er auf den vorschnellen Gedanken eines Ueber- falls kam. Lutz ist nämlich am 22. Dez. 1884, als er ans dem Heimwege nach seiner in Anßer- sihl gelegenen Wohnung begriffen war, von Strolchen überfallen und sehr schlimm zngerichtet Worden. Er erhielt Messerstiche und litt sehr lange an den erhaltenen Verletzungen. Seit jener Zeit trug er, wenn er abends ausging, einen Revolver; auch wird behauptet, daß er seit jenem Vorfall nervös sehr erregt war. Der Vorfall beweist, wie gefährlich das Tragen von Waffen und wie nahe liegend die Gefahr ist, daß einer, der sich im Besitze eines Revolvers weiß, in der Uebereilnng oder in einem Zustande mangelnder Erkenntnis der thatsächlichen Umstände von der Waffe einen für ihn und andere verhängnisvollen Gebrauch macht.
Paris, 3. Mai. Boulanger hat den Militär-Lieferanten den Eintritt in die Forts verboten.
' Paris, 4. Mai. Die angekündigte große antideutsche Manifestation, welche anläßlich der Aufführung des „Lohengrin" geplant war, ^ 2 " hat vollständiges Fiasko gemacht. Anstatt der ' ' ' ^ „Tausende von Patrioten", welche die Vorstcl-
'''§?» lung verhindern sollten, haben etwa hundert ' ' '2 rr Personen während der Dauer der Vorstellung ' ' ' ^ r» und nach Schluß des Theaters verschiedentlichen ' ' '8 ^ kindischen Ulk getrieben. Dieselben wurden dabei i ^ „ von der Polizei leicht im Schach gehalten. Die
> 8 E Vorstellung endete gegen ein Uhr ohne Zwischen- ^ fälle und fand großen Beifall. Die Darsteller wurden wiederholt gerufen.
I ^ Pari s, 4. Mai. Nach dem „Temps"
. fl!. sind am vorigen Sonntag inBelso r t deutsche o > Studenten oder Kauflente ans Freibnrg i. Br.
->- oder Stuttgart auf der Promenade von Pöbel-
, Hansen umringt worden aus keinem anderen fl-" Grunde, als weil sie Deutsche waren. Sie Vs - wurden, um ihren feindliche Manifestationen . ^ ^flflzn ersparen, von der Gendarmerie an den Bahn- . . Hof gebracht.
- ^ (Melenit.) Dieiüngste Nummer der „Chem.
-' - Ztg." schreibt aus Paris: Seitdem Berthe-
' ' - - lot erklärt hat, daß die Explosion von Belfort
- ' - I > durch die chemische Reaktion zwischen dem Me-
- ' Lz > j Unit und dem Einflüsse der Feuchtigkeit hervor-
' ' gerufen wurde, fürchtet man in den maßgebenden
- ' Kreisen, daß die seit etwa sechs Monaten ge-
! füllten Bomben ebenfalls plötzlich durch dieselbe
^ Ursache explodieren könnten. 'Um weiteren ähn-
« « ! Z i lichen Katastrophen vorzubengen, wurde Befehl
gegeben, sämtliche mit Melinit gefüllten Bomben i zu zerstören und die Melinitsabrikatiou bis auf
! weiteres bedeutend zu beschränken, was nament-
! lich in der > 2 alpetersäuresabrikation d,r chemi-
! scheu Großindustrie sehr fühlbar werden wird,
! oder schon geworden ist. Es ist zu rügen, daß
hauptsächlich unterlassen wurde, gründliche Vor- ! versuche mit dem Melinit in verschiedener Richtung anznstellen, bevor inan zur Fabrikation in so großem Maßstabe und zur Füllung von Bomben, welche zur Aufbewahrung bestimmt waren.
schritt. Die Staatskasse war zu dieser Fabrikation schon für 50 Millionen Frcs. engagiert.
* Paris, 5. Mai. Bei der heutigen Wiederholung des „Lohengrin" beabsichtigen die „Patrioten" die am Dienstag mißlungene Manifestation gegen Deutschland im großen Maßstabe anszuführen. Angeblich soll dazu die Mitwirkung einer großen Zahl von Studenten gewonnen sein.
' Paris, 5. Mai. Der Direktor des Eden- theaters hat mit Rücksicht auf die Vorkommnisse bei der ersten Ausführung des „Lohengrin" die Wiederholung der Vorstellung bis auf weiteres verschoben.
^ Brüssel, 4. Mai. Die Kommission der Deputiertenkammer nahm die Vorlage über die Maas-Befestigung an.
* Petersburg, 1. Mai. Bei dem Prozeß gegen die Attentäter vom 13. März hielt, wie „Daily News" berichten, der Angeklagte Uljanoff, Sohn eines hohen Beamten, eine Rede, worin er ansführte, er und seine Freunde fürchten den Tod nicht, denn ein Mann von Ehre und Gewissen wisse den Tod für's Vaterland zu erleiden. „Meine Absicht war, zur Befreiung des unglücklichen russischen Volkes beizntragen, und nach mir wird es noch Hunderte von Jünglingen geben, welche handeln wie ich; das wird den Zaren schließlich nötigen, das Regierungssystem zu wechseln." Der mitangekl. Theologe Noworusski war vor seiner Verhaftung ein Liebling des bekannten Pobedonoszew. Der Angeklagte Pilsuski ist der Sohn des Adelsmarschalls des Gouv. Willna, wo sein Vater 30000 Wa, Land besitzt. Der Student Oissi- panoff sagte: „Jeder muß bereit sein, sich für das gemeine Beste zu opfern, und für die Freiheit des armen Volkes zu sterben. Ich wollte zuerst den Zaren mit einem Revolver erschießen, später erst beschlossen wir, die Bomben anzuwenden, die sicher zum Ziel führen." Es sind das traurige Zeichen der Hartnäckigkeit, womit diese Nihilisten ihre verbrecherischen Pläne verfolgen.
* Petersburg, 3. März. Nach einer Meldung der „Daily News" aus Odessa ist dorr eine Druckerei der Nihilisten entdeckt und im Zusammenhänge damit sind 32 Personen verhaftet worden.
* Petersburg, 3. Mai. In hiesigen wohlunterrichteten Kreisen glaubt man weder an den Rücktritt v. Giers noch an die Abberufung Schnwalows.
* Sofia, 3. Mai. Die Einberufung der kleinen Sobranje steht für Mitte dieses Monats bevor. — Der Kriegsminister wird Kriegsmaterial im Betrage pou 10 Millionen Francs an- kausen. Das Heer soll mit Ncpetiergewehren nach dem System Mauser ausgerüstet werden.
Handel und Verkehr.
* Alte «steig, 6. Mai. Der Handel auf dem Viehmarkt am letzten Mittwoch war ein
äußerst flauer und die Preise sind wieder etwas zurückgegangen; u. a. wurde ein Paar Ochsen mit 37 Ztr. lebend Gewicht zu 738 M. 47 Pfg. verkauft. — Auch die Schweine waren billig zu haben; Milchschweine kosteten 16—20 M., Läufer 30—60 M. per Paar.
* Oberndorf a. N., 3. Mai. (Viehmarkt, j Der hier stattgehabte Vishmarkt war ziemlich gut befahren. Obwohl viele Händler da waren, war doch der Handel mit Stieren sehr flau. Dagegen war starke Nachfrage nach Klein- und Lchmalvieh, welches, dank der guten Maiwitterung, zu festen Preisen lebhaft erhandelt wurde.
* Aalen, 2. Mai. (Viehmarkt.) Der heutige Mm kt war ziemlich schwach befahren, es wurden gegen 400 Stücke meist gut genährtes Vieh zugeführt. Der Handel gieng bei etwas sinkenden Preisen zu Anfang flau, wurde aber später reger, hauptsächlich beim Nutz- und Zugvieh. Bezahlt wurde: für 4 Paar Ochsen 600—750 M., Stiere 400—500 M., 1 Kuh 150—300 M.
* Crailsheim, 4. Mai. (Mehmarkt.) Der gestrige Viehmarkt war sehr stark besucht. 263 St. Vieh waren zngeführt. Preis war für einen Ochsen 280—470 M., für einen Stier 160—310 M., für eine Kuh 175—253 M. und für 1 Kalbel 68—255 M.
Buntes Allerlei.
* (Uhland — ein „staatsgefährlicher Verbrecher.") Bei der Uhlands-Feier in Frankfurt a. M. wurde eine Thatsache erwähnt, die wohl nicht so allgemein bekannt ist, wie sie es verdiente. In dem 1856 in Dresden erschienenen „Schwarzen Buche" war Uhland als „staatsgefährlicher Verbrecher dritten Grades" der Polizeiaufsicht empfohlen. Damals erschienen in dein von Theodor Creizenach redigierten „Frkf. Museum" folgende Verszeilen an Uhland:
„Du grauer Sänger ruhmbedeckt,
Den alle Deutschen lieben.
Bist als gefährliches Subjekt Jn's schwarze Buch geschrieben.
Doch dir gereicht dies Angebind'
Am Wenigsten zum Tadel,
Gefährliche Subjekte sind Jetzt unser bester Adel."
' (Ein vorsichtiger Onkel.) Diener: Gnädiger Herr, Ihr Neffe ist da und verlangt dringend eingelassen zu werden! — Der kranke Onkel (energisch): Um keinen Preis der Welt! — Diener: Ja, aber weshalb denn? — Der Onkel: Ich bin krank, er ist mein Neffe, mein Erbe und nebenbei auch Arzt!
* (Warum sich Herr Zipferl die Fremdwörter nicht abgewohnt.) „Herr Zipferl, erlauben Sie mir eine Frage: Zn was legen Sie denn von Zeit zu Zeit ein Geldstück auf den Tisch? Sie haben da schon ein hübsches Häufchen beisammen !" — „Das thu' ich von wegen der Fremdwörter! Wissen S', ich Hab' die Untugend, daß ich beim Disknrieren — sehen S', schon wieder — stets so viele Fremdwörter mit hineinbring', daß ich mir vorgenommen Hab', um mir das abzugewöhnen, jedesmal fünf Pfennig' Straf' zu zahlen!" — „Ah, sehr gut das — dabei verbinden Sie gewiß einen wohlthätigen Zweck?" — Dös is g'wiß — dös versauf' 'ch extra wieder vor'm Heimgch'n!"
Verantwortlicher Red.: W. Rieler, Ltrensteig.
„Nun, du Schneemann!" begann der erstere; „als mein Hochzeitstag war, mochte i v ein anderes Gesicht ... Die Versicherung kann ich dir geben! — Was ist dir eigentlich? ... willst du nun bald reden?"
Gilbert machte einen Versuch dazu, aber er brachte kein Wort Aber die Lippen
„Du ängstigst mich!" fuhr der Alte fort; „sprich! ... ich b - fehle es dir!"
Der Sohn machte eine gewaltige innere Anstrengung.
„Wohlan de: n!" s gre er, „es muß ja auch geschehen ! . . . diese Nacht also ... die Freude und das Glück batten mich kein Auge schließen lassen, und ich war des! alb in den G ilten hinabgestieqen, um die frische Luft um meine brennenden Stläfe spicken zu lassen . . . diese Nackt also ..."
„Nun! . . . nun!' diängte Loriot, als der andere innehielt.
„Sah ich Nützlich eine dunkle Gestalt vor mir auftauchen, die in gebückter Stellung gestanden haben mußte ... es ist auch möglich daß er mich ni.rt geiestn . . jedenfalls aber verbarg er etwas unter seinem Nock und lief der Mühle zu . .
„Hast du ihn nicht erkannt?" fragte Loriot.
„Nein, deshalb folgt ich ihm eben... er verschwand in der Mühle. . . öffnete eine Thür . . . und beim Scheine eines Lichtes das er angezündet . ,
„Schweig'!... schweig'! Unglücklicher!" unterbrach ihn der Müller
„Weshalb zitterst du. Vater?
„Ich? . . . zittern? . . . weshalb denn? . . . doch weiter . . . weiter!"
„Warum weiter, da Ihr mich bereits verstanden babt?"
„Weiter!" üöhicke Loriot, „ich will es! . . . weiter! . . . weiter!"
„Gut denn!" entgegnete Gilbert, „durch das Schlüsselloch gewahrte ich deutlich, wie Ihr . . . Geld zähltet . . . o! wenn ich hundert Jahre
alt würde, ich würde niemals diele Augen vergessen . . diese entsetzlich gierigen Avg n und den fast teuflischen Ausdruck Eures Gesichtes, als Ihr Stück für Stück auf die Tisckvlatte klingen ließet . . . ih erschrak vor Euch, Vat r ... ich bekam beinahe Abscheu vor Euch."
Der Müller hielt beide Hände vor das Antlitz und erwiderte kein Wo-t.
„Vergebt mir, Vater!" fubr Gilbert mit schmerzlichem Tone fort; „^ergebt mW, denn ich leide vielleicht wehr, indem ich die Dinge aus- spreche, als Ihr Schmerz empfindet, st: zu hören."
„Du spü st mir also nach?" fragte Loriot nach einer Welle, und so leise, daß es kaum zu verliehen war.
„Das heißt nicht nachspüren, Vater" entgegnete Gilbert, „wenn man die Absicht hat rielle cht eine gute That ins Lebe« zu rasen."
Der alte Müller r nuckle die Stirn.
„So weck ist es gekommen," sagte er; „die Kinder geben heutzu. tage den Elte.n gwe Lehren."
„Ich mag unrecht gethan haben, Vater," fuhr der junge Mann fort; „a er ich bitte dich jetzt demütigst uns inständigst, gieb dem Fräulein von Cbateauneuf ihr Eigentum zurück."
„Aha!" fuhr der Meister aust „lo kommt cs heraus. Die reiche Nitgilt steckt dir in der Nase . . wie?"
Der Sohn zuckte verächtlich mit den Achseln
„Und wo ist denn bas Unrecht?" fragte Lori t weiter, „wenn ich, dein Vater, dir ein Vermögen aufbewahrt, das dir, als RNes Gat en, gehört?"
„Ich bin noch nicht ihr Gatte," entgegnete der So n; Role it vollkommen frei, gib ihr das Vermögen zurück, und wenn sie mich daun abermals wählt. . "
„Wenn sie diy nun aber nicht wählt," unterbrach ihn Loriot; „wenn sie dich nicht wählt, Unglücklicher?" (Forts, folgt.)