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belgischen Truppen, ruhmvoller Vergangenheit getreu, in diesem gewaltigen Verbände allezeit mit Ehren bestehe« mögen, hat ostmal» da» be­geisternde und aneifernde Wort de» König» gegolten, wenn Er bei feierlichem Anlaß in die Mitte Seiner jungen oder alten Krieger ge­treten ist. Auch der deutschen Kriegsflotte ist der König mit warmer Begeisterung zugetan, wie Sr denn einst selbst bezeugt hat, wie stolz Er gewesen sei, einem ihrer mächtigen Linien­schiffe den Namen Seine» Heimatlande» bei­legen zu dürfe». Diese gut deutsche, vater­ländische Gesinnung de» König» ist auch nicht ohne Widerhall im Reiche geblieben. Der Kaiser hat vor bald zehn Jahre« die Freundschaft ge­rühmt, mit der der König zum Heil de» gemein­samen deutschen Vaterlande» jederzeit neben ihm gestanden, und beim 60. Geburtstag Seiner Majestät haben wir wahrnehmen dürfe», daß weithin im Reiche man mit hoher Wertschätzung und Verehrung auf den württembergischen Herrscher blickt.

Die Königin steht Ihrem hohen Gemahl in vaterländischer Gesinnung nicht »ach. Haben wir Sie doch einst bei der 25jährigen Wieder­kehr der großen Siege»- und EinigungStage und »och manchmal später an Stelle de» in Berlin an der Seite de» Kaisers weilenden Herrscher» den Vorbeimarsch der Truppen und der alte» Krieger abnehmen sehen. Vor allem aber ist Ihre Majestät mit Ihrer neue« Heimat, dem schwäbischen Lande innig verwachsen. Dem König eine treue, verständnisvolle Gefährtin, seinem jungen Töchterche« einst eine treubesorgte neue Mutter, und heute seine Enkel mit zärtlicher Liebe umfassend, desgleichen Ihren Geschwister», die sich zum Teil mit Gliedern de» Königshauses verschwägert habe», in großer Anhänglichkeit zu­getan, ist Ihre Majestät der Mittelpunkt de» innigen Familienlebens im Königshause. Aber auch im Lande ist die Königin viele« Viele» geworden. Auf allen Gebieten der Wohltätigkeit und der helfenden Nächstenliebe, der Kranken­pflege, der Jugenderziehung ist Sie in den Bahnen Ihrer hohen Vorgängerinnen fort­geschritten und hat die Erweiterung und Ver­vollkommnung de» Bestehenden wie seine Er­gänzung durch neue Schöpfungen mit Hingebung gepflegt und gefördert. Nicht minder dem geistigen und künstlerischen Lebe» mit Eifer und Verständnis zugetan, steht Ihre Majestät dem Königlichen Gemahl auch in dem Bestrebe« zur Seite, Württembergs Hauptstadt ihre Bedeutung als eine» der Mittelpunkte deutschen Geistesleben» zu erhalten.

Wilhelm und Charlotte manche segensreiche Stätte- manch bleibende» Denkmal, manche bedeutsame Einrichtung, manche hoch­

willkommene Stiftung im Lande wird Ihre Namen noch in ferner Zukunft in die Erinnerung rufe». In den Herzen der Lebende» steht ohnehin die Verehrung, die Dankbarkeit und Liebe gegen da» hohe Jubelpaar festgegründet, und überall, wo Württemberger im Reich oder selbst im Ausland sich zusammengefunden haben, mischt sich gegenwärtig ihr freudiger Ruf mit de» tausendfältigen Stimmen der Heimat. Doch an solchem Tage ziemt sich nicht eitel Rühmen zu Ehren de» Herrscherpaars. Der König selbst hat jüngst an seinem Geburtstag demütigen Sinne» bekannt:Wie soll ich dem Herrn ver­gelten alle Wohltaten, die Er an mir tut". Möge denn Gott dem König und der Königin »och lange Jahre gemeinsamen Lebensglück» und gesegneter Regierung vergönnen, möge er KönigS- hau» und Land mit einander segnen für und für, auf daß es jeder Zeit heiße:

Hie gut Württemberg allweg!

Tagesnenigketteu.

Stuttgart 6. April. (Zum König«- fe st.) Zur Beglückwünschung des Königspaare» find am Samstag Einschreibbücher im alten Schloß aufgelegt.

Stuttg ar 1 6. April. Der Vorstand und die Vertrauensmänner de« sozialdemokr. Verein» haben sich »ach einer Erklärung in der Schwäb. Tagwacht" wiederholt und eingehend mit dem Blumenverkaufstag am 8. April be­schäftigt. Sie erlassen nunmehr, da sie diese Veranstaltung al» eine Demonstration der bürgerliche« Parteien für die monarchische Staatsform und als einen Mißbrauch de» Wohl- tätigkeittfinn« der Bevölkerung zu politischen Zwecken ansehen, an die gesamte Arbeiterschaft die Aufforderung, vom Kauf der Blumen ab­zusehen. Der Beschluß hat bereit» scharfe Verurteilung gefunden. DerMerk." äußert sich dahin, daß die Sozialdemokratie sich wieder einmal gründlich blamiert habe, da» sei da» all­gemeine Gefühl gegenüber dem Oberwächter des sozialdemokratischen gute» Ton». DasDeutsche Volksblatt" bemerkt, daß der Blumentag eine Sache des gesamten Volkes ist und auch dem gesamten Volk zugute kommen soll die sozial­demokratischen Armen und Bedrängten nicht ausgeschlosse» mit der Politik habe die Sache rein gar nicht» zu tun. Arhnlich äußert sich auch derBeobachter".

Herrenberg 6. April. Bei einer Hoch­wildjagd in dem an da» Königliche Schönbuch­jagdgebiet anstoßenden Herrenberger Stadtwald wurde im Herbst v. I. ei» Jagdgast, Hirschwirt Gauß von Tailfingen, durch eine» anderen Jagdgast, der auf eine« Hirsch schieße» wollte.

getroffen. Die Kugel, ein Witzleben-Flachgeschoß, durchschlug dem Getroffenen den rechten Waden­muskel, war eine längere Erwerb»unfähigkeit zur Folge hatte. Die Verletzung aus Fahr­lässigkeit verursacht zu haben, war der Kaufmann Peter Licht Herz von Stuttgart vor dem hie­sigen Schöffengericht angeklagt, der mit einem Stuttgarter Rechtsanwalt al» Verteidiger er­schien. Der letztere suchte die Schuld an dem Unfall der Jagdleitung zuzuschieben und bean­tragte Freisprechung de» Angeklagten. Da» Ge­richt nahm jedoch entsprechend dem Antrag des Staatsanwalts an, daß der unglückliche Schütze nicht die erforderliche Sorgfalt beobachtet habe und erkannte gegen ihn auf eine Geldstrafe von 20 Mark.

Göppingen 6. April. I» der nächsten Woche werden die Grabarbeiten zum Ban des Krematoriums in Angriff genommen werde». Eine Verzögerung ist deshalb eingetrete«, weil die vorliegenden Pläne zweck« Beschaffung eine» Raums für einen zweiten Ofen wesentlich ab­geändert werden mußte». Mit der Eröffnung de« Betriebs kann bis zum 1. Oktober d». I». gerechnet werden.

Schorndorf 6. April. (Leichtsinniger Schütze.) Gestern mittag gegen 3 Uhr wurde in der Nähe de» Feuersees ein Postunterbeamter durch einen Schuß, anscheinend aus einer Zimmer­flinte, an der linken Seite des HinierkopfeS verletzt. Wäre die Kugel nicht durch den Rand der Mütze aufgehalten worden, hätten leicht schwere Folgen entstehe» können.

Heilbronn 6. April. (Die verun­glückte Musikkapelle.) Der Arbeiterturn­verein in Weinsberg wollte eine Musikkapelle gründen und betraute mit der Leitung den Schreiner Joh. Beck, der dort in Arbeit stand. Beck «ahm da» Geld zum Ankauf der Musik­instrumente, ca. 100 und verduftete damit, wobei er auch Werkzeuge seine» Meisters mit­laufen ließ Er wurde deshalb von der Straf­kammer zu 2 Monaten 10 Tagen Gesäugni» verurteilt.

Heilbronu 6. April. Der verheiratete Provisionsreisende Friedrich Geck von Obermaß­holderbach, wohnhaft in Heilbronn, hatte Feuer­anzünder zu verstellen, wofür er für je 100 Stück als Provision 50 erhielt. Seinem Auftrag­geber übergab er 183 fingierte Bestellungen für die er ca. 100 ^ Provision ausbezahlt erhielt, ohne daß die Besteller aufgefunden werden konnten. Der Angeklagte wurde von der Straf­kammer wegen eine» Verbrechen» de» Betrugs im Rückfall unter Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 3 Jahren zu

ihren leive Jung. Peter und Adolphine markierte» eine stolze, abwehrende Bescheidenheit und Georg lieferte ein sehr wässerige» Bild seine» Bruders. Er ärgerte sich, daß all die junge« Damen, die sich eifrig um seine Gunst bemüht hatten, sich so interessiert nach Ernst erkundigten. Den ganzen Abend gab e» keinen anderen Gesprächsstoff mehr. Auch nachher, während de» Tanze», mußte er immer wieder Auskunft geben. Er wünschte ver­drießlich seinen Bruder in» Pfefferland.

Nach der Tafel hatte sich Großtanting bald zurückgezogen, Bettina wäre am liebsten mit ihr gegangen, aber da» ging leider nicht, da Tante Adolphine wünschte, Bettina bi» zum Schluß zur Hand zu habe». Auch war ihre Tanzkarle gefüllt und sie mußte aushalten.

Sie atmete jedesmal wie erlöst auf, wenn einer dieser Pflichttänze zu Ende war. Die Herren kamen auch alle nicht in Stimmung mit ihr. Bettina merkte ihnen da« Gezwungene an und gab sich sehr zurückhaltend und still. Die Gabe, gedankenlose Phrasen auf den Markt zu bringen, fehlte ihr vollständig. Man fand sie langweilig.

Nur Leutnant von Bühren traf den rechten Ton für sie. War er doch selbst so ei» Stiefkind de» Glück». Und er war mit Bettina» Bruder zusammen im Kadettenkorps gewesen, wußte auch, daß dieser der Arme- leutnantsmisere mit einem Schuß in» Herz ein Ende gemacht hatte. Natürlich sprach er nicht mit ihr über den Bruder, aber Bettina wußte, daß er ihn gekannt hatte. Bei einer früheren Begegnung hatte er es ihr erzählt.

Bühren gegenüber ging Bettina etwa» au» ihrer stillen Reserve heran». Sie plauderte ganz zutraulich mit ihm und er blieb in ihrer Gesellschaft, bi» der nächste Tänzer sie ihm entführte. Auch später ver­plauderte er noch eine Pause mit ihr. Er fühlte sich von ihrer lieblich­ernsten Anmut gefesselt. Al« er sich von ihr verabschiedete entstieg ein Seufzer seiner Brust.

Da» wäre nun mal so ein süße», liebe» Mädel, da» einem gefallen könute. Aber du lieber Himmel, da» wäre ja der Anfang vom Ende. Die

ist ja noch ärmer als ich so etwa» kan» sich unsereiner natürlich nicht leisten", dachte er und suchte de« Gedanken an Bettina zu verbannen.

Diese dachte, ehe sie nach Schluß de« Feste» zu Bett ging, mit einem Seufzer der Befriedigung, daß sie nun in den nächsten Wochen vor Ball­freuden Ruhe hatte.

Aber Herr von Bühren ist doch viel »etter und liebenswürdiger als die andere» alle. Mit ihm kann man doch reden, wie einem ums Herz ist, und er ließ e» mich nicht so merken, daß er nur au« Pflicht­gefühl mit mir tanzte. Fast glaube ich, e» hat ihm wirklich Vergnügen gemacht", dachte sie und legte sorglich da» Kettchen mit dem Türkisen- medaillon in ei« Kästchen. Sie betrachtete es liebevoll und legte ihre Wange schmeichelnd daran, als wäre es Großtanting» liebe Hand.

Ehe sie einschlief, sagte sie plötzlich halblaut vor sich hin:Nun wird Ernst Aßman« bald heimkomme»." Und mit dem Gedanken an ihn schlief sie rin.

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Derverlorene Sohn" sollte heute in» Vaterhaus zurückkehren. Zwar hatte man ihm kein Kalb geschlachtet, aber eine Art Festmahl hatte Frau Adolphine doch Herrichten lassen.

Nicht» an ihr verriet ihre innere Erregung. Nur ihre Wangen brannten etwa» heißer als sonst, und die Auge» hatten einen unruhige», unsicheren Bück. Auch ihrem Tun fehlte die sonstige Stetigkeit. Bettina hatte es heute doppelt schwer. Einmal sollte sie diese» tun und jene« lasten und dann war e» wieder umgekehrt. Dabei war das junge Mädchen selbst in fieberhafter Erregung.

Durch den steten Umgang mit Großtanting war ihr Emst Aßmann eine vertraute Persönlichkeit. Sie hatte fast alle seine Briefe an die alte Dame mit gelesen, hatte seine» Werdegang verfolgt und ihr Herz schlug ihm erwartungsvoll entgegen.

(Fortsetzung folgt.)

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