haben, weil sie es satt waren, noch weiterhin für die Polizei zu „arbeiten".
* New-Jork, 23. Juni. Im Kreise Ro- wan in Kentucky hat, wie man der Times meldet, während der letzten zwei Jahre eine Blutrache zwischen der Familie Tolliver und anderen Bewohnern bestanden. Nicht weniger als 2t Morde sind infolge dessen begangen worden. Gestern nun machte sich der Sheriff mit 200 Mann nach Moorehead auf, um Toviller und seine Genossen auf die Anklage des Mordes zu verhaften. Der ganze Ort wurde mit einem Kordon von in den Wäldern aufgestellten Wachen umgeben. Als der Sheriff mit der halben Mannschaft in die Stadt einrückte und Tolliver und feine 10 Genossen aufforderte, sich zu ergeben, flüchteten sich die letzteren in ein kleines Hotel, welches sie verbarrikadierten. Sie weigerten sich nicht nur, sich zu ergeben, sondern feuerten sogar Schüsse auf den Sheriff und dessen Leute ab. Das Feuer dauerte zwei Stunden, worauf Tolliver einen Ausfall befahl. Die Bande stürzte aus dem Hanse, wurde aber von einem so vernichtenden Feuer empfangen, daß Toviller, seine zwei Brüder und noch ein Mann tot hinstürzten. Die übrigen 7 liefen in die Wälder, wo vier von ihnen durch die dort aufgestellten Wachen erschossen oder verwundet wurden. Von den drei Entkommenen wurde einer noch später gefangen. Damit hat die Vendetta endlich ihr Ende erreicht.
Handel und Verkehr.
* Stuttgart, 27. Juni. (Landes-Pro- dukten-Börse.) Die heutige Börse verlief beinahe geschäftslos. Wir notieren per 100 Kilogr.: Weizen russ. 21 M., do. amerikanischer 21 M. 50 Pfg.
* Stuttgart, 28. Juni. Die Zufuhr von Kirschen ist dem Samstagsmarkt gegenüber eine ziemlich verminderte, weshalb die zu Markt gelangten 1000 Körbe sich auf dem Preise von 16—22 Pfg. pro Pfund erhielten. Der Blumenmarkt ist von Rosen in allen Füllungen und Kornblumen beherrscht.
Oesterreichische 4 pCt. 250 Fl. -Loose von 18 5 4. Die nächste Ziehung findet am l. Juli statt. Gegen den Coursverlust von ca. 8 0 Mark pro Stück bet der Auslassung übernimmt das Bankhaus Carl Neuburger, Berlin, Französische Straße 13, die Versicherung für eine Prämie von Mark 2,5 0 pro Stück.
Buntes Allerlei.
* Im zoologischen Garten in Köln sind drei junge, kreuzfidele Seelöwen angekommen, die sich in ihrem schön hergerichteten Becken munter umhertnmmeln und die neugierigen Menschen gerade so mustern, wie sie gemustert werden. Sie kosteten 7000 M., ihr Behälter 12 000 M. und ihr Futter jährlich — Fische — 3000 M.
* (Ein irrsinniger Graf.) Am Montag Vormittag, schreibt die „N. Fr. Pr.", spielte sich auf dem Mich aelerplatze in W i e n eine Aufsehen erregende Szene ab. Um diese Stunde
promenierte vom Kohlmarkt aus gegen den Michaelerplatz zu ein elegant gekleideter, ungefähr lOjähriger Herr. In der Nähe der Michaeler- kirche blieb derselbe stehen, musterte die Vorübergehenden eine Weile und trat dann einer vorübergehenden jungen Dame plötzlich in den Weg, welche er mit den Worten: „Du gehörst mir, du mußt mir folgen," fest am Arme packte; das Mädchen stieß Hilferufe ans, und alsbald hatten sich zahlreiche Passanten angesammelt, die im ersten Momente sich das Benehmen des Herrn nicht erklären konnten, bis ein dem Herrn folgender Dienstmann und ein zweiter Herr, ein Arzt, das Rätsel lösten. Die beiden letzteren waren nämlich dem Herrn unbemerkt gefolgt und befreiten mit Hilfe des herbeigeeilten Rayou- wachpostens die Dame aus den Händen des sie festhaltenden Herrn, wobei der Wachmann sich anschickte, den Irrsinnigen zur Polizeidirektion zu führen. Derselbe ist ein ungarischer Aristokrat, Graf Ladislaus T. Auf Befürworten des Arztes und des Dienstmannes brachte der Wachmann den irrsinnigen Grafen, welcher ans Ungarn hierher gebracht worden war, um in einer Privat-Heilanstalt untergebracht zu werden, anstatt zur Polizeidirektion in dessen Absteigquartier.
* (Höchster Triumph.) A.: „Den höchsten Triumph feierte der Pianist N., indem er bei seinem letzten Konzert gar keinen Beifall erhielt."
— B.: „Und das nennen Sie einen Erfolg?"
— A.: „Und was für einen! Der Künstler fpielte nämlich Schumanns „Wiegenlied" in so vollendeter Weise, daß alle Zuhörer einschliefen!"
" (Zur Ferienreise.) Frau: „Hast du schon daran gedacht, lieber Mann, wohin wir reisen wollen? Ich schlage die Schweiz vor. Wie findest du diesen Gedanken?" — Mann: „Unbezahlbar."
' (Der Naturfreund.) „Ich '.enne kein größeres Vergnügen, als den Sonnenaufgang zu genießen!"
— „Da sind Sie gewiß ein Frühaufsteher?" — „Ach nein, ich stehe erst gegen Mittag auf, aber ich sehe den Sonnenaufgang immer beim Nachhausegehen!"
* (Aus der Schule.) Lehrer: Woher hat Amerika seinen Namen? — Schüler: „Weil — weil es am Meer liegt."
Verantwortlicher Red.: W. Rieker, Aliensteig.
Der hier oft angekündigte Holl. Tabak von B. Becker in Seesen a. Harz erfreut sich, wie uns mitgeteilt wird, durch seine wirklich guten Eigenschaften einer großen Beliebtheit bei dem Publikum. Der Tabak verliert durch ein besonderes Verfahren beim Darren seine Schärfe und ist von einem solchen Aroma, daß selbst verwöhnte Pfeifenraucher überrascht sein werden, für einen so sehr billigen Preis (10 Pfd. lose in 1 Beutel franco 8 Mk.) eine wirklich vorzügliche Waare zu erhalten. Herr Becker fabriziert diese Spezialität seit über 8 Jahren und besitzt zahlreiche lobende Anerkennungen.
sche Lage in Serbien wird dadurch am besten illustriert.
2 Der Prager Stadtrat, der kürzlich bei Ankunft der Amerik. Gäste für die Empfangsfeierlichkeiten 2000 fl. bewilligt, votierte für die Veranstaltung einer Feier zum Vesten des czechischen Schulvereins 5000 fl. Bekanntlich sind die Deutschen in Prag die größten Steuerzahler.
* Paris, 27. Juni. General Jung, der bekannte intime Mitarbeiter des Generals Bon- langer, ist zum Gouverneur von Dünkirchen und zum Oberkommandanten der dortigen Fest- nngsgruppe ernannt, also „kaltgestellt" worden.
* Paris, 28. Juni. General Boulanger wurde zum Kommandeur des 13. Armeekorps ernannt, dessen Generalkommando in Clermont- Ferrand steht.
* Aus Paris wird geschrieben: Die Hetzerei gegen die Deutschen ist in der Zunahme begriffen, wie aus den Artikeln des XIX. Siecle und des National, die beide doch mehr gemäßigte Blätter sind, zu ersehen ist. Die Defense Nationale geht so weit, die Wohnungen der Pariser Deutschen zu bezeichnen, und man könnte beinahe glauben, daß dies geschieht, damit man weiß, wo die Opfer zu suchen sind, wenn es nach diesen täglichen Hetzereien zu einem Volksaufstand gegen die Deutschen kommen sollte. Für den Deutschen wird der Aufenthalt in Frankreich immer gefährlicher infolge der ewigen Hetzereien, und man thut vollständig recht, den Deutschen vor dem Besuch Frankreichs, namentlich der Provinz, in Paris geht es bis jetzt noch, abzu- raten.
* London, 25. Juni. Da der Bürgermeister von Cork am Jubiläumstage schwarze Fahnen auf den städtischen Gebäuden hatte aufhissen lassen und auf der That ergriffene Ruhestörer straffrei entlassen hat, so hat der Richter Kapitän Plunkell auf Anordnung der Regierung einstweilen die Verwaltung der Stadt übernommen und die Polizei angewiesen, keine Verhafteten auf den Befehl des Bürgermeisters hin freiznlaffen.
* Einer Petersburger Depesche der „Kreuzztg." zufolge dürfen von mm an Handel treibende, nicht in Petersburg ansässige Juden sich nicht länger als acht Tage dort aufhalten.
* Belgrad, 26. Juni. Königin Natalie trifft übernächsten Sonntag ein, bleibt aber getrennt von Milan und bewohnt einen abgesonderten Trakt des Königsschlosses.
* Spanische Polizei. Die politische Stille in Spanien wird gegenwärtig durch einen Skandal unterbrochen, der die spanische Polizei kennzeichnet. Es handelt sich um nichts Geringeres, als die Aufdeckung eines seit Jahren eingerichteten Spitzbubenwesens, bei dem die Polizei etwa sechzig Prozent von allen Diebstählen erhielt.
Diesmal war es Sevilla, wo die Giftblase platzte; wer das Land kennt, weiß, daß der Vorgang etwas ganz liebliches ist. Die Diebe erklärten vor Gericht, daß sie endlich den Unfug anfgedeckt
nimmer rastende Leben. In seinen drängenden Wellen müssen wir nun einmal mit fortfluten, und wir dürfen nicht allzulange nach dem zurück^ schauen, was für uns untersank, denn es ist nutzlos."
Es möge dahingestellt bleiben, ob diese Trostgründe den gewünschten erhebenden Eindruck auf das gebeugte Schwefle npaar hervorbrachten. Guido Hatphen war von der Wucht derselben überzeugt und handlte nur in Uebcreinstimmung mit seinen eben ausgesprochenen Grundsätzen, indem er sich um den trüben Eindrücken des Lebens nicht allzu viel Spielraum zu gestatten, vom Trauerl ause direkt zu einer großen Kneiperei begab, welche sein Korps zur Abschiedsfeier eines Burschen veranstaltet hatte.
Das Leichenbegängnis des Hofrats war ein beredtes Zeugnis für die allgemeine Achtung, in welcher er gestanden. Fast endlos schien der Zug schwarzgekleideter Herren, welche paarweise dem Sarge folgten; ihm schloß sich eine lange Reihe herrschaftlicher Equipagen an, deren betreßte Kutscher und Diener Trauerflore an den Hüten trugen, und die Zahl der Kränze und Bouketts war so groß, daß sie aus dem Leichenwagen nicht Platz gefunden hatten und in einer Droschke nachgefahren werden mußten
Auch Bruder Alexander war aus der Ferne herbeigeeilt, um dem Vater die letzte Ehre zu erweisen. Er hatte seinen Schwestern feierlich erklärt, daß er auf seinen Erbschaftsanteil zu ihren Gunsten Verzicht leiste, was auf besonderen Wunsch seiner Frau geschah, welche die geheime Befürchtung hegte, es möchten Schulden vorhanden sein. Im übrigen zitterte er vor der sehr nahe liegenden Möglichkeit, daß die Schwestern seine Unterstützung in Anspruch nehmen könnten, — nicht aus herzloser Selbstsucht, sondern weil er ohne die Zustimmung seiner Frau absolut nichts für sie thun konnte. Er atmete daher erleichtert auf, als er inne wurde, daß die Frage um die Zukunft die Schwestern nur wenig beschäftigte, da es ihnen bei ihren zahlreichen Freundschaftsbeziehungen ja nicht an gutem Rat und thätigem Beistand fehlen konnte.
Der gegenüber wohnende Professor vom Polytechnikum, dem jüngst der Fackelzug gebracht worden war, hatte sich, als Freund des Verstorbenen, der Schwestern in hingehendster Weise angenommen und ihnen namentlich alle jene peinlichen Geschäfte erspart, welche von einem Begrab» nis unzertrennlich sind. Er stand nahe am Ausgange der Vierziger und führte ein unfreiwilliges Junggesellenleben, denn abgesehen von einer merkbaren Wölbung seines Rückens und einer etwas schiefen Schulter, benahm er sich ziemlich schüchtern und linkisch in Damengesellschaften und hatte daher noch kein Herz für sich zu entflammen vermocht. Längst schon hegte er eine stille Neigung zu Valentinen, aber nie war dieselbe in anderer Weise hervorgetreten, als daß seine Schüchternheit in ihrer Gegenwart sich verdoppelte und ihm allerhand neckische Streiche spielte. Wenn Valentine ihm eine Tasse Thee kredenzte, so klapperte die letztere in seiner plötzlich zitternden Hand. So oft er mit Kavalierseifer ihr zu Boden gefallenes Taschentuch aufheben wollte, stieß er sicher beim hastigen Bücken unsanft mit ihrem Kopfe zusammen, und wenn er sich von ihr verabschiedete, so vermochte er nie die Thür zu finden, ohne vorher über den Teppich zu stolpern oder einen Sessel umzuwerfen.
Es war den Bekannten des Hofrats kein Geheimnis, daß derselbe vermögenslos war und seinen Töchtern nichts hinterlaffen hatte. Der schüchterne Professor hielt daher den Augenblick, wo Valentine über ihre Zukunft zuRate gehen mußte, für günstig, mit seinenAbstchtenhervorzutreten.
Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und trug ihr in den zart- gewähltesten Worten seine Hand an.
(Fortsetzung folgt.)
(Lesefrucht.) Zeige dich zu jeder Zeit, stärker als dein Herzensjammer: sei nicht Amboß deinem Leid, nein, sei demes Leides Hammer.