* Berlin, 9. Sept. Am 23. September feiert Fürst Bismarck sein 25jähriges Jubiläum als Staatsmimster.

* Berlin, 10. Septbr. Nach der Neuen Stettiner Zeitung zeigen sich im Anstrich zu den Schloßthüren und der für den Zaren be­stimmten Zimmer die russischen Nationalfarben.

* Kulmsee. Ein Schüler war vom Amts­diener zwangsweise der Schule zugeführt wor­den. Die über dieses Verfahren aufgebrachte Mutter des Burschen war ihm in die Schule gefolgt, um dem Lehrer zu eröffnen, daß sie ihren Sprößling nicht mehr zur Schule schicken werde. Als der Lehrer sie aufforderte, das Zimmer zu verlassen, zog die Frau einen Pan­toffel vom Fuß und schlug dem Lehrer damit auf den Kopf; ihr Söhnchen aber zog sein Taschenmesser und brachte dem Lehrer mehrere Stiche in den Kopf bei. Eine exemplarische Strafe wird naiürlich nicht ausbleiben.

* Aus Bruck a. d. Leitha wird berichtet: Als am 3. Sept. das 98. Infanterieregiment abrückeu wollte, wurde entdeckt, daß die Regi- meutskasse gestohlen sei. Die Truhe war mit einem Nachschlüssel aufgesperrt worden und eine eiserne Kassette mit 8000 fl. gestohlen. Der Thäter ist unbekannt.

" Minden. Der unselige Schnaps, welcher trotz ergangenen strengen Verbots bei öffent­lichen Verkäufen auf dem Lande immer noch massenhaft gespendet wird, um die Bieter zu reizen, hat wieder eine Familie des Nachbar­dorfes Bergkirchen in großes Unglück gebracht. Ein junger Mann, der angetrunken Heimkehrte, geriet mit seinem Schwiegervater in Streit und schlug denselben. Der Alte ergriff dann ein Messer und versetzte seinem Schwiegersohn einen Stich in den Unterleib, daß die Eingeweide her- vortraten. Ehe aber noch der Verletzte nieder­fiel, erfaßte er eine Hacke und zertrümmerte mit einem Schlage dem Alten die Schädeldecke und einen großen Teil des Gesichts. Jetzt liegen beide im hiesigen Krankenhause totkrank danieder.

' H a m b u r g. Die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Aktiengesellschaft hat eine außer­ordentliche Generalversammlung ihrer Aktionäre berufen, welche die von der Verwaltung bean­tragte Erhöhung des Grundkapitals, die Be­schaffung der Geldmittel zum Bau von Schnell­dampfern bezweckt. Da allgemein erkannt wer­den dürste, daß Hamburg angesichts seiner kom­merziellen Bedeutung mit Bezug auf Schnell­dampfer nicht länger Zurückbleiben darf, so wird die Bewilligung der dazu erforderlichen Geld­mittel sich voraussichtlich leicht vollziehen.

Ausländisches.

* Wien, 6. Septbr. Bukarester Depeschen zufolge habe der Bulgarische Kriegsminister den höheren Offizieren in Sofia erklärt, die Regierung sei entschlossen, einer bewaffneten Intervention den äußersten Wiederstand zu leisten.

DerFranks. Ztg." meldet man aus Sofia: Der Fürst wird nächste Woche das Land bereisen.

* Rom. Die freiwilligen Anmeldungen zum Eintritt in das afrikanische Spezialkorps haben ein glänzendes Resultat ergeben, indem sie mehr als das Doppelte der benögtigten Mannschaftszahl ausmachten. Die fAbreise des Expeditionskorps nach Massauah wird Mitte Oktober erfolgen.

* Paris, 10. Septbr. Bei dem gestrigen Bankett im Militärkasino zn Castelnaudarh brachte Kriegsminister Ferron den Toast auf das 17. Armeekorps und dessen Kommandeur aus. Er sagte: Der angestellte Versuch habe den Eifer der Zivilbehörden und die Hingabe der Bevölkerung gezeigt, von denen man alles verlangen könne, wenn sichs um die Interessen des Vaterlandes handle. Der Versuch habe jeden Zweifel, der in der Nation obgewaltet, beseitigt und dem Parlamente und dem Volke das Vertrauen eingeflößt, das sie bisher nicht besessen haben. Er danke dem Armeekorps und dessen Chef namens der Regierung des Landes.

* Paris. Vor einigen Tagen verschwand der Sparkassenkassierer Gonot und hinterließ auf seinem Pulte folgendes Schreiben:Suchet mich nicht, ich richte mich selbst, ich habe der Kasse 40000 Frank unterschlagen; wenn ihr diesen Brief leset, bin ich dahin. Ich wiederhole noch­mals, suchet mich nicht." Die Polizei ließ die Bitte desSelbstmörders" ungehört verhallen, sie suchte ihn und fand ihn thatsächlich in Jvry, mit falschem Barte und falschem Haar an der Seite einer schönen Choristin. Von dem Gelde fand man nichts mehr vor, allein mit unglaub­licher Frechheit stellte er den Antrag, das Geld herbeischaffen zu wollen, wenn man ihn straflos ausgehen lasse und den Betrag mit ihm teile.

* London, 9. Sept. Die Königin adelte Mackenzie in Anerkennung seiner dem deutscheu Kronprinzen erwiesenen Dienste.

* London, 10. Sept. Die deutsche Regie­rung teilte am 7. dem englischen Kabinett die ablehnende Antwort des Fürsten Bismarck auf das türkische Ansuchen wegen Vermittelung in der bulgarischen Angelegenheit mit.

* Petersburg. Vor einigen Tagen starb die ehemalige Sängerin Marie Füllo. Dieselbe hinterließ Diamanten im Wert von 150 000 Fr. und ernannte zum Erben den Großfürsten- Thronfolger. Die Künstlerin begründete ihren Entschluß in ihrem Testament mit den Worten: Ich erfülle hiermit nur einen Akt der Ehrlich­keit. Ein naher Verwandter Sr. kaiserlichen Hoheit hat mir seiner Zeit die Juwelen ge­schenkt; ohne Erben dastehend, gebe ich sie dem­jenigen zurück, der sie, wenn ich nicht gewesen wäre, naturgemäß bekommen hätte." Der Thronfolger wird die Erbschaft antreten und die Steine einiger Klöstern spenden.

Handel und Berkehr.

* Von der oberen Nagold, 9. Sept. Unsere Hopfenernte ist im Gang. Ihr Ergeb­

nis darf als ein befriedigendes bezeichnet werden; die Dolden, obgleich etwas klein, sind sehr schön, gesund und lupulinreich. Aeltere Hopfen find um billigen Preis noch verkäuflich.

* Stuttgart, 10. Sept. (Kartoffel- Obst- u. Krautmarkt.) 1200 Zentner Kartoffeln L 3 M. 60 Pfg. bis 4 Mrk Pfg. per Zentner. 6000 Stück Kraut L 20 M. bis 25 M. per 100 Stück. 100 Zentner Fallobst ä 6 M. bis 6 M. 50 Pfg. per Zentner. 200 Zentner österreichisches Obst L 7 M. per Zentner.

* Heidenheim, 7. Sept. (Viehpreise.) Ein trauriges, aber deutlich sprechendes Zeugnis für das stetige Sinken der Viehpreise ist nach­stehender Fall. Einem Bauern in H. wurden im Monat Mai für sein hübsches Paar Ochsen 905 Mrk. geboten, welcher Preis ihm damals aber zu nieder war. Im Monat Juni stellten sich wieder Händler ein, die für dasselbe Paar nur noch 825 M. schlugen und vorgestern mußte sie der Besitzer zu sage 760 Mark absetzen.

* Von den Fildern, 9. Septbr. Wie dem Filder-B. mitgeteilt wurde, soll zur Fort­setzung der Filderbahn die Genehmigung erteilt worden sein. Die Stadt Stuttgart habe ihr Interesse für die Sache durch die Zeichnung von 5000 Mark bethätigt.

Von der Tauber, 9. Septbr. In der Gegend von Neustadt a. Aisch wurden bis jetzt von Händlern 7080 M. für den Ztr. Hopfen geboten. Die Produzenten beachten jedoch diese Angebote nicht, da sie auf höhere Preise rechnen.

Buntes Allerlei.

* (Was eine Tournüre ist.) Eine Tournüre ist in der Jurisprudenz: Eine Ueber- treibung des wirklichen Sachverhalts; in der Medizin: Ein Symptom gestörter Hirnfunktion; in der Theologie: Eine sündhafte Verunstaltung des menschlichen Körpers; in der Philosophie: Das negative Sein am positiven Sein; in der Philologie: Eine fremde Nachsilbe am einhei­mischen Stamme; in der Geschichte: Ein Aus­wuchs in der zweiten Hälfte des 19. Jahr­hunderts; in der Physik: Eine unnatürliche Verrückung des Schwerpunktes; in der Bau­technik : Eine an unpassender Stelle angebrachte Dekoration; in der Aesthetik: Ein Merkmal des verirrten Schönheitssinnes; im Welthandel: Eine Täuschung des Publikums durch Kunst­mittel; im allgemeinen: Ein blühender Unsinn.

* (Schla u.) Herr:Ich möchte ein Paar knarrende Pantoffeln." Kaufmann:Bedaure, die gibt es nicht. Wozu sollen dieselben dienen?" Für meinen Sohn, der sich jetzt immer Pantoffeln nach der Kneipe mitnimmt und die­selben nachts im Hausflur anzieht, damit ich ihn nicht kommen höre."

* (Mißglückte Meldung.)Wo ist der Unter­offizier Müller? Feldwebel:Herr Haupt­mann, ich melde gehorsamst, daß Unteroffizier Müller diese Nacht am Herzschlage unter Hinzu­tritt ärztlicher Behandlung verstorben ist."

Verantwortlicher Red.: W- Kieker, Ättenfteig.

In Mariens Kopf hämmerte es, als ob er zerspringen wolle. War Las Wirklichkeit? Mit rriumphtrenden Augen sah sie Six an. Si: schwiegen aber beide, um zu sehen und zu hören, denn eben sagte Xaver: Nur frisch, Gertrud, daß ich alles für dich thue und wage, das weißt du. Wenn mau et vas fest und ernstlich will, so geht es auch und muß gehen. Mir nimmt niemand auf der Weit jetzt den Mut mehr, und Len gleichen mußt du erwerben. Unser Herrgott heißt's ja in dem alten Lied, wird schon machen, daß man zusammen uns thut!"

Das Mädchen hatte sich erhoben, lehnte den Kopf an seine Schul­ter und sagte:Du kannst trösten, wie ein Pfarrer, an dir will ich mich aufrichten und das Beste hoffen." Damit schritten sie, Hand in Hand weiter, einen Seitenweg entlang, der hinter dem Dorf herum- sührte durch die Gärten.

Marie stand teichenbleich, aber mit festgeschlossenen Lippen und wandte sich dann rasch zurück.Und mein Lohn?" fragte Six lauernd. Jetzt wandten sich Zorn und Enttäuschung, die in ihrem verratenen Herzen bebten, gegen oen Verräter, und sie wandte sich mit eine n Aus' drucke, der über izre Verachtung keinen Zweifel lassen konnte, von dem Verblüfften ab und ging raschen Schrittes davon. Drunten aber bet der Säge stand der Fahnenfrieder, der nur die beiden an der Halde gesehen und murmelte:Da werde der und jener klug, jetzt sind sie doch wieder bei einander, 's macht nichts, aber ich bin jetzt bald froh, daß ich nicht mehr ledig bin."

Zwei Stunden später saßen in köstlicher Eintracht der Herrgotts­müller, der Fahnenfrieder und der Mehlhans droben bei denHerrgöttern", die schon oft auf ein ähnliches Treiben unbewegten Auges hecabgeschaut. Marie hatte sich entfernen wollen, als die Trinkkumpane erschienen waren, aber der Müller, der, wie der Mehlhans sich auszudrücken Pflegte,Gift und Opperment" war, hatte ihr barsch befohlen, dazu­

bleiben. Seine Nase brannte bereits in rötlichem Schimmer, aus seinen Fffchaugeu flössen die Thränen der beginnenden Trunkenheit, und das war gerade der Zustand, den er oft herbestührte; ec verlor daun auch aif eine Zeitlang denZitterer" und konnte sich mit einem gewissen Behagen an den Spässen seines Hofnarren, des Fahnenfrieders, erfreuen.

Der eben Genannte studierte aber derzeit Mariens Gesicht und wunderte sich über dessen Blässe. Sollte er sich doch geirrt haben? Hatte sie den Six am Ende doch nicht wieder in Gnaden angenommen? Dann hatte er einen dummen Streich gemacht, denn er hatte Xaver aufgesucht, und als er ihn im blauen Bock getroffen, ihm ins Ohr ge­wispert:Du, die Marie und der Six find eben wieder bei einander gewesen und haben ziemlich lang mit einander geplaudert. Sie haben schließ­lich,^ es scheint, einen kleinen Lckreit gehabt, aber das Sprichwort heißt: Was sich liebt, das neckt sich!" 's macht nichts, aber die Geschichte gefällt mir nur halb." Der Kraxenmann dachte zwar nicht an Untreue, aber es kam ihm so seltsam vor, daß er nicht wußte, was er daraus machen solle.

Wie konnte Marie nach dem glühenden Erguß von heute morgen noch mit dem verurteilten Erlenhofer verkehren? Ein Stachel blieb in seiner Brust zurück, und er bestätigte die alte Wahrheit wieder,daß dieHelden" oft an einer bedeutenden Schwäche kranken."

Der Berichterstatter, der es übrigens gut mit ihm meinte, hatte ihn verlassm und nur die kurze Bemerkung auf den Weg erhalten, daß heute noch alles gelichtet und geschlichtet werden würde. Er hütete sich wohl, dem Müller etwas davon zu sagen, wartete aber mit Spannung auf ein unverkennbar sensationelles Ereignis. Und er durste nicht lange warten.

(Fortsetzung folgt.)