Sohn des Schuhmachers Zeller von Böhringen verletzte einen Finger seiner rechten Hand an einem eisernen Haken. Nach Verfluß von acht Tagen trat der Wundstarrkrampf ein, an wel­chem der unglückliche junge Mann starb. In der Nacht vom vergangenen Dienstag aus Mittwoch wurde in Nordstetten bei Bier­brauer Maier eingebrochen und über 300 Mk. entwendet. Der Thäter, ein tagsznvor ent­lassener Brauer, ist verhaftet. In Nürtingen badete der Seminarist Sattler von Heilungen im Neckar und ertrank. In Ob er st ei nach hat eine mit Nähen beschäftigte Bauerswitwe eine Nähnadel verschluckt. Bis jetzt ist es der ärztliche > Kunst nicht gelungen, die Nadel, welche ans der linken Halsseite sich befindet, hervorzn- holen. In Eg gingen wurde dem Oeko- nomen Braig ans seinem Stall ein junges, zwei Jahre altes Pferd von brauner Farbe gestohlen. Zwei junge Arbeiter, ein Bäcker und ein Schuhmacher sind in Cannstatt beim Baden im Neckar ertrunken. In N ürti n gen ist der Hochwächter Pfänder die steile Treppe im Kirchturme der Stadtkirche hernntergestürzt und sofort gestorben. Auf der Jägerhans- steige hei Heilbronu brach die Sperrkette eines beladenen Stcinwagens. Der Wagen geriet sofort in Schuß und fuhr mit rasender Schnelligkeit die Steige hinab, Pferde und Fuhr­mann mit sich reißend. Eines der Pferde mußte bereits gestochen werden und auch das andere wird nicht mit dem Leben davonkommen.

* Nürnberg, 13. Juni. Gegenwärtig werden hier von der Bahnbehörde Versuche mit einer neuen Art Petarde gemacht, welche dazu dienen sollen, den Zugführern in Fällen, in denen eine anderweitige Benachrichtigung nicht mehr möglich ist, ans die Unterbrechung des Schienengeleises (z. B. im Kriege durch eine vom Feinde erfolgte Herausnahme von Schienen oder im Frieden durch Elementarereignifse) auf­merksam zu machen. Es wird eine solche Petarde längs der Schiene gelegt, und sobald nur die Maschine dieselbe streift, erfolgt ein donnerähn­licher Knall, so daß der Locomotivfnhrer sich veranlaßt sehen muß, den Zug anzuhalten. Die Versuche mit diesen Petarden sind bisher sehr gut ausgefallen, von 100 Stück, welche er­probt worden' sind, hat nur eine versagt.

* Berlin, 16. Juni. Der Reichstag nahm in einer Abendsitzung ohne längere Erörterung das Gesetz über die Unfallversicherung der See­leute an. Staatssekretär v. Bötticher hat da­bei für die Wintersession die Vorlegung eines Alter- und Jnvalidenversorgungsgesetzes in Aus­sicht gestellt.

* Berlin, 16. Juni. Der Reichskanzler, begleitet vom Grafen Rantzau, ist heute nach Friedrichsruh abgereist.

* Im neuestenMilitär-Wochenblatt" urteilt ein Fachmann nach eigenen Beobachtungen und Erfahrungen über die Detail-Ausbildung in ver­deutschen, österreichischen und italienischen In­

fanterie.Die österreichische und die italienische Infanterie", meint er,steht der unsrigen im Detaildienst, d. h. im sogenannten Drill nach. Ein Fehler liegt meiner Meinung nach darin, daß der Detaildienst nicht im einzelnen so genau wie bei uns betrieben wird. Einen Hauptfehler aber messe ich, besonders bei der italienischen Infanterie, den blutjungen Offizieren zu; Rou­tine und Lebensernst fehlen denselben und mit ihnen auch die Autorität den Mannschaften gegen­über. In Oesterreich sah ich verschiedentlich außer Dienst Mannschaften mit Unteroffizieren ansgehen; diese Freundlichkeit dürfte für den dienstlichen Verkehr nicht vorteilhaft sein. Aber auch die Subalternoffiziere wenden, besonders in Italien, dem Detaildienst nicht genug Aufmerk­samkeit zu, exerziert der Unteroffizier, dann küm­mert sich der Lieutenant wenig oder gar nicht um die Art, wie der Unteroffizier dies betreibt. Ich sah oft große Fehler in den Abteilungen, die der Unteroffizier nicht bemerkte und die der vorübergehende Lieutenant gleichfalls nicht be­achtete."

* Leipzig, 15. Juni. Die Beweisaufnahme im Hochverratsprozeß wurde heute beendigt. Dieselbe lieferte keine weiteren Anhaltspunkte, als die bereits bekannten, nämlich daß die meisten der Angeklagten die Zwecke der Patriotenliga unterstützten.

"Leipzig, i6. Juni. Oberreichsanwalt Tessendorf beginnt sein Plaidoyer, in dem er zunächst die Anklage gegen Humbert rmd Freund zurückzieht. Die übrigen Angeklagten bittet er wegen Hochverrats zu bestrafen und zwar be­antragt er unter Ausschluß mildernder Um­stände gegen Köchlin 2 Jahre und gegen Jordan 1 Vs Jahre Festung; gegen Blech 3 Jahre, Schiffmacher 2 Jahre 6 Monate und gegen Trapp und Reybel je 2 Jahre Zuchthaus.

" Leipzig, 16. Juni. (Hochvcrratsprozeß.) Die Plaidoyer wurden heute beendet; die Ver­teidiger beantragen Freisprechung, eventuell nur Festungshaft. Die Urteilsverküudigung findet am 18. Juni, mittags 12 Uhr, statt.

" Elberfeld, 14. Juni. Die Aufregung über die aus Berlin gekommenen Nachrichten, betreffend die angebliche Unschuld des wegen Mordes zum Tode verurteilten, dann zu lebens­länglichem Zuchthaus begnadigten Barbiers Ziethen, ist hier eine sehr große. Uebrigens ist man hier noch keineswegs von der wirklichen Unschuld Ziethen's so fest überzeugt und be­tont man, daß das Geständnis Wilhelms, der ein durch und durch verlogenes Subjekt sein soll, mit größter Vorsicht anfzunehmen ist. Der Bruder Ziethens, der gestern hier gewesen, glaubt allerdings an die baldigste Freilassung des Ver­urteilten.

* Metz, 14. Juni. Es sind ansgewiesen worden mit 14 Tagen Frist der frühere fran­zösische Offizier Monnier, ein Optant, der Ge- schäftsagcnt Mersch und der Hutfabrikant Flosse, letztere Nationalfranzosen.

Ausländisches.

* Eine blutige That setzt seit einigen Tagen die idyllisch gelegene Kurstadt Marienstad in Aufregung. Im Cafs Panorama, einem der besuchtesten Erfrischungspunkte auf einer der Höhen westlich der Stadt, war seit sechs Tagen eine neue Köchin, Katharina H. aus Selb in Bayern, installiert, eine fesche, starke Person von 25 Jahren. Am 8. Juni 9V? Uhr er­schien ein unbekannter, anständig gekleideter Mann von ca. 28 Jahren in dem noch wenig besuchten Cafsgarten und verlangte die Köchin zu sprechen. Man bedeutete ihm, etwas zu warten, die Köchin sei beschäftigt. Als diese ankam und den Mann erblickte, erbleichte sie sichtlich und begann zu zittern. Gleichwohl ging sie auf denselben, ihren früheren Geliebten, mit dem sie 3 Jahre in Selb im Konkubinat gelebt, dem sie aber als leichtsinnigen Patron den Abschied ge­geben hatte, zu und gab ihm die Hand. Er verlangte ein Glas Bier, und als sie sich mn- wandte, um dasselbe zu holen, ergriff er, der ihre rechte Hand noch festhielt, ein im Griffe feststehendes Messer, stieß es ihr mit großer Vehemenz in die linke Brust, führte im nächsten Moment einen kräftigen Schnitt gegen die Puls­ader ihrer rechten Hand und stieß endlich der um Hilfe Schreienden und Zusammenbrechenden noch von rückwärts das Messer zwischen, die Rippen. Der letztere Stoß durchbohrte die Lunge, traf das Herz und führte den augen­blicklichen Tod der Aermsten herbei. Das Messer hatte der Mörder zwischen den Rippen sitzen lassen. Den herbeigeeilten Leuten gab er sich widerstandslos gefangen und erklärte ausdrück­lich, er habe jetzt erreicht, was er beabsichtigt. Er sei mit dem ausgesprochenen Zweck von Selb hierher Mreist, seine treulose Geliebte zu ermorden.

* Paris,. 14. Juni. Gestern fand in Mont- pellier eineBonlangistische Kundgebung, statt. In einer ans ungefähr tausend Personen be­stehenden Versammlung wurden nämlich: die elf Mitglieder des Gemeinderats der Stadt welche sich geweigert hatten, eine Adresse an den Ex­minister zu unterzeichnen, scharf getadelt und zugleich anfgefordert, ihre Entlassung einzu­reichen. Nach der Versammlung durchzog die Menge die Stadt unter den Rufen:Es lebe Boulanger! Nieder mit Ferrh!"

* Paris, 15. Juni. In Grenoble war eine landwirtschaftliche Ausstellung, bei der Tisse- rand, Direktor der Landwirtschaftim Ministerium,, eine bedeutsame Rede hielt. Er sagte u. a, über die Krisis in den französisch» Landwirt­schaft : Es konnte ja nicht anders sein, nach­dem das Land 1 MiÄ. Hekt. Weinberge durch die Phylloxera verloren hat und nur Vs Will. Hekt. mit Mühe und mit einem, Aufwand von 500 Mill. Frs. wiederherstellen konnte. Es konnte nicht anders sein, nachdem die jährliche Weinproduktion Frankreichs um 500 Mich Frs. abgenommen hat, nachdem die Pflege des Maul-

Kaus und Wett.

Novelle von Gustav Höcker.

(Fortsetzung.)

Das aies erwog der Pastor in seinen Gedanken, aber er hütete sich wohl, es ausjusprechen. Er war ja Rer nicht in seinem Pfarrdorfe, wo er die Pflicht hatte, derartigen hochmütigen Anschauungen, wenn sie ! on einem Gliede seiner Gemeinde ausgegangen wären, mit der ganzen Wucht seiner Autorität entgegen zu treten. Er befand sich in dem gast­freundlichen Hanse des von ihm hochverehrten Hofcats, dessen Einfluß seinem Sohne, seinem hoffnungsvollen Eduard, einst die Laufbahn des Staatsdieners ebnen sollte. Er hatte es mit den liebenswürdigen Freun- dinnen seiner Tochter zu thun, denen er durch keinen ernsten Widerspruch die Laune verderben wollte. Daher beschränkte er sich auf ein leichtes Stirnrunzeln oder Achselzucken, was eben so gut nusdrücken konnte, daß er eben ganz auf Seiten Valentiucs oder Marthas stehe, und wußte durch eine geschickte Wendung das Gespräch bald auf ein anderes Thema zu lenken.

Noch an demselben Tage reiste Pastor Weihrauch wieder nach seinem Dorfe zurück und überließ Betty der Obhut der Hofratsfamilie.

Wir haben freilich gesagt, daß ein bevorstehendes Fest Betty in die Residenz gelockt habe; wenn wir sie aber in dem traulichen Fremden­zimmer belauschen, in welches sie sich soeben zurückgezogen hat, so können wir uns kaum des Verdachtes erwehren, daß die Residenz und speziell dieses ihr längst rertrcute Zimmer auch doch noch einen anderen Anzie hungspunkt für das holde Kind bietet. Da steht sie am Fenster, vor­sichtig geborgen linier dem Vorhänge, und späht mit rosig verklärtem Antlitz hinaus. Sie hat kein Auge für den reizend angelegten Garten, der sich geradezu unter ihrem Fenster ausbreitet und zu der Brambach­

scheu Wohnung gehört; vielmehr gelten ihre Bl cke aem prosaischen Hofe daneben, auf welchem Bretter zu hohen Pyramiden aufgespeichert sind und neu angestrichene Tische. Stühle, Schränke, Komoden neben unheim­lichen schwarzen und braunen Särgen zum Trocknen bunt durcheinander stehen. Und kein anderer, als der junge Mann m der blauen Blouse, welcher da drüben so kräftig seinen Pinsel führt, ist der Gegenstand ihrer träumerischen Versunkenheit. Es ist die erste unschuldige Liebe eines halben Kindes, die nicht nuch Rang und Stand fragt. Die blauen Augen des jungen Mannes haben ihr's angethan. Es liegt etwas in seinem Wesen, von dem Betty sich gebannt fühlt, ohne daß sie sich's selbst erklären kann, und dazu klingt seine Stimme und die reine nord­deutsche Aussprache wie Musik in ihren Ohren. Ewald Klaußnec aber hat keine Ahnung davon, daß die jugendliche Freundin der Hofrats­töchter ihn liebt. Es würde ihn auch ziemlich kalt lassen, wenn er es wüßte; er betrachtet sie noch immer als ein Kind und für ihre zärtliche Neigung hat er keinen Raum in seinem Herzen, denn dieses pocht und fühlt nur für Martha.

Nicht immer war cs so; obwohl er von jeher Marthas Schönheit bewunderte, so galt ihm der Standesunterschied doch als eine unüber- steigliche Schranke. Er verehrte sie mit unbefangenem Sinne und sie vergalt ihm dies damit, daß sie in gedankenlosem, übermütigem Spiele eine hoffnungslose Leidenschaft in ihm entfachte, von deren Tiefe sie selbst noch keinen Begriff hatte.

Der junge Mann war vor ungefähr vier Jahren in der benach­barten Tischlerwerkstatt des Meisters Lindemann als Geselle eingetreten und hatte sich durch Geschicklichkeit und Fleiß dessen Achtung und Wohl­wollen erworben. Meister Lindemann arbeitete schon seit einer langen Reihe von Jahren für den Hofrat, dessen gesamtes Mobiliar aus seiner Werkstätte hervorgegangen war, und setzte nicht nur eine Ehre