Zstiminigcr gemischter Chor empfing die Fest­besucher, worauf das herrliche Kirchenlied: Herz und Herz vereint zusammen ec. durch das dicht- besetzte Gotteshaus ertönte. Pfarrer Naumann von Warth als erster Redner, sprach über Apostelgesch. 20,35:Geben ist seliger denn nehme:?!" In einfacher Weise, aber mit treffen­den Worten wendete er dieselben an: ans die Pflegeeltern, auf die Pfleglinge und auf die Zuhörer alle. Sodann hielt Stadtpfarrer Stock- majer von Haiterbach eine Katechisation mit den Pfleglingen über die Worte: Also hat Gott die Welt gcliebet zc. Zum Schlich bestieg Dekan Schott von Nagold die Kanzel und er­stattete zunächst einen Bericht über den Stand der beiden Vereine. Der Kindcrrettnngsverein hatte eine Einnahme von 1 03 Mrk., der eine Ausgabe von 1752 gegenübersteht. Die Zahl der Pfleglinge beträgt gegenwärtig 32, (20 Knaben und 12 Mädchen.) Der Hilfsbibelvereiu hatte eine Einnahme von 1344 M. und eine Ausgabe von 1170 Mark. Der geehrte Redner wendete die oben angeführten Worte seiner Vorredner auch auf den Hilfsbibelvereiu an und gab ein kräftiges Zeugnis von der großen Liebe und Gnade, die der Menschheit aus Gottes Wort dargeboten wird.

* Altensteig, 1. Juli. Die hiesige Stadt­pfarrei ist nunmehr imStaatsanzeiger" zur Bewerbung ausgeschrieben.

* Egenhausen, 80. Juni. (Korresp.) Gutsbesitzer Haag von ttmerjettingen und sein Sohn, Ziegeleibesitzer Haag von hier waren gestern ans Besuch in Nagold. Beim Nach­hausegehen bot sich Gelegenheit zum Fahren auf einem Steinfuhrwerk. Der alte Mann fiel je­doch unglücklicherweise von seinem Sitz, ein hin­teres Rad ging über ihn hinweg und drückte ihm den Brustkasten ein. Als Leiche wurde der gesund und munter ausgegangene Mann seinen bestürzten Angehörigen in die Wohnung gebracht.

* Nagold, 28. Juni. Gestern abend ist der erst vor kurzem hier als Schulaspirant ein­getretene Zögling Johannes Brigel, Sohn des verstorbenen Pfarrers in Engstlatt, beim Baden in der Nagold ertrunken.

' Vom Lande, 28. Juni. Mostobst wird Heuer wieder sehr teuer werden und vielleicht kaum in genügender Menge zu beschaffen sein. ImWochenbl. f. d. Landw." macht nun E. Zahn in Hirsau auf eine Frucht aufmerksam, die er, nach dem Vorgang der Franzosen, schon seit Jahren zur Herstellung eines wohlschmeckenden, gesunden und billigen Haustrunks verwendet, ans die griechischen Korinthen (gewöhnlich hier­zu LandRosinen" genannt), eine Abart der Weintraube. Dieselben werden in Griechenland teils in frischem Zustande gekeltert, teils aber auch und hauptsächlich getrocknet. Setzt man diesen getrockneten Korinthen so viel Wasser zu, als die Sonne während des Trocknens ver­dampft hat, so bekommt man einen süßen Wein- most, der ganz ebenso gährt, wie der ans frischen Trauben bereitete und der einen sehr haltbaren

Wein liefert. 100 Kilo frische Korinthen er­geben 2829 Kilo getrocknete Korinthen; man hat also auf 100 Kilo Korinthen 250 Kilo warmes Wasser znznsetzen, um einen Weinmost zu erhalten; beabsichtigt man nur die Herstellung eines dem Obstmost ähnlichen Getränkes, so darf der Wasserzusatz natürlich viel stärker sein. Der Preis ist gegenwärtig in Deutschland ca. 60 M. per 100 Kilo; es läßt sich also hiemit ein sehr billiges Getränke bereiten.

* Tübingen, 29. Juni. (Schwurgericht.) Heute kam der seltene Fall vor, daß die Ge­schworenen gegen die der Brandstiftung ange- klagten Müller Fidel Leippert von Bronnen, dessen Ehefrau Katharine geb. Acker, deren Sohn Josef Leippert und den Kaufmann Eduard Schol- lian von Stetten (Hechingen) ein Schuldig ans- sprachen, worauf die Staatsanwaltschaft 6, 3 und 5 Jahre Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte ans die Dauer von 6 Jahren beantragte, der Schwnrgerichtshof in­des erklärte nach mehrstündiger Beratung den Wahrsprnch der Geschworenen für irrig und ver­wies den Fall vor das nächste Schwurgericht unter Anordnung der Haftforidaner.

* Stuttgart, 28. Juni. (Schwurgericht.) In der heutigen Verhandlung kam die Anklage- fache gegen den 58 Jahre alten WAngärtner Wilhelm Kaiser von Rohracker wegen durch Körperverletzung verschuldeter Tötung seiner Frau zur Verhandlung. Nach längerer Be­weisaufnahme bejahten die Geschworenen die Frage, ob der Angeklagte seine Frau vorsätz­lich durch iAne das Leben gefährdende Behand­lung am Körper oder an der Gesundheit ge­schädigt, bewilligten jedoch mildernde Umstände. Das Urteil lautete auf 5 Monate Gefängnis, wovon 2 Monate auf die Untersuchungshaft in Abrechnung kommen.

- (Verschiedenes.) Adlerwirt Haas in S ch r amberg, 65 Jahre alt, wurde mit dem Kops nach unten und den Füßen nach oben tot im Lierkessel ausgesunden. Ein in den sech­ziger Jahren stehender Rotgerber aus Ebingen fiel die Kellertreppe hinab, brach das Genick und starb sofort. In Lentkirch wurde ein früherer Eiseuhändler an der Quaste seines Bettes erhängt gesunden. Derselbe ist ledig und 67 Jahre alt und soll ein Vermögen von mehr als einer halben Million besitzen. Zur Zeit gehören ihm mehr als 20 Bauernhöfe. In S ch mi e bei Maulbronn versuchte eine Frau ihren Ehemann im Bette zu ermorden. In der Dunkelheit der Nacht geriet sie an ein neben dem Manne schlafendes, üjähriges Pflegekind, versetzte ihm mit einem Hammer einen Schlag und schnitt ihm in den Hals. Auch der Mann bekam einen leichten Schnitt. Das Befinden des Kindes ist befriedigend. Die Frau, die sich selbst einige Schnittwunden beibrachte, wurde in das Amtsgn'ichtsgefängnis abgeführt.

* Mannheim, 28. Juni. Im Amtsge­richts-Gefängnisse spielte sich nach dem M. T.

Kaus und Welt.

Novelle von Gustav Höcker.

(Fortsetzung.)

Mit freundlicher Schonung, aber auch mit unzweideutiger Entschie- denheir lehnte Valentine den Antrag ab. Welches auch immer ihr Schick sal sein mochte, so kannte sie es doch nicht über sich gewinnen, ihr Leben an einen Mann zu ketten, der nach Alter und Persönlichkeit ihrem Gcschmacke widerstrebte und in seiner komischen Ungelenkigkeit bisher nur ihre Lachlust zu reizen vermocht hatte Diesmal freilich lachte sie nicht hinter ihm, vielmehr brach sie in bittere Thränen aus darüber, daß sie, nachdem sich über dem Vater kaum das Grab geschlossen, den Leuten plötzlich so wohlfeil erschien, und Martha hatte Mühe, sie über ihr Unglück zu trösten.

Fast Tag für Tag langten von den vielen auswärtigen Freundin­nen und befreundeten Familien Kondolenzbriefe an die Schwestern an, so daß die letzteren vollauf zu thun hatten, dieselben zu erwidern. In den Rückantworten, welche darauf erfolgten, war auffälligerweise stets eine besondere Betonung darauf gelegt, daß man im Augenblicke gerade Verwandte zum Besuch habe, oder daß jemand in der Familie krank sei, oder Paß cs geg nwärtig im Hanse unbeschreiblich wüst anssähe, indem sämtliche Zimmer neu tapezier: und auch sonstige Neubauten vorgenom- men würden. Nnr sehr wenige Briefe machten eine Ausnahme hiervon und luden die Schwestern zu ihrer Zerstreuung beiläufig zu einem Besuche ein. Eine derartige Andeutung enthielt auch das Schreiben vom Pastor Weihrauch, den die Amtspflicht in der eigenen Gemeinde verhindert hatte, dem Begräbnis seinesunoergMchen Freundes" beizuwohnen, und rasch entschlossen sich die Schwestern, ihr vereinsamtes Daheim mit dem freund« lichen Pfarrhause zu vertauschen.

gestern abend ein Auftritt zwischen einem ge­rade Angebrachten Arrestanten und einem Auf­seher ab, der die Gefängnisbeamten zur Vor­sicht mahnen sollte. Kaum sah sich nämlich jener Sträfling dem Aufseher, der ihm seine Zelle anzuweisen sich anschickte, allein gegenüber, als er ihm einen heftigen Tritt auf den Bauch ver­setzte, eine am Boden liegende eiserne Stange er­griff, welche znmSchließen der Läden dient und sie so wuchtig auf den Kopf des Beamten nieder­sausen ließ, daß dieser bewußtlos zu Boden fiel. Nur durch herbeieilende andere Bedienstete des Gefängnisses konnte der Wütende von seinem Opfer zurückgerissen und eingesperrt werden. Der schwerverletzte Aufseher wurde mittels Krankenhanstransporiwagens nach dem Spital übergeführt.

* Ein Handelsmann in Mannheim ge­wann mit einem von seiner kürzlich verstorbenen Mutter ererbten Gnnzenhauseiier 7 Guldenlos 20 000 Mark.

* Ansbach. Im benachbarten Flachslanden wurde ein vierjähriger Knabe von seinen Eltern mit auf die Wiese genommen. Während die Eltern beschäftigt waren, spielte der Knabe mit den Kapseln der Herbstzeitlose, öffnete dieselben und die Kerne. Niemand ahnte, als der Knabe über Leibschmerzen klagte, was die Ur­sache war und bis zmn Morgen war der Tod eingetretcn. Dieselbe Familie verlor vor mehre­ren Jahren ein Mädchen, das Belladonna ge­nossen hatte. Wir teilen den Fall als Warn­ung zur Vorsicht mit.

' Franks u r t, 29. Juni. Die Strafkam­mer des hiesigen Landgerichts verurteilte in ihrer Sitzung vom 26. Juni zwei Inhaber einer hiesigen Margarin - Bntterfabrik, die ihr Fa­brikat namentlich nach Westfalen alsButter" mit der BezeichnungFaoonbntter" verkauft hatten, ans Grund des Nahrungsmittelgesetzes zu je einem Monat Gefängnis.

* Köln, 30. Juni. Erzbischof Crementz vollzog soeben bei Anwesenheit des Domkapitels und aller hohen Behörden die Taufe der Kaiser­glocke, welche seit dem Dombaufest im Jahre 1880 stillschwieg; sie erhielt den kirchlichen Namen Gloriosa. Am Domhof horcht eine ungeheure Menschenmenge.

* Neuß. Das Schöffengericht verurteilte einen hiesigen Bierbrauereibesitzer, welcher in 88 Fällen dem Bier sogenannte Bierkouleur bezw. Traubenzucker zugesetzt hatte, zu einer Geldstrafe von 2640 Mk., ferner zu 150 Mk. Ordnungsstrafe, weil er es unterlassen hatte, der Steuerbehörde eine schriftliche General-De­klaration der von ihm verwandten Malzsnrro- gate einznreichen.

* Haagen, 27. Juni. Die Geschichte ist buchstäblich wahr. Vor einiger Zeit wurde ein Arzt schleunigst zu einem schwer Kranken ge­rufen und zwar in einer jener Gegenden des Sauerlaudes, die weitab von der großen Heer­straße des Verkehrs liegen und sich weder einer Bahn noch Post, ja nicht einmal eines Wirts-

Auf Pastor Weihrauch hatte die Nachricht vom Tode des Hofrat^

wie ein Donricrsctlag gewirktMein armer Sohn! Mein arme^ Eduard!" war sein erster Ausruf, indem er händeringend in fiinem Studier' zimuur auf- und abging,das ist ein sehr schwerer Verlust für dich' Dein Gönner, der einst sein vielgeltendes Wort für dich Anlegen sollte, ist von dieser Welt abgerusen worden und hat deine schönsten Hoffnungen mit ins Grab genommen. O, daß es dem uuerforschlichen Ratschlüffe Gottes gefallen hätte, ihn wenigstens noch zwei Jahre leben zu lassen, dann wäre alles für dich gewonnen gewesen, armer Eduard!" *

Als Valentine und Martha anlangten, wurden sie vom Pastor mit feierlichem Ernste empfangen. Nichts erinnerte an die Ritterlichkeit, mit der er ihnen bisher begegnet war. Seine Trostesworte waren eher eine im tiefen Grabestone gehaltene Büßpredigt, die gegen den herzlichen Zuspruch Ewalds grell abstach. Der Mann war ein vollständig andrer geworden. Es schien, als seien die liebenswürdigen Freundinnen seiner ToLter mit dem Hofrate ebenfalls begraben worden und nur noch zwei Waisen übrig geblieben, welche ans die Barmherzigkeit anderer angewiesen wären. Daß der Pastor einst in dem großen Pfarrgarten mit ihnen Kämmerchen vermietm" gespielt und Ball geschlagen hatte, schien den entiäuschten Mädchen wie An Traum.

Als der Pastor durch die plauderhaste Betty, der sich Valentine unvorsichtigerweise anvertraut hatte, von dem Heiratsantrage des komi­schen Professors und der Ablehnung desselben erfuhr, hielt er Valentine eine furchtbar ernste Standi ede: Wie sie sich nach dem Tode des sorgen­den Vaters, der seinen Kindern alles geopfert habe, über ihre Aussichten noch so argen Täuschungen hingeben könne! .Wie undankbar sie gehan­delt habe, den wohlgemeinten Antrag eines allgemein geschätzten Gelehr­ten, der in geordneten Verhältnissen lebe, so kurzer Hand von sich zn weisen! Wie sie darin vielmehr die Fügung des lebendigen Gottes hätte