins hat ein neues Hunderttausend überschritten und beträgt jetzt l 407 440 Seelen.

* (Edle Stiftung.) Der Kommerzienrat H. Vogel in Chemnitz, einer der bedeutendsten säch fischen Tcxtilindustriellen, hat am Tage des 50jährigen Bestehens seiner Firma 100,000 M. zur Gründung einer Pensions- und Jnvaliden- kasse für seine Beamten und Arbeiter gegeben.

* Durch den Untergang des DampfersSchöl­ten" ist ein in den Salzwerken von Syracnse im Staate New-Dort arbeitender Deutscher, Namens John Frost, besonders schwer betroffen worden er hat seine Frau und 8 Kinder verloren. Vor etwa 9 Monaten kam Frost aus Westpreußcn hierher und sparte jeden Cent,

den er entbehren konnte, um das Reisegeld für seine Familie zu erschwingen. Nachdem er die erforderliche Summe von 153 Doll, znsammen- gebracht, kaufte er die Fahrbiletts und sandte dieselben seiner Gattin zu. Frau Frost war 45 Jahre alt, die acht Kinder standen im Alter von 22 Jahren bis zu acht Monaten.

* (Ein dankbarer Gatte.) Aus London wird geschrieben: Der Baronet Arthur F., der in Wales Besitzungen von unermeßlichem Werte hat, vermählte sich im Jahre 1865 mit einem reizenden und reichen Mädchen, einer Nichte des berühmten Ministers Brougham. Im ersten Jahre der Ehe hatte der Baronet das Unglück, auf der Jagd zu stürzen, das Gewehr ging los und F. büßte das Augenlicht völlig ein. Seit dieser Zeit lebte er mit seiner Gemahlin von aller Welt znrückgezogeir. Vor einigen Wochen entschloß sich der Baronet, einen deutschen Augen­arzt zu konsultieren. Dieser erklärte, eine Ope­ration sei denkbar und wirklich gewann Sir F. die verlorene Sehkraft wieder. Vor wenigen Tagen nun hat der Baronet, trotz allen Ein­spruches der Freunde, die Scheidungsklage gegen seine Frau, die ihm seit mehr als 20 Jahren ii: aufopferndster Weise ihr ganzes Leben ge­widmet, eingereicht, und zwar aus dem Grunde, Weiler sich jetzt überzeugt habe, dieselbe sei ver­blüht und nicht schön genug für seinen Geschmack.

Der Mann hat Recht, wenn er seine Frau aus Dankbarkeit für bewiesene Liebe von den Fesseln befreit, welche sie an einen so zweifel­haften Kavalier ketten.

* (Die beiden Perücken.) Vor einigen Tagen wurde am Alsergrund in Wien der pen­sionierte Rechnungsoffizial Herr S. zu Grabe getragen. Der alte Herr, ein Original in: strengsten Sinne des Wortes, war zweimal ver­heiratet gewesen und er hatte das Andenken seiner beidenSeligen" in der Weise hochge­halten, daß er sich ans den Haaren derselben

die eine war blond, die andere tiefschwarz gewesen zwei Perücken hatte anfertigen lassen,

die er abwechselnd zu tragen pflegte. Er er­schien daher zum jedesmaligen Gaudium seiner Bekannten einmal in blondem, dann wieder in schwarzem Haarschmuck. Unter seinen letztwilligen Verfügungen war auch die Anordnung, daß ihm beide Perücken, die blonde und die schwarze, mit in den Sarg gegeben werden sollen. Und so schläft jetzt der alte Herr, nach Jäger'scher Theorie, mit seinen vorangegangenen Frauen vereint den ewigen Schlaf.

* (Das Gehirn Schimacks) Ein hoch­interessantes Ergebnis hat die Untersuchung des Gehirnes Schimacks, jenes Unholds, welcher wegen zahlreicher Mordthaten in Mähren vor kurzem hingerichtet worden ist, geliefert. Pro­fessor Moritz Benedikt fand in demselben einen neuen Anhaltspunkt für seine Anschauungen über das Wesen verbrecherischer Neigungen im Menschen. Auf Grund des Vorhandenseins ge­wisser Windungen im Hirn erklärt Professor Benedikt dasselbe als das Ebenbild eines Raub­tiergehirnes. Die Demonstrationen hierüber haben in der Gesellschaft der Aerzte lebhaftes Interesse erregt.

* (Befolgter Rat.) In einer kleinen Stadt, die ihrer hübschen Lage wegen von vielen auf Ruhegehalt Gesetzten bewohnt wird, kommt ein wohlhabender Gutsbesitzer zu seinem Advo­katen.Wie Sie wissen, habe ich mein Gut verkauft. Ich will mich nun hier zur Ruhe setzen; es ist aber keine anständige Wohnung zu bekommen, was soll ich thun?"Nichts leichter als das; sobald Ihnen irgend eine Wohnung gefällt, gehen Sie zum Hausbesitzer, bieten ihm 600 Mark mehr als der jetzige In­haber Miete zahlt und die Wohnung gehört Ihnen." Der Gutsbesitzer verfährt genau nach dieser Vorschrift. Am nächsten Tage spricht er wieder beim Advokaten vor. Advo­kat!Nun, haben Sie meinen Vorschlag be­folgt?" Gutsbesitzer:Jawohl, ich danke Ihnen für Ihren gütigen Rat, ich habe jetzt eine Wohnung, und zwar die Ihrige!"

Marys Gefangener.

(Fortsetzung.)

Gut, Fräulein Mary," sagte Nannie, indem sie das Zimmer mit unbeweglichem Gesicht verließ. Sie kannte ihre tzeirin und verstand es, sich in ihre Art und Weise zu fügen.

Kaum hatte fick die Thür hinter ihr geschlossen, als Mary aus ^dem Bett sprang, und sich so eilig ankleidete, daß die Anstrengung sie überwältigte; sie war genötigt, inne zu halten; atemlos, zitternd mußte A-kffe sich an einem Tisch festhalten, um nicht umzusinken.

- Nicht einmal sich selbst wollte Mary zugestehcn, daß sie litt,'auch nicht, was sie eigentlich bezweckte, als sie ihr reiches Haar oufwand und leicht feststcckte und ihr dunkelblaues Kleid anzoq, dasselbe, welches sie an dem Tage getragen, an welchem sie Bertie Kcnh auf dem Garten­weg gefunden,

An diesem Morgen zögerte Mary nicht lange mit ihrer Toilette; ihr lag nur daran, angekleidet zu sein und hinunter ins Atelier zu gehen. Es überkam sie eine namenlose Furcht, ein Zidern des Heizens, als sie daran dachte, Bertie Keith wieder zu begegn m. Sie wagte kaum an den vorhergehenden Tag und an die glücklichen Stunden zu denken

ja unsagbar glücklich, wenn vielleicht auch unbewußt, waren diese Stunden im Atelier, die sie zusammen verlebten, gewesen, als sie ver­gessen, daß er ein Fremder war, dem sie Hilfe geleistet und den sie verborgen hatte, dem sie ihr ganzes Herz entgegengebracht, ihm

einem

Ach das grausame, fürchterliche Wort! Wie tanzte cs vor Marys "schmerzenden Augen in dem Halbdunkel ihres düsteren Zimmers! Es war ihr, als könnte sie das volle Tageslicht nicht ertragen, so lange dieser schreckliche, unaussprechliche Druck auf ihr lastete, es war ihr, als müsse sie sich auf ihr Bett legen, ihr Antlitz vom Licht wegwendcn »...d hinüberschlummern in eine aridere Welt, wo kein Elend, kein Leiden mehr sein würde. Arme Mary! Sie war zu wenig an Leiden und Elend gewöhnt, um diesen neuen Schmerz geduldig zu ertragen.

Sie öffnete leise ihre Schlafkammerthür und ging lang'am die Treppe hinunter. Die hübsche, kleine, Helle Vorhalle sah wie gewöhn­lich aus mit ihrem glänzenden Eichtisch, dem hellroten Fußt ppich und dem eichenen Kleiderhalter mit den Hüten und Reitpeitschen. Mary sah alles staunend an; es schien ihr so sonderbar, daß, während sie

sich so verändert hatte, die anderen Dinge gleich geblieben waren. Thörichte Mary.

Das Atelier, das sie betrat, war unverändert, das alte trauliche Zimmer, das Mary niemals mehr betreten konnte, ohne denselben Schrecken zu empfinden, der jetzt auf ihr lag. Das Feuer brannte lustig im Kamin. Herr Keith, sehr hübsch und vornehm ausschend, trotz seines schäbigen Samtjagdkostüms, stand am Kamin, indem er den Ellbogen auf den Kaminsims stützte und, in tiefen Gedanken versunken, sinnend in die rote Glut blickte. Lei dem Tone, den die sich öffnende Thür verursachte, erhob er seine Augen, sein Gesicht erheiterte sich schnell und plötzlich; dann aber, als er vorwärts schritt, ihr entgegen, wich die Heiterkeit von ihm und er wurde bestürzt, zärtlich und mitleidig.

Was ist Ihnen, mein Fräulein," sagte er mit einer Stimme voll ängstlicher Zär.lichkeit.Sie sind krank und sehr leidend gewesen, fürchte ich."

Er streckte seine Hand aus, als er auf sie zuschritt; aber Mary zog sich Schritt für Schritt zurück, indem sie ihre Hand ausstrcckte, um ihn mit einer Bewegung des Abscheues und Widerwillens von sich fern zu halten.

Nein, nein, nein," sagte sie in einem Tone des größten Schreckens rühren Sie mich nicht an!"

Er zog sich in größter Verwunderung von ihr zurück.

Was ist geschehen?" fragte er in festem Tone.Fräulein Mary, was ist passiert?"

Sie fragen mich?" sagte sie bitter.Sie fragen mich! Nein, zu Ihnen sollte ich kommen und um Aufklärung bitten."

Die Verachtung, die in ihrer Stimme lag, war nicht zu verkennen, die Abneigung in Blick und Wesen auch nicht. Herr Keith sah sie schmerzlich verwundert an. Dann veränderte sich sein Gesicht ein wenig, und ein Licht des Verständnisses fing langsam in seinem Innern an zu dämmern.

Was haben Sie gehört?" fragte er leise.

Ich habe alles gehört!" erwiderte sie, indem sie sich zwang, ruhig zu sprechen, und dann drückte sie ihre beiden Händchen auf ihr Herz, um dessen ungestümmes Klopfen zu stillen.Wissen Sie, wissen Sie" Ihre Stimme versagte ihr, und sic zitterte so heftig, daß er glaubte, sie würde fallen, und so ging er auf sie zu; aber sie zog sich zurück und schüttelte seine Hand von sich.